Erst kürzlich stellte Piega, der größte, wichtigste und womöglich beste Lautsprecherhersteller unserer eidgenössischen Nachbarn, seine Master Line (MLS) 2 vor. Die Box mit ihren 65.000 Euro Einstandspreis ist vergleichsweise stattlich, aber bereits die geschrumpfte Version der großen, zweiteiligen MLS 1. Beide MLS klingen fantastisch. Und beide wollen sagen: Piega kann richtig groß und richtig teuer. Aber die Schweizer können auch anders. Die hier vorgestellte Piega AP 1.2 ist ein Kleinstmonitor mit einem Nettovolumen von knapp 2 Litern für 690 Euro pro Stück.
Gemessen an dem, was drinsteckt, ist das gar nicht so viel. Denn die Verarbeitung der AP 1.2 ist natürlich – Piega-gemäß – über jeden Zweifel erhaben. Das kleine, bezaubernden Dreieck-Böxchen ist zwar aus MDF aufgebaut, aber umlaufend mit 3 Millimeter starkem Aluminium armiert.
Die Kombination dieser Materialien sorgt für eine hohe Steifigkeit und gleichzeitig für perfekte Bedämpfung. Die Steifigkeit ist notwendig, denn der Druck im geschlossenen Gehäuse ist zum Teil gewaltig.
Ein Piega-Lautsprecher ist auch immer Handarbeit. In der Manufaktur im Schweizer Örtchen Horgen herrscht der Drehmomentschlüssel und das Wissen um den perfekten Umgang mit Aluminium.
Es gibt weltweit keinen Lautsprecherhersteller – allenfalls noch B+O –, der mehr Knowhow zu dem Leichtmetall hat. Deshalb sieht alles so perfekt aus, deshalb ist auch das Dreieck-Gehäuse der AP 1.2 makellos.
Ebenfalls zur DNA von Piega gehört die hauseigene Herstellung der wohl besten Bändchen-Hochtöner, deren kleinste Ausführung auch die AP 1.2 aufwertet.
Der (eigentlich für die größeren Piega-Serien) charakteristische Bändchenhochtöner LDR 2642 MkII kann aufgrund seiner extrem leichten Membran feinste, leuchtkräftige Höhen aus den Aufnahmen zaubern und ist dank seines sehr hohen Wirkungsgrads fast nicht zu überlasten. Die AP 1.2 ist übrigens die günstigste Möglichkeit, an diesen Ausnahmehochtöner zu kommen …
Die Pegel-Limits liegen bei der Piega AP 1.2 wohl eher im Tiefmitteltonbereich, wo ein kleiner 13-Zentimeter Bass aus – wie gesagt – knapp 2 Litern Gehäuse habhafte Bässe produzieren muss.
Das ist natürlich nur schwer mit der Physik vereinbar, zumal das Gehäuse der AP 1.2 auf die Unterstützung einer Bassreflexöffnung verzichtet. Geht das überhaupt? Ja, sogar recht gut. Sind die Parameter richtig gewählt, kann ein Tieftöner im geschlossenen Gehäuse plus Hochpassfilter einen erstaunlich tiefen und kräftigen Bass erzeugen.
Und letztendlich ist es auch eine Frage der Abstimmung: Mit der Piega AP 1.2 ist es wie mit dem legendären (ebenfalls geschlossenen) BBC-Monitor LS 3/5a: Durch eine geschickte Überhöhung oberhalb 80 Hertz wird sympathische Grundtonwärme erzeugt und mehr Bass vorgegaukelt als tatsächlich vorhanden.
Stimmen klingen voll und selbst Elektrobässe bekommen ein Bassfundament unterlegt, das man diesem Lautsprecher-Dreikäsehoch nicht zugetraut hätte.
Der Legende nach entstand die Piega AP 1.2, weil Entwicklungsleiter Kurt Scheuch einfach nur eine richtig gute Box für seinen Schreibtisch wollte. Aber die AP 1.2 kann natürlich sehr viel mehr.
Sie ist für alle Hörsituationen, bei denen wenig Platz vorhanden und die Zimmerwand nah ist. Also Positionierung auf dem Schreibtisch, im Regal, neben dem TV oder direkt an der Wand.
Vor allem die Wandbefestigung drängt sich auf, weil die AP 1.2 eine Halterung in Form eines kräftigen Alu-Bügels auf der Rückseite gleich mitbringt; das Gewicht von fünf Kilo pro Stück sollte auch von Rigips-Wänden noch locker getragen werden.
Hörtest Piega AP 1.2: Mit etwas mehr Pegel überragend
Weil die Piega AP 1.2 vom Konzept her Bass-addierende Grenzflächen (also Schreibtisch, Rückwand oder Decke) in der Nähe vorsieht, ist sie auch entsprechend abgestimmt. Bei komplett freier Aufstellung auf einem Ständer klingt sie mir etwas zu dünn, mit einer Wand im Rücken dagegen fast wie eine große Box.
