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Porsche 986 Boxster von 2002

Porsche PCCM Plus im Test: Das kann das Digital-Navi-Radio für Oldtimer

Alle reden von Nachhaltigkeit und meinen damit im Automobilbereich aktuell gerade Elektromobilität. Doch was ist mit den alten, teilweise zum Kulturgut gehörenden Verbrennern? Hier tut sich vor allem Porsche besonders positiv hervor. Obgleich kleinster Hersteller unter den Schwergewichten, liegen die Zuffenhausener in aktuellen Statistiken mit 34.975 H-Kennzeichen auf Platz 3 des Oldtimerbestands auf deutschen Straßen. Das bedeutet, dass ein hoher Prozentsatz aller jemals gebauten Porsche noch aktiv am Verkehr teilnimmt. Eine solide Basis, gleich noch ein weiteres starkes Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft zu setzen. Mit witzigen Video-Spots kündigte Porsche kürzlich zwei Navigationsradios mit allen Zutaten heutiger Infotainment-Technologie an, die Klassikern und Youngtimern den Sprung ins 21. Jahrhundert ermöglichen. Die neuen Porsche Classic Communication Management Systeme PCCM und PCCM Plus bringen zeitgemäße 3D-Navigation mit Traffic Message Channel (TMC), Apple CarPlay, Medienwiedergabe via SD-Karte, Digital-Radio DAB+ sowie Telefonieren mit Sprachsteuerung und Freisprechen in ältere und ganz alte Fahrzeuge.

Das kam so überraschend, dass der Oldtimer-begeisterte Autor das Gefühl hatte, jemand hätte seine geheimsten Gedanken gelesen. Aber kann das wirklich so einfach gelingen, einen Klassiker zur Neuzeit aufschließen zu lassen, ohne dessen Originalität zu unterminieren oder die Funktionalität des Updates zu kompromittieren? Das wollten wir dann doch mal genauer untersuchen.

Porsche PCCM im Boxster von 2002

Da steht er, postgelb in der Nachmittagssonne glänzend, auf dem Werkshof in Zuffenhausen. Für unseren Praxischeck hat uns Porsche aus dem rollenden Museum einen 2002 gebauten 986 Boxster mit Handschaltung aufgefahren. Mit ihm können wir auf den verwinkelten Landstraßen im Norden Stuttgarts das für rund 1.600 Euro angebotene, größere PCCM Plus mit 7-Zoll-Display für alle 996 und 986 Modelle testen.

Vor dem Drehen des Zündschlüssels dürften selbst wollgefärbte Porsche-Afficionados erst auf den zweiten Blick erkennen, dass hier nicht das originale PCM 2 Navigations-System mit seinem Bildschirm in der Mittelkonsole thront. Wer ganz genau hinsieht, könnte im Ablagefach darunter ein erstes Indiz für das ungewöhnliche Upgrade entdecken: Die mitgelieferte Media-Box ist nicht einmal so groß wie eine Zigarettenschachtel, hat es aber in sich. Hier finden sich ein USB-A-Anschluss für Memory-Sticks mit Musikdateien, ein analoger AUX-Eingang für Mini-Klinkenstecker plus ein weiterer USB-A-Anschluss zum Laden und Verbinden von Smartphones. Bei genauer Betrachtung entdeckt das Auge noch die eine oder andere kleine Taste unter dem Display, die es zu Zeiten der Auslieferung des 986 Boxsters so nicht gab.

