Was Dynaudio auszeichnet? In meinen Augen sind es die kompakten 2-Wege-Konstruktionen. Nicht, dass die Dänen keine Standboxen bauen könnten. Doch, doch: Auch die sind in der Regel exzellent. Aber die Kompaktboxen – und zwar quer durch alle Preisklassen – sind tatsächlich außergewöhnlich und ja auch weltweit bestens beleumdet. Für alle gilt: Sie könnten immer ein Tick dynamischer klingen. Aber dieses ungewöhnlich harmonische Zusammenspiel von Hoch- und Tiefmitteltöner (was zu einer hoch authentischen Wiedergabe führt) ist eine eigene Welt. Und zu dieser Welt gibt es nun einen neuen, gar nicht so teuren Zugang. Die Dynaudio Emit 10 ist aktuell das kleinste und günstigste Modell der Dänen, doch wenn man sie hört, käme man nie darauf, dass dieser Kompaktlautsprecher gerade einmal 730 Euro kostet…
Das Konzept der Dynaudio Emit 10
Die Emit 10 hatte eine Vorgängerin: die Emit M10. Auch diese 2-Wege-Box hatten wir lange Zeit in der Redaktion und sie machte uns in dieser Zeit viele Freude. Im Vergleich zur “alten” Emit M scheint das Gehäuse der neuen Emits etwas reduziert zu sein: Statt noblem Lack ist das Gehäuse der aktuellen Serie mit einer robusten Folie (schwarz oder weiß) bezogen; lediglich die Schallwand ist lackiert und bekommt durch minimal gerundete Fasen unten und oben einen gewisse “Leichtigkeit” im Auftritt.
Aufgebaut ist der Korpus der neuen Emit 10 mit MDF-Platten (Stärke: 20 mm), die eine ausreichende Festigkeit mitbringen. Das Gehäuse zeigt keine Schwächen, ist aber in dieser Preisklasse nur Durchschnitt. Anders sieht es bei der technischen Bestückung aus. Der 14 Zentimeter durchmessende Tiefmitteltöner hat die Dynaudio-typische (hochdämpfende) MSP-Membran sowie – ganz Dynaudio-untypisch – sehr viel Magnetmaterial.
Der Star des Ensembles aber ist fraglos der neue Hochtöner, der auch die eigentliche Motivation zur Entwicklung der neuen Emit-Serie gewesen sein dürfte. Er trägt den Namen Cerotar und zählt mit zum Besten, was die Dänen je im Hochtöner-Portfolio hatten. Und das soll was heißen: Immerhin basiert der legendäre Dynaudio-Ruf aus den letzten 40 Jahren vor allem auf ihren exzellenten Hochtönern, die seit jeher im dänischen Stammhaus entwickelt und produziert werden.
Über den neuen Cerotar Tweeter haben wir schon an verschiedenen Stellen intensiver berichtet. Deshalb hier die Vorzüge der neuen Hochtöners nur in Kurzform: Zum einen hat Dynaudio jetzt hinter der Gewebekalotte eine Art Stabilisator eingebaut. Die sogenannte “Hexis-Innenkuppel” sorgt wohl für eine bessere Verwirbelung des nach hinten abgestrahlten Schalls und reduziert dadurch Vibrationen. Zum anderen wurde eine Art Sackgasse für die rückwärtig abgestrahlte Energie entwickelt, in der sich der Schall totläuft. Beides Maßnahmen, die den Cerotar zu einem außergewöhnlich guten Hochtöner machen. Und dass er dank Emit 10 (und Emit 20) jetzt in der Liga für unter 1.000 Euro zu haben ist, kann man durchaus als Fortschritt für diese Klasse bezeichnen.
Getrennt werden Tiefmittel- und Hochtöner von einer denkbar einfachen Frequenzweiche: 12 dB Flankensteilheit für den Tiefmitteltöner, 6 dB für den Tweeter. Diese “flachen” Filter gehören quasi zur DNA der dänischen High End Schmiede. Die Entwickler versprechen sich davon eine hohe Impulstreue. Der Nachteil: Obwohl die Trennfrequenz mit 3.700 Hertz ziemlich hoch liegt, bekommt der Hochtöner selbst bei einer Oktave darunter (also 1.850 Hz) die nur um 6 dB abgemilderte Energie ab – was er, wie die Messungen ahnen lassen, gar nicht so gut verträgt…
Praxis
Betrachten wir zunächst einmal die Schokoladenseite der Emit 10. Das ist in jedem Fall das Impedanz- und Phasenverhalten der kleinen Dynaudio, welches auch für kleinere Verstärker gut verträglich ist. Dadurch sind Kombination mit fast allen Verstärkern am Markt möglich – super.
