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Canton Atelier 1100 – Aufmacher
Für die Wand gemacht: Die Canton Atelier ist ein exzellenter Onwall- oder Inwall-Lautsprecher für 759 Euro pro Stück (Foto: H. Biermann)

Test Canton Atelier 1100 – Top-Klang aus der Wand

Ein Heimkino-System, das man nicht sehen soll, HiFi, das nicht auffallen soll oder schlichtweg nicht genügend Platz, um Lautsprecher angemessen aufzustellen: Für genau diese Anwendungen hat Canton seine Atelier-Serie entwickelt. Wesentliches Merkmal: flache Bauweise. Selbst das Flaggschiff der Serie, die hier vorgestellte Canton Atelier 1100 ist nur 8,2 Zentimeter tief und passt so in fast alle Trockenbauwände. Aber sie ist auch ansehnlich genug gestaltet, um wie ein Bild an die Wand gehängt zu werden – als so genannte Onwall-Lösung. Der Anwender hat hier also verschiedene Möglichkeiten. Bleibt die Frage: kann man mit so einem Konzeptlautsprecher anspruchsvoll HiFi hören? Besser, als die meisten denken…

Canton Atelier 1100 – Bautiefe2
Die Bauhöhe liegt ohne Rahmen bei 8,2, die Breite bei 27,5 und die Höhe bei 110 Zentimeter (Foto: H. Biermann)

Seit jeher habe ich eine Schwäche für diese In- oder Onwall-Lösungen. Böse Zungen sagen: aus Faulheit. Das stimmt natürlich nicht. Aber ich habe in meinem Tester-Leben schon mit so vielen verschiedenen Lautsprechertypen zu tun gehabt und nicht selten dauert es Stunden, bis ich den klanglich besten Platz für sie gefunden hatte. Das kann ganz schön nerven. Bei In- oder Onwall-Lautsprechern ist das viel einfacher: sie kommen direkt auf oder in die Wand. Die dadurch zu erwartende Überhöhung bei tieferen Frequenzen (die man bei klassischen Lautsprechern mit einen größeren Abstand zur Rückwand umgeht), ist bei diesen Lautsprechern – wenn sie denn serös entwickelt wurden – bereits mit einberechnet. Auch die hässlichen Brechungen an der Schallwandgrenze kommen bei Inwall-Lautsprechern nicht vor, weil ja die ganze Einbauwand zur Schallwand wird und für so kleine Wellenlängen wie die eines 1.000 Hertz Tons (Wellenlänge: 34 cm) fast schon unendlich groß ist.

Besser geht es eigentlich nicht. Vor allem im Bass hat dieser plane Einbau in die Wand große Vorteile, weil die Schallabstrahlung nicht kugelförmig, sondern nur halbkugelförmig erfolgt. Das bringt viel mehr Schallenergie dorthin, wo sie hinsoll – zum Hörer und nicht hinter die Box, wo sie in den Ecken oft die Raumresonanzen zum Dröhnen anregt.

Und dennoch wird dieses Thema hierzulande immer noch stiefmütterlich abgetan. Während in den USA die In- und Onwall-Lautsprecher mittlerweile einen großen Anteil am Gesamtverkauf haben und Hersteller wie Wisdom Audio sogar absolutes Top High End als Inwall-Lösung anbieten, sind in Deutschland die Verkäufe nach wie vor überschaubar und viele dieser In- oder Onwall-Angebote genügen nicht einmal der HiFi-Norm 45500 aus den 1960er Jahren…

Das gilt natürlich nicht für Canton Atelier und schon gar nicht für das Flaggschiff Canton Atelier 1100. Die Hessen verwenden bei dieser Serie aus ihrem Baukastensystem die bewährte Lautsprechertechnik der Chronos-Modelle: also den Hochtöner mit Aluminium/Mangan-Klotte und kleinem Waveguide-Hornvorsatz …

Canton GLE 496 BT.2 – Tweeter
Die bekannte 25 Millimeter Hochtonkalotte von Canton sorgt auch in der Atelier 1100 für feine Hochtonklänge. Die Metallkalotte wird über einen Aufsatz bedämpft (Foto: H. Biermann)

…sowie Tiefmitteltöner mit Titanmembran. Äußerlich erscheint die Atelier 1100 wie eine 2-Wege-Box mit vier gleichen Tieftönern plus Hochtonkalotte. Technisch gesehen aber ist sie 2,5 Wege-Kombination: Der untere der beiden Tieftöner läuft nur bis etwa 500 Hertz (der “halbe” Weg aus der 2,5 Wege-Konstruktion), der obere bis etwa 3.000 Hertz, wo er an den Hochtöner übergibt. Beide Tieftöner haben die heute klassischen Canton-Kennzeichen: kräftiger Antrieb, stabiler Korb, dreifach gefaltete Sicke.

