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Guru Audio Junior
Die Junior von Guru Audio (Preis: 1.600 Euro) ist etwas unscheinbar. Doch wenn man die kleine Konzeptbox richtig aufstellt, wird aus ihr ein echter Klangriese (Foto: Guru Audio)

Test Guru Audio Junior: die kompakte Wohnraum-Konzeptbox

Schon der Name ist ja genial: Guru Audio aus Stockholm baut kleine Kompaktboxen, die trotz aller Kantigkeit recht hübsch sind – eben dem klassisch skandinavischen Design folgen. Und die Schweden haben – anders als 98% der Lautsprecheranbieter weltweit – ein klares Konzept vor Augen, wie diese hübschen Lautsprecher aufzustellen sind: Es sind Schallwandler, die man an die Rückwand stellen MUSS. Insofern ist die hier getestete Guru Audio Junior ein Paradebeispiel für die Arbeit um das Team von Ingvar Öhman (Toningenieur), Erik Ring (Musiker) und Erik Espmark (Industriedesigner). Mit ihr erfüllen die drei Macher einen stillen Wunsch vieler Musikfreunde: nämlich nach bestem Sound auch in einer Umgebung, in der für Lautsprecher kaum Platz ist. Und unter diesen Bedingungen kann sie es mit fast allen Platzhirschen aufnehmen…

Das Besondere an der Guru Audio Junior

Mit ihren Abmessungen von 18 x 28 x 24 cm (B x H x T) ist die Junior alles andere als ein Riese. Aufgebaut ist das Gehäuse aus 15 mm starken MDF-Platten, die mit Echtholz furniert sind. Die Ausnahme bildet die Schallwand, die etwas aufwändiger gemacht ist: Exakte Fräsungen lassen hier den Korb des Tiefmitteltöners als auch die Frontplatte des Hochtöners millimetergenau verschwinden. Eine lackierte Metallplatte mit den entsprechenden Aussparungen für Hoch- und Tiefmitteltöner bildet hier einen perfekten Abschluss, der Schrauben und Ähnliches verdeckt. Gehalten wird die Metallplatte über Magnete, die in der Schallwand eingelassen sind. Eine clevere Lösung. Wie überhaupt das Gehäuse hübsch gemacht ist – siehe Slideshow:

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Guru Audio Junior Front
Auf der Schallwand liegt eine dünne Dämpfungsschicht (grau), die wiederum die lackierte Abschlussplatte (weiß) aus Metall wirkungsvoll bedämpft (Foto: H. Biermann)
Guru Audio Junior oben
Runde Kanten oder gar Seitenwangen sucht man hier vergebens: die Guru Audio Junior zieht ihre Attraktivität auch aus ihrem sehr klaren, eckigen Bauhaus-Design (Foto: H. Biermann)
Guru Audio Junior innen
Der Bassreflex-Port ist nicht wie bei den meisten Boxen als Rohr, sondern als schmaler Schlitz ausgeführt, der über die gesamte Breite geht und unterhalb des Tieftöners austritt. Das Bild zeigt, dass der Bassreflex-Kanal fast die ganze Bautiefe der Junior ausnutzt (Foto: H. Biermann)
Guru Audio Junior BR-Kanal
Der BR-Port tritt am unteren Ende der Schallwand aus fügt sich mit einer gerundeten Kunststoff-Abdeckung stilvoll in das Junior-Design ein (Foto: Guru Audio)
Guru Audio Junior Etikett
Keine China-Ware: Die Guru-Speaker werden in Stockholm erdacht, die Gehäuse kommen aus Lettland – mittlerweile eine Adresse, die viele Highender nutzen (Foto: H. Biermann)
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Die Treiberbestückung ist da schon etwas einfacher: Die Junior arbeitet mit einem klassischen Hochtöner, der mit einer vergleichsweise kleinen, 21 Millimeter durchmessenden, Gewebekalotte ausgestattet ist. Der Tiefmitteltöner vom Zulieferer Tymphany (ex Peerless) fiel ebenfalls recht klein aus: Der Korb-Durchmesser kommt gerade mal auf 13 cm. Das ist nicht die Quelle, aus der furchterregende Bässe entstehen. Sollte man meinen…

Nach dem Öffnen der Guru Audio Junior war ich erst einmal perplex: Mehr als zwei Drittel des Bassreflex-Gehäuses sind mit einem sehr festen Schaumstoff-Block gefüllt. Er passt haargenau und lässt nur den Teil um den Bassreflex-Port im Inneren frei. Ein so fester Schaumstoff verringert das Volumen. Wahrscheinlich hätte man das Gehäuse auch kleiner machen können, aber das hätte Design-mäßig vielleicht nicht so gut gepasst.

