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Advance Paris X-i 1100 Test Aufmacherbild
Advance Paris hat erneut einen enorm krätigen DAC-Verstärker auf den Markt gebracht. Der X-i 1100 kostet 3.500 Euro bietet dafür aber sehr viel Gegenwert... (Foto: Advance Paris)

Test DAC-Verstärker Advance Paris X-i 1100: lass’ die Zeiger zucken…

Brauchen wir in unserer entschlackten Welt noch VU-Meter auf der Front? Dumme Frage: Der DAC-Vollverstärker Advance Paris X-i 1100 hat welche und meinetwegen könnten sie auch noch größer ausfallen. Denn sie machen deutlich, was er am besten kann: so gut, so herrisch, so ungefiltert zu klingen.

Darf man sich noch „Paris“ im Nachnamen nennen, wenn man einige Kilometer vor den Toren der Stadt residiert? Advance Paris hat keine große Fertigungsstraße auf einem der Boulevards. Das Hauptquartier liegt in Brie Comte Robert. Das ist im Südosten der Hauptstadt, so etwa auf fünf Uhr. Immerhin: Der Flughafen Orly ist um die Ecke. Aber bis zu den Champs-Elysées fährt man mit dem Auto eine Stunde zwanzig Minuten. Alles kein Drama. Hauptsache, man fühlt sich einer der schönsten Metropolen der Welt zugehörig.

In Deutschland hat Quadral den Vertrieb der Elektronik übernommen. Von Hannover aus geht es ins Land. Was Quadral natürlich verheimlicht: Advance Paris ist auch Hersteller von Lautsprechern. Doch die würden am Kerngeschäft der Hannoveraner kratzen. Deshalb kommt nur die Elektronik über den Rhein. Macht Sinn.

Advance Paris X-i 1100 von oben
Der X-i 1100 ist ein Riese. Mit seinen Abmessungen von 43,0 x 21,0 x 42,5 cm (B x H x T) erinnert er an Verstärker-Boliden aus den USA. Entsprechend ist das Gewicht: 21 kg (Foto: Advance Paris)

Der Aufbau des Advance Paris X-i 1100

Ganz frisch im Reigen ist der Vollverstärker Advance Paris X-i1100 aus der Classic Line. Ich wollte ihm nicht allein begegnen, konnte es nicht. Denn hier sind über 20 Kilo aus dem Karton zu hieven. Klingt annehmbar für einen Kraftsportler, aber wir sind halt nur verweichlichte Intellektuelle, deshalb haben wir ihn zu zweit auf das Sideboard gehoben.

Advance Paris X-i 1100 logo
Das Gehäuse ist vorzüglich gemacht: Auch die Gehäusedeckel bestehen aus gebürstetem Aluminium, in welches das Firmenlogo gefräst ist. Klopft man drauf, klingelt nichts. Perfekt! (Foto: H. Biermann)

Und kaum steht der Bolide auf seinem Platz, beginnt eine ästhetische Diskussion. Ist das nun schön? Oder überprotzig? Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Aber vor allem ist der ClassicLine X-i1100 ein Machtwort. Links unten ein kleiner Einschaltknopf, rechts unten die Buchse für die Kopfhörer. Deutlich dicker in der Mitte der kombinierte Multifunktions-Drehknauf.

Advance Paris X-i 1100 Bedienknopf
Am Multifunktions-Regler kann man alles einstellen: Lautstärke und Quelle, aber auch alle Menüpunkte wie Bass, Treble, Balance etc. (Foto: Advance Paris)

Unübersehbar aber zwei mächtige VU-Meter mit zuckenden Zeigern und bläulicher Beleuchtung. Da muss jemand eine ganz große Tüte geraucht haben. Oder er ist eben einfach nur der Produktsprache von Advance Paris gefolgt. Die ist erstaunlich stringent. Die Fronten schimmern mit Kunstglas, blau ist das Erkennungszeichen.

Advance Paris X-i 1100 im LowBeats Hörraum3
Sieht man den X-i 1100 im Einsatz und lässt das bläuliche Flair auf sich wirken, ahnt man, dass womöglich ein amerikanischer Verstärkerbauer mit schottischen Ahnen Designpate war… (Foto: H. Biermann)

Ehrlich gesagt: Ich finde es super. Das ist ein Vollverstärker aus zwei Welten. In der Anordnung wirkt er klassisch, fast altbacken. In der Strahlkraft und den Oberflächen hingegen mutig. Haute Couture und Prêt-à-porter gemeinsam.

