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Totem Acoustic Wind im LowBeats Hörraum
Die "Wind" ist wie ein Sinnbild von Totem Acoustic: An vielen Stellen echt eigenartig, aber am Ende auch ziemlich gut. Der Preis: 13.580 Euro (Foto: H. Biermann)

Test Standbox Totem Acoustic Wind: mit viel amerikanischem Spirit

Wie die Totem Acoustic Wind sahen früher die hoch ambitionierten Ami-Speaker aus. Dieser Lautsprecher ist wie ein Zeitstrahl in vergangene Zeiten. Die Kanadier bauen die „Wind“ wie ein Relikt, aber wunderbar auf Timing und beste Abbildung getaktet. Eine wunderbare Begegnung zwischen damals und heute.

Die Haare stehen zu Kopf. Vince Bruzzese sieht ein wenig so aus, als hätte er gerade in die Steckdose gegriffen. Ansonsten ein gepflegter Mann in seinen 50ern, etabliert, graue Haare, kein Gramm Fett zu viel. Totem Acoustic hat er 1986 gegründet. Noch immer sitzt die Company im kanadischen Montreal, in diesem speziellen Mix aus britischen und französischen Wurzeln. Dort werden auch alle Lautsprecher gebaut. Also in einem Hochlohnland.

LowBeats hat regelmäßig von den Klangwandlern berichtet, zuletzt von der umwerfend dynamischen Metal V2 für nun 19.290 Euro. Die Wind ähnelt der Schwester im Preis, Abmessungen und im Lebendgewicht, ist aber konzeptionell fast schon ein Gegenentwurf. Und klanglich? Man darf gespannt sein…

Totem Acoustic Wind
Die Wind gefällt nicht nur durch die außergewöhnliche Formgebung, sondern auch durch eine sehr breite Farbpalette (Foto: Totem Acoustic)

Totem Acoustic Wind: die Technik

Zur Akustik gehört natürlich auch das Gehäuse. Die Wind erinnert in ihrer Grundarchitektur eher an die 1980er Jahre. Nach hinten gelegt, mit fast schon Stealth-artigen Abschrägungen auf der Front. Das alles sieht aber nicht nur charakteristisch aus, sondern ergibt akustischen einen Sinn. An den Abschrägungen beispielsweise entstehen zwangsweise deutlich weniger Reflektionen als bei den üblich flachen Schallwänden der meisten Lautsprecher am Markt.

Totem-Acoustic-Wind-Abmessungen
Alles andere als eine schräge Sache: Durch die leichte Schrägstellung der Wind kommen die Schwingspulen der verschiedenen Treiber in etwa in eine vertikale Linie – beste Gewähr für eine zeitrichtige Wiedergabe (Zeichnung: Totem Acoustic)

Vier Chassis strahlen nach vorn. Diese Treiber sehen aus, als wären sie allesamt dänischer Fertigung entsprungen. Eine Aluminiumkalotte für den Hochton, ein stattlicher 22 Zentimeter Bass und gleich zwei 15-Zentimeter Mitteltöner, die – wie soll ich es sagen – doch verdammt nach klassischen Dynaudio Aufbau mit MSP-Membran und (außerhalb des Magnets liegender) Riesenschwingspule aussehen. Aus Montreal kommt ein Dementi. Nein, das sind alles eigene Entwicklungen. Erdacht und gemacht eben in Kanada. Die ästhetische Nähe zu Dynaudio sei der reine Zufall.

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Totem Acoustic Wind Mitteltöner
Ein Metallkorb verhindert den Blick auf den Antrieb, der es allerdings in sich hat. Die Membran wird von einer über 7 Zentimeter (!) durchmessenden Schwingspule angetrieben (Foto: H. Biermann)
Totem Acoustic Wind Bass
Fester Gusskorb, stattlicher Magnet: mit dem 22er der Wind lässt sich ein ordentlicher Bassdruck aufbauen (Foto: H. Biermann)
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Dabei müsste man sich bei der Verwendung dieser Dynaudio-Ausnahmentreiber nicht schämen. Aber wer weiß, was da hinter der Bühne alles läuft. Denn eigentlich hat Dynaudio das Beliefern von Mitbewerbern mit den hauseigenen Treibern schon vor Jahren eingestellt… Fakt aber ist, dass Bruzzese schon vor der Entwicklung seiner eigenen Torrent-Treiber (siehe: Metal V2, Fire V2, Tribe Tower) dezidierte Vorstellungen der Totem-Treiber hatte. Deshalb entwickelte er schon früh mit den üblich-verdächtigen Zulieferern stets Sondermodelle, die auf seine – ja etwas abseits vom Mainstream laufenden – Konstruktionen perfekt passten. „Nichts von der Stange“ wie er gern betont.