Guru-Entwickler Ingvar Öhman ist ein Verfechter von sogenannten „phasengetreuen“ Frequenzweichen und will dieses Ideal mit möglichst flachen Frequenzweichen erreichen. Öhmann: „Die Junior hat keine Frequenzweiche erster Ordnung (6 dB), sondern ein komplexes Filter. Typischerweise sind Lautsprecher, die Filter erster Ordnung (6 dB/Oktave) verwenden, sehr einfache Lautsprecher, die nicht gut funktionieren. Sie schaffen eine unnötig schlechte Integration zwischen den Lautsprechern. Trotzdem Ist der Übergangsbereich sehr breit und liegt zwischen 2.000-7.000 Hertz.“

Da er zudem den Hochtöner sehr hoch ankoppelt und der Tiefmitteltöner zu höheren Frequenzen hin immer stärker bündelt, strahlt die Junior in den oberen Mitten auf Achse zwar sehr linear, außerhalb der Winkel aber eher eingeschränkt ab. Das klingt erst einmal wie ein Nachteil. Doch vor dem Hintergrund der Aufstellungs-Empfehlung für die Junior ist diese Abstrahl-Charakteristik absolut richtig.

Guru Audio Junior Frequenzweiche
Die Frequenzweiche der Guru Audio Junior ist spärlich, aber mit Polypropylen-Kondensatoren bestückt. Die Spulen sind gegen Eigenschwingungen mit der Platine verklebt (Foto: H. Biermann)

Praxis

Punkt Eins der Guru-Aufstellungs-Empfehlung lautet: Die Junior ist für die Aufstellung an der Rückwand entwickelt. Aber man soll – und das ist Punkt Zwei der Empfehlung – die kleine Box nicht platt vor die Wand stellen (was wegen der Lautsprecheranschlüsse auch gar nicht so einfach machbar wäre), sondern extrem stark einwinkeln. Was das heißt? Vom deutschen Vertrieb (ATR) kommt eine Zahl: Idealerweise treffen sich die Null-Grad-Achsen der beiden Speaker etwa einen Meter vor dem Hörplatz. Das ist weit weg von den üblichen Aufstellungen/Ausrichtungen.

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Guru Audio Junior Aufstellung
Die Guru Audio Junior sollte direkt an der Wand stehen. Aber halt stark eingewinkelt (Foto: H. Biermann)
Guru Audio Junior Aufstellung
Mit der starken Einwinkelung werden Reflektionen von den Seitenwänden deutlich minimiert. Die eingeschränkte Schallabstrahlung der Junior in den Mitten tut ein Übriges (Foto: H. Biermann)
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Zur Erklärung: Mit der starken Einwinkelung werden Reflektionen von den Seitenwänden deutlich minimiert. Die eingeschränkte Schallabstrahlung der Junior in den Mitten tut ein Übriges. Dadurch wird die Abbildung kleiner, aber sehr genau. Diese Aufstellung ist keine Guru-Erfindung. Audio Physics Gründer Joachim Gerhard propagierte diese Aufstelllungs-Variante schon vor 25 Jahren. Er hatte damit großen Erfolg und inspiriert damit noch heute viele Musikfreunde zum Experimentieren.

Wenn man sich die kleine Junior ansieht, wird man nicht vermuten, dass sie a.) besonders effizient oder b.) pegelstark ist. Doch beides ist der Fall. Der von Guru Audio angegebene Wirkungsgrad von (erfreulich hohen) 87 dB ist korrekt. Damit ist die Junior ein gutes Stück „lauter“ als die meisten ihrer gleichgroßen Mitbewerber.

Erstaunlich ist auch ihre Pegelfestigkeit. Die meisten Modelle dieser Größenklasse – zumal mit dem kleinen Tieftöner – schaffen nicht einmal die Standard-94-dB-Messsung. Die Junior nahm die Hürde noch mit Bravour und legte noch 2 Dezibel obendrauf, bis die Mess-Systeme die Verzerrungen als zu hoch einstuften.

