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Die AW 800 M von Electrocompaniet waren klanglich eine der erfreulichsten Begegnungen der vergangenen Monate: Die Boliden setzten an vielen Stellen Maßstäbe. Aktuell kostet das Pärchen 43.600 Euro – sie funktioniert aber auch als Stereo-Endstufe und kostet dann „nur“ die Hälfte... (Foto: Electrocompaniert)

Test Mono-/Stereo-Endstufe Electrocompaniet AW 800 M

Eigentlich wollte Electrocompaniet nur die etwas in die Jahre gekommenen Mono-Endstufen AW 600 (die viele HiFi-Freunde unter dem Namen „Nemo“ kennen) erneuern. Doch mit den neuen Jubiläums-Monos, den Electrocompaniet AW 800 M, haben die Norweger nicht nur die Nemos weit hinter sich gelassen, sondern gleich einen veritablen Meilensein gesetzt. LowBeats hatte ein Pärchen der audiophilen Kraftwerke für einige Wochen im Test.

Bei Electrocompaniet mahlen die Mühlen bekanntermaßen immer in bisschen langsamer – dafür absolut verlässlich. Die Norweger, die technisch auf niemand Geringeren als Matti Otala wurzeln, sind seit der Firmengründung Verstärkerspezialisten. Nicht, dass man nicht auch die ein oder andere patente Quelle vorzuweisen hätte. Auch hoch ambitionierte Lautsprecher hatte man mal im Programm. Doch das Kerngeschäft, die DNA quasi, ist verstärkende und verlässliche HiFi-Elektronik.

Ein Paradebeispiel für die Haltung bei Electrocompaniet war immer die AW 600 Nemo. Das ist eine bärenstarke Mono-Endstufe, die man zum 25. Jubiläum brachte. Wir rechnen kurz nach: Das sind mal eben 25 Jahre, die das gute Stück im Programm war. Der HiFi-Gemeinde stieß das nicht auf, denn die Nemos machten auch nach vielen Jahren die meisten Mitbewerber dieser Gewichts- und Leistungsklasse nass. Ein anderes Beispiel ist der CD-Player EMC 1, den wir aktuell in einer SE-Version der fünften (!) Genration getestet haben.

Bei diesem Übermaß an Kontinuität muss ein Name fallen: Per Abrahamsen. Der Mann war Gründer und jahrzehntelang Inhaber, Mastermind und Taktgeber. Er schuf diesen ganz bestimmten Electrocompaniet-Klang, der weltweit seine Freunde hat. Und eben diese hohe Beständigkeit. Alle Komponenten der aktuelle EC-Linie haben mehr oder minder noch mit dem 2022 verstorbenen Abrahamsen zu tun. Und damit sind wir bei der AW 800 M. Denn sie ist die erste Endstufe der Nach-Abrahamsen-Zeit und hat dementsprechend andere Schöpfer: den Entwickler Geir Svihus und den technischen Leiter Volker Hunger.

Biermann, Hunger, Roth
Matthias Roth vom hiesigen Electrocompaniet Vertrieb (links), Chefredakteur Holger Biermann und Volker Hunger beim Selfie anlässlich des LowBeats Besuchs (Foto: H. Biermann)

Die beiden haben ein enges Verhältnis zueinander und mussten sich während der zweijährigen Entwicklungszeit trotzdem immer wieder zusammenraufen. Volker Hunger: „Geir ist ein fantastischer Entwickler, aber ich musste ab und an darauf bestehen, dass wir dicht am Electrocompaniet-Klang bleiben.“

Black Magic: Die Electrocompaniet AW 800 M hier Solo. Die Schrift im Display wird mittels 3D-Laser verewigt (Foto: Electrocompaniet)

Die Technik der Electrocompaniet AW 800 M

Zunächst einmal: Das „M“ im Namen der neuen Electrocompaniet Endstufe könnte den Eindruck vermitteln, es handele sich hier „lediglich“ um einen Monoblock. Stimmt auch. Aber er ist per Kippschalter-Bewegung auch zu einer Stereo-Endstufe (mit etwa der Hälfte der Leistung) umzufunktionieren. Das liegt an seinem Dual-Mono-Aufbau. Im Stereo-Modus reicht dann einer der Boliden. Ebenfalls interessant ist die Möglichkeit, die Endstufen im Bi-Amping-Modus zu betreiben. Dann sorgt der eine Endstufenzug für den Bass des linken oder rechten Kanals, der andere übernimmt den Mittelhochtonbereich. Fast alle aktuellen Lautsprecher sind mit entsprechenden Terminals ausgestattet.

