Vitus Audio läuft hierzulande etwas unter dem Radar der HiFi-Gemeinde. Ich selbst brauchte 30 Jahre meines Redakteursdasein, um erstmals einen Vitus-Vollverstärker zu testen. Das allerdings war nachdrücklich: Mit dem Vitus Audio SIA 025 Mk.II, einem Class-A-Amp mit gerade einmal 25 Watt (an 8 Ohm) erlebte ich seltene Sternstunden des Musikhörens.
Wenn ich mich selbst betrachte, verfalle ich – je moderner, smarter und effizienter die Verstärkertechnik wird – zunehmend den alten Konzepten. Immer mehr zieht es mich zu den Röhren-Amps, bei denen technologisch ja seit vielen Jahrzehnten schon nichts mehr passiert ist. Oder wenn nicht zu denen, dann wenigstens zu den Class-A Amps, die nicht erst vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise wie aus der Zeit gefallen wirken. Der Grund ist die tiefe Zufriedenheit, die Class-A-Verstärker bei mir hinterlassen. Ich hatte das für einige Wochen mit dem Pass INT 25 und kürzlich mit dem Luxman AX L550 MkII: man fühlt sich nach dem Musikhören einfach entspannter.
Was die Sache bei Vitus Audio etwas unentspannter macht, sind die durchaus ambitionierten Preise. Der hier vorgestellte SIA 025 MK.II ist ja der kleinere von zwei Class-A-Vollverstärkern der “kleineren” Signature-Serie. Doch auch der schlägt in der Standard-Ausführung schon mit 22.000 Euro zu Buche. Dafür aber sind die Verstärker des Hans-Ole Vitus alle blitzsauber gemacht. Man findet keine Spaltmaße, hier sitzt alles millimetergenau aufeinander und ist an den richtigen Stellen bedämpft. Und wer den SIA 025 Mk.II allein aus dem Karton hieven will, sei gewarnt: 42 Kilo in der falschen Haltung haben schon so manche Bandscheibe an die falsche Stelle verschoben …
Hans-Ole Vitus ist übrigens keiner der vielen Autodidakten am Markt. Als Elektronikingenieur hat er unter anderem bei einem Bauelemente-Vertrieb gearbeitet; der Mann kennt sich also auch im Kleinen aus … Später ging er zu Texas Instruments, wo er immerhin für das technische Design der Komponenten in Dänemark, Norwegen und Südwest-Schweden verantwortlich war. Das gab ihm, wie er selbst sagt, tiefe Einblicke in Anwendungen und Lösungen einschließlich Kabel und Lautsprecher. Er gründete Vitus Audio im Januar 1995 und wurde so erfolgreich damit, dass er 2005 bei Texas Instruments kündigte. „Und?“, fragte ich ihn, „ mit einem weinenden Auge?“ „Nej“, antwortete der Däne: „ich habe nie zurückgeblickt.“
Die Technik des Vitus Audio SIA 025 Mk.II
Der SIA 025 Mk.II ist symmetrisch als Doppel-Mono-Konzept um einen riesigen Netztrafo aufgebaut. Der Eindruck unter dem Deckel erinnert stark an den imposanten Motorraum eines 12-Zylinder-Jaguar aus den 1980er Jahren: randvoll. Die Schaltung ist – auch da trifft der 12-Zylinder-Vergleich – in der mittlerweile seltenen Class-A-Verstärkungsform ausgelegt. Die Leistung ist gering (25 Watt an 8 beziehungsweise 50 Watt an 4 Ohm), aber es entfallen die üblichen Übernahmeverzerrungen, die bei effizienten Verstärkerschaltungen unumgänglich sind.
Damit ist fast schon alles Wesentliche erzählt. Fast. Hans-Ole Vitus legt Wert darauf, dass der gesamte Aufbau mit diskreten Bauteilen realisiert ist. Zudem hat die Schaltung (wie viele audiophile klingende Verstärker) keine globale Über-alles-Rückkopplung. Das Ergebnis ist häufig ein etwas weicherer, “schöner” Klang.
Ich kann an dieser Stelle eines vorwegnehmen: Mir gefällt der SIA 025 Mk.II klanglich noch besser als die oben schon angesprochenen Pass INT 25 und Luxman AX L550 MkII, die ich aus tiefstem Herzen mag. Was also macht Hans-Ole Vitus anders beziehungsweise besser?
Er selbst sagt dazu nichts. Vielleicht will er seine Tricks nicht verraten, vielleicht stapelt er gern tief oder es ist tatsächlich einfach nur die Stringenz seiner Schaltung und die Qualität der Bauteile. Denn auch das ließ er durchblicken: Bei allen Bauteilen der Vorstufe achtet er auf eine sehr hohe Bandbreite. Und natürlich ist der riesige Netztrafo vom Allerfeinsten. Hinzu kommt dessen großflächige Bedämpfung gegen Vibrationen. Hier einige Impressionen aus dem Verstärker-Inneren:
Aber den Unterschied zwischen dem ersten SIA 025 und der Mk.II-Version, den konnte der Hans-Ole doch recht eindeutig benennen: Mk.II hat die Lautstärke-Regelung der großen Masterpiece (MP-) Komponenten eingebaut. Diese sehr aufwändige und rauscharme Regelung gab es beim Stapellauf des SIA 025 noch nicht und somit ist jetzt auch der “kleine” Class-A-Amp auf neuestem Vitus-Stand.
