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Stefan Dreiischärf, HiFi Messe Leiter
Stefan Dreischärf ist der Geschäftsführer der HIGH END Messegesellschaft und ist somit verantwortlich für die gröte HiFi-Messe der Welt. Auch für ihn sind die Zeiten äußerst turbulent

HiFi-Messen in Corona-Zeiten: Messeleiter Stefan Dreischärf im Interview

Anfang November kam das Aus für die Finest Audio Show in Zürich (früher High End Swiss), die für den kommenden Januar geplant war. Es hätte die erste (HiFi-) Hotelmesse des Jahres 2021 werden sollen. Und es hätte wertvolle Erkenntnisse liefern können, wie HiFi Messen im Schatten der Pademie laufen könnten. Doch unter den derzeitigen Bedingungen war ein solcher Event nicht durchzuführen.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die größte HiFi Messe der Welt, die HIGH END in München, Corona-bedingt von Mai auf September (09. – 12.09.2021) verschoben wird. Stellt sich die Frage: Kann man unter solchen Bedingungen überhaupt noch seriös HiFi Messen planen? Und wie werden sie aussehen?

LowBeats fragte einen, der es wissen sollte: Stefan Dreischärf, den Messechef der High End Society und somit Veranstalter der nun abgesagten Finest Audio Show und der verschobenen HIGH END in München.

LowBeats: Herr Dreischärf, was macht ein Messeveranstalter in einer Zeit, in der kein Messen laufen dürfen?

Stefan Dreischärf: (lacht) Sie werden es nicht glauben: wir arbeiten. Und zwar ziemlich viel. Denn die HIGH END 2021 steht ja vor der Tür. Sie wird zwar jetzt erst im September stattfinden, aber da fällt schon jetzt reichlich Arbeit an.

LowBeats: Nun haben Sie aus Corona-Gründen gerade die Finest Audio Show abgesagt. Haben Sie denn die Hoffnung, dass die diesjährige HIGH END ganz normal über die Bühne geht?

SD: Ganz normal ist in diesen Zeiten ja sowieso nichts mehr, was nicht heißt, dass HiFi-Messen derzeit unmöglich sind. Die caravan in Düsseldorf hat funktioniert. Ich war dort. Die Messe lief reibungslos. Also: Der Termin für unsere Messe im Münchner M.O.C. im September ist gesetzt, die Hygiene-Konzepte stehen. Aber in diesen Zeiten lernen wir ja gerade, dass wir noch nicht viel wissen und vieles morgen schon wieder ganz anders aussieht. Selbst wenn bei uns alles bestens läuft, die Messe top vorbereitet ist, weiß man ja nicht, ob in diesem Zeitraum auch die Gäste aus dem Ausland kommen wollen oder dürfen.

LowBeats: Was genau stimmt Sie dann so optimistisch?

SD: Für 2021 sind wir quasi ausgebucht. Es wird wieder proppevoll. Auch das Feedback auf der Hauptversammlung der High End Society e.V. (Anmerkung der Redaktion: Das ist der Dachverband der Messe mit 60 Mitgliedern aus der Branche) war der Rückhalt groß. Man merkt richtig: Die Leute sind geil auf Messe.

LowBeats: Aber eine HIGH END unter Pandemie-Bedingungen kann ja nicht so laufen wie in den letzten Jahren, oder?

SD: Natürlich nicht. Alles muss etwas kleiner werden. Ich war ja selbst gebauchpinselt, wenn es hieß: wieder ein neuer Besucher-Rekord, wieder mehr Ausstellungsfläche als im Jahr davor. Aber die Zeiten des Größer, Schneller, Weiter sind eindeutig vorbei. Und eigentlich ist das ja auch gut so. Gerade in unserer Branche sollte es ja um Qualität und nicht um Quantität gehen. Wir haben in enger Kooperation mit den Gesundheitsämtern ein ambitioniertes Hygiene-Konzept erarbeitet, das aber – weil die gemietete Fläche aller vier Hallen so groß ist – trotzdem eine Zahl von knapp 4.000 Besuchern täglich erlaubt.

LowBeats: Viel Fläche, vergleichsweise wenig Besucher. Man muss kein Rechenkünstler sein, um zu verstehen, dass die meisten anderen, deutlich kleineren Messen unter diesen Auflagen leiden werden.

SD: Das kann ich unterstreichen: Für HiFi-Messen in Hotels wird es unter diesen Bedingungen sehr schwer.

