Nichts ist perfekt, alles lässt sich verbessern. Das gilt auch für digitale Musikwiedergabe, speziell wenn Streaming im Spiel ist. LowBeats hat eine umfangreiche Sammlung von Tipps mit Kurztests für anspruchsvolle Musikhörer zusammengestellt, die ihre digitale Wiedergabekette auf ein höheres Klanglevel heben wollen. Kurz: Klangtuning für digitales High End.
Spätestens die Einführung der CD Anfang der Achtzigerjahre verhieß für den Musikgenuss daheim ein goldenes Zeitalter in Sachen Komfort und Klangqualität dank verbraucherfreundlicher Digitaltechnik.
Heute, fast vierzig Jahre danach, müssen wir die Sache deutlich differenzierter betrachten. So war die CD (und ihre Silberscheiben-Nachfolger) nur der Anfang einer viel größeren Revolution des Musikkonsums. MP3 und Geräte wie der Apple iPod ermöglichten später, ganze Musiksammlungen in der Jackentasche mitzuführen, hatten aber aufgrund der (angeblich unhörbaren) Datenkompression eine ganze Generation von Musikkonsumenten klanglich „versaut“. Im Laufe der Zeit entspannte sich die Situation, da durch immer größere Speicher und höhere Datenraten Klangqualität wieder mehr in den Fokus rückte. Inzwischen verlieren selbst große, lokal gespeicherte Musiksammlungen immer mehr an Bedeutung, weil Online-Streaming die Welt der digitalen Musikwiedergabe erobert.

Für ambitionierte High-Ender mit überwiegend oder ausschließlich digitalem HiFi-Equipment heißt das aber nicht, dass es für sie klangtechnisch nichts mehr zu optimieren gibt. Erstaunlicherweise lässt sich in digitalen Audio-Wiedergabeketten mindestens genauso viel verbessern wie in rein analogen Musiksystemen.
Eine der verblüffendsten und widersprüchlichsten Erkenntnisse – so zeigt die Erfahrung – ist, dass weniger in Digitalketten nicht unbedingt mehr ist. Heißt: Die Vermeidung nicht zwingend benötigter Kabel und Komponenten führt nicht automatisch zum besten Klang.
Ein Beispiel: Mit den beiden digitalen Geräten Exogal Comet und Ion PowerDAC habe ich hier seit ihrem Test eine Vor-/Endstufen-Kombi, die bis an die Lautsprecherklemmen voll digital arbeitet. Als Quelle reicht im einfachsten Fall ein per USB angeschlossener Computer oder auch ein CD-Player via Coax. Und doch lässt sich das klangliche Ergebnis mit gewissen Tricks und gezielt eingesetzter Hardware und Zubehör noch weiter verbessern. Insbesondere beim Streaming im Heimnetzwerk oder online.

Klangtuning für digitales High End: immer den Jitter im Visier
Alle der im folgenden genannten Tipps dienen letztlich nur einem übergeordneten Ziel: Jitter zu vermeiden bzw. auszumerzen. Der Kollege Jürgen Schröder hat zwei erhellende Beiträge verfasst, die den Musikfreund näher an dieses komplexe Thema heranführen: Jitter entmystifiziert sowie Jitter kurz & bündig. Jitter ist das elektrische Äquivalent zum akustischen Rauschen und erschwert dem Digital-zu-Analogkonverter (DAC) seine Aufgabe. Der DAC ist der Punkt, an dem aus Rechtecksignalen (den vermeintlichen Nullen und Einsen) wieder ein analoges Wellenmuster erzeugt wird. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur Jitter-Minimierung, denn dieser Teufel schleicht sich an zahlreichen Punkten des Signalwegs ein.
Im Gegensatz zu analogen Interconnect- und Lautsprecherkabeln können digitale Übertragungsstrecken nach gängiger Meinung den Klangcharakter nicht direkt beeinflussen. Es kann höchstens sein, dass durch Abweichungen von den Spezifikationen der Datenstrom irgendwann abbricht und es zu Aussetzern kommt. Durch elektromagnetische Einstrahlungen und technische Gegebenheiten der verschiedenen Schnittstellen sind aber alle digitalen Signalleitungen mehr oder weniger anfällig für die Entstehung von Jitter.
Leider gilt das im besonderen Maße für die am weitesten verbreitete Audio-Digitalverbindung S/PDIF (75 Ohm Coax-Kabel mit Cinch oder BNC, sowie optische Toslink-Kabel). Aber auch AES/EBU (110 Ohm-Leitungen mit XLR-Verbindern) sowie USB bieten diverse Fallstricke, die letztlich Jitter verursachen. Aus dem Grund nutzen einige Hersteller zwischen ihren Digitalkomponenten proprietäre, oder weniger verbreitete und für Jitter weniger anfälligere Verbindungsarten. Etwa das sonst nur zwischen Chips verwendete I²S-Protokoll, oder andere Varianten mit separaten Clock-Leitungen, oder USB-Verbindungen mit getrennter oder separat geführter Leitung für die bei USB-übliche 5V-Spannung.
Klangtuning für digitales High End, Tipp 1: Netzwerk-Verbindungen
Egal welche Digitalverbindung; verwenden Sie ausschließlich gut geschirmte Kabel, die auch die jeweilige Spezifikation (z.B. den Wellenwiderstand) genau einhalten. Möglichst nicht länger, als tatsächlich benötigt. Es müssen keineswegs immer die exotischsten, teuersten High-End-Strippen sein.
Bei LAN-Kabeln haben sich in meinen Versuchen solche nach der Spezifikation CAT-8 sehr gut bewährt. Diese wurden für Datenübertragungsraten bis 40 Gbit/s entwickelt und haben damit dieselbe Bandbreite wie Thunderbolt-3-Kabel, kommen jedoch ohne aktive Komponenten (Chips im Stecker) aus. Es geht für Audioanwendungen aber nicht um die Bandbreite. Dafür reicht selbst ein winziger Bruchteil der theoretisch mit CAT-8 möglichen Übertragungsrate. Viel mehr geht es um die Abschirmung. CAT-8-Kabel erreichen ihre hohe Bandbreite unter anderem deshalb, weil sie besonders gut gegen EM-Einstrahlungen, Übersprechen etc. geschützt sind. CAT-8 LAN-Kabel wie dieses lassen sich fertig konfektioniert in unterschiedlichsten Längen und mit hochwertigen Steckern bestellen und kosten nicht die Welt.