Faktisch begegnet uns mit der Wind eine Dreiwege-Konstruktion mit Bassreflex-Öffnung zur Hinterseite. Die beiden Mitteltöner laufen parallel. Mit einer solchen Parallelschaltung handelt man sich wegen der unausweichlichen Auslöschungen normalerweise mehr Probleme ein, als man möchte. Aber Bruzzese folgt natürlich auch einem Plan – und sei es nur, Pegel und Belastbarkeit in diesem Bereich deutlich zu erhöhen.

Bei den letzten Totem-Tests (Metal V2, Fire V2, Tribe Tower) faszinierte uns Querdenker Bruzzese mit seiner Vision, den Tiefmitteltöner komplett ohne Frequenzweiche „direkt“ an den Verstärker zu hängen. Die Frequenzweiche fiel bei diesen Modellen – verständlicherweise – sehr übersichtlich aus. Und was für ein Gegensatz bei der Wind: Eine Platine mit fetter Trafokernspule sitzt im Fußraum und eine zweite (recht ausufernde) auf der Rückwand der Box.

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Totem Acoustic Wind Frequenzweiche
Die Frequenzweichen werden bei Totem handverdrahtet. Das Bild zeigt die Mittelhochtonweiche, die auf der Rückwand der Totem Acoustic Wind angebracht ist. An den wichtigen Stellen (also im Signalweg) sitzen hochwertige Mundorf-Kondensatoren (Foto: H. Biermann)
Totem Acoustic Wind Frequenzweiche
Die schwere Trafokernspule ist wegen des Gewichts am Boden befestigt. Irritierend hier wie oben ist die Verwendung von Lüsterklemmen. Spricht man Bruzzese darauf an, sagt er: „Wieso? Ein gequetschter Kontakt ist mir allemal lieber als ein gelöteter…“ (Foto: H. Biermann)
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Hier zeigt sich Bruzzese übrigens als Fan deutscher Audio-Zulieferer. Etliche Spulen und die wichtigsten Kondensatoren kommen vom Kölner Spezialisten Mundorf. Und die Bi-Wiring Anschlussklemmen – wie kann es anders sein – vom Essener Profi WBT.

Totem Acoustic Wind Anschluss
Das Terminal der Wind ist Bruzzese-mäßig puristisch ausgelegt: Vier feine Klemmen vom deutschen Anbieter WBT in Bi-Wiring-Konfiguration. (Foto: H. Biermann)

Die WBT-Anschlüsse sind höchst solide, doch all jenen, die keine Bi-Wiring-Kabel nutzen möchten, legt Bruzzese erstaunlich zierliche Metallstifte mit einem sehr hohen Silberanteil bei. Der Kanadier hat eine komplett unterschiedliche Philosophie vom Energiefluss entwickelt, die in Kurzform so lautet: Dick ist schwerfällig, das Kleine, das Feine bringt mehr Flow in die Kette. Er steht nicht allein mit dieser Haltung. Und die Stifte klingen übrigens viel besser als die üblichen Blechbrücken…

Das Gehäuse…

…selbst ist ein kleines Kunstwerk. Nicht nur seine (nach oben zulaufende) Obeliskenform, auch die charakteristischen Abschrägungen auf der Front erfordern natürlich einigen tischlerischen Aufwand. So sind die komplex gestalteten Wände an vielen Stellen aufgedoppelt und zweifach verzahnt. Auch das Finish (wir hatten die Wind im klassischen Esche-schwarz-Furnier) lässt keine Schwächen erkennen.