Von der Praxis her kann man beim SIA 025 Mk.II natürlich nicht viel verkehrt machen. Auf der Rückseite ergeben sich wenige, klar strukturierte Anschlussmöglichkeiten. Schön sind natürlich die drei XLR-Eingänge, die tatsächlich noch einen Tick genauer klingen als die asymmetrischen Cinch-Eingänge.
Der Vorstufenausgang macht Sinn, bei der Durchschleif-Möglichkeit zur Einbindung eines Surround-Systems (dann übernimmt der AV-Prozessor die Lautstärkeregelung dieser beiden Kanäle und der daran angeschlossenen Lautsprecher) bin ich mir nicht so sicher. Der SIA 025 Mk.II klingt zwar sensationell schön und harmonisch, die brutale Dynamik, die ein Filmton-Set abliefern sollte, schafft er mit seiner eingeschränkten Leistung eher nicht.
Vitus Audio gibt die Leistungszufuhr (ein Class-A-Amp fährt ja immer unter Volllast) mit 162 Watt an. Das geht noch und ist – wenn man den SIA 025 MK.II nach dem Musikhören wieder ausschaltet) auch gegenüber kritischen Energiesparern noch zu vertreten. Apropos: der Verstärker wird auch während des Hörens nur handwarm.
Die größte Praxis-Einschränkung des SIA 025 ist die der geringen Leistung: Wie bei einem edlen Röhrenverstärker findet man sich damit ab, entweder hoch effiziente Schallwandler anschließen zu müssen oder nicht übermäßig laut hören zu können. Wir taten Letzteres.
In den vergangenen Monaten hatten wir wie üblich viele highendige, nur wenig belastbare Kompaktboxen im Test. Wenn man sich das Wesen einer solchen Kompaktbox genauer ansieht, stellt man schnell fest, dass wegen des meist bescheidenen Maximalpegels diese Lautsprecher gar nicht so viel Leistung brauchen beziehungsweise vertragen.
Ein praxisnahes Beispiel wäre folgendes: Eine klassische HiFi-Kompaktbox hat einen Wirkungsgrad von üblicherweise 85 dB pro Watt und Meter. Für 88 dB braucht sie entsprechend 2 Watt, für 91 dB braucht sie 4 Watt, für 94 dB braucht sie 8 Watt und für 97 dB (wenn bei vielen schon das Ende der weitgehend unverzerrten Pegelfähigkeit erreicht ist) sind wir bei 16 Watt. Häufig ist es also gar nicht die Leistung allein: Die LowBeats Messungen zum Thema Lautsprecher-Impedanz, -Phase und –EPDR zeigen, dass eine andere Größe hier ebenfalls entscheidend wirkt, das Netzteil des Verstärkers muss möglichst stabil sein. Und das ist hier ganz fraglos gegeben.
Hörtest
Die Hörtests haben wir überwiegend mit der Dynaudio Heritage Special durchgeführt, nutzten aber auch die Gelegenheit, die kürzlich getestete Perlisten S5M mit dem Vitus zu betreiben. Die Perlisten, die ja eine Brücke zwischen Kinoton und High End schlagen will, braucht für den möglichen Hochpegel-Fun-Faktor eindeutig mehr Leistung als der SIA 025 Mk.II bereitstellt. Und trotzdem passte der Vitus ziemlich gut…
Denn die Perlisten ist elektrisch eine der anspruchsvollsten Lautsprecher der letzten Test-Monate: Wenn das Netzteil des angeschlossenen Verstärkers nicht absolut stabil ist, ist der Zauber ihrer unglaublichen Transparenz schnell dahin. Mit einigen Vollverstärkern aus dem Referenzregal passierte genau das – mit dem Vitus dagegen ging quasi die Sonne auf. Das Strahlend-Helle der Perlisten verfeinerte er mit einer schönen Seidigkeit und einer wohligen Grundtonwärme, der man stundenlang hätte lauschen wollen.
Aber ich wollte ja zunächst einmal die Netzteil-Stabilität des Vitus ausleuchten – natürlich mit bassintensiver, elektronischer Musik. Und hey: Das war wirklich superklasse, wie facettenreich und farbig der Vitus die Bass-Sounds von Yellos “Touch” differenzierte, wie druckvoll er auch bei den ganz tiefen Lagen noch nachzulegen verstand. Das hätte ich in der Form nicht gedacht.