Advance Paris X-i 1100 Kante
Die Frontplatte ist abgesetzt. Das wirkt gleichermaßen solide wie edel (Foto: Advance Paris)

Drehen wir ihn um. Holla – hier will jemand etwas. Da ist vor lauter Andock-Möglichkeiten kaum Platz. An die Lautsprecher gehen gleich zwei mögliche Klemmschrauben. Wobei der Output A schon von Haus aus als Doppel für ein mögliches Bi-Wiring vorgesehen ist. Per Cinch kommen wir vierfach hinein. Digital gleich achtfach. Gleich daneben überrascht uns ein echter XLR-Analog-Eingang. Natürlich muss ein Pre-Out sein. Dann noch ein schaltbarer Cinch-Ausgang, der entweder auf Recorder oder Subwoofer geklickt wird. Und ja – es gibt ihn glücklicherweise auch hier – den Phono In mit Erdungsschraube. Leider kann hier kein MC-Signal ausgebeutet werden, aber immerhin das MM-Niveau mit 7mV Ausgangsspannung.

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Advance Paris X-i 1100 im LowBeats Rückseite
Der X-i 1100 bietet alle erdenklichen Eingänge außer Netzwerk und Bluetooth. Dafür aber zwei schaltbare Pärchen Lautsprecherausgänge (A + B) (Foto: Advance Paris)
Advance Paris X-i 1100 Bi-Wiring Anschluss
Ganz selten zu sehen: ein zweites Paar Boxenausgänge bei Output A. Die mit „Pre-Out“ betitelten Cinch-Ausgänge sind laut Bedienungsanleitung für die Kombination mit kräftigeren Endstufen. Aber da wird man wohl lange suchen müssen… (Foto: H. Biermann)
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Advance Paris X-i 1100 im LowBeats Subwoofer
Bei den Franzosen scheinen die optischen Eingänge größte Relevanz zu haben. Es gibt derer vier. Echtes Highres-Audio geht natürlich nur über den USB-Eingang. Ein Pärchen Cinch-Buchsen ist doppelt belegt: als Rec-Out oder als (nicht gefilterte) Subwoofer-Ausgänge (Foto: H. Biermann)

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Advance Paris X-i 1100 Bias
Mit dem High Bias Schalter kann man die Class-A-Wirkweise im unteren Leistungsbereich ausschalten. Das Klangbild verliert dann etwas von der sonoren Wärme, aber die Leistungsaufnahme und die Wärme-Abgabe werden ebenfalls reduziert (Foto: H. Biermann)
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Klar sehen wir aber die Übermacht der digitalen Formate. Wobei Advance Paris zwischen dem klassischen D/A-Wandler und dem USB-Anschluss unterscheidet. Im Maximum werden Raten bis 24 Bit und 192 Kilohertz verstanden. Das aber über einen Burr Brown-Chip PCM1796 bei den Klassikern und einem XMOS bei der USB-Connection. Sinn und Zweck: Beim Anschluss an den Computer wird dessen zumeist schwächliche D/A-Wandlung komplett umgangen.

Doch wie mag der X-i 1100 wohl von innen aussehen? Was bringt ihn zu seinem Gewicht? Die Frage ist schnell geklärt: Insgesamt sechs Kammern teilen sich die Arbeit, in Kammer zwei liegt ein gewaltiger Ringkerntrafo, senkrecht montiert. In Kammer eins ist die Display-Steuerung untergebracht und vollverkapselt. Die Vorstufe liegt direkt an den Eingängen. In der Mitte dann der Basisaufbau des Kraftwerks, die Endstufen selbst liegen symmetrisch an den Außenseiten mit direktem Kontakt zu den Kühlrippen. Das sieht gut aus. So gut, dass man es eigentlich unter durchsichtigem Plexiglas dauerhaft ausstellen müsste.

X-i1100 im LowBeats Test innen gesamt
Die perfekte Ordnung. Der X-i 1100 ist ein klassischer AB-Verstärker mit diskretem Aufbau (Foto: Advance Paris)

Mit was für einem Schaltungskonzept haben wir es eigentlich zu tun? Das ist ein Mix. Es ist nicht selten, viele Ingenieure haben sich darauf kapriziert: im kleinen Level läuft der X-i 1100 als reiner Class-A-Amp, wird jedoch die Kralle und der große Zugriff gebraucht, so springt er in der Class-A/B-Welt. 220 Watt an 8 Ohm, beziehungsweise 400 Watt an 4 Ohm sind so gut wie in allen Fällen ausreichend.