Vince Bruzzese, der ja an viele Stellen gern den Minimalisten gibt, treibt diesen Aufwand natürlich nicht umsonst. Die komplett asymmetrische Form der Totem Acoustic Wind versteift das Gehäuse, nimmt stehenden Dröhnfrequenzen im Inneren die Energie und auch Schallwandreflektionen dürften bei dieser Konstruktion mit so vielen Abschrägungen auf der Front eine perfekte räumliche Abbildung kaum stören.

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Totem Acoustic Wind Schallwand
Die Front ist so gestaltet, dass die beiden Mitteltöner möglichst wenig „plane“ Schallwand um sich haben (Foto: H. Biermann)
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Totem Acoustic Wind Verstrebungen
Versteifungen an den richtigen Stellen, verhindern das Aufschwingen von Resonanzen. Und tatsächlich blieb das Gehäuse der Wind auch bei sehr hohen Pegel erstaunlich ruhig (Foto: H. Biermann)
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Praxis

Die Totem Acoustic Wind ist vergleichsweise hochohmig – was Verstärkern gemeinhin gefällt. Zwei kleine Schwenker in der Impedanz (rote Kurve) und dem EPDR (graue Kurve) in den niederohmigen Bereich lassen erahnen, dass hier besser ein kräftiger Verstärker mit stabilem Netzteil angeschlossen wird.

LowBeats Impedanzprofil Totem Acoustic Wind
LowBeats Impedanzprofil Totem Acoustic Wind (Messung: J. Schröder)

Das unterstreichen auch die LowBeats Effizienz-Messungen, die der Wind einen Wirkungsgrad von 83,3 Dezibel attestieren. Das ist nicht sehr hoch. Gleichwohl erweist sich die Wind als erfreulich pegelfest: Mit 101 dB Dauer- und 112 dB kurzfristigem Spitzenpegel kommt man Live-Konzerten schon bedrohlich nahe.

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MTD-Spektrum Totem Acoustic Wind @85dB/1m
So gut wie keine Verzerrungen bei den klassischen Wohnraumpegel-Messungen bei 85 dB. Gut erkennbar ist auch die tiefe Abstimmung der Totem Acoustic Wind (Messung: J. Schröder)
MTD-Spektrum Totem Acoustic Wind @103dB/1m
Linear steigende Verzerrungen. Maximaler Dauerpegel bei guten 101 Dezibel (Messung: J. Schröder)
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Wenn allerdings der Wirkungsgrad gering und der Maximalpegel hoch sind, muss logischerweise auch die Leistung für das Erreichen des Maximalpegel hoch sein: Wir sprechen bei der Wind von mehr als 250 Watt pro Kanal. Wie oben schon angedeutet. Es schadet nichts, sollte der Verstärker einer der kräftigen seiner Zunft sein…

Hörtest

In der Versammlung aller Fakten ist dies eigentlich ein Lautsprecher, der ein bisschen in alten Zeiten verhaftet scheint. Das kann man als Kritikpunkt sehen, oder als Ansporn – hey, hier bekommen einen Youngtimer mit den schönsten Materialien der Gegenwart.

Anders als die die schon erwähnten, sehr „schnellen“ und zupackenden Modelle Fire V2 und Metal V2 macht die Wind auf amerikanischen Straßenkreuzer mit ganz satter Federung. Wunderbar die Fülle in den tiefen Registern, die auch die ganz tiefen Kodotrommel-Hiebe fühlbar machen. Nicht immer mit der Präzision der Schwestern, aber mit seiner freundlichen Fülle und Wärme doch ebenfalls sehr mitnehmend.

Wer aber hinter der Wind nun einen klassischen Kuschel-Lautsprecher vermutet, der irrt. Im gesamten Mittelhochtonbereich gibt sich die Kanadierin sehr klar, aufgeräumt und präzise. Die einzelnen Marimba-Anschläge der percussiven Trio SR9 (Album: Deja Vu) hatten einen herrlichen Drive und vor allem eine sehr habhafte Körperlichkeit.

