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Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 (Foto: R. Vogt)
Klein, praktisch, gut: Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 (Foto: R. Vogt)

Test Pro-Ject Vinyl NRS Box S3: mehr Dynamik & weniger Knackser von Vinyl

Mag sein, dass es für den ein oder anderen Musikhörer dazugehört: die Kaminfeuer-artigen Knackgeräusche beim Abspielen von Schallplatten. Zu dieser Fraktion gehöre ich nicht. Für mich müssen LPs möglichst pieksauber klingen; das Knistern und das Grundgeräusch des Vinyls stören einfach. Natürlich kommt man mit einer guten Pflege schon sehr weit. Doch bei manchenr Schallplatter hilft auch Waschen, Putzen oder Bürsten nicht, um die Musik wirklich „sauber“ zu hören. Genau hier setzt nun die Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 an. Es ist eine effiziente Vinyl-Rauschunterdrückung mit Entknackser-Funktion. Und günstig obendrein…

Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 auf Phonoentzerrer und Akkunetzteil der Pro-Ject Box-Serie  (Foto: R. Vogt)
Einfach bezaubernd klein: Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 auf Phonoentzerrer und Akkunetzteil der Pro-Ject Box-Serie (Foto: R. Vogt)

Wie auf dem Foto im Größenvergleich mit einer Single zu sehen stammt der kleine Zauberkasten aus der reichlich mit Mini-Produkten bestückten Pro-Ject Box-Serie. Ebenfalls zu erkennen: meine normale Phono-Entzerrung per Pro-Ject Phono Box S2 Ultra und das Batterie-Netzteil Accu Box S2, zu denen das Testgerät – abgesehen von der Farbe – perfekt passt.

Simple Verkabelung: Analog stereo rein/raus - fertig (Foto: R. Vogt)
Simple Verkabelung: Analog Stereo rein/raus – fertig (Foto: R. Vogt)

Die Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 arbeitet – natürlich – digital, daher mit Kleinsignalpegel und im Signalweg hinter der Phonoentzerrung. Am einfachsten kombiniert man das kleine Kästchen mit einer separaten Phonovorverstärkung – wie oben auf dem Foto. Oder, wie neulich im Test der Raumakustik-Entzerrung DSPeaker Anti-Mode X2 beschrieben, ist solch eine Komponente auch bei integrierten Verstärkern einzuschleifen, wenn diese entsprechend ausgestattet sind. Im Idealfall gibt es einen Prozessor-Ein/Ausgang, oder man kann es zwischen Vorverstärker-Aus/Endstufen-Eingänge stöpseln. Und bei Verstärker älterer Bauart ist das VNRS wie ein Kassettendeck in die Tape-Monitor-Schleife zu stecken und so bei Phono dazu zu schalten.

Rechnet mit 56Bit: Analog Devices ADAU1701 DSP (Foto: R. Vogt)
Rechnet mit 56Bit: Analog Devices ADAU1701 DSP (Foto: R. Vogt)

Der Blick unter die kleine robuste Haube offenbart das digitale Herz dieser Maschine. Und hier, das kann man Skeptikern nicht oft genug vorbeten, handelt sich um keine Vergewaltigung des analogen Phonosignals. Eine sehr ordentliche Masterclock (silbern, oval in der Bildmitte), die die Bits im Gleichschritt marschieren lässt, und der Analog Devices ADAU1701 DSP-Chip, der die Hirnarbeit mit 56-Bit Genauigkeit vollführt, bieten die Bewahrung der analogen Qualität mit praktisch beliebig großer digitaler Reserve. Und weil alles auf einem einzigen Master-Takt läuft, gibt es auch keinen relativen Jitter, der womöglich etwas auf der Zeitachse kaputt machen könnte.

Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 (Foto: R. Vogt)
Der Drehregler als bestimmendes Instrument auf der Front: der Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 (Foto: R. Vogt)

Die Handhabung des Pro-Ject ist denkbar einfach: Vier Tasten, ein Drehregler, fünf Lampen. Ist das VNRS ausgeschaltet, sind die Ein- und Ausgänge schlicht durchverbunden. Man kann sogar den Strom abziehen und das Signal geht weiter durch. Eingeschaltet bekommt die digitale Signalverarbeitung Strom und tritt in Aktion. Die Konvertierung arbeitet mit 24Bit/96kHz Quantisierung. Die Taste VNRS – Vinyl Noise Reduction System – setzt die Rauschunterdrückung in Gang, „Intensity“ schaltet zwischen Standard und starker Stufe um. Wenn die LED neben der -6dB-Lampe flackert oder leuchtet, ist der Eingang übersteuert. Mit dieser Taste lässt sich eine Absenkung des Pegels schalten, die dann ein Clipping verhindert. Der große De-Crackle Regler schließlich dosiert den Algorithmus, der die Knackser findet und mindert. Mit dem Regler lässt sich dosieren, ob nur die groben oder immer feinere Klicks bearbeitet werden sollen. Bei Links-Anschlag ist dieser Bearbeitungsschritt komplett abgeschaltet.

Aber weil Bild und Ton mehr erklären als 1000 Worte (und weil es wirklich sehr deutlich wahrzunehmen ist) habe ein Video dazu gemacht. Nach der Moderation ist der Test mit zwei Kameras live gedreht und der Ton vom Ausgang des Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 direkt mit der Kamera aufgenommen; genau so wie er zu hören ist, unverfälscht und ungeschönt.

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Hörtest: Viel Licht, wenig Schatten

Wie klanglich neutral die Box von Pro-Ject arbeitet, lässt sich leicht testen. Zunächst einmal ohne die Box hören. Dann verkabeln und im Bypass wieder hören. Einschalten mit VNRS abgeschaltet und De-Creackle auf Off gedreht, also mit digitalem Signalpfad ohne Signalverarbeitung. Diese drei Szenarien ließen sich praktisch nicht mit dem Gehör unterscheiden. Das Böxle ist wirklich gut entwickelt und klanglich maximal neutral.

Anschließend gingen wir auf die Standard-Einstellungen, also VNRS auf kleiner Stufe und De-Crackle in Mittelstellung. Zum Test wurden einige (zuvor gewaschene) LPs auf den Teller gelegt und immer wieder zwischen Bypass und entrauscht umgeschaltet.

Die Wirkung ist verblüffend. Das typische Grundgeräusch von Vinyl tritt in den Hintergrund und auf einmal wird einem bewusst, wie noisy selbst manch gute Pressung eigentlich doch ist: Das VNRS legt selbst feinste dynamische Details frei und bringt bisweilen das letzte Ausschwingen von Instrumenten oder die Abbildung von Raumtiefe überhaupt erstmalig ans Licht. Acht Dezibel mehr an Dynamik sollen es laut Datenblatt sein, bis zu 12dB in hoher Stufe.

Wenn die Nadel aufsetzt, hört man im ersten Moment noch das ungebremste Grundgeräusch. Doch in etwa einer Sekunde erlernt der VNRS-Algorithmus die Charakteristik der Störung und mindert sie dann erheblich. Erst in der hohen Stufe konnte ich bei wenigen Scheiben eine Fehlinterpretation der Technik wahrnehmen – beispielsweise, als plötzlich ein Flügelhorn verzerrte. LowBeats Kollege Bernhard Rietschel, der den Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 schon vorab untersuchen konnte, berichtete ebenfalls lediglich von nur einer Orgelaufnahme, die er hat, die ähnliche Probleme bereitet. Klar, die Blasgeräusche haben naturbedingt Rauschanteile. In kleiner Stufe: keine Auffälligkeiten.

