Unser Messerückblick beginnt mit drei nüchternen Zahlen: 538, 21.412 und 29.000. Die High End 2017 hatte 538 Aussteller, 21.412 Besucher und 29.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche – mehr als jemals zuvor auf einer High End. Für sich genommen mögen die Zahlen nicht beeindruckend sein, im gehobenen HiFi aber sind sie maßstabsetzend. Und was das Entscheidende ist: die Zahlen wachsen Jahr für Jahr beharrlich gegen den Branchentrend. Selbst McIntosh Chef Carly Randall, der wohl einflussreichste Manager im High End weltweit, meinte am Rande des LowBeats Interviews: “An dieser Messe führt nichts mehr vorbei.”
Randall hatte gut Lachen, denn MY SOUND Chef Wolfgang Linhard hatte ihm einen McIntosh-Stand auf die Messe gezaubert, der die Besucher sprachlos machte: Eine Welt in Blau, die jedem vermittelte: “Hier bist du zu Hause, verweile doch ein bisschen…”
Leider gelang es unserem Fotografen nicht, die wunderschön blaue Stimmung des McIntosh Raums im Bild einzufangen, aber sich dort aufzuhalten war einfach nur klasse. Linhard, der auf der High End 2017 noch drei weitere Räume gestaltet hatte (Magico, Martin Logan, Moon/Wilson Audio) ist Sinnbild einer Bewegung im High End, die verstanden hat, dass bei teurem HiFi mehr zählt als ausschließlich der gute Klang: Man muss die Komponenten auch in ein entsprechendes Umfeld setzen.
Ich habe den Eindruck, dass sich diese Erkenntnis immer mehr durchsetzt und wir werden bei LowBeats diesen Aspekt (der auch Punkte wie Wertbeständigkeit und faire Produktionsweisen beinhaltet) zukünftig sehr viel stärker in unserer Test-Wertungen einfließen lassen. Auch auf der High End 2017 war das Bemühen spürbar, die Blicke nicht nur auf die Klang-Qualität zu lenken, sondern die Besucher in eine andere Welt zu entführen.
Wie bei Cessaro Horn Acoustics beispielsweise, die ihre gigantischen Hörner in einer Waldanmutung spielen ließen. Das war atmosphärisch sehr angenehm und machte mit dem mühelosen und hochgradig dynamischen Klang auch akustisch den Kopf frei.
Womit wir dann auch schon wieder beim Klang wären. Natürlich ist der gute Ton die Haupttriebfeder für die meisten Hersteller und Kunden. Und natürlich bot auch die High End 2017 diesbezüglich sehr viel Spannendes. Vier Tage waren wir vor Ort, um unseren Messerückblick zur High End 2017 so umfassend wie möglich zu halten. Folgt uns also durch die Hallen und Räume des Münchener M.O.C.: Da ist für jeden etwas dabei… Weil sich aber nicht jeder für alles interessiert, haben wir den Messerückblick grob unterteilt in:
– Plattenspieler & Co. (S. 1)
– Lautsprecher (S. 2)
– Elektronik (S. 3)
– Die Vorführungen/ Best Sounds Of The Show/ Best Sound Outside The Show (S. 4)
Und wie üblich haben wir auf der Messe Interviews mit den Entscheidern der Branche geführt. Die findet ihr hier:
– Interview Charly Randall (McIntosh): Quo Vadis teures HiFi?
– Interview Bob Stuart (Meridian/MQA): Neues Komprimierungsverfahren im HiFi
– Andreas Henke (Burmester): Neue Werte im HiFi
– Stefan Dreischärf: Neuer High End Society Messeleiter
Der Messerückblick High End 2017: Plattenspieler & Co.