Obwohl der Vitus mit der Perlisten nahezu optimal harmonierte, wechselten wir dann doch auf die Dynaudio – weil es mit ihr noch schöner klang. Wir auch der Pass INT 25 oder der Luxman AX L550 MkII tendiert der Vitus zum Vollmundigen; klangliche Askese ist ihm fremd. Die Aufnahmen bekommen allesamt etwas Sattes. Er ist – um den Jaguar-Vergleich von oben noch einmal zu bemühen – gerade in den unteren Drehzahlen ungemein souverän. Damit bläst er Percussion-Solos so explosiv und farbig in den Hörraum, stellt ausschwingende Seiten eines Akustik-Bass so plastisch und dynamisch dar, dass man unbedingt lauter hören will. Das aber klappt halt nur bedingt
Die absolute Kernkompetenz dieses Verstärkers aber ist seine fast schon einzigartige Weise, Streicher oder Stimmen wiederzugeben. Die Scheherazade von Rimsky-Korsakoff habe ich hunderte von Malen gehört – aber die Saiten der Geige zu Beginn der „Geschichte des Kalendar Prinz“ noch nie mit so viel Schmelz soviel saftiger Schönheit gehört. Das Gleiche gilt für die leicht entfernt spielende Oboe und der dann einsetzenden Harfe. Das Stück ist ja von sich aus schon faszinierend. Aber mit dem Vitus hatte es eine Stimmigkeit, einen solchen harmonischen Fluss, dass ich – jetzt wiederhole ich mich – mich nicht entsinnen kann, es schon einmal so traumhaft schön und mitreißend gehört zu haben.
Selbst den folgenden, kernigen Bläsersatz (von dem ich dachte, der Vitus würde hier ein wenig einknicken) hatten so viel Wucht und Plastizität, dass einem Angst und Bange werden konnte. Und hier liegt auch sein Vorzug gegenüber Luxman und Pass: Er ist noch etwas dynamischer und hat noch etwas mehr von diesem angenehmen, harmonischen „Fluss“,
Der zum finalen Vergleich herangezogene Monaco von Westend Audio, immerhin LowBeats Referenz unter den highendigen Vollverstärkern, hatte wohl noch etwas mehr kernigen Schmiss und glänzenden Schimmer bei den Bläsern und schien auch ganz unten noch mehr Kraft mobilisieren zu können – so wie man mit ihm auch noch um einiges lauter hören konnte.
Doch den schöneren Ton traf der Vitus. Die Kombination mit der Dynaudio – ich hatte übrigens 3 Meter des unverschämt guten Siltech Classic Anniversary Lautsprecherkabel dazwischen – war so harmonisch, so fein, dass ich mich immer freute, wann mal eine halbe Stunde Zeit war und ich mich in den kleinen Hörraum verdrücken konnte, um hier Musik zu hören. Die ganze Schönheit der Musik – und das gilt keineswegs nur für Klassik – wurde hier in einem Maß zelebriert, wie ich es gern noch viel länger gehabt hätte. Doch der Verstärker musste zurück zum Vertrieb (Audio Offensive) und es bleibt das Gefühl, das nun etwas Wesentliches fehlt …
Fazit Vitus Audio SIA 025 Mk.II
Wenn es nur um das Hören des perfekten Tons, um das “Erleben” schöner und gut gemachter Aufnahmen bei nicht allzu hohem Pegel geht, dann ist der SIA 025 Mk.II so etwas wie der perfekte Verstärker. Ich bilde mir ein, dass ich in einem HiFi-System vor allem natürliche Instrumente und Einzelstimmen anmutiger und “richtiger” noch nicht gehört habe. Das setzt den Vitus auf ein sehr hohes Niveau. Die nun kommenden Einschränkungen der Jubel-Arie sind konzeptbedingt: Er hat kaum Leistung und ist mit 22.000 Euro nur einer sehr kleinen Riege von Musikliebhabern zugänglich. Das ist schade. Sehr schade. Ich würde dieses Erleben mehr Menschen wünschen.
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Wunderbar natürlicher Klang, tolle Stimmwiedergabe |
| 3 symm. Eingänge, Pass-Through für Surround-Anlagen |
| Perfekte Verarbeitung |
| Highendiger Preis |
Vertrieb:
Audio Offensive Hifi-Vertrieb
Münchener Str. 5
14612 Falkensee
www.audio-offensive.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Vitus Audio SIA 025 Mk.II: ab 22.000 Euro
Die technischen Daten
Vitus Audio SIA 025 Mk.II | |
---|---|
Technisches Konzept: | Vollverstärker Class-A |
Leistung (8 / 4 Ohm): | 25 Watt / 50 Watt |
Eingänge (analog): | 3 x XLR, 2 x RCA |
Ausgänge: | 1 x XLR |
Leistungsaufnahme Class-A-Betrieb: | 162 Watt |
Abmessungen (B x H x T: | 43,5 x 13,5 x 43,6 cm |
Gewicht: | 42,0 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Test Dynaudio Heritage Special: in der Tradition der großen Sondermodelle
Test Röhrenvollverstärker Westend Audio Monaco