Canton Atelier 1100 – Tieftöner2
Die Atelier 1100 ist so flach gebaut, dass die Rückwand für den kräftigen Magneten des Tieftöners ausgefräst werden muss (Foto: H. Biermann)

Ja aber die Canton Atelier hat doch erkennbar vier Tieftöner. Nein. Die beiden Äußeren sind “nur” Passivmembranen. Sie ersetzen die die üblicherweise verwendeten (und günstigeren) Bassreflexrohre, die bei einer Platzierung direkt an oder in der Wand nur Probleme mit sich brächten.

Canton Atelier 1100 – Passivmembran
Von außen sehen die Passivmembran genau so aus wie die Tieftöner – aber es fehlt der komplette Antrieb (Foto: H. Biermann)

Die teurere Lösung mit Passivmembranen sieht nicht nur besser aus, sie ist auch deshalb vorteilhaft, weil die offenen Bassreflexrohre nicht selten auch Schallanteile aus dem Mitteltonbereich passieren lassen und so das Klangbild beeinträchtigen; das ist mit dem “geschlossenen” System einer Passivmembran weitgehend ausgeschlossen.

Die Einteilung der Frequenzbereiche erfolgt durch die Weiche bei 500 Hertz und 3.000 Hertz. Sie ist mit ordentlichen Standard-Bauteilen bestückt und sitzt im unteren Teil der Canton Atelier 1100.

Canton Atelier 1100 – Frequenzweiche
Die Frequenzweiche sitzt im unteren Ende der Atelier 1100. Man sieht auch die sauberen Ausfräsungen mit der Gummi-Abdichtung auf der Front und die proppere Wandstärke von 19 mm (Foto: H. Biermann)

Das Gehäuse selbst ist von guter Qualität (19 mm Wandstärke, Gesamtgewicht von 13,0 kg) und auch die Lack-Oberfläche ist ohne Makel – aber natürlich nicht ganz von der Qualität einer Vento & Co. Warum auch: Die Canton Atelier 1100 ist ja im Idealfall für den Wandeinbau gedacht. Hier entscheidet eher das Zubehör. Dazu gehören beispielsweise kleine Metallhaken, die das Verankern in die Trockenbauwand leicht machen.

Canton Atelier 1100 – Einbau
Die mitgelieferten Metallhaken (Silber) halten die Atelier 1100 fest in der Wand. Die Abdeckung ist akustisch transparent, lässt aber auch die Farbe und die Größe der Titan-Membranen durchschimmern (Foto: Canton)

Oder auch ein steckbarer Holzrahmen (rechts im Bild), der kleinere Unregelmäßigkeiten beim Aussägen in die Gipsplattenwand überdeckt und den Lautsprecher wie ein Bild aussehen lässt.

Canton Atelier 1100 – Rahmen
Ausgeliefert wird die Atelier 1100 mit Frontbespannung (Mitte) und Abdeckrahmen, der eventuell kleine Löcher vom Aussägen überdeckt (Foto: H. Biermann)

Wer keine Löcher in die Wände sägen möchte, kann die Canton Atelier 1100 auch auf die Wand hängen: Genügend viele Vorrichtungen auf der Rückseite ermöglichen eine senkrechte oder waagerechte Anbringung (etwa als Center unter dem TV).

Canton Atelier 1100 – Aufhängung
Mehrere Schlüssellochaufhängungen auf der Rückseite ermöglichen eine waagerechte oder senkrechte Anbringung der Atelier 1100 (Foto: H. Biermann)

Die Atelier 1100 im LowBeats Messlabor

Erwartungsgemäß werden Lautsprecher wie die Canton Atelier 1100 nicht mit den teuersten und stabilsten Verstärkern kombiniert – am ehesten dürften hier AV-Receiver zum Einsatz kommen, die auf ihren fünf oder sieben Kanälen in der Regel nicht so viel Leistung bringen können.

Canton hat diesen Umstand berücksichtigt und der Atelier äußerst genügsame Werte mit auf den Weg gegeben. Beispiel Eins: Die Impedanz verläuft praxisgerecht linear oberhalb 4 Ohm und auch die Phasenverschiebungen halten sich in Grenzen.

IMpedanz Canton Atelier 1100
Die Impedanz verläuft recht linear und unterschreitet nie die 4-Ohm-Marke (Messung: J. Schröder)

Beispiel Zwei: Auch die Effizienz ist gut. Kein Wunder – die Anbringung direkt an der Wand bringt der Canton Altelier 1100 im leistungsrelevanten Bass- und Grundtonbereich einige Dezibel mehr. Das führt zu insgesamt geringen Verzerrungen…

Intermodulationsspektrum Canton Atelier 1100 @ 94dBspl/1m
Intermodulationsspektrum Canton Atelier 1100 @ 94dspl/1m: Geringes Verzerrungsniveau. (Diagramm: J. Schröder)

…und zu einem stattlichen Maximalpegel von 111 dB. Damit kann man das Wohnzimmer schon rocken.