LowBeats: Kommen wir zurück zur HIGH END 2021. Wie genau sehen die Veränderungen zu den Vorgängermessen aus?

SD: Die HIGH END ist vom Charakter her ja mehr eine B2B-Messe als eine HiFi Messe ausschließlich für HiFi-Fans. Diesen Charakter schärfen wir nun noch einmal, indem wir einerseits eine Halle nur für Zulieferer ausweisen, andererseits Donnerstag und Freitag zu reinen Fachbesuchertagen machen. Für die HiFi-Fans ist die HIGH END jetzt nur noch Samstag und Sonntag geöffnet. So können wir die Besucherströme besser regulieren – was ein wichtiger Punkt des Hygiene-Konzepts ist. Denn natürlich ist das Wichtigste die Gesundheit unserer Besucher und der Aussteller. Aber es ist auch noch mehr: Bei der Entscheidung, eine Messe zu veranstalten, geht es ja auch um die „finanzielle Unversehrtheit“ unserer Aussteller. Fatal wäre, wenn sie durch eine nicht funktionierende Messe Schaden erleiden. Wir wissen, dass wir eine hohe Verantwortung tragen.

LowBeats: Bei der Verschiebung auf das zweite September-Wochenende stellt sich natürlich die Frage, warum die HIGH END parallel zur erstmals in München stattfindenden Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) laufen muss. Gab es da keine sinnvollen Alternative?

SD: Man muss sich ja vor Augen halten, dass wir für eine HIGH END mit vier Ausstellungstagen das M.O.C. für zehn Tage buchen. Und in der von uns favorisierten Zeit war halt dieser Timeslot im M.O.C. verfügbar. Aber natürlich haben wir uns wegen der IAA viele Gedanken gemacht. Doch eine Ausbuchung der Hotels oder der Gasthäuser ist nicht zu befürchten, denn auch die IAA unterliegt den gleichen Pandemie-Verordnungen wie die HIGH END. Das heißt: Diese IAA wird sehr, sehr viel kleiner als jene Events, die wir die letzten Jahrzehnte in Frankfurt erleben durften. Wir geben in den nächsten Tagen unsere Hotel-Empfehlungsliste raus; sie ist länger als in den Jahre zuvor. Ich habe unseren Messebauer – den wahrscheinlich größten der Umgebung – gefragt, ob er noch Kontingente für uns hätte. Immerhin wäre ja IAA. Er antwortete, dass er von IAA-Seite noch keinen einzigen Auftrag hätte… Nein: Was die Parallelität zur IAA angeht, bin ich ganz entspannt.

LowBeats: Den meisten Leute ist gar nicht bewusst, dass es die High End Service GmbH gibt, die die HiFi-Messen veranstaltet und – quasi übergeordnet – den Dachverband High End Society e.V. Frage: Wer fällt denn die Entscheidung, ob eine solche Messe gemacht wird: Messegesellschaft oder Verband?

SD: Prinzipiell kann ich als Messeleiter bestimmen, ob ich die Messe durchführe oder nicht. Aber natürlich hole ich mir den Rat der der Mitglieder ein. Nahezu alle namhaften Hersteller beziehungsweise Vertriebe sind in unserem Verband vertreten (https://verband.highendsociety.de/mitgliedsfirmen.html). Es wäre doch töricht, wenn ich eine solche Expertise nicht nutzen würde.

LowBeats: Machen wir mal den Advocatus Diaboli und stellen uns vor, auch der September würde aus verschiedenen Gründen aus Ausweichtermin nicht klappen. Gibt es denn in Ihrem Hause Überlegungen zum Aufbau alternativen Formen?

SD: Zum einen gibt es aus meiner Sicht keine Gründe, warum 2021 keine HIGH END stattfinden sollte. Wenn nicht gerade Lockdown ist, können wir unser Messe-Konzept auch in Corona-Zeiten so umsetzen, dass wir allen Hygiene-Auflagen gerecht werden. Aber natürlich sind wir auch auf der Suche nach alternativen Modellen – Stichwort „virtuelle Messe“. Da haben wir schon einiges ausgearbeitet. Aber meine Einschätzung Stand heute: Es sind bislang nur wenige Aussteller bereit für ein solches Konzept, denn auch eine virtuelle Messe kann – wenn sie gut gemacht ist – ganz schön teuer werden. An diesem Projekt werden wir wohl noch etwas länger arbeiten und Überzeugungsarbeit leisten müssen…

LowBeats: Herr Dreischärf, wir danken für das Gespräch.

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.