Focal ist nicht einfach nur Frankreichs größter und bekanntester Lautsprecherhersteller. Die Fertigungstiefe der Franzosen ist weit größer als gemeinhin üblich. Nicht nur, dass sie zumindest die Gehäuse der großen Serien allesamt in Frankreich fertigen, auch die Treiber sind durchwegs Eigengewächse. Seit über 35 Jahren gehört es zum Focal-Anspruch, mit die besten Treiber des Weltmarkts zu entwickeln: In den 1980er und 1990er Jahren bestimmte die legendäre Invers-Hochtonkalotte mit gelber Kevlarmembran die High-End-Szene. Wie man auch an der Focal Sopra No1 sehen kann, steht Focal heute für komplexe Sandwich-Membranen, unorthodoxe Magnet-Konstruktionen oder die weltweit ausgefeiltesten Beryllium-Kalotten – die allerdings nicht mehr auf dem freien Markt zu haben sind.
Wie auch B&W, Canton, Dynaudio oder Elac leistet sich Focal nicht nur die Produktion vor Ort, sondern auch ein großes Entwickler-Team, das mit neuester Analyse-Software (Klippel) und sehr viel Wissen immer neue und immer verzerrungsärmere Treiber entwirft. Vor allem die Untersuchungen zur letzten Utopia-Serie (Utopia III) brachten die Franzosen einen großen Schritt nach vorn.
Utopia ist schon seit Jahren auf dem Markt, aber die Treiber-Entwicklung bleibt ja nicht stehen. Vor allem der Magnet-Antrieb als auch die Aufhängung der Membranen sind permanent im Fokus und werden ständig verbessert. Ende 2014 war eine neue Generation Chassis fertig, die Focal nicht einfach in die Utopia III oder die darunter liegende 1000er-Be Serie einbringen wollte.
Also ersann man eine Zwischenlösung: die kleine Sopra Familie mit der Standbox No2 und der Kompaktbox Sopra No1 – die mir tatsächlich als die Interessantere der beiden erschien.
Zum einen lassen Aussagen von Focal Entwicklern erahnen, dass Focal sich mit der Sopra No1 den schärfsten, weil moderneren und günstigeren Konkurrenten der von mir sehr geschätzten Utopia Diablo (Preis: 10.500 Euro) selbst herangezüchtet hat.
Zum anderen, weil die Focal Sopra No1 derzeit mit der ebenfalls noch jungen B&W 805 D3 die Diskussionen der Foren beherrscht, welche der beiden denn nun die Krone im Bereich der eben noch bezahlbaren Kompaktklasse aufhat.
Die folgenden Illustrationen zeigen, an welchen Punkten Focal seine Treiber noch einmal verbessert hat:
Besonders konsequent wurden die neuesten Erkenntnisse in Sachen Hochton umgesetzt. Beryllium-Kalotte? – Geschenkt. Da ist man bei Focal eh der Meinung, ganz weit vor zu liegen.
Aber wie sieht es mit der mechanischen Ankopplung aus, was geschieht mit der Schallenergie, die von der Rückseite der Inverskalotte abgegeben wird?
Focal Sopra No1: Deutlich weniger Verzerrungen dank Klippel Analyse
Tatsächlich stellt der rückwärts abgestrahlte Schall von Hochtönern ein häufig unterschätztes Problem dar. Denn auf der Rückseite der Kalotte entsteht die gleiche Schallenergie wie nach vorn. Sie kann aber nicht entweichen, weil in der Regel ein großer Magnet dem freien Fluss im Wege steht.
Ergebnis: Frühe Reflektionen, die der Präzision nicht förderlich sind. B&W ersann deshalb die Nautilus Röhren, in denen sich der Schall totläuft. Die Sopra Lösung ist genauso aufwändig.
Der Magnet ist durchbohrt, sodass die rückwärtige Energie in eine kleine Kunstsoff-Kammer entweichen kann, die komplett mit Dämmstoff gefüllt ist. Doch diese kleine Kammer ist nicht geschlossen, sondern wie eine Bassreflexbox mit kleinen, genau definierten Öffnungen versehen.
Die Öffnungen münden in einer hornartigen Gehäuseöffnung, die durch das gelochte Edelstahl auf der Rückseite verdeckt wird. So hat die Berylliumkalotte optimale Arbeitsbedingungen.
Und was die Focal Entwickler schon bei den Untersuchungen zur ersten Utopia Serie herausfanden, wurde auch bei Sopra umgesetzt. Zum Beispiel: Masse ist gut, eckige Kanten sind schlecht.
