ende
Der Pro-Ject The Classic von vorn
Zurückhaltend in der Optik und eindeutig in der Bedienung verwöhnt The Classic auch auf lange Sicht. Der Klassiker von morgen kostet mit vormontiertem Ortofon 2M Silver 1.000 Euro und ist in verschiedenen Holztönen zu haben (Foto: S. Herx)

Pro-Ject The Classic: ein LP 12 für 1.000 Euro?

Über das ganze Jahr gesehen war der Pro-Ject The Classic sicherlich eine der auffälligsten Plattenspieler-Neuheiten – eben, weil er so klassisch aussieht und aufgebaut ist. LowBeats TV-Moderator und Youngtimer-Fachmann René Heller hatte den blutjungen Klassiker jetzt im Test.

Ab und zu stehe ich baff erstaunt vor einem Regal und bewundere die Produktvielfalt und ihre Varianten. Wer mal eben schnell ein Shampoo kaufen möchte, weiß ob der Reizüberflutung am Point of Sale.

Um hier Orientierung zu schaffen, hilft uns der freundliche Marketingstratege gerne mit dem Keyword “Classic” – etwa bei Sprudelwasser, das im Glas furios veranstaltet, was der Name verspricht. Oder bei Käse, der nicht aus einer Masse besteht, die vor kurzem noch Empörung auslöste.

Ich mag diese Produktgruppe, erwartet mich doch meist verlässliche Qualität ohne Marketing-gehypten Schnickschnack. Auch im ungebremsten Aufschwung des Phonomarktes scheint diese Orientierung nun nötig zu werden.

In Zeiten von skelettierten Laufwerken, Bohrinseln und Geräten für die Vertikale ist die Landmarke “Classic” endlich auch in unserer Welt angekommen.

Pro-Ject setzt verbal noch einen drauf und präsentiert uns anlässlich seines 25 jährigen Firmenjubiläums den Pro-Ject The Classic – hier werden wir nicht enttäuscht, versprochen.

Der Thorens TD 125 von 1969
Thorens TD 125 von 1969 – heißt nicht ‘Classic’ sondern ist es bereits. Hier mit SME 3009 Series 2 Tonarm, ebenfalls ein Klassiker. Erkennen Sie die Formensprache wieder?
(Foto: R. Heller)

In meinem “Classic”-Ökosystem zu Hause gedeihen unter anderem ein Dual 1229, ein Lenco L75, ein Thorens TD 125 und ein Linn LP 12. Der für einen ersten Höreindruck daneben platzierte Pro-Ject Classic ist der Dame des Hauses nicht einmal aufgefallen – ein wirklich guter Einstand für ein zusätzliches Gerät.

Der Neuzugang macht aber auch alles richtig: klassische Proportionen, polierter Tellerrand in schön gearbeiteter Holzzarge, eine Haube, welche den Namen verdient – alles gekrönt von einer Bedienung ohne Rätselraten.

Die Verarbeitung ist ordentlich, aber durch zum Teil robuste Details nichts für Perfektionisten. Diese Mischung ergibt für mich ein schlüssiges Konzept zum Musikhören ohne Berührungsängste: die zur Schau gestellte Schlichtheit wirkt einladend und baut nicht, wie bei so manch reduziertem Designstück, eine kühle Distanz auf.

Der in Tschechien gebaute Plattenspieler ist dabei ein Meister des Understatements, denn so klassisch er sich nach außen gibt, so gründlich räumt der Riementriebler im Gehäuse mit der Bauweise seiner Vorfahren im Geiste auf.

Integrierte Motorsteuerung, mehrstufiges Entkopplungskonzept mit fein abgestimmten Gummimaterialien, ein hochmoderner Aluminium / Karbon Tonarm (der Pro-Ject eigene 9cc, Einzelpreis: 600 Euro) und die umfangreiche Beigabe an Zubehör sei da nur exemplarisch genannt.

Vorwärts Zurück
Funktionszeichenung des Pro-Ject RPM 9
Der Tonarm des Pro-Ject The Classic: Der 9cc ist eine aufwändige Konstruktion mit geringen Toleranzen in den Lagern. Das reduziert die zur Bewegung durch die Plattenrille notwendigen Kräfte. Die Nadel tastet so wesentlich störungsfreier und genauer ab (Animation: Pro-Ject)
Tonarm-Lager des Pro-Ject The Classic
Moderne Materialien und Fertigung in zeitloser Eleganz – der Tonarm des The Classic, der 9cc, punktet mit akustisch überzeugenden Eigenschaften und einer spannenden Karbon-Optik (Foto: S. Herx)
Vorwärts Zurück

Im LowBeats TV-Beitrag gehe ich genauer auf Aufbau, Ausstattung und die Aufstellung ein. Deshalb hier alles nur im Schnelldurchlauf: Der Pro-Ject The Classic ist wie gesagt ein Sondermodell zum 25. Pro-Ject-Jubiläum.

Die Optik orientiert sich an alten Klassikern wie dem Thorens TD 160 oder dem Linn LP 12. Den Holzrahmen aus MDF gibt es in drei seidenmatt lackierten Varianten: Walnuss, Eukalyptus und Rosenholz.

Obwohl das Furnier tatsächlich echt ist, wirkt es eigentümlich unecht: Sieht aus der Ferne aus wie Kunststoff, ist aber Holz. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau.

Und nicht nur optisch ist der Pro-Ject The Classic einen Verbeugung vor den berühmten Klassikern: Ein ausgeklügeltes Dämpfungssystem macht aus dem The Classic tatsächlich einen Subchassis-Spieler.