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Porsche PCCM Plus mit Apple CarPlay
Das Porsche PCCM Plus wartet mit Apple CarPlay und Android Auto auf. Das kleinere PCCM unterstützt nur Apple-Smartphones (Foto: S. Schickedanz)
Equalizerfunktion des Porsche PCCM Plus
Mit der Equalizerfunktion des Porsche PCCM Plus kann man aus den vorhandenen Lautsprechern seines Klassikers ein Maximum an Klang herausholen (Foto: S. Schickedanz)
Home-Screen des Porsche PCCM Plus
Der Home-Screen des Porsche PCCM Plus gewährt schnellen Zugriff auf Navigation, Digital-Radio und all die anderen coolen Funktionen. Unter dem 7-Zoll-Display gibt es auch mechanische Tasten zum Direktzugriff (Foto: S. Schickedanz)
Navigation
Die Navigation des Porsche PCCM Plus offeriert 2D- und 3D-Ansicht und kann bei Fahrzeugen wie dem 986 Boxster von 2002, der seinerzeit auch ein PCM mit Navi besaß, Richtungsinfos in den Drehzahlmesser einblenden (Foto: S. Schickedanz)
Instrumententräger des 986 Boxster
Die Richtungsinformationen erscheinen in einem kleinen monochromen Display im Drehzahlmesser des Porsche 986 Boxster, wenn das Fahrzeug ab Werk mit Navigation ausgerüstet war (Foto: S. Schickedanz)
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Starten und Staunen

Wer den Zündschlüssel umdreht, kommt so schnell aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der 18 Jahre alte Boxster präsentiert sich wie ein aktuelles Auto mit sämtlichen Gadgets, an die uns die Elektronik-Entwickler in so kurzer Zeit dermaßen gewöhnt haben. Viele können sich das Fahren ohne sie selbst im schönsten, sportlichen Klassiker inzwischen kaum noch vorstellen. Der Bildschirm kann nicht nur Farbe satt mit 800 x 480 Pixel Auflösung, er präsentiert sich von seinen auf dem Home Screen in zwei Reihen verteilten Software-Keys auf der Höhe der Zeit.

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Wer sich für die integrierte Navigationsfunktion des PCCM Plus entscheidet, kann sich bei diesem bereits ab Werk mit dem PCM-Navi ausgestalten Boxster sogar die Richtungshinweise im monochromen Display im unteren Teil des zentralen Drehzahlmessers anzeigen lassen. Diese nützliche Funktion entfällt, wenn man auf Apple CarPlay oder Android Auto wechselt und auf die Navi-App des Smart-Devices vertraut. Der Verzicht wird allerdings durch eine äußerst praktische Zieleingabe durch Spracherkennung aufgewogen. Wer es perfekt machen will, nutzt wie der Autor zum Aufruf von Siri von seinem iPhone nicht das integrierte Mikrofon. Unser Testwagen besaß ein dezent hinter dem Lenkrad angebrachtes, leistungsfähigeres Richtmikrofon, das auch die Sprachverständlichkeit beim Telefonieren über das PCCM Plus verbessert. Es gehört zum Lieferumfang beider PCCM-Systeme, dürfte aber von einigen auf maximale Originalität bedachten Klassiker-Besitzern verschmäht werden.

Weckruf für Siri

Wenn die Musik lief, gelang es je nach Song und Wiedergabelautstärke nicht immer, mit dem Losungswort „Hey Siri“ Apples Sprachassistentin zu wecken. (Ein Problem, das auch mancher von seinem Smart-Lautsprecher in der Wohnung kennt). Für diesen Fall gibt es noch die Möglichkeit, sich durch einen längeren Druck auf den Home Button am PCCM Plus Gehör zu verschaffen. Das ist allemal besser, als während der Fahrt komplexe Bedienvorgänge am Touchscreen vornehmen zu wollen. Ganz prima klappte das freihändige Telefonieren mit „Wahl-Helfer“ Siri und Freisprechen über die dank Radio-Upgrade jetzt 4 x 45 Watt starke Original-HiFi-Anlage. Porsche betrieb hier auch schon bei der Grundausstattung des 986 Boxster einen ordentlichen Aufwand. In Verbindung mit dem seinerzeit als Option verfügbaren, heute direkt von Porsche als Nachrüstung angebotenem Bose Sound System wäre der Klang sogar nochmal deutlich sonorer gewesen. Doch auch so ließ sich der Klang über den 6-Band-Equalizer oder die von Porsche für Rock, Pop, Klassik oder Jazz optimierten Presets gemäß eigenen Wünschen steigern.