Electrocompaniet AW 800 Anschlüsse
Ganz professionell: Eingänge gibt es nur im XLR-Format. In der Mitte sitzt der kleine, aber durchaus entscheidende Modus-Kippschalter und direkt darunter die Erdungsklemme (Foto: Electrocompaniet)

Im Interview gab Volker Hunger Einblicke in die Besonderheiten der neuen Endstufe. Hunger: „Natürlich hatten wir die Nemo sozusagen als Referenz zum Vergleich. Aber am Ende haben wir alles neu gedacht: An der AW 800 M ist alles größer, kräftiger, besser…“

So stieg die Kapazität der Sieb-Kondensatoren von 120.000μF auf 210.000μF, die Anzahl der Transistoren, die sich in klassischer Push/Pull-Anordnung die Arbeit teilen, wuchs auf 32. Die AW 800 ist tiefer, 18 Kilo schwerer und um einiges leistungsfähiger. Aber Quantität ist ja nur selten eine Gewähr für besseren Klang…

Ein wesentlicher Schritt für mehr Qualität indes sollen die neuen Endtransistoren-Typen sein, die ohne Filter bis 1,1 MHz reichen. Diese Transistoren ermöglichen theoretisch eine enorme Breitbandigkeit und damit eine möglichst impulstreue und zeitrichtige Wiedergabe. Genau so stolz wie auf die neuen Transistoren war man aber auch darüber, dass eine deutlich bessere Trennung zwischen Eingang und Ausgang gelang. Deshalb muss der Rückkopplungszweig weniger arbeiten (worauf man im High End heute ja besonders großen Wert legt) und die Schaltung insgesamt weniger verzerrt.

Einen weiteren Punkt wird man schon beim Auspacken schmerzlich feststellen: Das Ding ist sackschwer und bringt 55 Kilo auf die Waage. Hunger: „Wir haben auch die Mechanik komplett neu konstruiert. Wenn man es konsequent und resonanzarm machen will, wird es eben schwer…“ Auch die beiden Trafos der AW 800 M werden ihren Teil zu zentnerschweren Gewicht beitragen. Es sind wuchtige 800VA-Typen, deren Windungen gegen Schwingungen Harz-getränkt sind. Und weil Trafos dieser Potenz die anderen Bauteile im Gehäuse gern elektromagnetisch beeinträchtigen, wurden die beiden in einem verchromten Faraday´schen Metallkäfig (auf dem Bild oben links) effizient ausgegrenzt.

Electrocompaniet AW 800 innen
Das Idealbild einer Transistor-Endstufe: die Trafos sind gekapselt, die Siebkapazität gigantisch hoch, der Aufbau mechanisch optimal und dual-mono (Foto: Electrocompaniet)

Was auffällt: Alles an dieser Endstufe macht fertigungstechnisch einen überragend guten Eindruck. Das gilt für die saubere Einbindung der (natürlich entgrateten) Kühlkörper genauso wie für den professionellen Aufbau der SMD-Platinen. Für eine Manufaktur mit nicht einmal 10 Mitarbeitern ist das eine stramme Leistung. Die Erklärung findet man ein paar Türen weiter: Electrocompaniet ist seit 2018 (auch räumlich) unter dem Dach von West Control untergekommen. West Control ist ein großer Global Player, der Instrumente zur Temperatur- und Prozessregelung entwickelt. Und der hat natürlich fantastische Produktionsmöglichkeiten.

Die Vorgaben aber kommen alle aus dem Electrocompaniet-Team. So auch der Wunsch, so viel wie möglich in Norwegen herzustellen; viele Bauteile kommen direkt aus der direkten Umgebung.

Praxisnahe Besonderheiten

Dass die AW 800 M ein Kind unserer Zeit ist, zeigt sich spätestens auf der Feature-Liste: Ein eingebauter DC-Filter ist ebenso Teil der Endstufe wie ein veritabler HF-Filter. Beides sind Punkte, wie man sie heute oft in gefilterten Netzleisten (wie beispielsweise der IsoTek V5 Sigma) findet. Mit diesen Filtern sollen Gleichstrom- und lästige Hochfrequenzanteile herausgefiltert werden. Gerade vor dem Hintergrund der sprunghaft steigenden Zahl von Sonnen-Kollektoren auf dem Dach sind dies äußerst sinnvolle Zugaben der Electrocompaniet-Macher.