Die LowBeats Pegelmessungen aber offenbaren eine echte Schwäche: Schon bei vergleichsweise geringen Pegeln um 90 dB (bei einem Meter Abstand) zeigen sich deutliche (und leider gut hörbare) Verzerrungen um 1.500 Hertz. Steigert man die Lautstärke, werden auch die Verzerrungen hier immer hörbarer. Konsequenz: Schon die bei LowBeats üblichen Standard-Pegelmessungen von 94 dB schafft die kleine Dynaudio nicht mehr; der maximale Pegel liegt bei etwa 95 dB. Das ist selbst für Lautsprecher dieser Größe relativ wenig.
Man könnte jetzt versuchen, herauszufinden, ob der Tiefmitteltöner in diesem Bereich überfordert ist oder (die wahrscheinlichere Variante) der Hochtöner wegen des sehr flachen 6dB-Filters bei einer Oktave unter der Übergangsfrequenz einfach noch zu viel Energie bekommt. Dazu müsste man beide Treiber einzeln vermessen. Diesen Aufwand haben wir uns geschenkt, denn am Ergebnis ändert die genaue Zuordnung ja nichts: Man kann mit der Dynaudio Emit 10 wunderschön Musik hören – nur einfach nicht sehr laut. Es ist aber die einzige Einschränkung, die ich an der Emit 10 gefunden habe.
Aus der geringen Pegelfestigkeit leiten sich zwei Erkenntnisse ab: Erstens: Der Raum, in dem die Dynaudio Emit 10 spielen, sollte nicht allzu groß sein, der Hörabstand ebenfalls nicht. Unsere Empfehlung lautet daher: maximale Raumgröße kleiner/gleich 16 Quadratmeter, Hörabstand unterhalb 3 Metern. Die Größe der Emit 10 dürfte die Besitzer dazu verführen, dass man sie wie auf dem Foto platziert: auf dem Sideboard. Kann man machen. Aber auf einem Ständer mit etwas mehr Abstand zur Rückwand klingt sie noch etwas räumlicher.
Zweitens: Da man mit der Emit 10 eh nicht so laut hören kann (eine Zuführung von hoher Leistung also sinnlos ist) und sie ein ausgesprochen Verstärker-freundliches Impedanz- und Phasenverhalten zeigt), kann man auch kleine, edle Amps anschließen. Der traumhaft klingende “Einsteiger-Verstärker” Rega Io wäre so ein Kandidat. Oder der Mira Ceti von Fezz Audio, ein 300B-Röhrenverstärker mit nicht einmal 10 Watt pro Kanal. Letztendlich haben wir in den letzten Wochen fast jeden Verstärker aus dem LowBeats Referenzregal mal angeschlossen – und immer klang es hinreißend.
Der Hörtest
Es gibt Lautsprecher, mit denen fühlt man sich beim ersten Ton wohl. Nach dem Einspielen startete ich den ersten Hördurchgang mit Stimmen. Die üblichen Verdächtigen Hans Theessink, Sean Rowe, Nina Hagen mussten ran und ich dachte sofort: Ja genau. So muss es klingen. Die Emit 10 brachte nicht nur eine schöne Wärme in die Stimmen, sie zog auch eine enorme Vielfalt an Details aus den Aufnahmen – und zwar ohne jegliche Vordergründigkeit. Noch nie in dieser Klasse habe ich Gitarren- oder Harfensaiten so fein, so körperhaft und authentisch ausklingen hören. Der harte Schlag auf ein Becken: Der Impuls kommt nicht aberwitzig dynamisch (das können andere besser), aber das Ausschwingen ist so nachvollziehbar fein, so genau und so reich an Klangfarben.
Und dann gibt es Aufnahmen, die scheinen für gewisse Lautsprecher gemacht zu sein. Das extrem stimmungsvolle, sehr entspannte und neue Album der Kings Of Convenience (Peace Or Love) klang über die Dynaudio Emit 10 am 300B-Fezz Audio Röhrenverstärker Mira Ceti so traumhaft schön, dass ich mich zu einem Rundruf bei den Kollegen gezwungen sah. Hat einer Zeit? Bitte unbedingt vorbeikommen. Kollege Jürgen Schröder hatte nach den Messungen schon einen guten Klang der kleinen Dynaudio vermutet. Er kam vorbei, setzte sich zu mir aufs Sofa und war genauso verblüfft: “Und die Kleine kostet nicht einmal 1.000 Euro?”, fragte er. “Um genau zu sein: 730 Euro”, antwortete ich. “Boh, gibt’s doch nicht”, sagte er.