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peopleaudio Guru IM-Spectrum 94dBC
Bei gehobenem Wohnzimmerpegel sind die Verzerrungen noch auf moderaten Niveau und werden ausschließlich vom kleinen Tieftöner erzeugt (Messung: J. Schröder)
peopleaudio Guru IM-Spectrum 96dBC
96 dB Dauerpegel sind für eine Box dieser Größe nicht übel (Messung: J. Schröder)
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96 dB Dauerpegel schafft die Guru – immerhin genauso viel wie die pegelfeste JBL L52 Classic. Allerdings behilft sich Entwickler Öhman dafür mit einem Trick. Die kleine Junior macht keinerlei Tiefbass. Unterhalb 70 Hertz fällt der Schalldruck deutlich ab. Damit vermeidet Öhman Verzerrungen und optimiert die Junior gleichzeitig für die empfohlene Aufstellung an der Rückwand.

Und noch einen erfreulichen Punkt ergaben die LowBeats Messungen: Die Junior ist elektrisch absolut gutmütig. Ich habe im LowBeats Referenz-Regal keinen Verstärker gefunden, der mit der kleinen Schwedin nicht zurechtkäme. Und doch will ich diese eine Empfehlung aussprechen: Wieder einmal war es der Atoll IN 50 Signature, der diesen Testlautsprecher klanglich wie auch Pegel-mäßig zu erfreulichen Hochleistungen trieb.

LowBeats Messung Guru Audio Junior: Impedanz, Phase, EPDR
Mit Ausnahme eines kleinen Schlenkers bei 4.500 Hertz verlaufen Impedanz (rote Kurve), Phase (blaue Kurve) und der aus diesen beiden elektrischen Werten resultierende EPDR-Wert (graue Kurve) weitgehend linear (Messung: J. Schröder)

Es kommen noch zwei weitere Tipps hinzu – von Guru Audio selbst. Zum einen empfehlen die Schweden einen sehr hübschen Holzständer namens Standpoint. Es ist ein hölzenes Dreibein, das es möglich macht, die Junior optimal an die Wand zu stellen. Zum anderen das hauseigene Kabel namens Solid. Dahinter verbirgt sich ein zweiadriges Sildcore-kabel, mit dem die Junior tatsächlich ausgesprochen dynamisch und zupackend klingt. Auch das eine gute Empfehlung.

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Guru Audio Junior Ambiente
Die Ständer der Guru (Name: Standpoint) sind echt hübsch geraten. Der Dreibein kostet 600 Euro pro Paar und provoziert fast schon eine freie Aufstellung – was aber nicht die beste Idee wäre… (Foto: H. Biermann)
Guru Audio Junior Kabel
Das Guru-Lautsprecherkabel namens Solid ist zwar etwas starr, passt aber klanglich bestens zur Junior und ist vergleichsweise günstig – nämlich 185 Euro für 2 x 3 Meter (Foto: H. Biermann)
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Hörtest

Der erste Durchgang war nur dafür gut, um den Standards zu genügen. Die Junior musste sich auf den von LowBeats als optimal ermittelten Positionen (Abstand zur Wand: 50 cm) gegen die KEF LS 50 META, die ATC SCM 11 und die Inklang Ayers One erwehren. Das gelang ihr aber nicht. Im Bass und Grundton tönte sie deutlich dünner und auch in den oberen Mitten waren die drei (allerdings auch exzellenten) Vergleichs-Speaker echt besser.

War das Bassverhalten noch erwartbar, so war ich doch ein wenig überrascht, dass ATC, Inklang und KEF um einiges mehr an Details, Energie und Feinheit in den Mitten brachten. Da fürchtete ich schon, man müsse die kleine Schwedin abschreiben.

Guru Audio Junior VS KEF LS 50 META im Hörraum
Eine Größen- und eine Preisklasse: Die Guru Junior im LowBeats Hörraum neben der neuen KEF LS 50 META (Foto: H. Biermann)

Das sollte man aber nie tun, bevor man sie nicht artgerecht aufgestellt und gehört hat. Wir hörten anschließend die Junior in verschiedenen Räumen, aber immer mit der empfohlenen eingewinkelten Aufstellung an der Wand und auf den Standpoints. Und da wurde schnell deutlich: Das klingt um Welten besser. Anfänglich verwendeten auch wir unser klassisches Referenzkabel, das Kimber 12VS. Doch schon nachdem ersten Versuch schwenkten wir auf das (auch deutlich günstigere) Guru Solid um; mit ihm klang die Junior zupackender und lebendiger.