Wenn man also den Lautsprecher mit massiven Gehäusewänden aufbaut, kann man alle Kanten so stark runden, dass Kantenreflexionen nie ein Thema sein werden. Die Schallwand der Focal Sopra No1 beispielsweise ist 69 Millimeter stark.
Das Gehäuse aus MDF ist so vielfach versteift, dass einzelne Flächen nur schwerlich in Eigenschwingungen kommen. Dementsprechend ist eine Sopra No1 mit 19 Kilo für ihre Größe ziemlich schwer. Und weil man bei Focal etwas vom Ausgleich der Massen versteht, wiegt der Ständer (der im Preis inbegriffen ist) in etwas das Gleiche: 18,5 Kilo.
Auf der anderen Seite versuchte die Entwicklungsabteilung die schwingenden Massen möglichst klein zu halten. Die Membran des Tiefmitteltöners ist sehr leicht und seine Schwingspule mit 25 Millimetern ungewöhnlich klein – die des (sehr viel kleineren) Hochtöners ist tatsächlich genauso groß.
Dahinter steckt die Idee: geringe Größe = geringes Gewicht = mehr Wirkungsgrad. Auf der anderen Seite bedeutet eine kleine Spule auch immer weniger Spulenmaterial im Magnetfeld, also weniger Antriebskraft und geringere Impulsfreudigkeit.
Doch bei den langwierigen Simulationen mit dem Klippel Analyse-System fand man bei Focal eine Lösung, wie man beide Aspekte unter einen Hut bekommen könnte: Ein Farraday’scher Kupferring um den Magneten verstärkt dessen Wirkung deutlich, sodass sich die kleine Schwingspule sehr lange in einem stabilen Magnetfeld bewegt und die Präzision und Impulsfähigkeit der Wiedergabe deutlich besser wurden.
Dabei ging es den Franzosen nicht in erster Linie um den Bass. Gérard Chrétien, über lange Jahrzehnte rechte Hand und Entwicklungsleiter von Jaques Mahul (und auch Initiator der Sopra Reihe), bezeichnete in einem Gespräch auf der letzten High End die Mitten als „zweifelsfrei komplexesten und für die Musikalität wichtigsten Bereich”.
Sagenhaft natürliche Mitten: im LowBeats HiFi-Hörraum
Und das war auch vom Start weg ohrenfällig: Diese klaren, aber immer angenehm vollmundigen Mitten, die jede Vokalaufnahme (die was taugt) wirklich lecker klingen ließ. Ich nehme da immer gern das Sächsische Vocalensemble unter Matthias Jung (Track 15): eine fantastische Aufnahme von Andreas Spreer (Tacet).
Wenn der Lautsprecher gut ist, meint man fast, die einzelnen Sänger sehen zu können – so plastisch sind sie aufgenommen. Und so gut kann man jede Silbe verstehen. Die Focal Sopra No1 kann das. Der Klang löste sich vollkommen von den Gehäusen. Bei geschlossenen Augen hatte ich die Illusion, direkt vor dem Chor zu sitzen. Und es klang einfach echt: Gänsehaut – auch, weil das Stück so schön ist.
Die Tieftonwiedergabe ist für einen Lautsprecher dieser Größe zumindest einmal beachtlich; im 67 Quadratmeter großen LowBeats HiFi-Hörraum schob sie bis zu mittleren Lautstärken eine Menge Bass an.
Für das Sonore in den Stimmen war das schön, aber es sorgte auch für das Wohlfühl-Moment bei schwerpunktmäßig bassorientierter Elektro-Musik wie der Dubnobasswithmyheadman von Underworld.
Tatsächlich erschien die Sopra No1 aufgrund ihres Tiefgangs erst einmal etwas gemächlich – allerdings, das muss ich einschränkend dazu sagen – vor allem im Vergleich zur sehr lebendigen B&W 805 D3, deren Tiefton sehr viel knurriger, aber auch längst nicht so tief reichend ist.
Und dieser Eindruck blieb Verstärker-unabhängig. Natürlich hörten wir überwiegend mit unserer Referenz, dem Vollverstärker Octave V80 SE.
Aber auch an der Nubert Vor-/Endstufen-Kombination nuControl/nuPower und dem Oberklasse-Verstärker Yamaha A-S 1100 war die klangliche Tendenz immer die gleiche: extrem ausgewogen, satt in den Bässen und unglaublich filigran in den Höhen. Da gab es nichts zu kritteln.