Stimmen wie die von Loriot (Peter und der Wolf, DG) hatten den sonoren Ton und alle jene charakteristischen Eigenheiten, die diese Stimme ausmachen. Ich meinte fast, Loriots Schmunzeln beim Vorlesen heraushören zu können … Das machte die Minibox herausragend gut.
Allerdings hing die Wiedergabegüte ein wenig an der Lautstärke. Bei geringen Pegeln gefiel mir der Bass nicht so gut. Da war er immer ein bisschen zu pausbackig, fast wie mit gedrückter Loudness-Taste, um die benötigte “Fülle” zu simulieren.
Dieser Eindruck legte sich, sobald die Flüsterlautstärke überschritten wurde. Ab normaler Zimmerlautstärke klang die kleine AP 1.2 wunderbar ausgewogen und der Bass kam knackig.
Selbst das neue Underworld Album (Barbara, Barbara We Face A Shining Future), kam mit erfreulich viel Druck.
Aber einen Schweizer Lautsprecher muss man natürlich auch mit Schweizer Elektropop hören. Yellos The Expert ist perfekt geeignet, um solche Mini-Boxen an den Rand ihrer Möglichkeiten zu bringen.
Schaffte ich aber kaum. Die (gewollten) Phasenverschiebungen dieser Aufnahme entlarvte die phasengenaue AP 1.2 natürlich sofort – sehr beeindruckend, wie sich hier die Räumlichkeiten verschoben. Mitten- oder Hochtonimpulse hatten
mit der AP 1.2 so viel Kraft und kamen so mühelos, dass es die reine Freude war und man mit geschlossenen Augen hier einen deutlich größeren Lautsprecher vermuten würde.
Das Überraschendste für mich aber das Großsignalverhalten der Kleinen. Die Musik verlangte nach einem kräftiger Rechtsdreh am Lautstärkeregler. Dem gab ich nach – mehr und mehr und noch ein kleines Stückchen. Aber die Piega knickte nicht ein.
Der Bass wurde schlanker, schlug aber nicht an; die Hochpassfilterung funktioniert also bestens. Und der Bändchenhochtöner ist ja eh ein Hochleistungs-Treiber. Der zeigte nicht einmal Anzeigen von Kompression. Es ist sicherlich nicht die Regel, aber man kann mit der AP 1.2 auch laut hören. Und das macht echt Spaß!
Piega empfiehlt in ihrer Broschüre zur AP 1.2 bei verschiedenen Anwendungen zusätzliche Aktiv-Subwoofer. Die Piega-eigenen Modelle fand ich nie so überzeugend.
Aber prinzipiell ist die Kombination eine gute Sache – vor allem, wenn man mit einen AV-Prozessor und dessen Bassmanagement die AP 1.2 im Tiefton entlasten könnte.
Im Test beließ ich es allerdings bei einer einfachen Addition des Subwoofers: Der Sumiko S9 mit 10 Zoll Tieftöner, der schon verschiedene LowBeats Teststufen durchlaufen hat und dessen Test bald veröffentlicht wird, harmonierte (mit einer Trennfrequenz bei 60 Hertz) beeindruckend gut mit den beiden AP 1.2 und sorgte ganz unten noch für etwas mehr Wohlgefühl. In der Nahfeld-Anwendung würde ich auf einen Subwoofer verzichten.
Fazit Piega AP 1.2: High End in der Nische
Die AP 1.2 ist ein Lautsprecher für Ausnahme-Situationen: Schreibtisch, Sideboard, Regal oder an der Wand, als High-End-Beschallungs- oder Effektspeaker einer Surround-Anlage. Da ist sie überragend. Ob sie auf
dem Schreibtisch tatsächlich eine gute Wahl ist? Ja, aber hier würde ich mir eine aktive AP 1.2 wünschen, denn auch noch einen Versärker auf dem Schreibtisch unterzubringen, ist dann doch vielleicht etwas viel … Ich hatte die AP 1.2 in vier sehr verschiedenen Positionen angebracht und sie hat in allen Fällen überzeugt.
Eine sehr sympathische, extrem vielseitige Box mit hohen Ambitionen. Als Hauptlautsprecher einer hochklassigen Anlage in einem Raum oberhalb der 20 Quadratmeter würde ich sie auch nicht empfehlen, dafür ist sie nicht konzipiert – und es gibt dafür ja Alternativen wie Sand am Meer.
Für die genannten Nischen indes ist die Piega AP 1.2 eine gleichermaßen hübsche wie klanglich anspruchsvolle Top-Lösung.
Die Beschallung eines größeren Raumes mit vielen AP 1.2 an der Decke ist zwar kein ganz billiges Vergnügen, dürfte aber überragend gut klingen. Und damit könnte man vermutlich auch ganz schön laut Musik machen …
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Natürliche, sehr detailreiche Wiedergabe |
| Erstaunlich pegelfest |
| Top-Verarbeitung, integrierte Wandhalterung |
| Bei kleineren Pegeln im Bass etwas “boomy” |
Vertrieb:
Piega SA
Bahnhofstrasse 29
CH-8810 Horgen
https://piega.ch
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Piega AP 1.2: 1.380 Euro
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