Mein Lieblings-Feature jedoch ist die Erdungsbuchs auf der Rückseite. Mit ihr lässt sich die AW 800 M besonders leicht mit Erdungssystemen wie dem Shunyata Altaira verbinden. Das Abführen der Spannung aus dem Gehäuse über einen solche zusätzliche Erde bringt klanglich oftmals einen gewaltigen Schritt nach vorn und sei jedem engagierten Musikfreund wärmstens ans Herz gelegt.

Ebenfalls unter dem Praxis-Aspekt ist natürlich die unglaublich hohe Leistung der AW 800 M zu beklatschen: Im Monobetrieb schiebt sie im Falle von niederohmigen (2 Ohm) Lautsprechern bis etwa 2 Kilowatt. Im Stereo-Modus schafft sie noch gut die Hälfte. Ich habe keinen noch so anspruchsvollen Schallwandler im LowBeats-Lager gefunden, den dieser Bolide nicht absolut souverän an die Zügel genommen hätte.

Hörtest: Stereo, Mono oder Bi-Amping?

Das Kürzel „AW“ steht für „Ampliwire“, also verstärkender Draht. Es beschreibt das Ideal eines HiFi-Verstärkers: Den Pegel anheben zu können und nichts hinzuzufügen. Das können natürlich auch die AW 800 M nicht – aber sie sind dicht dran…

Schon die ersten Takte vermitteln jenen Eindruck, der Elecrocompaniet über all die Jahre so viele Freunde hat gewinnen lassen: Die Monos haben einen unaufdringlich ausgewogenen Klangcharakter, der aber nie zu nüchtern rüberkommt. Denn ein kleiner Schuss Wärme gehört genauso zum Klang-Ideal der Norweger wie eine erfreulich locker-luftige Mittenwiedergabe – die sich letztendlich in einer reichhaltigen Detailvielfalt niederschlägt.

Häufig nutzen wir bei Tests auf diesem Niveau die Borg vom FinkTeam. Doch dieses Mal passte die AudiaZ Opera einfach besser. Die Opera ist in den Mitten noch offener und feiner und im Bass etwas knackiger. Da kam die AW 800 M gerade recht. Klasse, wie energisch sie die Kontrolle über die beiden 17-Zentimeter-Bässe behielt das subtile Nachfedern der Bassdrum-Felle selbst noch bei brachialen Pegeln vermittelte. Ist schon klar: Man hört in der Regel gar nicht so laut. Aber es ist schön und beruhigend zu wissen, dass da solche Reserven schlummern…

Im ersten Vergleich mussten die Electrocompaniet-Monos gegen unsere langjährigen Referenzen ran: Die SPL m1000, die es auf knapp die Hälfte der Leistung bringen, dafür aber auch nur ein Fünftel der Electrocompaniet Monos kosten. Die m1000 sind für ihren Preis immer noch eine Wucht, doch diese Hürde rissen die AW 800 M schnell: Sie klangen – und zwar bei jedem Pegel – kräftiger, offener, weiträumiger und lebendiger.

Deutlich härter wurde die Aufgabe, als die Electrocompaniets gegen unsere aktuellen Referenz-Endstufen, die Canor Virtus M1, antreten mussten. Die slowakischen Röhren-Monos sind in Bezug auf ausdruckstarke Mitten, feine Luftigkeit und Raumtiefe nur ganz schwer zu toppen – auch von den fast doppelt so teuren AW 800 M nicht. Die aber hielten mit hoher Agilität und unauffällig-feiner Präzision dagegen. Doch wurde es laut und satte Bässe waren gefordert, zeigte sich augenblicklich, dass die Norweger hier noch einmal ein ganz anderes Pfund zu bieten hatten.

James Blood Ulmers „Crying“ gehört bei mir fest zur Testhör-Liste. Ziemlich zu Beginn des Stücks kommen einige Bassdrum-Hiebe: schnell, trocken, kernig. Allein schon diese Impulse machen deutlich, auf welchem Niveau die norwegischen Monos arbeiten.

Electrocompaniet AW 800 M im LowBeats Hörraum
Die Electrocompaniet AW 800 M im LowBeats Hörraum. Im Vergleich zu den norwegischen Boliden wirken selbst die wuchtigen (und gleichschweren) Referenz-Monos Virtus M1 von Canor zierlich… (Foto: H. Biermann)

Im Laufe der Zeit schlossen wir verschiedenste Lautsprecher zum Test an und landeten letztendlich wieder bei den FinkTeam Borg, die im Tiefbass noch etwas mehr Wucht zu bieten hat. Und jene Borg war auch damals im Einsatz, als wir die Rotel Michi M8 zum Test hatten. Die M8 sind ja auf dem Papier noch stärker als die AW 800 M und ließen die Pauken ganz schön derbe knallen. Doch was hier die Electrocompaniets in den Hörraum schoben, war nochmals beeindruckender: mehr Schwärze im Bass, mehr feine Schattierung, mehr ungebremste Kraft. Ich jedenfalls habe in unserem Hörraum eine solche Urgewalt und Souveränität im Bass noch nicht erlebt. Und das – wie gesagt – mit besten Manieren in Bezug auf Ausgewogenheit und Durchzeichnung.