Und im Vergleich zur B&W 805 D3? Die Engländerin ist in jedem Fall sehr viel lebendiger und etwas plastischer. Die Focal Sopra No1 macht auf staatsmännische Souveränität, die 805 D3 auf jugendliche Frische. Beides hat seinen Reiz.
Mit der Musik des Franzosen Pierre Moerlen (Gong, Downwind), der mit seinem Vibraphon Anfang der 1970er Jahre die Jazzrockwelt aufmischte, gefiel mir die britische B&W besser: noch mehr Drive, mehr Leben, mehr Funkeln in den Mitten.
Mit der Musik der britischen Band Underworld gefiel mir die französische Focal besser, weil sie stets die Übersicht bewahrte und untenrum sehr viel mehr Druck machte. Am Ende würde ich sagen: Geschmackssache.
Für den Hochtonbereich gilt das allerdings nicht: Denn feiner und freier als bei der Sopra No1 habe ich selten einen Lautsprecher gehört. Die Leichtigkeit, mit der die Sopra No1 obertonreiche Musik auffächert, sucht Ihresgleichen.
Da kommen bei Gitarrenmusik feine Details zum Vorschein, die viele andere Lautsprecher schlicht ignorieren. Das ist ganz hohe Kunst und das kann auch die von mir sehr geschätzte, aber leider viermal so teure Magico Q3 (übrigens auch mit Beryllium-Kalotte) nicht wirklich besser.
Eine Zeitlang standen Focal Sopra No1 und B&W 805 D3 gemeinsam im Hörraum und wie zufällig kamen plötzlich viel mehr Freunde in die Redaktion als üblich. Vorgeblich, um zu schauen, wie LowBeats denn so läuft.
In Wahrheit, um den Vergleich zwischen den beiden Lautsprechern unter guten Bedingungen zu machen. Elf Mann waren es über die zwei Testwochen verteilt und von den elfen hätten sich wegen der besseren Allround-Eigenschaften sieben für die Focal entschieden; vier plädierten auf die erlebnisreichere Bowers.
Zwei weitere Focal Sopra No1 Tests sind derzeit online: einer auf likehifi und einer auf Connect, hinter dem eigentlich ein stereoplay-Test steckt. Die Einschätzungen decken sich zwar nicht in allen Punkten, aber doch in diesem sehr wohl: Die Sopra No1 ist fraglos eine der besten Boxen dieser Klasse.
Fazit: Vor allem im Hochton besser als alle anderen
Ich habe den Eindruck, es weht ein neuer Wind bei Focal. Die Qualität der Sopra No1 nur mit den Fortschritten im Bereich der Hoch- und Tiefmittelton-Treiber zu erklären, ist womöglich etwas kurz gesprungen.
Früher hatten Focal-Lautsprecher oft etwas Indifferentes: nach unten weich, nach oben hart. Die Sopra dagegen spielt wie aus einem Guss.
Ein Lautsprecher, der aufgrund seiner Homogenität und seiner enormen Hochtonqualitäten selbst anspruchsvollsten Highendern vollauf genügen könnte – wenn der Raum nicht zu groß und die Pegelanforderungen nicht zu hoch sind.
Dass die Sopra No1 nur mit Ständer ausgeliefert wird, ist durchaus diskussionswürdig.
Natürlich klingt sie auf dem optimierten und auch Masse-mäßig perfekt abgestimmten Ständer am besten. Und natürlich gehört sie auf einen ordentlichen Ständer in der richtigen Höhe und eben nicht auf das Sideboard.
Eigentlich würde ich diese Entscheidung gerne selbst treffen. Andererseits: Wenn man angetreten ist, einen der besten Kompaktlautsprecher zu bauen, dann macht man es natürlich auch an dieser Stelle konsequent …
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Einzigartig feiner Hochton |
| Hohe Natürlichkeit |
| Top-Verarbeitung |
| Vergleichsweise teuer |
Vertrieb:
Focal Naim Deutschland GmbH
Hainbuchenweg 14–18
21224 Rosengarten
www.focal-naim.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Focal Sopra No1: 8.000 Euro / Paar
Im Beitrag erwähnte Themen:
Test B&W 805 D3: Maßstab der Kompaktklasse
Test Octave V80 SE: Der Referenz-Vollverstärker
Test Nubert nuControl/nuPower D – Vor-/Endstufen-Kombi
Test Vollverstärker Yamaha A-S 1100
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