Anfang des Jahres hatten wir die Piega Coax 611 im Test. Diese schmale Standbox überzeugte mich in allen Facetten. Für den musikalischen Feingeist gibt es in der Klasse bis 20.000 Euro – so meine feste Meinung – keinen besseren Lautsprecher. Aber es blieb natürlich die Frage, ob die Schweizer die hervorragenden Eigenheiten ihrer Coax 611 auch in kleiner und günstiger können. Diese Frage ist jetzt beantwortet: Die kompakte Piega Coax 411 ist ebenfalls einer der faszinierendsten Lautsprecher seiner Klasse.
Die Besonderheiten der Piega Coax 411
Zunächst einmal ist die 411 eine echte kleine Schwester. Das Gehäuse hat den gleichen, überragend gemachten, absolut makellosen Aufbau und sogar die gleiche Grundfläche wie die 611. Weil Piega-Designer Stephan Hürleman das Gehäuse im Vergleich zur Vorserie etwas tiefer gezogen hat, wirken die Proportionen auch hier fraglos stimmiger. Die Piega-Macher schwärmen von einem “nahtlosen Aluminium-Strangpressprofil” – und haben Recht. Die Gehäuse-Verarbeitung, das spürt man an jeder Stelle, ist absolut top.
Und zwar nicht nur von außen. Nach vielen, vielen Jahren des Experimentierens und der Verbesserung hat man die Gehäuse, die – weil aus Metall – natürlich erst einmal zum Klingeln neigen, absolut im Griff. Über sogenannte “Tension Improve Module” werden schwingungsträchtige Flächen unter Zugspannung gesetzt. Das ist zunächst irritierend, funktioniert aber prächtig. In Verbindung mit zusätzlichen (verschraubten) Metallverstrebungen und aufgeklebten Akustikmatten wird das Gehäuse nahezu perfekt. Klopft man drauf, hört man nirgendwo eine Resonanz. Das ist schon Extraklasse.
Die Stärke der Gehäusewände liegt bei fünf, die der Schallwand bei acht Millimetern – was für Alu-Gehäuse schon ziemlich stattlich ist. Jedenfalls ist dieses Gehäuse sehr viel fester als das üblicherweise verwendete MDF.
Der neue C112: Koax der Gen2
Fast noch überzeugender aber ist der Mittelhochton-Koax der neuen Piega-Modelle. Die Schweizer haben hier einen einzigartigen Wandler geschaffen. “Ist doch aber ein alter Hut”, werden jetzt viele Leser sagen. Ja und nein. Das Konzept war schon immer genial, aber die Umsetzung noch nie so gelungen wie jetzt. Unter dem neuen Piega-Entwickler Roger Kessler wurde der gesamte Aufbau noch einmal auf den Prüfstand gestellt und kleine, aber verblüffend effiziente Veränderungen umgesetzt. Für alle, die es interessiert, habe ich die Unterschiede zum Vorgänger-Koax hier in der Slideshow aufgeführt:
Weil ich die Piega schon so lange als HiFi-Redakteur begeleite, kann ich sagen, dass sie mit der neuen Gen2-Generation absolut angekommen sind – zumindest in meinem Herzen. Was diese Kombination aus Mittel- und Hochton-Bändchen an unaufgeregt-leichter, verzerrungsfreier und phasenrichtiger Wiedergabe möglich macht, gibt es andernorts einfach nicht. Und zwar in keiner Preisklasse.
Im Tiefmitteltonbereich arbeitet ein 16-Zentimeter-Modell mit sehr steifer, keramikbeschichteter Alu-Membran. Seine Aufgabe ist eigentlich die schwerste: Er muss einerseits für satte und tiefe Bässe sorgen (dafür braucht es eigentlich große und schwere Membranen) und andererseits im Übergangsbereich zur extrem leichten Bändchenfolie ebenfalls besonders leichtfüßig agieren – wofür kleine und sehr leichte Membranen geeignet wären. Piega hat hier einen recht guten Mittelweg gefunden.
Praxis
Anders als die Standbox Coax 611, die auch im Oberbass wunderbar knackig und stringent spielt, hat die 411 ein kleines Bass-Bäuchlein. Das ist bei Kompaktboxen fast unumgänglich, weil ja auch sie eine Illusion von großen Boxen vermitteln wollen. Doch diese Eigenheit hat Aufstellungs-Folgen. Ich würde die Coax 411 nicht – wie auf den Katalogbildern impliziert – auf das Siedeboard direkt an der Wand stellen. Die 411 braucht etwas mehr Platz und einen soliden Ständer. Dann holt man das Optimum aus ihr raus.
Die Coax 411 ist hat zudem keinen sonderlich hohen Wirkungsgrad (knapp unter 85 dB), weshalb ich keinen zu schwächlichen Verstärker empfehlen würde. Allerdings ist die 411 in Bezug auf den angeschlossenen Amp auf geradezu bestechende Weise anspruchslos: Ich habe jedenfalls schon lange keinen Lautsprecher mehr gesehen, bei dem Impedanz, Phase und EPDR derart homogen linear nebeneinander verlaufen. Ich unterstelle hier eine wirklich gelungene Impepedanz-Korrektur, über die sich jeder Verstärker freut.
