Die Erleichterung war den Veranstaltern anzumerken: Die erste Finest Audio Show Vienna, die am 18. und 19. November 2023 im Austria Center Vienna stattfand, erwies sich als absoluter Volltreffer. Dabei war es dünnes Eis, auf das sich die High End Messegesellschaft (die auch die HIGH END in München ausrichtet) hier begab. Die bisherige Wiener HiFi-Messe wurde vom kürzlich verstorbenen und hochgeschätzten Dr. Ludwig Flich veranstaltet. Und überhaupt schauen unsere österreichischen Nachbarn ja immer recht skeptisch auf das, was die “Piefkes” so ins Land bringen.
Doch die Finest Audio Show kam gut an. Mehr als 4.000 Besucherinnen und Besucher zählten die Veranstalter am Samstag und Sonntag. Allerdings habe ich bei meinen Rundgängen sehr viele osteuropäische Sprachen gehört: Es waren also nicht nur Wiener vor Ort. Aber das war ja auch einer der Beweggründe für diese Messe: Man wollte den Balkanraum mit einbinden.
66 Unternehmen aus Österreich, Deutschland und den benachbarten Ländern hatten sich für die Audiomesse angemeldet und bereits damit die Erwartungen des Veranstalters (der High End Service GmbH) deutlich übertroffen. Messeleiter Dreischärf: “Anfangs war die Resonanz eher verhalten, aber dann wurden es immer mehr. Glücklicherweise hatten wir im Austria Center so fantastische Bedingungen, dass wir jedem Aussteller noch einen Raum besorgen konnten.”
Und tatsächlich: Dreischärf machte mit mir einen Rundgang und wies mich bei der Gelegenheit auf die schier unbegrenzten Möglichkeiten dieses Konferenzzentrums hin: Gemessen an der HIGH END im Münchener M.O.C. steht im Austria Center mehr als doppelt so viel Fläche zur Verfügung – von den vier Konzertsälen des Hauses mal ganz zu schweigen.
Genutzt wurde allerdings nur einer der Konzertsäle: Den hatte sich der österreichische HiFi-König Heinz Lichtenegger gesichert. Lichtenegger ist ja nicht nur Inhaber verschiedener HiFi-Marken wie Pro-Ject, Music Hall, Rekkord & Co., sondern auch der mit Abstand größte Highend-Vertrieb der Alpenrepublik.
Neben Lichtenegger machten sich also weitere 65 Hersteller, Vertriebe oder Händler auf den Weg, um das Austria Center erklingen zu lassen: Auf mehr als 3.000 qm Ausstellungsfläche kamen immerhin 280 Marken zusammen. Die Demo-Räume waren dabei so bunt gemixt wie auf keiner anderen Messe: Beschauliche kleine Zimmer wechselten sich mit größeren oder großen ab. Bei manchen gab es eingebaute Raumakustik, bei vielen anderen nicht – da mussten die Anbieter selbst Hand anlegen.
Karl-Heinz Fink war ebenfalls in Wien und überließ raumakustisch natürlich nichts dem Zufall: Mit einer Vielzahl von Absorbern und Diffusoren brachte er den Demoraum auf Vordermann und bot für mich eine der besten, weil klanglich stimmigsten Vorführungen überhaupt – mit den neuen Epos ES-7N für 2.000 Euro. Natürlich hätte ich sie gern sofort für einen Test mitgenommen. Doch die pfiffigen Kompaktboxen kommen erst im Frühjahr 2024.
Ebenfalls einer meiner ersten Anwärter auf den Best Sound Of The Show war der Auftritt von Steinway-Lyngdorf. Natürlich kommt hier die akustische Kompetenz von Lyngdorf zum Tragen. Aber die Piano-Spezialisten achten auf schlüssige Kombinationen und auf höchste Qualität: Jede Schraube muss von ihnen abgenommen werden. Wie dem auch sein: Auf der Finest Audio Show spielte eine Kombination aus den Mini-Boxen Steinway & Sons Model S-15 und dem Vollverstärker P 100 2.1. Ergänzt wurde das Ganze von zwei Subwoofern, die (wie die gesamte Anlage) mit RoomPerfect™ optimal auf den Raum eingemessen werden konnte.