Advance Paris X-i 1100 im LowBeats Netzteil
Das Netzteil des Advance Paris X-i 1100: Ein kräftiger Ringkern-Traf im eigenen Séparée, davor die Netzteil-Kondensatoren und die Kühlkörper mit den Transistoren. Alles extrem solide gemacht, alles für 400 Watt pro Kanal ausgelegt (Foto: Advance Paris)

Genau an dieser Stelle beginnen die Rädchen in unserem Gehirn zu drehen. Was wird das gute Stück wohl kosten? 7.000 Euro? Oder gar 8.000 Euro? Falsch geschätzt, ganz kalt. Die Wahrheit liegt bei 3.490 Euro. Das finde ich erstaunlich human. Für die Wertigkeit, die Eleganz, das Gesamtkonzept. Jetzt müsste nur noch der Klang mitspielen.

Xi1100 Fernbedienung
Ebenfalls im Paket enthalten: die Fernbedienung, die auch andere Advance Paris Komponenten steuert (Foto: H. Biermann)

So klingt der X-i 1100

Beginnen wir mit dem Unerwarteten: einer Schallplatte. Wie gut ist das Phono-Board? Genau jetzt ist der perfekte Moment, um das Portemonnaie zu öffnen. JPC schmeißt legendäre Aufnahmen der Decca heraus. Auf dem Flohmarkt würden wir vielleicht zwei Euro bezahlen. Aber die Klassiker sind leergeräumt. Also gehen wir zum Vinyl-Händler unseres Vertrauens. Der will für eine Erstpressung 20 Euro. Also sind wir mit 15 Euro für eine Neuauflage in 180 Gramm bei JPC sehr gut dabei.

Advance Paris X-i 1100 im LowBeats Hörraum1
Der Advance Paris X-i 1100 im kleinen LowBeats Hörraum. Einer der Abhör-Lautsprecher war die bildhübsche Audio Physic Avanti 35 (Foto: H. Biermann)

Konkret das Violinkonzert von Sibelius. Das ist eine grandiose Komposition. Man könnte schwelgen, man könnte tanzen. Wir sehen das Meer und die Kraniche. Wir werden von einem Klangrausch erfasst. Anfang der 60er Jahre hat die Decca das Ganze mit wenigen Mikrofonen und wunderbarem Drive aufgezeichnet. Die Geige hält Ruggiero Ricci in der Hand. Das London Symphony Orchestra spielt auf, den Taktstock schwingt ein Norweger, kein Finne wie Sibelius, aber immerhin. Die frühen Decca-Aufnahmen haben so wunderbar viel Fleisch auf den Rippen. Da wird nicht gehungert, da gibt es Bodenhaftung und Gewalt. Genau das macht diese Aufnahme so einzigartig. Und genau das stellt die Herausforderung für einen Vollverstärker dar. Er muss Kraft in die Tiefe legen, brachialen Druck, dazu ein helles Fenster schaffen für die Violine und die Rauminformationen.

Violinkonzert Sibelius decca Øivin Fjeldstad
Musik für das große Klang-Bad: das Violinkonzert von Sibelius (Cover: JPC)

Hier war der Advance Paris perfekt unterwegs. Das war der ideale Mix aus Sehnsucht und konkretem Zugriff. Toll, wie die Kontrabässe den Raum von hart rechts okkupierten, klasse, wie die Violine über allem einen seligen Klang in den Sweet-Spot stellte. Ohne Frage brauchen wir die Aufnahme, mit kleinen Fragezeichen nähern wir uns dazu dem Vollverstärker an.

Jetzt wollen wir es wissen und legen einen High-Res-Stream in 24 Bit und 96 Kilohertz an, beschafft bei Qobuz. Vier Namen sollten ausreichen, um die Jazz-Fans in Emphase zu beschleunigen: Joshua Redman, Brad Mehldau, Christian McBride und Brian Blade. Das Quartett hat eine Aufnahme vorgestellt: „RoundAgain“. Das ist Edeljazz in seiner schönsten Breite und Tiefe. Das Saxophon spricht zu uns, das Klavier möchte die Macht übernehmen, das Schlagzeug gibt sich als Diener, der Bass als geheimer Herrscher.