Doch damit war die Sache noch nicht beendet. Es stand ja noch der Vergleich Mono- versus Stereo-Betrieb an. Ganz ehrlich? Mir gefiel die einfache Variante mit der AW 800 M als Stereoblock fast genauso gut. Verzerrungsfreie Kraft hat diese Endstufe ja eh für zwei und so konnten die Monos ihren Leistungs-Vorteil nur selten bei extrem leistungszehrenden Basspassagen und sehr hohen Pegeln zum Tragen bringen. Und im Stereo-Betrieb wirkte die AW 800 M sogar einen Hauch offener. Konnte das sein? Wir schalteten hin & her und hin & her und zurück. Es blieb dabei: Als Monos klangen die Norweger druckvoller und minimal dunkler, im Stereo-Betrieb im gleichen (geringen) Maß heller und „leichter“.

Ist doch super: Man bekommt den Klang der AW 800 M auch für die Hälfte des Geldes? Als Königsweg entpuppte sich letzten Endes leider doch die Verwendung der AW 800 M als doppeltes Lottchen – nämlich im Bi-Amping-Modus. Die FinkTeam Borg reagiert als 2-Wege-Box mit Bi-Amping-Anschluss auf solche Änderungen besonders feinfühlig.

Fazit Electrocompaniet AW 800 M

Die AW 800 M setzte bei uns Maßstäbe. Sie sind mit das Beste, was eine so potente Transistor-Elektronik heute zu leisten imstande ist. Während viele andere Endstufens ihres Kalibers vor Kraft kaum gehen können, zeigen die norwegischen Kraftwerke nicht nur viel Tiefgang, sondern auch eine wunderbare Finesse und Eleganz.

Über Leistung müssen wir nicht sprechen: die ist jenseits von Gut & Böse. Ich hatte mit diesen Monoblöcken Bass-Erlebnisse, wie ich sie so bei LowBeats noch nicht gehört oder gespürt hatte – obwohl wir vor drei Jahren mit den Rotel Michi M8 schon Monos im Test hatten, die noch ein bisschen mehr Leistung haben.

Aber Leistung ist bekanntlich nicht alles. Die Entdeckung aus diesem Test ist für mich deshalb die AW 800 M als Stereo-Endstufe. Diese mag nicht diesen letzten Druck im Fundament haben, wirkte aber bisweilen noch etwas leichtfüßiger und bietet pro Kanal gut 40% des Monoblocks. Sie bekommt als einzelne Stereo-Endstufe für die Hälfte des Geldes natürlich eine bessere Wertung.

Electrocompaniet AW 800 M (stereo)
2023/10
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Verzerrungsarmer, natürlich-ausgewogener Klang
Gerade im Mono-Betrieb extrem stark (bis zu 2 KW)
Umschaltbar zwischen Stereo, Mono und Bi-Amping
Eingebauter DC- und HF-Filter, Erdungsbuchse

Vertrieb:
MRV Audio – Inhaber Matthias Roth
Hauptstraße 14
82467 Garmisch-Partenkirchen
www.mrvaudio.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Electrocompaniet AW 800 M (Stereo): 21.800 Euro
Electrocompaniet AW 800 M (Mono): 43.600 Euro

Technische Daten

Electrocompaniet AW 800
Konzept:Mono-/Stereo-Endstufe
Leistung Mono 8 / 4 / 2 Ohm:
800 W / 1.500 W / 2.200 W
Leistung Stereo 8 / 4 / 2 Ohm:300 W / 600 W / 1.000 W
Eingänge:XLR
Besonderheiten:Erdungsklemme, DC- und HF-Filter
Abmessungen (B x H x T):40,6 x 29,2 x 48,8 cm
Gewicht:
55,2 Kilogramm
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

Test Standbox AudiaZ Opera: die Schönheit höchster Transparenz
Test FinkTeam Audio Borg: die neue LowBeats Referenz
Test Vor-/Endstufen-Kombinationen Rotel Michi: P5, S5, M8
Test SPL Performer m1000: High End Mono-Amps aus dem Studio

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.