Die Kette klang tonal so schlüssig und richtig, dass ich wirklich erstaunt war. Leider sind wir hier in der Luxuswelt von Steinway & Sons. Das heißt: Das System aus Verstärker, Satelliten plus Subwoofer kam auf 47.000 Euro. Das ist natürlich ein ganz schöner Schlag ins Kontor.
Der völlige Gegenentwurf zu diesem Auftritt von Steinway & Sons, aber auch zu jenem vom FinkTeam, war der von Dream Audio. Die Slowaken fuhren so ziemlich alles auf, was teuer und schwer ist. Genauer: Ein Setup bestehend aus den großem YG Acoustics Sonja XV 3 Studio (Standboxen mit zwei Subwoofer-Säulen für knapp 500.000 Euro), die durch den YG Acoustics Invincible 21.1 (einem Mega-Subwoofer mit 2 x 21 Zoll Bässen, Preis: etwa 82.000 Euro) nach unten potent abgerundet wurden.
Die Elektronik kam überwiegend vom griechischen Highender Pilium. Auch bei ihm ist alles groß, schwer und teuer: Allein die Herkules Mono-Endstufe kostet das Stück gut 80.000 Euro
Diese Anlage war fraglos die teuerste und aufwändigste der Messe. Man kann aber festhalten: Nicht immer schießt viel Geld auch viele Tore. Ich empfand den klanglichen Auftritt als sehr transparent und präzise, aber auch als recht schneidig. Mir gefiel es nicht so gut…
Aber prinzipiell waren die guten Vorführungen in der Mehrzahl. Hier ein kurzer Abriss im digitalen Daumenkino:
Zwei Dinge muss ich noch erwähnen: Zum einen den Auftritt der neuen DALI Epikore 11 (Preis: 40.000 Euro), die an einer großen Vor-/Endstufen-Kombination von Octave spielte. Das war in Bezug auf Leichtigkeit, musikalische Transparenz und innerer Dynamik weit vorn. Leider sind mir die Bilder zu diesem wirklich hörenswerten Erlebnis abhandengekommen.
Zu dem zweiten zu erwähnenden Muss aber habe ich welche: Zu dem neuen Hybrid-Verstärker von Canor, der in Wien natürlich auch einen Auftritt hatte. Der Virtus A3 verbindet nicht nur Röhre und Transistor, sondern hat auch noch einen exzellenten DAC eingebaut. Es ist sozusagen der Blick in die Moderne bei den Slowaken. Das Ding finde ich großartig, ohne ihn je gehört zu haben: Allein schon der Multifunktions-Knof in der Mitte ist in seiner visuellen und haptischen Funktion ein Hammer. Der Virtus A3 wird ebenfalls erst nächstes Jahr herauskommen und etwa 5.500 Euro kosten.
Der Messerundgang kann nicht enden, ohne dass ich ein Wort über den Kopfhörerbereich verloren hätte. Bei der High End Service GmbH gibt es dafür sogar einen eigenen Namen: Die “World Of Headphone” war im Austria Messe-Center(es gab andere, sehr viel schlechter besuchte Beispiele) gut ausgestattet und gut besucht. Auch hier ist natürlich Luft nach oben, aber bitte: Die Finest Audio Show Vienna steht ja erst am Anfang.
Am Ende kann ich bilanzieren: Es waren alle zufrieden, wenn nicht gar begeistert von dieser neuen Messe und ihren Möglichkeiten. Stellvertretend für viele andere Aussteller möchte ich Christian Reichardt, den CEO der Kii Audio GmbH, zitieren: “Beste Messe, beste Organisation, bestes Venue, bestes Publikum meiner bisherigen Karriere.”
Mir hat es ebenfalls gut gefallen. Natürlich auch, weil Wien als europäische Hauptstadt der Musik immer eine Reise wert ist. Messeleiter Stefan Dreischärf sagt dazu: “Es war ein Erfolg auf der gesamten Linie. Das machen wir nächstes Jahr sicher wieder.” Und LowBeats ist wieder dabei.
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