Schon immer versuchten Lautsprecherentwickler, formbaren und extrem steifen (also offenkundig idealen) Beton als Gehäusematerial zu nutzen. Fast alle sind gescheitert. Der Festkörper-Physiker Jörg Wähdel aber lässt sich nicht beirren und baut unter dem Label Betonart elegante und fantastisch klingende Lautsprecher. Wir hatten die brandneue Betonart Arrivato im Test. Und die bewies die Überlegenheit des Materials nachdrücklich…
Wer den Betonart Firmenchef Jörg Wähdel bei der Präsentation seiner Lautsprecher erlebt, merkt sofort: Dieser Mann hat seine Berufung gefunden. Studiert hat er (Festkörperphysik), Geld verdient hat er (bei der SAP), aber schon in jungen Jahren das Hobby zum Beruf gemacht. Und das macht ihn angenehm locker. Es gibt im HiFi nur wenige Menschen, die so wenig gehetzt erscheinen wie Wähdel. Und er besuchte LowBeats in der Vorweihnachtszeit…
Der ausgewiesene HiFi- und Musikfan war schon immer von Lautsprechertechnik begeistert, aber als Sohn eines Architekten-Ehepaars hatte er auch deren ästhetisches Empfinden mit in die Wiege gelegt bekommen und war von dem Aussehen klassischer Lautsprecher nur wenig begeistert. “Müssen Lautsprecher immer so scheußlich aussehen”, fragte er sich, um die Frage selbst zu beantworten: “Nein”. 2015 begann er mit seinen Forschungen zum perfekten Gehäuse. Wähdel: “Ich wollte von Anfang an Beton. Er bietet das beste Verhältnis von Masse und Steifigkeit.”
Um hier eine Idee zu vermitteln: Beton hat die elffache Steifigkeit von (dem üblicherweise für Lautsprechergehäuse verwendeten) MDF. Zudem hat es amorphe Strukturen – ist also ideal für hohe Absorption. Und Masse – klar Masse bringt Beton natürlich auch mit. Die schlanke Betonart Arrivato schafft 96 Kilo auf die Waage; vergleichbar große Holzboxen bringen es vielleicht auf ein Drittel.
Bei 96 Kilo Lebendgewicht ist die Masse des Lautsprechers 7.000 Mal größer als die schwingende Masse. Dieses Verhältnis kann sich sehen lassen. Es ist der radikale Gegenentwurf zur Idee mancher Anbieter, Lautsprechergehäuse sollten mitschwingen, weil es “natürlicher” klänge. Das ist Unfug. Die Instrumente auf der Aufnahme dürfen gern mitschwingen, lautsprecherseitig sollte da kein Eigenton hinzugefügt werden. Und bei der Arrivato schwingt diesbezüglich – nichts.
Und man kann offenkundig mit dem schweren Werkstoff sehr elegante Formen und Oberflächen erzielen. Alle Betonart Modelle folgen einem geradlinigen, eleganten Bauhaus-Design. Die Farbe kann der Kunde übrigens selbst bestimmen. Da jeder Betonart Lautsprecher kundenspezifisch gefertigt wird, kann Wähdel auch die entsprechenden Farbpigmente in den Beton mischen. Aufpreis: 350 Euro.
Die Entwicklung der richtigen Beton-Mischung als auch der richtigen Form hat fast ein Jahr gedauert und mehrere Tonnen Beton verbraucht. Schließlich befand der studierte Festkörperphysiker das UHPC- (Ultra High Performance Concrete-) Verfahren als am besten. Zudem legt er Kohlefasermatten als Armierung in die 2 Zentimeter starken Wände. Das gibt der Sache nochmals mehr Halt.