Und der De-Crackle Algorythmus ist ebenfalls sehr wirksam. Erwartungsgemäß zaubert er die Knackser nicht weg. Aber zunächst mal erkennt er sie zuverlässig; sie entstehen ja erst bei der Abtastung und sind nicht vorentzerrt. Das zeigt die rote LED neben dem Drehregler auch an. Der DSP mindert sie dann signifikant im Pegel. Auch hier gibt Pro-Ject acht Dezibel als Gewinn an. Und: Ein verkleinerter Impuls hat einen langsameren Anstieg und schon dadurch weniger Obertöne. Die Knackser werden also spürbar leiser und stumpfer – was bedeutend weniger auffällt. Bis zur Reglerstellung auf drei Viertel konnte ich keine Beeinflussung der Musik wahrnehmen. Nahe Maximum verliert sie dann ein wenig Feindynamik und Glanz, aber nicht dramatisch. Große Kratzer bleiben von De-Crackle übrigens komplett unberührt.

Fazit: Mehr Dynamik aus der LP dank Pro-Ject Vinyl NRS Box S3

Man darf an den Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 nicht mit der falschen Erwartung heran gehen. Große Wunder geschehen hier nicht und es ersetzt schon gar keine Plattenpflege! Aber ein kleines Wunder ist es doch: Den typischen Mischmasch an Vinyl-Grundgeräusch mit Anteilen aus Bandrauschen, Materialkörnung und mechanischer Abtastung mindert das VNRS erheblich und erlaubt dadurch ein tieferes Hineinhören in die Musik und den Raum. Unterm Strich ist das mehr ein audiophiles Tuning als eine Reparatur.

Im Vorfeld hatte ich mir vom Entknackser etwas mehr versprochen; mit digitalisierten Platten und der entsprechenden Software gelingt das „Entknacken“ heutzutage nahezu rückstandslos. Das Ergebnis des De-Crackler ist aber dennoch grandios, weil es den großen und kleinen Knacksern die Aggressivität nimmt: Sie sind bedeutend leiser, stumpfer und treten dadurch in den Hintergrund. Mit dem Pro-Ject Vinyl NRS Box S3 klingt praktisch jede LP wie eine audiophile Erstauflagenpressung. Ich bin begeistert.

Pro-Ject Vinyl NRS Box S3
2022/11
Test-Ergebnis: 4,7
überragend
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Verblüffender Dynamikgewinn
Wirkungsvolle Knackser-Minderung
Simple Handhabung
Echter analoger Bypass

Vertrieb:
AUDIO-TRADE Hi-Fi Vertriebsgesellschaft mbH
Schenkendorfstraße 29
D-45472 Mülheim an der Ruhr
www.audiotra.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Pro-Ject Vinyl NRS Box S3: 329 Euro

Die technische Daten der Pro-Ject Vinyl NRS Box S3

Pro-Ject Vinyl NRS Box S3
Konzept:Rauschminderung und Entknacksen von Vinyl
Eingangsspannung:300-500 mVrms (4.4Vpp, 1.55Vrms )
Kapazität schaltbar (Clipping):50, 100, 150, 200, 250, 300, 350, 400pF 
Rauschunterdrückung:bis zu 8 dB (20Hz bis 20kHz)
De-Crackling-Intensität:bis zu 8 dB (2kHz bis 20kHz)
Input / Output:RCA
Abmessungen (B x H x T):10,3 x 3,7 x 11,9 cm
Gewicht:340g (ohne Netzteil)
Alle technischen Daten
Was sonst noch den Klang von Vinyl verbessert – Pflege:

Testübersicht: Gründliche Vinyl-Schallplatten-Reinigung für jedes Budget
Test manuelle Schallplattenwaschmaschine: Pro-Ject VC-S2 Alu


Autor: Raphael Vogt

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Technischer Direktor bei LowBeats und einer der bekanntesten Heimkino-Experten der Republik. Sein besonderes Steckenpferd ist die perfekte Kalibrierung von Beamern.