Es gibt kein verblüfftes Erstaunen mehr bei den klassischen Medien und selbst für den zufälligen Besucher ist vollkommen klar, dass nicht nur in dieser Branche Plattenspieler und LPs für lange, lange Zeit ihren Platz im Herzen und in den Wohnzimmern der Musikliebhaber zurückerobert haben. Und dementsprechend gab es vor allem hier, auf der High End 2017, enorm viele Neuigkeiten. So hat Technics in kurzer Zeit bereits das zweite Derivat seines neu aufgelegten 1210-Klassikers herausgebracht. Auch der analoge Weltmarktführer, die tschechisch-österreichische Manufaktur Pro-Ject hatte zur Messe standesgemäß aufgefahren: Blickfang war ein Sondermodell zum 175. Geburtstag der Wiener Symphoniker, das mit Instrumentenblech und -Accessoires sowie mit dem neuen S-Tonarm ausgestattet war. Auch der Pro-Ject The Classic, absoluter Liebling der LowBeats Leser, wurde mit einem Ortofon-TA, einer Ledermatte für den Plattenteller und einem Geschwindigkeits-Umschalter oben auf dem Chassis aufgerüstet.
Die analoge Wertschätzung geht so weit, dass Firmen, die sich bislang vornehm zurückhielten, nun ebenfalls Plattenspieler im Programm aufgenommen haben. Beispielsweise Mark Levinson. Die Amerikaner unter dem Dach der Harman Performance Group (ehemals Luxury Group) haben sich bei VPI einfach einen Plattenspieler bauen lassen und ihn mit einigen Mark-Levinson-Details versehen.
Sehr viel umfangreicher fielen da die Entwicklungsarbeiten zum ersten Plattenspieler von Burmester aus – dem Burmester 175. Auch er entstand in Zusammenarbeit mit anderen (Berliner) Spezialisten, doch ist er weitestgehend bei Burmester erdacht und umgesetzt worden. Das sieht man und das fühlt man. Knapp 60 Kilo wiegt der vergleichsweise kompakte Spieler, der zudem noch die Phonovorstufe 100 eingebaut hat. Dank Chrom-Front und wuchtiger Bedienelemente ist er unverkennbar ein Burmester.
Gegen den Burmester 175 nimmt sich der neue Elac Miracord 70 geradezu bescheiden aus. Aber hier wird analoges High Tech zu sehr fairen Tarifen angeboten. Das vergleichsweise schwere Laufwerk hat fast alle Attribute des “großen” Miracord 90, soll aber nur 1.000 Euro kosten. Ich habe mehrfach nachgefragt. Der Preis stimmt. Das wird ganz sicher ein Hammer.
Ein wahrer Publikumsmagnet der High End 2017 war das Laufwerk von MAG-LEV Audio. Bei ihm schwebt der Plattenteller auf einem Magnetfeld etwa fünf Zentimeter über dem Chassis. Eine LED-Kette illuminiert das Ganze effektvoll. Man kann sich der Faszination nicht entziehen: Sollte das wirklich funktionieren? Keine feste Verbindung zum vibrationsanfälligen Untergrund? Ja, das klappt gut. Doch an einem anderen Punkt kränkelt der originelle Plattendreher des jungen Start-up-Unternehmens. Die Brems- und Hochlaufzeit des Plattentellers liegen bei weit über einer Minute. Und das Wechseln der Schallplatte bei drehendem Plattenteller wird deutlich NICHT empfohlen, weil bei Unachtsamkeit der Plattenteller aus dem Magnetfeld rutschen und anschließend durch die Gegend rollen könnte. Da gibt es noch Verbesserungs-Potenzial…
Wie immer auf einer solchen Messe, gab es auch diverse Tonabnehmer-Neukonstruktionen. Wie zum Beispiel der S-Tonarm von Pro-Ject (oben). Oder den Reed 5T. Dieser zunächst konventionell aussehende Tonarm sitzt auf einer elektrisch rotierenden Plattform, die mittels Laser nachgesteuert wird. Dadurch entsteht geometrisch eine tangentiale Abtastung. Man sieht den Laser hinten am Tonarm austreten und auf einen optischen Sensor treffen, der die Mimik nachfährt. Sehr cooles Engineering.
Das analoge Thema wirkt aber auch an anderen Stellen: Der TAD-Vertrieb (Gryphon, Rega, Tannoy, Unison) bringt sogar seine eigenen Tonabnehmer namens Excalibur auf den Markt. Drei Stück gibt es bislang, an zwei bis drei weiteren wird gerade gearbeitet. Man sieht hier also ein großes Potenzial…
Aber die Bayern behalten auch das Zubehör im Blick und haben seit der High End 2017 mit Watson eine Plattenwaschmaschine für knapp 500 Euro im Programm.
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