Aber auch die Gussform war eine Herausforderung. Auch sie war erst nach langen Versuchen gefunden. Jede der Betonart Lautsprecherformen kostet knapp 8.000 Euro und ist natürlich wiederverwertbar. Bei dieser Art von Gehäuse-Entstehung muss alles passen; nachträgliche Veränderungen sind nicht möglich. Und beileibe nicht jedes Gehäuse kommt perfekt aus der Form. Wähdel: “Selbst meine Frau ist immer ganz aufgeregt, wenn ein neues Gehäuse entsteht…”
Die Technik der Betonart Arrivato
Der Betonart Chef ist schon länger Kunde im Karlsruher Lautsprechershop. Der mittlerweile größte Experte für Lautsprecherselbstbau in Deutschland hat eine jahrzehntelange Erfahrung mit den verschiedensten Treibern. Deshalb musste Wähdel zumindest diesbezüglich nicht alles selbst ausprobieren. Ein großer Vorteil.
So entstand eine 3-Wege Bassreflexbox mit Doppel-Tiefton-Bestückung von Wavecor plus dem vielleicht berühmtesten High-End Mitteltöner (dem 17 cm Keramikkonus von Accuton) sowie einem Bändchenhochtöner vom hierzulande noch unbekannten russischen Hochtonspezialisten ViaWave. Wähdel: “Natürlich habe ich mir alle in Frage kommenden Hochtöner angehört. Doch dieses ViaWave-Bändchen klingt noch einmal feiner. Etwas Besseres kenne ich in dieser Klasse nicht.”
Eine zweiteilige Frequenzweiche sorgt für den optimalen Einsatz der ambitionierten Treiber. Und wie bei den Hoch-, Mittel- und Tieftönern lässt sich Wähdel auch bei der Qualität der zweiteiligen Frequenzweiche nicht lumpen. Im Signalweg ist alles von bester Qualität.
Zudem hat Wähdel ein ausgesprochen gutes Händchen für die Kombination und Abstimmung der Komponenten. Nur selten sieht man einen so linealglatten Frequenzgang wie den der Betonart Arrivato:
Und nur selten klingt es so blitzsauber. Aber dazu später mehr…
Praxis
Betonart ist Direktvermarkter, das hat für den Kunden verschiedene Vorteile. Der wesentliche: Weil die Händlerspanne wegfällt, ist selbst eine so aufwendige Konstruktion wie die Arrivato Betonart immer noch erschwinglich. Und weil Betonart eine One-Man-Show ist, liefert der Chef selbst aus und gibt bei der Gelegenheit gleich ein paar Tipps für die optimale Aufstellung mit auf den Weg. Ein weiterer Vorteil: Damit ist auch die Frage nach der Trage- und Aufbauhilfe quasi beantwortet…
Aber wo kann man die hübschen Betonboxen hören? Nur auf Messen? Das wäre ja etwas dürftig. Nein, Wähdel lädt den geneigten Musikhörer ins heimische Leimen ein. Bei Wähdels zuhause kann man sich die ersten Eindrücke verschaffen. Die zweiten, nachdem der Chef ein Paar vorbei gebracht hat…
Beim Plaudern über Hörsitzungen zu Hause, Kundenkontakte und das direkte Verkaufen kam die Frage auf, welche Kunden bislang diese highendigen, aber auch sehr speziellen Lautsprecher gekauft haben. Die Antwort war überraschend: „Nicht die klassischen Highender. Es sind Musikfans. Und in der Regel unter 50 Jahre alt.“ Wähdel scheint hier eine Nische gefunden zu haben, die allerdings auch ein gewisses Maß an Verantwortung mitbringt. Denn HiFi-Neulinge wissen ja nicht sehr viel über das komplexe Zusammenspiel von Verstärker und Lautsprecher.
Doch die Arrivato ist in Bezug auf ihr elektrisches Verhalten absolut anspruchslos. Ihr Wirkungsgrad ist mittelhoch, Impedanz und Phase absolut linear und damit genügsam. Da freuen sich selbst kleinere Verstärker. Ich habe während der Hörtests einen Cambridge Audio AX A25 (250 Euro) angeklemmt. Das war gar nicht übel, wie viel Druck und Lebendigkeit dieser 25-Watt-Amp an den Arrivatos entfachte. Quintessenz: Mit diesem Lautsprecher dürfte so gut wie jeder Verstärker gut zurecht kommen.