Vorwärts Zurück
Die Entkopplung des Pro-Ject The Classic
So entkoppelt man heute – statt Federn übernehmen geschickt platzierte Elastomerkugeln die anspruchsvolle Aufgabe, feine Bewegungen von der oberen Platte fernzuhalten (Animation: Pro-Ject)
Querschnitt durch die Zarge des Pro-Ject The Classic
Die mehrstufige Entkopplung im Detail: die drei Füße dämpfen Vibrationen der Standfläche, um die verbleibenden kümmern sich die sechs Elastomerbälle unter der Oberplatte. Auch Plattenteller und Arm sind resonanzoptimiert und tragen so zum überzeugenden Ergebnis beim Hörtest bei (Animation: Pro-Ject)
der Pro-Ject The Classic von oben ohne Teller
Pro-Ject The Classic von oben: Transportsicherungen für das gelagerte Chassis, Antrieb über Riemen und Subteller sowie der mit dem Tellerlager auf einer Platte montierte Tonarm – der Motor ist im unteren Gehäuse montiert und damit vom Arm entkoppelt (Animation: Pro-Ject)
Vorwärts Zurück

Und auch die Ausstattung des Pro-Ject The Classic ist nicht übel. Etwa der Tonarm 9cc. Er wird ja auch einzeln gehandelt und kostet dann 600 Euro. Der vormontierte Tonabnehmer ist nicht einzeln zu haben.

Bei ihm handelt es sich um eine Spezial-Variante aus dem Ortofon 2M-Programm und liegt von der Klangqualität her etwas über dem Niveau des 2M Red. Aber auch die integrierte Motorsteuerung per Sinusgenerator oder die auswechselbare Verkabelung ist für einen Plattenspieler dieser Preisklasse alles andere als normal.

Doch bevor ich jetzt den Film noch detaillierter nacherzähle, erliege ich nun dem Reiz des Einfachen und lege eine Platte auf.

So tönt der Pro-Ject The Classic

Der gut aufgelegte J.J. Cale steht mit Boilin’ Pot (Album: 5) sehr livehaftig im Hörraum. Gitarre, Gesang, Beat und Drive – alles da und voller Energie und Spielfreude.

Ich erwische mich, wie ich vor Freude auf die Standfläche des Pro-Ject The Classic eintrommele… und höre: nix. Klasse, die Dämpfung der Füße und des Subchassis funktioniert sehr überzeugend und die Aufstellung des Geräts wird damit um einiges unkritischer als bei nahezu allen anderen Drehern dieser Preisklasse.

Sehr schön haben Pro-Ject The Classic mit Ortonfon 2M Silver und die Phonovorstufe Cambridge CP2 zusammengespielt. Jimmy Smiths Hammond B-3 (Album: Any Number Can Win) geht damit ordentlich groovy, die Raumstaffelung ist exakt, den Bass habe ich bei dieser Aufnahme aber schon präziser und tiefer gehört.

Hier ließe sich noch einiges tun, etwa das mitgelieferte Tonabnehmersystem gegen ein wesentlich hochwertigeres einzutauschen.

Einen Eindruck der klanglichen Auswirkung liefert hier das LowBeats Klangorakel mit dem Test der Ortofon 2M Systeme. Die mitgelieferten, hochwertigen Kabel lassen aber auch Moving Coil Tonabnehmer zu, der Tonarm hat ausreichend Reserven, selbst hoch anspruchsvolle Abtaster zu führen.

Und, ja natürlich, auch mit dem Phonovorverstärker ist zu experimentieren – die Möglichkeiten sind unendlich. Hier ist die richtige Kombination der einzelnen Teile wichtig, einfach mal testen und den eigenen Ohren vertrauen.

Ich habe es da einfacher, weil an der LowBeats Referenz-Vorstufe SPL Phonos klang es genau so, wie ich es mir vorstellte: The Classic lässt mich entspannt Musik hören, ohne über das nächste Update nachzudenken.

“Take This Hammer” von Eric Bibb (Album: Blues, Ballads & Work Songs) treibt mit coolem Sound meine Stimmung, alles was mir da entgegenschallt, ist authentisch und nichts Gravierendes stört oder fehlt in der Reproduktion dieser großartigen Schallplatte.

Der ebenfalls von LowBeats getestete Rega Planar 3-2016 tönt im Vergleich etwas direkter, schneller. Damit ist er von den beiden eher der sehnige Sportwagen, während sich der Pro-Ject The Classic die seidig laufende 12-Zylinder Limousine zum Vorbild nimmt und dem Ohr mehr schmeichelt.

Es ist durch das Spazieren in der Plattensammlung spät geworden, so ist das eben mit nicht auf vordergründiges Bling-Bling abzielenden Classic-Produkten.

Als Sundowner lege ich Angus & Julia Stone (Album: Angus & Julia Stone) auf, genieße das kongeniale Geschwisterpaar und höre die beiden zwischen den Zeilen mit mir sprechen: Julia sagt, der Pro-Ject The Classic bleibt. Angus behauptet, ich hätte schon genug Spielzeuge. Beide haben recht …

Pro-Ject The Classic
2016/12
Test-Ergebnis: 4,0
SEHR GUT

Bewertungen

Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Klingt ab Werk sehr dynamisch und löst gut auf
Subchassis mit guter Entkopplung
Sehr gute Preis/Leistungs-Relation
Verarbeitung nichts für Perfektionisten

Vertrieb:
ATR Audiotrade
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
www.audiotra.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Pro-Ject The Classic: 1.000 Euro

Mehr zum Thema:

LowBeats TV-Beitrag zum The Classic
Test EAT B-Sharp – Spitzen-Plattenspieler für 1.400 Euro
Erster Test Rega Planar 3-2016
Ortofon 2M-Familientest
Erster Test Phono-Vorstufe SPL Phonos

Autor: Special Guest