Die Klang-Offensive beim neuen Audi A8 kommt nicht von ungefähr. Audi hat das Thema Audio passend zum Namen schon länger und konsequenter auf der Agenda als andere.
Das äußert sich gerade auch in den Sound-Systemen, die nicht immer, aber immer öfter auf 3D ausgelegt werden. Außerdem spiegelt sich das Thema Sound bei Audi selbst in scheinbar nebensächlichen Details.
Wenn man aus dem atemberaubenden R8 Spyder aussteigt, spielt einem der V10-Roadster ein Jingle mit dem aus der Werbung bekannten Herzklopfen ein. Nun steht der neue Technologieträger A8 am Start und Audi möchte die Schraube beim Sound ein Stück weiterdrehen.
Nachdem der aktuelle Audi A4 bereits 3D-Surround für die erste Reihe bietet, hält mit dem neuen Flaggschiff der gemeinsam mit B&O und Fraunhofer entwickelte Immersive-Sound Einzug in die zweite Sitzreihe.
Dank des Symphoria-Algorithmus sollen A8-Besitzer, die wie die ewige Kanzlerin naturgemäß hinten Platz nehmen, endlich auch in den Genuss einer dreidimensionalen Bühne kommen.
Zu diesem Zweck wanderten zwei der insgesamt 23 Lautsprecher des B&O Advanced Sound Systems in den Dachbereich vor der C-Säule.
Dort spielt ihnen der semantische Algorithmus – er kann zwischen Instrumenten und Hall unterscheiden – die vom DSP noch geringfügig nachgewürzten Rauminformationen aus der Aufnahme zu.
Das macht die Abbildung weiträumiger und sorgt dafür, dass einem die Vokalisten und Instrumente nicht zu dicht vor der Nase sitzen. Salopp könnte man sagen, die Musik scheint weniger aus einer Box zu kommen.
Apropos: Audi leistet sich wie oft den Luxus, die Lautsprecher nicht einfach auf das volle Volumen der Türen arbeiten zu lassen, sondern verpasst ihnen maßgeschneiderte Gehäuse.
Damit stört man weniger die Umwelt mit seinem Musikgeschmack und vor allem wollen Kanzler oder Konzernlenker, die sich so eine Prachtlimousine leisten können, dass die Telefongespräche über die Freisprechanlage nicht nach draußen dringen.
Wer schon mal an einem VW Golf vorbeigelaufen ist, dessen Fahrer oder Fahrerin unter Einbezug der Öffentlichkeit telefoniert, kann den Umfang des Problems abschätzen.
B&O bringt 23 Lautsprecher mit
Immerhin zerren an den zwei Dutzend B&O-Membranen insgesamt 1.920 Watt aus einem 23-Kanal-ICE-Power-Amp, womit die Dänen auch in der Leistung gegenüber dem Vorgänger eine Schippe drauf legen.
Die akustischen Linsen, ein visuelles Symbol für die Edel-Anlagen der dänischen Marke, wurden grundsätzlich vom Vorgänger übernommen. Sie finden wieder nur vorne Verwendung, was den Besitzer im Fond nicht neidisch auf seinen Chauffeur zu machen braucht.
Um es vorsichtig auszudrücken: Die direktstrahlenden B&O-Kalotten können auch was. Sie tun sich sogar etwas leichter mit Streichern, die in der ersten Reihe schon mal einen Hauch aggressiver als bei sehr guten Heimanlagen werden können.
Hinten wirkt der Klang auch mit fragilen Naturinstrumenten wie der Violine sehr seidig und deutlich räumlicher, als man es aus vielen anderen Limousinen-Fonds kennt.
Während die Hochtöner-Diät in der zweiten Reihe bei den Mitbewerbern Porsche Panamera oder BMW 7er eher kontraproduktiv wirkt, braucht sich der Audi-Eigner darüber keinen Kopf zu zerbrechen.