Intermodulationsspektrum Canton Atelier 1100 @ 100dB/1m
Intermodulationsspektrum Canton Atelier 1100 beim oberen, empfohlenen HiFi-tauglichen Hörpegel (100dBspl/1m): Auch bei gehobenen Pegeln geringes Verzerrungsniveau. Der Spitzenschalldruckpegel hierbei beträgt 111dBspl/1m. (Diagramm: J. Schröder)

Der Hörtest

An einen richtigen Wandeinbau war im LowBeats Hörraum natürlich nicht zu denken – die Wände der ehemaligen Nähmaschinenfabrik sind extrem fest gemauert. Aber wir haben die Canton Atelier 1100 direkt an unsere schallharten mobilen Rückwände angebracht und so eine sehr realistische Onwall-Lösung umgesetzt.

Ascendo D7 Active – Hörtest Musik
Eine großartige Live-Aufnahme aus einem relativ kleinen Konzertraum: James Blood Ulmer Live At Bayerischer Hof München

Um die Frage von oben gleich zu beantworten: Mit diesen Lautsprechern kann man bestens HiFi hören. Die Atelier 1100 klingt wie heutzutage eine moderne Canton klingt: offen, dynamisch, sehr fein und ausgewogen. Natürlich ist sie von Haus aus im Bass eher schlank abgestimmt. Zum einen erfolgt die “Unterfütterung” im Tiefton ja durch die angrenzende Wand. Zum anderen werden solche Einbau-Lösungen ja häufig auch mit Subwoofern kombiniert.

Für klassisches Stereo ist das mit der Canton Atelier 1100 aber nicht nötig. Sie bringt auch im Tiefbass ordentlich viel Schub, der – und das macht ihn so attraktiv – enorm präzise ist. Und die Atelier 1100 hat – wie von einem Lautsprecher mit so breiter Schallwand (plus Rückwand) zu erwarten – eine Extraportion Energie im oberen Bass und in den Mitten. Das klingt bisweilen sehr viel dynamischer und “echter” als eine vergleichbare Bestückung in einer der üblichen mega-schlanken Standboxen.

Eines meiner bevorzugten Dynamik-Stücke, “Crying” von James Blood Ulmer (Album: Live at Bayerischer Hof München) klang mit ihr spektakulär – jedenfalls nicht so, wie man es von einer HiFi-Einbaubox der 1.500 Euro Klasse erwartet.

Aber auf welchem Qualitäts-Niveau muss man diese Canton Atelier 1100 insgesamt einordnen? Dafür bemühten wir den eigentlich unstatthaften Vergleich von Äpfeln und Birnen, beziehungsweise von Atelier 1100 gegen Canton A45 BS, der überragenden Kompaktbox aus der Anniversary-Reihe für 1.300 Euro pro Paar.

Fraglos ist die A45 BS der audiophilere Lautsprecher. Stimmen klingen noch etwas vollmundiger und natürlicher, im Bass steigt die Kompaktbox um einiges tiefer in den Keller und vor allem die Tiefenstaffelung gelang der frei im Raum aufgestellten A45 BS deutlich besser.

Kunststück, denn das genau ist ja einer der Nachteile beim Wandeinbau: Durch die frühe Reflexion an der breiten Schall- oder Rückwand leidet die Abbildung in der Tiefe. Und ja: Die Canton Atelier klingt etwas heller und damit nicht ganz so natürlich wie die A45 BS. Dafür aber um einiges lebendiger, spielfreudiger, dynamischer, kerniger. Und dass sie derart laut spielen kann, erhöht den Spaßfaktor auch noch einmal erheblich… Dieser Lautsprecher macht einfach Spaß und zwar beim klassischen Stereo-Hörern wie beim Heimkino-Sound gleichermaßen.

Fazit

Canton gelingt hier der mehrfache Spagat: Äußerlich ist die Canton Atelier 1100 so attraktiv, dass man sie nicht unbedingt in die Wand verbauen muss; auch als Onwall-Lösung macht sie eine gute Figur. Klanglich genügt sie hohen Heimkino-Anforderungen, ist aber auch als HiFi-Lautsprecher so gut, dass er – falls kein Platz vorhanden oder der Musikfreund seine Anlage einfach nicht sehen möchte –  eine hervorragende Alternative zu konventionellen Lautsprechern dieser Klasse darstellt.

Canton Atelier 1100
2018/06
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Natürlicher, energiereicher Klang
Für Heimkino wie HiFi geeignet
Lineare Impedanz, hoher Wirkungsgrad
Sinnvolle Ausstattung

Vertrieb:
Canton Elektronik GmbH + Co. KG
Neugasse 21 – 23
61276 Weilrod
www.canton.de

Stückpreis (Hersteller-Empfehlung):
Canton Atelier 1100: 759 Euro

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Die Canton Atelier 1100 ist unter anderem direkt bei Canton im Onlineshop, aber auch auf der Idealo-Seite zu haben.


Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.