Jetzt war also alles anders. Die Junior präsentierte sich mit einem wunderbar breitbandigen Klangbild, dem nichts fehlt; auch die etwas eingeschränkte Mittenenergie fiel direkt an der Wand nicht mehr so stark ins Gewicht. Die zum Vergleich auf den gleichen Platz gestellte KEF LS 50 META war zwar bei der Wiedergabe von Stimmen oder Gitarren immer noch etwas luftiger, aber insgesamt klang sie an der Wand längst nicht so ausgewogen.

Die Junior dagegen legte jetzt richtig los. Selbst die Energie-fressende Jazz Big Band, mit der Jumi Tenor sein Terra Exotica eingespielt hat, bekam nun mit der Junior enorm viel kernige Energie; das atmete und groovte wunderbar, all die kleinen Zwischendetails waren gut herauszuhören. Ebenfalls exzellent war auf einmal die Abbildung der einzelnen Instrumente, die die kleine Schwedin gekonnt und sehr plastisch vor den Hörplatz modellierte. Spätestens hier zeigte die von Guru empfohlenen Aufstellung in Verbindung mit dem Konzept-Lautsprecher Junior ihre leckerste Schokoladenseite.

Jimi_Tenor-&-UMO-Cover
Jimi Tenor & UMO Helsinki Jazz Orchestra – Terra Exotica (Cover: Amazon)

Den finalen Ritterschlag aber holte sich die kleine Schwedin bei den gewohnheitsmäßig durchgehörten Elektropop-Stücken von Yello und Infected Mushroom. Holla die Waldfee: Kamen diese stabilen, fast schon brachialen Basslagen tatsächlich aus diesem kleinen Böxchen? Die Energie stimmte, Kraft und trockene Präzision, als ob hier ein PA-Monitor spielen würde. Und das ging auch noch erstaunlich laut. Da tönten die oben erwähnten Vergleichs-Lautsprecher an der Wand sehr viel grummeliger und „weicher“. Nein: Wenn man dem Aufstellung-Konzept der Schweden für die Junior folgt (und alles andere wäre ja Unfug), bekommt man einen echt begeisternden Auftritt.

Fazit Guru Audio Junior

Bei normaler, also weitgehend freier Aufstellung wird die Junior im Vergleich zu den arrivierten Platzhirschen dieser Preisklasse wahrscheinlich immer nur den zweiten Platz machen. Direkt an der Rückwand aber sieht die Sache anders aus. Da nämlich klingen die meisten Kompaktboxen – übrigens unabhängig vom Preis – etwas zu dicklich in Bass und Grundton.

Mit der Junior hat Guru Audio einen schönen Gegenentwurf und einen echten Problemlöser im Angebot. Für 1.600 Euro bekommt man hier kein Schnäppchen. Aber einen außergewöhnlichen Konzept-Schallwandler, der unter den oft vorzufindenden, recht engen Wohnzimmer-Umständen womöglich die beste Wahl ist…

Guru Audio Junior
2021/11
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Erstaunlich druckvoll-präziser Klang
Dröhnfreier Bass, gute Räumlichkeit
Für die Aufstellung an der Rückwand konzipiert
Harmoniert mit quasi jedem Verstärker

Vertrieb:
ATR – Audio Trade
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
www.audiotra.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Guru Audio Junior: 1.600 Euro
Guru Audio Standpoint: 600 Euro
Guru Audio Solid Cable: ab 165 Euro (2 x 2 Meter)

Die technische Daten

Guru Audio Junior
Konzept:2 Wege Kompaktbox, Bassreflex
Bestückung:HT = 21 mm, TMT = 10,5 cm
empf. Mindest-Leistung des Verstärkers:2 x 30 Watt
Besonderheiten:für wandnahe Aufstellung konzipiert
empf. max. Raumgröße20 Quadratmeter
Maximalpegel (Dauer / kurzfristig):96 / 108 dB
Abmessungen (B x H x T):18,2 x 28,0 x 23,8 cm
Abmessungen mit Ständer:29,0 x 87,2 x 28,5 cm
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

Test Vollverstärker Atoll IN 50 Signature: volle Klangpracht für 750 Euro
Test Inklang Ayers One: Kompaktbox mit extra breiter Abstrahlung

Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.