Allerdings wirkt sich ein ganz anderer Kompromiss zunächst negativ aus: Audi verzichtet auf einen hinteren Center, geht also den umgekehrten Weg wie Burmester in der Mercedes S- oder der E-Klasse.
Dort installieren die Berliner bei ihrem High End 3D Surround System vorne wie hinten Center Lautsprecher im Dach der Limousine, sparen sich dafür aber die beiden separaten Lautsprecher links und rechts neben dem Kopf.
Wer sich schon mal mit Tetraphonie beschäftigt hat, wäre wie ich geneigt, Burmester einen gewissen Standortvorteil für deren Konfiguration zu attestieren.
So passiert, was eigentlich auf Grund der Lautsprecherpositionen passieren musste: Beim Umschalten der Fokus-Einstellung von “vorne” oder “alle”auf “hinten” springt der Solist zur Seite.
Das ist schade, weil der in drei Stufen dosierbare oder ganz abschaltbare 3D-Effekt die Musikwiedergabe wirklich offener und weiträumiger wirken lässt. Nur mag man nicht das Geschehen rechts neben sich orten, was mir auf dem bequemen, mehrfach elektrisch verstellbaren rechten Rücksitz passierte.
Die Abhilfe findet sich allerdings ganz ohne Säge und neue Hardware in dem über TouchScreen zwischen den Rücksitzen zugänglichen Fader-Menü.
Obwohl der zweite VIP-Gast, Marco Dettweiler von der FAZ, neben mir sitzt, verschiebe ich die Klangbalance auf die Mitte des linken hinteren Sitzes.
Keine Ahnung, wie sich das für den Kollegen anhört, aber für mich ist dieser Eingriff so wertvoll wie ein kleiner Center. Die Stimme steht zum Greifen plastisch vor mir – in einem respektvollen Abstand zu meiner Nase – und klingt wunderbar differenziert und ausgewogen.
Das größte Plus bringt aber nicht der 3D-Effekt, der das Hören angenehmer macht, indem er der Abbildung mehr Raum einräumt.
Was für mich besonders am B&O-System des neuen A8 herausragt, sind die enorm farbstarken, feingezeichneten und gehaltvollen Mitten, die auf den Einsatz von 3-Wege-Systemen in den Türen zurückgehen.
Audi stellt im Gegensatz zu BMW beim direkten Gegenstück der 7er-Serie seinem 10-cm-Mitteltöner noch einen 16-cm-Konus zur Seite, um die Lücke zum Subwoofer zu schließen. Damit lassen die Ingolstädter ihren Münchner Erzrivalen im wahrsten Wortsinne blass aussehen.
Audi A8 gegen BMW 7: das ewige Bayern-Duell geht weiter
Dafür führten die Münchner Autobauer bisher mit ihren unter den Vordersitzen verstauten Rohbau-Subwoofern eindeutig die Bass-Wertung an.
Daran ändert sich nach ersten Eindrücken des neuen A8 nichts, was die Reihenfolge betrifft, aber der Abstand wird in gleichem Maße kleiner wie der Aufwand bei Audi größer wurde.
Weil man den 25 cm großen Woofer auf der Hutablage bisher von den Rücksitzen als Schallquelle wahrnehmen konnte und überdies von ihm nicht gerade mit Präzision überhäuft wurde, wurde hier die Karosserie-Struktur mit beachtlichem Aufwand verstärkt.
Die beiden Tieftöner bekamen einen rein für die Akustik benötigten Stahlträger gestiftet. “Wollt Ihr da etwa einen zweiten Motor einbauen?”, wurde der verantwortliche Ingenieur Wolfgang Jähn auf seinen Wunsch nach massiver struktureller Verstärkung von den Karosseriebauern gefragt.
Der Projektleiter, dem wir bereits den gerade im Hinblick auf die beschränkten Ressourcen hervorragend abgestimmten B&O-Sound im Audi A3 zu verdanken haben (das System habe ich vor Jahren für Noble Sounds getestet), entgegnete treffend: “Na klar, so ein Tieftöner entwickelt schließlich eine beachtliche Antriebsenergie, die er auch an die Karosserie abgibt.”