Allerdings ist die Arrivato ein so guter Lautsprecher, ein so genaues Hörwerkzeug, dass es sich lohnt, verstärkerseitig deutlich mehr zu investieren. Der Westend Audio Monaco, mittlerweile fester Bestandteil im LowBeats Referenzregal, holt aus dieser Betonsäule wirklich alles heraus: Die Klangfarbenpracht, die Staffelung, die hohe Feindynamik – das hatte alles Referenz-Charakter. Aber der schöne Röhren-Amp ist mit seinem Einstiegspreis von 20.000 Euro vielleicht etwas teuer…
Eine sehr viel reellere, gleichwohl ebenfalls faszinierende Kombination ergab sich – mal wieder – mit dem Atoll IN 400 SE: ein Feuerwerk an Details und Information, ein quicklebendiger Auftritt, wie man ihn sich nur wünschen kann. Und das auf Wunsch mit einem Pegel, der keine Fragen offen lässt.
Denn wie LowBeats Verzerrungsmessungen belegen, zeigt die Betonart Arrivato bei zivilen Pegeln so gut wie keine Verzerrungen, außer im Bassbereich, wo wir sie kaum wahrnehmen können. Doch selbst im Bereich jenseits der 100 Dezibel verzerrt sie nur moderat.
Wähdel ist ein Freund großer Präzision, dementsprechend ist seine Abstimmung absolut linear. Wem das zu direkt ist, der hat am Terminal die Möglichkeit, die Wiedergabe etwas sanfter zu gestalten. In der 1er-Stellung des Kippschalters wird bei etwa 3 KHz etwas Energie aus den Mitten genommen. Das klingt einen Hauch weniger präzise und weniger geradlinig, aber auch etwas angenehmer.
Ein weiterer Vorzug der linearen Abstimmung ohne Bass-Boost (der so gern bei günstigeren Lautsprechern eingebaut wird) ist die Genügsamkeit bei der Aufstellung. Natürlich unterliegt auch die Arrivato den Gesetzen der Raumakustik. Und auch sie sollte man nicht zu dicht an Wände oder Ecken stellen – sonst dröhnt sie. Aber gemessen an vielen anderen Mitbewerber-Modellen spielt die Arrivato doch ein Stück sauberer im Bass und scheint in der Aufstellung etwas unkritischer zu sein – der Vorzug präzis-sauber abgestimmter Bass-Systeme.
Die Betonart Arrivato im Hörtest
Die Arrivato hatte uns mit ihrer superben Verarbeitung und dem glänzenden Auftritt im Messlabor schon ein wenig für sich eingenommen. Aber was sie dann im Hörraum zauberte, ließ uns doch einigermaßen staunen. Spielfreude, Dynamik, Natürlichkeit – alles war da. Doch das erste Wort, das mir zu ihrem Auftritt einfällt, lautet Klarheit.
Man nehme also eine vielschichtige Stimme – ich lege dazu gern Sean Rowe auf – und höre ihn auf einer beliebigen Holzbox gegen. Hoppla! Klingt das mit der Betonart nicht viel authentischer? Doch. Ihr Grundtonbereich ist so wunderbar schlackenfrei, als hätte jemand den über Jahre vergilbten Vorhang aufgerissen. Wow!
Die hohe Präzision zieht sich bruchlos über den gesamten Wiedergabebereich der Arrivato. Scheinbar mühelos leicht entflechtet sie komplexe Hochtonverästelungen, lässt hart geschlagene Snare-Drum (James Blood Ulmer “Crying) absolut realistisch im Hörraum krachen und auch bei den hinterhältigen Elektronik-Bässen von Infected Mushroom zeigt sie, wie viele Details auch in den scheinbar so uniformen Basswellen stecken. Ihre Spielfreude und Transparenz sind teilweise spektakulär, die plastische Abbildung in 3D-Qualität ebenso.
Wer jetzt aus der Arrivato-Beschreibung eine hochpräzise, aber emotionslose Wiedergabemaschine herauslesen will, liegt völlig falsch. Die Arrivato klingt gerade wegen ihrer hohen Auflösung so fein, so natürlich und schön oder nicht schön – eben so, wie es die Aufnahmen vorgeben. Und trotz ihrer hohen Präzision und der sehr linearen Abstimmung wird sie nicht ungnädig.