Porsche PCCM mit Media Box von hinten gesehen
Das Porsche PCCM mit Media Box von hinten gesehen. Bis auf den an 1-DIN angepassten 3,5-Zoll-Bildschirm sind die 4 x 45 Watt starken Digital-Radios identisch (Foto: S. Schickedanz)

Wer CarPlay oder Android Auto nutzen möchte, muss sein Smartphone über USB verbinden. Zur Musikwiedergabe steht alternativ auch Bluetooth mit sehr ordentlichem Klang zur Verfügung. Die Bedienung des PCCM Plus war weitgehend auf Anhieb verständlich und sehr praxisgerecht. Peter Nachbauer, als Produktmanager des Kundenzentrums Klassik für das Oldtimer-Radio-Projekt verantwortlich, fand mit seinem Entwicklerteam sogar einen Weg, das ständige „Vordrängeln“ von Apple CarPlay zu unterbinden. Wer am Homescreen oder den mechanischen Tasten am PCCM Plus auf „Navigation“ drückt, landet bei aktiviertem CarPlay immer wie gemeinhin üblich bei der Karten App von Apple. 

Durch den Druck auf die „Map“-Funktion gelingt aber dennoch der Zugriff auf die Porsche-Navigation (das Kartenmaterial wird über eine separat erhältliche SD-Karte aufgespielt) mit dem bereits erwähnten Vorteil der Einblendung von Fahrthinweisen im Drehzahlmesser-Display. Allerdings führte die Benutzung von Siri gelegentlich dazu, dass wir uns anschließend auf dem CarPlay Screen wiederfanden. Doch was ist das schon gegenüber dem völligen Verzicht auf Segnungen der Neuzeit oder der Nutzung halbgarer Kompromisslösungen vom freien Zubehörmarkt? 

Tieferlegungssatz für die Klimaanlage wegen Porsche PCCM

Die Betreuung der Besitzer älterer Fahrzeuge geht bei Porsche Classic sogar so weit, dass sich bei Fahrzeugen, die ohne PCM vom Band liefen, die Betätigung der Klimaanlage mit vertretbarem Aufwand tiefer legen lässt, um Platz für den großen Bildschirm in der Mittelkonsole zu schaffen. Wer vorher bereits ein PCM 1 oder PCM 2 mit Navigation besaß, kann auch die entsprechende Antenne weiterverwenden, was den Einbau-Aufwand trotz mitgelieferter Sat-Antenne verringert. Der gerade bei Überlandfahrten bewährte Tuner für das Digitalradio DAB+ nutzt seinerseits die vorhandene Scheibenantenne des ursprünglichen UKW-Empfängers. 

Peter Nachbauer mit dem PCCM
Das Porsche Classic Communication Management System PCCM entspricht bis auf den von 7 auf 3,5 Zoll verkleinerten Bildschirm und den Verzicht auf Android Auto exakt dem größeren PCCM Plus aus unserem Test. Peter Nachbauer, Produktmanager des Kundenzentrums Classic, leitete die Entwicklung des digitalen Navigations-Radios für den 1-DIN-Schacht klassischer Porsche. Je nach Epoche lassen sich die Knöpfe abziehen und anpassen (Foto: Stefan Schickedanz)

Bei DAB+ äußert sich auch der Perfektionismus von Porsche Classic. Peter Nachbauer erinnert sich an ein Meeting mit dem altbewährten mittelständischen Kooperationspartner, dessen Name als eine Art Betriebsgeheimnis behandelt wird: „Uns gefiel einfach nicht, dass die Sender in den Metadaten des Digitalradios so pixelige, grobe Logos übertrugen. Im Gespräch stellte sich heraus, dass die Ingenieure des OEM-Partners das genau so sahen.“ Die Lösung spricht Bände für den Geist des Projekts: Die PCCM-Geräte erkennen den Sender und verwenden dann ein hochauflösendes Logo aus dem eigenen Speicher.