Natürlich kam deshalb auch unser Dauerbrenner Mira Ceti von Fezz Audio zum Einsatz – Ein 300B-Röhrenverstärker mit knapp 9 Watt pro Kanal. Das klang betörend schön, hatte mir aber etwas zu wenig Kontrolle im Bass und letztendlich auch zu wenig Maximalpegel. Ein wackerer Transistor wie der Soulnote A2 (oder auch der kleinere A1) waren da die letztendlich überzeugenderen Varianten.
Hörtest
Nachdem die Coax 611 bei uns (leider viel zu kurz) im Hörraum stand, bin ich Fan. Das ist einer jener raren Lautsprecher am Markt, der den Hörer ganz unaufgeregt über das Aufdröseln so vieler Details in die Aufnahmen zieht, dass es einfach Spaß macht, zuzuhören. Beim 611 hört man sofort, dass dieser neue Koax einfach noch verzerrungsärmer, noch impulsiver, noch richtiger spielt. Genau dieses Gefühl stellte sich auch bei der kleinen Coax 411 ein. Ich hatte aus sentimentalen Gründen mal wieder Sara Ks “Brickhouse” aufgelegt und staunte nicht schlecht, mit welcher Luftigkeit, mit welcher lebendigen Mühelosigkeit der neue Koax (beziehungsweise die 411) diese legendäre Chesky-Aufnahme bereicherte. Die Obertöne von Bass und Mundharmonika, diese dezente und doch so facettenreiche Stimme von Sara K. – das können nur ganz wenige andere Lautsprecher.
Wie oben schon angedeutet, macht die Coax 411 etwas mehr Bass – sie klingt dadurch einen Tick wärmer und im Oberbass nicht ganz so “schnell” wie die 611er. Doch im Vergleich zur Dynaudio Heritage Special, immerhin LowBeats Referenz dieser Klasse, spielte die Piega vergleichsweise schnell und dynamisch. Wahrscheinlich würden die meisten HiFi-Freunde der Dynaudio die etwas geschlossenere und farbstärkere Tonalität attestieren.
Doch alle anderen Punkte gehen an die Piega. Es ist vor allem diese sprudelnde Lebendigkeit in den Mitten, die Details so schön leuchten lassen kann. Obertöne von Gitarrensaiten beispielsweise kommen mit der Coax 411 atemberaubend echt. Aber auch in Bezug auf die Räumlichkeit, fraglos eine Domäne der Dynaudio, zeigt die Piega die nochmals größere Stabilität und Plastizität. Hier ist der Vorteil des phasengenauen Koax eindeutig zu hören…
Fazit Coax 411
Der Standlautsprecher Coax 611 hatte mich nachhaltig beeindruckt, bei der kleineren 411 war es fast genauso. Die Leichtigkeit, Präzision und Abbildungsgenauigkeit des neuen Mittelhochton-Koax ist schlicht atemberaubend und setzt Maßstäbe. Die kompakte 411 spielt im Oberbass und damit auch insgesamt etwas “wärmer” und gefälliger als die Standboxen-Schwester – was vielen Hörern aber sicherlich gefallen wird.
Ebenfalls auf der Habenseite ist diese absolut makellose Verarbeitung des akustisch annährend perfekten Gehäuses sowie die elektrische Anspruchslosigkeit. Die bedeutet nicht, dass jeder Verstärker tonal zu der Coax 411 passt. Technisch aber hat sie so wenig Einschränkungen wie nur wenige andere Lautsprecher dieser Klasse. Die Piega ist ja nicht wirklich günstig, aber das Gesamtpaket überzeugt vollkommen.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Stimmiger, natürlich-offener und präziser Klang |
| Stabile, plastische Abbildung |
| Elektrisch absolut unkompliziert |
| Überragend gute Verarbeitung, exzellent feste Gehäuse |
Vertrieb:
Piega SA
Bahnhofstrasse 29
810 Horgen / Schweiz
www.piega.ch
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Piega Coax 411: 7.900 Euro
Technische Daten
Piega Coax 411 | |
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Konzept: | 3-Wege Kompaktbox, Bassreflex |
Bestückung: | 1 x 16 cm Bass, 1 x MHT-Koax-Bändchen |
Übergangsfrequenz: | 450 Hertz |
Wirkungsgrad (@2,83 V/1m): | 84,8 Dezibel |
Besonderheiten: | Aluminiumgehäuse, besonders Impedanz-linear |
Farben: | Schwarz, Weiß, Silber |
Abmessungen (B x H x T): | 210 × 45,0 × 31,0 cm |
Gewicht: | 25,0 Kilogramm |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Test 300B-Röhrenverstärker Fezz Audio Mira Ceti
Test Vollverstärker Soulnote A-2
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