Trio SR9 „Déjà Vu“ Cover
Trio SR9 mit „Déjà Vu“ erscheint bei No Format / Indigo als CDLP oder als Stream sowie Download, z.B. bei Qobuz

Wie überhaupt die plastische Abbildung eine der absoluten Schokoladenseiten der Wind ist. Wie körperlich präsent die Wind beispielsweise Hannes Wader beim Erzählen der Geschichte von „Klaas dem Storch“ vor die Nase der Tester setzte, war schon aller Ehren wert…

Aber die Wind kann auch punchy – wie das neue Mastering zum Geburtstag von „Thriller“ nachdrücklich zeigte. Die Jugend wird die Vinyl-LP der Aufnahme nicht kennen. Vielleicht springt die neue Generation auf den Remix in High-Definition an. Die Wind ist der perfekte Spielpartner. Da gibt es Wurzeln zu den seligen 1980er Jahren, die Freude an Druck und Party. Das ist nicht elegant im Sinne von fettfrei und schmal in den Hüften, sondern passend in Richtung eher füllig und etwas präsent. Eine Wand der Instrumente und Stimmen steht vor uns. Alles geschlossen und übermächtig.

In der Klassik ein Tipp: Adam Fischer hat alle Top-Orchester der Welt dirigiert. Nun liebt er ein kleines Ensemble in Dänemark. Mit dem er alle Symphonien von Brahms eingespielt hat. Erstaunlich. Denn Brahms war den fetten Großorchestern aus Europa vorbehalten. Dickes Blech, noch sattere Bässe. Doch die Dänen klingen wie Marathon-Läufer kurz vor der Ziellinie. Genau diese Musik tut den Kanadiern gut. Die alten, dicken Brahms-Aufnahmen wirken an der Totem wie Bauschaum, der sich aufbläht und hart wird. Hier aber bei Adam Fischer flirrt es, die hohen Streicher links bringt uns die Wind mit wunderbarer Präsenz an die Ohren. Dazu ein satter Bass, die Celli und die Bässe verschmelzen zu einer punktgenauen Tiefe.

Wie stellen sich die Konkurrenten auf? Da hätten wir beispielsweise die Fyne Audio F703. Die liegt in unmittelbarer Finanznähe, bei 12 800 Euro für das Paar. Auch sie ist in einem Hochlohnland entstanden, in Schottland. Die Fyne ist ein Dynamik-Tier. Hier wirkt alles ungebremst. Das ist genau der Lautsprecher für die Generation, die gern auf den Solarplexus getroffen wird. Die Wind dagegen klingt in den tieferen Lagen voller, oben etwas feiner, insgesamt eleganter.

Fazit Totem Acoustic Wind

Totem Acoustic aus Montreal ist der einzige mir bekannte Lautsprecherhersteller, der in der gleichen Klasse den Sportwagen und die Luxus-Limousine anbietet. Die Wind ist dabei die Limousine: viel PS und viel satter Bass. Dieser Lautsprecher liebt die schwere Kost. Er wird nie hart, nie über-hell. Wie eine Box, die wir im Studio an die E-Gitarre anschließen würden. Dabei kann der Mittel- und Hochtonbereich – wenn die Aufnahme es vorgibt – durchaus auch etwas ruppig werden. Aber genau das macht den Charme aus. Was man diesem Lautsprecher aber Gutes tun sollte: Viel Leistung. Verstärker ab 100 Watt pro Kanal sind hier die richtige Wahl.

Totem Acoustic Wind
2022/12
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Satt-voluminöser, dennoch offener Klang
Fantastische Abbildung
Charakteristische Form
Braucht recht kräftige Verstärker

Vertrieb:
High-End Company
Zürcherstrasse 310
CH-8500 Frauenfeld
www.highendcompany.ch

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Totem Acoustic Wind: 13.580 Euro

Die technische Daten

Totem Acoustic Wind
Konzept:3 Wege Bassreflex
Bestückung:HT: 1 x 25 mm, MT: 2 x 14 cm, TT: 1 x 22 cm
Wirkungsgrad:83,3 dB (2,83 Volt / 1 Meter)
Maximalpegel (Dauer / dynamisch):101 / 112 dB
empf. Mindestleistung des Verstärkers:
2 x 40 Watt
Leistungsbedarf für Maximalpegel:262 Watt
Abmessungen (H x B x T):112,5 x 27,2 x 35,5 cm
Gewicht:34,0 Kilo (Stück)
Alle technischen Daten

 

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.