Wenn zwischen Ihrem Internet-Router und dem Streamer eine große Distanz zu überbrücken ist, sollten Sie eine Verbindung mit Lichtwellenleiter (LWL) nach dem SFP-Standard in Betracht ziehen. Eine solche optische Verbindung bewirkt erstens eine galvanische Trennung zwischen Router und Audiosystem, zweitens sind LWL-Kabel vollkommen immun gegen elektromagnetische Einstrahlungen und drittens sind sie günstig zu realisieren. Man benötigt jedoch Zusatzhardware:
1. Einen bis zwei Medienkonverter von elektrisch auf optisch und umgekehrt. Diese sind für unter 20 Euro pro Stück zu haben. Hier ein Beispiel bei Amazon. Plus passende kurze RJ45-Patchkabel zum Anschluss der Medienkonverter.
2. Sogenannte Multi-Mode SFP-Module für Lichtleiter. An jedem Anfangs- und Endpunkt ist eines dieser Module erforderlich. Im Beispiel mit zwei Medienkonvertern muss je ein SFP-Modul in die beiden Medienkonverter gesteckt werden. So ein Modul kostet etwa 15 Euro pro Stück. Hier ein passendes Beispiel.
3. LWL-Kabel in gewünschter Länge wie dieses. Diese „zweiadrigen“ Kabel sind sehr dünn, flexibel und lassen sich auch gut hinter Fußleisten verlegen. Nur scharf knicken darf man sie nicht. Auch sie kosten im Vergleich zu etlichen High-End Audiokabeln nur ’n Appel und ’n Ei.
Sollten Sie glücklicher Besitzer eines Melco Audioswitch S100 sein, benötigen Sie am Ende der Kette keinen zusätzlichen Medienkonverter. Einfach ein SFP-Modul in den S100 stecken und LWL-Kabel anschließen. Der S100 hat sogar einen weiteren SFP-Port für Streamer mit LWL-Eingang, wie dem Lumin X1. Hier drei Beispiele für LWL-Verkabelungen im Heimnetz:
Falls Sie nun einwenden, man könnte stattdessen einfach WLAN verwenden: Nun, nach meiner und der Erfahrung vieler anderer Audioexperten ist WLAN einer drahtgebundenen Netzwerkanbindung praktisch immer unterlegen. Selbst dann, wenn das WLAN-Signal mit voller Signalstärke am Empfänger anliegt. Über die genauen Gründe lässt sich spekulieren, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit ist die für WLAN erforderliche Aufbereitung der schwankenden und nie unbeeinflussten Funksignale ein großer Jitter-Herd. Davon abgesehen ist die Verbindungssicherheit mit LAN schlicht erheblich besser.
Klangtuning für digitales High End, Tipp 2: ein dedizierter Audio-Switch
In verschiedenen Tests habe ich mich selbst davon überzeugen können, dass ein für Audio-Anwendungen spezialisierter Netzwerk-Switch positive klangliche Auswirkungen haben kann. Sogar in einem kaum für möglich gehaltenen Ausmaß. Den Vogel abgeschossen hat dabei der zuvor schon erwähnte Melco S100 aber auch der Ansuz Acoustics LAN-Powerswitch X-TC hat sehr überzeugt. Beides Geräte im Preisbereich um 2.000 Euro.
Es geht aber auch deutlich günstiger. Eine für den Preis von knapp 400 Euro immer noch sehr beeindruckende Vorstellung lieferte der Silent Angel Bonn N8. Der ist auch wesentlich platzsparender, als die High-End-Lösungen von Melco und Ansuz. Dafür sieht der Bonn N8 äußerlich sehr nach 08/15-Computer-Equipment aus. In einem wesentlich attraktiveren Alu-Gehäuse gibt es genau dieselbe Technik (in Lizenz von Silent Angel) in Form des rund 450 Euro teuren NuPrime Omnia SW-8. Beide Geräte liegen mir vor. Klangliche Unterschiede konnte ich zwischen diesen nicht ausmachen. Beide sorgen in gleichem Maße für mehr Ruhe und „Hintergrundschwärze“ im Klangbild.

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