Porsches Perfektion

Von dieser schwäbischen Detailverliebtheit profitieren natürlich vor allem die neueren 911er-Modelle des Typs 996 und Boxster Modelle des Typs 986 mit ihren 2-DIN-Schächten und dem dadurch möglichen 7-Zoll-Display. Doch abgesehen vom nur 3,5-Zoll großen Bildschirm und dem Verzicht auf Android Auto kann das rund 160 Euro günstigere PCCM alles, was das große PCCM Plus auch kann. Damit erschließt sich die schöne neue Medien-Welt jedem Porsche-Klassiker, sofern er einen 1-DIN-Schacht besitzt. Entsprechend bleiben von den Klassikern nur der Porsche 356 und der Carrera GT außen vor. Und damit auch hier alles so weit wie möglich original wirkt, lassen sich an den mit Porsche belabelten PCCM die beiden Knöpfe für Lautstärkeregelung und Systemsteuerung im Handumdrehen gegen etwas zur Epoche des Modells Passendes tauschen.

Ulrike Lutz und Peter Nachbauer
Ulrike Lutz, Leiterin von Porsche Classic, hier mit dem für die neuen PCCM-Systeme verantwortlichen Produktmanager des Kundenzentrums Classic, Peter Nachbauer, ist so motiviert vom Erfolg der Oldtimer-Digital-Radios mit USB, Sprachassistenz, Navigation und Bluetooth, dass sie in diese Richtung weiter denkt (Foto: Stefan Schickedanz)

Ulrike Lutz, Leiterin von Porsche Classic, freut sich: „Die neuen PCCM-Geräte werden uns regelrecht aus den Händen gerissen.“ „Mitunter sogar von Besitzern anderer Marken*, ergänzt ihr Kollege Nachbauer. Als Schlüssel zu einem solchen Erfolg sieht Lutz nicht zuletzt den engen Dialog zwischen Porsche Classic und den Eignern älterer Fahrzeuge, die teils zur Restauration ins Stammwerk kommen. Zum Ende der Dienstfahrt versichert die Herrin der Klassiker noch vielsagend, dass die beiden smart gemachten PCCM-Geräte nur der erste Streich waren, dessen hoher Anklang Porsche Classic zu weiteren Upgrades motiviert. 

Was unseren knallgelben 986 Boxster betrifft, bot er nach dem Upgrade das Beste aus beiden Welten: Die sportliche Direktheit von Zahnstangenlenkung und spontan ansprechendem, drehfreudigem 6-Zylinder-Boxer-Saugmotor aus einer vergangenen Epoche, gepaart mit smarter Technik nach Apple-Art. „Spiel’s noch einmal, Siri!“

Porsche 986 Boxster im Stuttgarter Umland
Der Porsche 986 Boxster bietet das Beste aus beiden Welten: Direktes Fahrverhalten und digitale Connectivität (Foto: S. Schickedanz)

 

Porsche PCCM Plus
2020/07
Test-Ergebnis: 4,9
Überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Beamt Oldtimer ins 21. Jahrhundert, was Navigation und Entertainment betrifft
Fügt sich perfekt ins Vintage-Cockpit ein, erhält soweit möglich die Originalität des Porsche
Tolle Konnektivität mit USB, Bluetooth und SD-Karte
Unterstützt Apple CarPlay und Android Auto

Vertrieb:
Porsche AG
70435 Stuttgart
www.porsche.com/germany

Preis (Herstellerempfehlung):
Porsche PCCM Plus: um 1600 Euro

Mehr zu den Oldtimer-Radios auf der Website von Porsche.

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Autor: Stefan Schickedanz

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Schneller testet keiner. Deutschlands einziger HiFi-Redakteur mit Rennfahrer-Genen betreut bei LowBeats den Bereich HiFi im Auto sowie die Themengebiete Mobile- und Smart-Audio.