Die Kings Of Convience passen nicht nur vom gesetzten Temperament bestens zur Dynaudio. Es ist auch beeindruckend zu hören, wie präzise die kleine Kompaktbox die Sänger und ihre Instrumente in den Raum modelliert. Das war alles so plastisch und die Genauigkeit in der Höhe ließ uns nur noch staunen.
Hätte mich vor dem Emit-10 Test jemand nach der besten audiophilen Kompaktbox dieser Klasse gefragt, ich hätte reflexartig auf die B&W 607 SE AE (Paarpreis: 600 Euro) verwiesen, die seit Monaten die Preisklassen-Referenz stellt. Die kleine Britin spielt ausgewogen, quicklebendig wie transparent und ist zudem erfreulich pegelfest. Und erwartungsgemäß rockte die B&W auch um einiges lauter. Aber bei Normalpegeln war der Unterschied frappierend. Die Dynaudio putze die einzelnen Details nicht ganz so funkelnd heraus wie die B&W. Aber alles klang feiner, praller, richtiger. Vor allem in den Mitten. Im Vergleich zur keinen Dynaudio klingt selbst die hervorragende B&W 607 SE AE tonal eigenartig flach.
Seit vielen Jahren nutze ich gern die Aufnahme eines kleinen Bachs, in dem das Wasser glucksend über Steine fließt. Nicht nur, dass die Aufnahme auch dieses Mal auf die kleine Testerschar eine höchst entspannende Wirkung entfachte, man hört auch ungemein viel. Die B&W putze jedes Detail förmlich heraus, zauberte bei geschlossenen Augen die Illusion, der Bach flösse vor uns dahin. Die Emit 10 schaffte die gleiche Informationsdichte, wirkte dabei aber noch habhafter, einbindender. Mit der B&W standen wir auf der Brücke über den Bach, mit der Dynaudio wurden wir vom Wasser umspült. Großartig.
Fazit Dynaudio Emit 10
Ich habe einen neuen Lieblings-Lautsprecher in der Kompaktklasse unter 1.000 Euro. In Bezug auf Klangfarben, Transparenz und authentischer Wiedergabe macht der Dynaudio Emit 10 keiner was vor. Im Gegenteil: Ich kenne sehr viele, sehr viel teurere Lautsprecher, die nur schwerlich an diese, fast schon “komplette” Wiedergabe heranreichen. Eine Einschränkung aber hat die kleinste Dynaudio: Wer lauter hören will, wird mit ihr keine Freude haben. Schon bei leicht gehobenem Pegel steigt der Klirr hörbar; das macht dann schnell keinen Spaß. Wem aber kleine bis mittlere Pegel reichen, bekommt hier für gerade einmal 730 Euro eine Performance, die eine regelrechte Sogwirkung entfacht: mehr davon!
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Farbstark-authentischer Klang mit extrem feinen Höhen |
| Auch in der Höhe eine sehr exakte Räumlichkeit |
| Elektrisch gutmütig, klingt mit fast jedem Verstärker |
| Wenig pegelfest |
Vertrieb:
Dynaudio Germany GmbH
Ohepark 2
21224 Rosengarten
www.dynaudio.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Dynaudio Emit 10: 730 Euro
Technische Daten
Dynaudio Emit 10 | |
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Konzept: | 2 Wege Bassreflex |
Bestückung: | HT = 29 mm (Cerotar), TMT = 14 cm (MSP-Membran) |
empf. Mindest-Leistung des Verstärkers: | 2 x 30 Watt |
empf. max. Raumgröße: | 16 Quadratmeter |
Besonderheit: | Hohe Impedanz, Verstärker-freundlich |
Maximalpegel: | 95 dB |
Farb-Varianten: | Schwarz + Weiß |
Abmessungen (B x H x T): | 17,0 × 29,0 × 27,1,5 cm |
Gewicht: | 6,4 Kilo (Stück) |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Erster Test: Kompaktbox B&W 607 S2 Anniversary Edition
Test 300B-Röhrenverstärker Fezz Audio Mira Ceti
Test Vollverstärker Rega Io
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