Es gab Musikstücke, da musste ich mich erst einmal umgewöhnen. Einige ältere Aufnahmen hatte ich bislang nur über Holzboxen gehört, weshalb ich dachte, diese eigentümliche Wolkigkeit im Grundton würde zum Sound-Ideal der damaligen Zeit gehören. Aber nein. Die Arrivato belehrte mich eines Besseren. Sie brachte auch in diese Aufnahmen einen ordentlichen Schub Präzision, Energie und Klarheit. Selbst eine Q Acoustics C500, fraglos eine der quirligsten Lautsprecher ihrer Klasse, wirkte gegen die agile Betonbox zwar etwas Klangfarben-prächtiger, aber auch eigentümlich gebremst.
Falls es noch nicht deutlich geworden ist: Ich bin von dieser Betonbox echt begeistert. Mein Rat an alle, die sich vorstellen können, knapp 14.000 Euro für Lautsprecher auszugeben: ruhig mal einen Termin bei den Wähdels vereinbaren…
Nachtrag
Es gibt die Betonart Arrivato auch als Aktiv-Version. Die Elektronik kommt dabei von der HiFiAkademie des Hubert Reith, die zufälligerweise ebenfalls in Leimen beheimatet ist. Der nachbarschaftliche Austausch beflügelte offenbar… Ich selbst konnte die aktive Arrivato noch nicht hören, habe aber bislang nur Bestes darüber gehört. Doch die Aktivierung kostet noch einmal 4.800 Euro oben drauf.
Fazit
Hochwertige Lautsprechertechnik, eingebaut in einem massiven Gehäuse aus Gussbeton: Man braucht nicht lange, um die Vorzüge eines so festen und schweren Gehäuses herauszuhören. Der Preis liegt bei erstaunlich fairen 13.500 Euro inklusive Anlieferung. Wer Eins und Eins (heißt Kosten für Treiber, Frequenzweiche und Gehäuse) zusammenzählt, der ahnt, dass hier keine Händlerspanne mehr drin ist – einen Betonart-Lautsprecher gibt es nur im Direktvertrieb. Und er wird kundenspezifisch aufgebaut: auch farbliche Wünsche sind daher perfekt machbar.
Die Arrivato war leider nur zwei Tage in der Redaktion. In dieser kurzen Zeit aber zeigte sie sehr genau auf, was den meisten (Holz-) Boxen fehlt: ein Gehäuse ohne eigene Coloration des Musiksignals. Ohne Beiklang des Gehäuses klingen die Aufnahmen einfach freier, impulsiver, richtiger.
Machen wir es kurz: Unterhalb 20.000 Euro gibt es gar nicht so viele außergewöhnliche Lautsprecher mit außergewöhnlichen Gehäusen. Die Gauder DARC 60 gehört dazu. Die Magico A3 auch. Und vielleicht auch die Wilson Audio Sabrina. Aber in jedem Fall auch die Betonart Arrivato. Vor allem im Grundton vermittelt dieser Lautsprecher eine Klarheit und Präzision, wie sie auch von vielen zigfach teureren Superboxen nicht realisiert wird. Von unserer Seite kann es dafür nur eine Note geben: “überragend”.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Extrem gradliniger energiereicher Klang, hohe Transparenz |
| Elektrisch gutmütig, lineare Impedanz oberhalb 4 Ohm |
| Dezente Mittenanpassung |
| Tolle Verabeitung, alle Farben möglich |
Vertrieb:
Betonart Audio
Steige 10
69181 Leimen
www.betonart-audio.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Betonart Arrivato: 13.480 Euro
Aufpreis Aktivierung: 4.800 Euro
Aufpreis individuelle Farbe: 350 Euro
Mit- und Gegenspieler:
Cambridge Audio AX A25: genialer Einsteigerverstärker für 250 Euro
Westend Audio Monaco: LowBeats Röhrenverstärker-Referenz
Atoll IN 400 SE: bester Vollverstärker unter 5.000 Euro
Q Acoustics C500: universelle Spitzenbox für 4.500 Euro