Audi erfüllte seinem in die Oberklasse aufstrebenden Entwickler-Talent den Wunsch. So gibt es in puncto Bass bessere Performance zu berichten, auch wenn hier BMW mit seiner noch knackigeren, differenzierteren Tieftonwiedergabe die Führung behält.
Zudem sorgen zumindest in der ersten Reihe des 7er BMW die überragenden Diamond-Hochtöner von Bowers & Wilkins für einen gewissen Vorsprung in der Obertonauflösung und Luftigkeit.
Dafür punktet Audi mit deutlich saftigeren, natürlicheren Mitten und einem Plus in der Abbildung.
Fazit Audi A8 mit B&O 3D-Audio vs BMW 7er mit B&W Diamond
Macht unterm Strich ein 2:2 Unentschieden im ewigen Duell zwischen München und Ingolstadt, wenn man beide Sound-Systeme rein nach einzelnen Punkten bewertet.
Zudem haftet beiden Systemen ein kleiner Kompromiss an, den man allerdings mit den umfangreichen Einstellmöglichkeiten wegregeln kann: Beim BMW 7er kann man die Mittenschwäche weitgehend mit dem Equalizer beheben, beim Audi A8 lässt sich der Verzicht auf einen Center im Fond durch Verschieben der Kanal-Balance mit dem Fader korrigieren.
Beides sind zwar Kompromisse, doch wenn man überlegt, dass sicher nur intensiv Musik gehört wird, wenn hinten nur eine Person sitzt, macht Audi das Versprechen wahr, im Fond seiner im Charakter nochmals famos nachgeschärften Prestige-Limousine ein außergewöhnliches 3D-Klangerlebnis zu bieten.
Zudem macht das extrem dynamische und farbenfrohe Hörerlebnis im Audi A8 mir persönlich abgesehen von nüchternen Bewertungen gerade mit Rock, Pop und Hip-Hop emotional einfach mehr Spaß – zumindest nach den ersten kurzen Höreindrücken im Stand.
Nach dem exklusiven Vorabvergnügen im Ingolstädter Soundlabor kann ich es kaum erwarten, den großen Audi einmal selbst auf der Straße zu erleben.
Immerhin verbinde ich eine Menge schöner Erinnerungen mit dieser Baureihe, die ich bereits als entspannt schnellen S8 der vorletzten Generation mit V10-Saugmotor, als durchzugsstarken V8 Diesel mit B&O-Anlagen sowie als getuntem MTM S8 Taladega mit atemberaubenden 800 PS und der schnellsten Bose-Anlage aller Zeiten gefahren bin. (Letzterer Bericht war allerdings Nebenprodukt eines reinrassigen Autotests für das DMAX Magazin).
Dann wird sich auch zeigen, in wieweit das sehr mutige neue Bedienkonzept überzeugen kann. Es setzt neben einer verbesserten Sprachsteuerung fast vollständig auf Touchscreens – ein Konzept, das mich bisher unter Fahrbedingungen nicht wirklich überzeugen konnte.
Aber, so viel steht jetzt schon außer Frage: Audi, die bisher abgesehen von Mutationen wie dem Taladega die biederste Oberklasse-Limousine der deutschen Premium-Hersteller im Programm hatten, gibt im Design künftig ganz besonders innen den Ton an.
Gegen den futuristischen, radikal geradlinig gestalteten Audi A8 sehen die Flaggschiffe BMW 7er und Mercedes S-Klasse ungeachtet ihrer ebenfalls zukunftsweisenden Technologien so bieder aus wie ein klassischer Zweireiher von der Stange neben einem auf Maß gearbeiteten Einreiher aus feinstem italienischem Zwirn.
Dafür würde es sich glatt lohnen, mit Frau Merkel und Herrn Schulz um die Kanzlerschaft zu kandidieren, denn die A8-Baureihe ist gefühlt die meistgefahrene Staatskarosse der letzten Jahre.
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