Die Meister sind so alt, dass sie weder Alkohol noch LSD brauchen. Wahrscheinlich genügten einige Tassen Tee, um sie anzutörnen. Super, wie der X-i 1100 ein stabiles Klangbild vor unsere Ohren stellte. Das war scharf in der Definition, ohne hart zu wirken. Elegante Musik trifft auf einen eleganten Verstärker. Hier und da müssen die Membranen beben, insbesondere, wenn das Schlagzeug ausholt und die große Trommel in der Mitte befeuert. Dass muss auf den Punkt kommen, nicht zu weich, sondern knochentrocken. Genau das hatte der X-i 1100.

Als harten Konkurrenten legten wir den Edge A von Cambridge Audio an. Einer unserer Lieblinge, durchaus ein Maßstab britischer HiFi-Kultur. Der Cambridge spielt weicher – oder um das schöne Fremdwort zu gebrauchen: smoother. Die Instrumente haben mehr Körper. Das war klar britischer in der Grundhaltung. Nicht mittenbetont, aber harmonisierend. Der Advance spielt das französische Kontrastprogramm: mit mehr Kraft, mehr Impulsivität. Und: Wer die Trennschärfe sucht, bekommt beim X-i 1100 mehr Kontrast.

Noch ein Vergleich, dieses Mal mit einem Franzosen: Der Atoll In 300 ist ja ebenfalls ein exzellenter DAC-Verstärker und auch eine unserer Referenzen. Von der Tonalität sind sich die beiden Franzosen sehr viel ähnlicher. Es dominiert eine sehr offene, sehr direkte Ansprache. Nichts wird unter den Tisch gekehrt, Impulse werden zelebriert, ein Hieb auf die Snare-Drum quasi direkt am Nachbartisch serviert.

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Der Advance Paris X-i 1100 im Klangvergleich mit dem Cambridge Audio Edge A (Foto: H. Biermann)

Der Atoll bewies sich als der etwas Feinere, der X-i 1100 als der etwas Kantigere, nochmals Kraftvollere, der auch im Tiefsttonbereich noch mehr Wucht entwickelt. Womöglich hört man hier – wie auch gegenüber dem Cambridge – die enorm hohe Leistung des X-i 1100. Denn 400 Watt sinus pro Kanal sind schon eine Menge…

Nochmals ein Blick auf das Preisschild: 3.490 Euro. Das ist nicht okay, sondern ein Kampfpreis. Dafür beben die Membranen, dafür stimmt der musikalische Fluss. Alles ist tendenziell hell. Halt kein Röhrenamp, sondern ein Transistor. Von der präzis-informativen Seite.

Fazit

Hier kommt einiges zusammen: der knackige Sound eines fetten Transistor-Verstärkers, die hohe Auflösung eines ambitionierten DACs und erstaunlich viel stabile Leistung. Der X-i1100 kann wundervoll dynamisch-neutral aufspielen, bei hohen Pegeln aber auch die Krallen ausfahren. Der Musikhörer darf baden, schwimmen, uns aber auch mal kalt duschen. Der eingebaute DAC ist von gleichem herrschaftlichem Anspruch. Auch hier gibt es jede Menge Spielfreude und viel Auflösung.

Mit dem X-i 1100 hat Advance Paris einen beeindruckenden, in allen Belangen „großen“ Flaggschiff-Verstärker vom Stapel gelassen, aber das drangehängte Preisschild erfreulich klein gehalten. Es war von jeher das Credo der Franzosen, möglichst viel für möglichst wenig Geld anzubieten. Mit dem X-i 1100 haben sie diesen Vorsatz besonders gut umgesetzt.

Advance Paris X-i 1100
2020/07
Test-Ergebnis: 4,5
Überragend
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Kraftvoll-präziser, detailreicher Klang
Umfassende Ausstattung mit DAC und Phono MM
Enorm hohe Leistung von 2 x 400 Watt/4 Ohm
Viel Material & Leistung für’s Geld

Vertrieb:
Quadral GmbH & Co. KG
Am Herrenhäuser Bahnhof 26
30419 Hannover
www.advance-paris.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Advance Paris X-i 1100: 3.500 Euro

Im Test erwähnt:

Erster Test: Vollverstärker Cambridge Audio Edge A
Test Atoll IN 300: DAC-Amp mit Kraft und Feindynamik

Mehr von Advance Paris:

Test Streaming-Amp Advance Paris MyConnect 150

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.