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Beyerdynamic Xelento
Beyerdynamic Xelento wireless kostet stolze 1.200 Euro. Dafür aber ist es der beste In-Ear Hörer, den wir kennen (Foto: Beyerdynamic)

Test beyerdynamic Xelento wireless: der beste aller In-Ear Hörer

In-Ohr-Kopfhörer sind doch nur etwas für jugendliche Banausen, die sich in der U-Bahn die Trommelfelle ruinieren wollen? Stimmt nicht. Auch in diesem Segment gibt es audiophile Ansprüche und Angebote. Wie den neuen beyerdynamic Xelento wireless. Das ist großes High End auf kleinstem Raum. Allerdings zu einem gar nicht so kleinen Preis. Und doch fiel der Test euphorisch gut aus – auch, weil die individuelle Klang-Anpassung per App im Ohr des Autors so gut funktionierte…

Beyerdynamic Xelento
(Foto: beyerdynamic)

In alten Zeiten war man glücklich über einen sehr guten In-Ohr-Kopfhörer mit edlem Kabel und vergoldetem Klinkenanschluss. Sennheiser hatte mit dem IE800 ein Luxusmodell vorgestellt, das knapp an der 1.000-Euro-Marke schrammte. Nun haben sich die Spielregeln dramatisch verändert, in nur wenigen Jahren. Der Kunde von heute mag keine Kabel mehr. Die Klangpotenz muss per Bluetooth an die Ohren geflutet werden. Für das richtige Konzept gibt man gern ein paar Euro mehr aus. So hat der ewige Konkurrent beyerdynamic Sennheiser überholt. Das Modell Xelento wireless liegt bei 1.200 Euro und bietet alles, was das Herz sich wünscht.

Beyerdynamic Xelento Kabelanschluss
Beyerdynamic Xelento wireless: Die Verbindung zum Bluetooth-Modul (Foto: beyerdynamic)

Ok, es gibt immer noch ein paar Kabel. Die sind aber kürzer ausgefallen und führen zu einem aktiven Bluetooth-Modul. Wer will, kann die kleinen Wandler auch über ein konservativ-altväterliches Kabel mit Klinke an das Smartphone ankoppeln. Spannend ist jedoch, was beyerdynamic noch in dem batterie-großen Modul verbaut hat.

Beyerdynamic Xelento komplett
Das physische Dreigestirn des beyerdynamic Xelento wireless: Ohrkapseln, Fernbedienung und Bluetooth-Modul (Foto: beyerdynamic)

Der angepasste beyerdynamic Xelento wireless – dank Mimi Technologie

Nämlich die hauseigene MIY-App. Einfach aus dem App-Store laden und das Prozedere starten. Hier wird der Frequenzgang auf das Ohr des Hörers maßgeschneidert. Im Initiationsprozess spielt die App Testtöne zu, der Mann, die Frau an den Hörern muss den Ton quittieren – ob hörbar oder zu leise. Daraus errechnet die Software ein höchst eigenes Klangprofil, das hinterlegt wird. So werden Schwächen unseres Ohres ausgeglichen. Jetzt könnte man sagen, das sei nur ein Tool für Hörgeräte-Träger. Dem ist nicht so. Die App, so die Idee, soll dem Hörer die ganze Dynamik und Klangpracht ermöglichen, die die Aufnahmen bieten – ohne die wahrscheinlichen Einschränkungen durch das eigene Ohr.

Das Verfahren ist nicht ganz neu und hat bei beyerdynamic schon in verschiedenen Produkten Einzug gehalten: Bei LowBeats hatten wir davon bereits den On-Ear beyerdynamic Avento Wireless und den Over-Ear Amiron Wireless im Test. Beide waren über die sehr ähnliche MIY- (Make It Yours-) App auf die Hörkurve des Hörers anpassbar. Mosayc ist ebenfalls ein Produkt der Hörakustik-Experten von Mimi Hearing in Berlin und funktioniert dementsprechend vergleichbar. Der Unterschied: die MIY-App ist bei beyerdynamic entwickelt und hat einige zusätzliche Features. Die Höranpassung selbst aber basiert – gleich, ob MIY oder Mosaic – auf den Servern von Mimi Hearing.

Und so verschieden die Menschen sind, so verschieden sind auch die Tester bei LowBeats, beziehungsweise deren Einschätzungen: Claus Dick, der den Avento testete, bewertete die App als echten Zugewinn, Jürgen Schröder, der den Amiron selbst über alles lobte, befand aber die App als weniger zielführend. Er hat zu der Thematik des Kopfhörer-EQ auch einen höchst lesenswerten Hintergrund-Beitrag verfasst. Und ich, der nun den beyerdynamic Xeleno wireless testen darf, finde, dass diese Mosayc App ein großer Wurf ist.

Schon im linearen Zustand ist der beyerdynamic Xelento über jeden klanglichen Zweifel erhaben. Doch mit meinem Mosayc-Profil war die Klangsteigerung gewaltig. Die dynamischen Unterschiede werden klarer, Details präziser nachgezeichnet. Das war ein Klangbild zum Hineingreifen, der plötzliche 3D-Effekt. Also: Es lohnt sich, das Mosayc-Programm aufzurufen und sich die zehn Minuten zur Feineinstellung zu nehmen.

Beyerdynamic Xelento Mosayc
Die Personalisierung der Kopfhörer per App trägt den Namen Mosayc. Darauf basiert die Beyerdynamic-eigene App namens MIY (Foto: Mimi Hearing)

Der Individualisierungs-Ansatz von Beyerdynamic ist intelligent. Doch es wäre nur die halbe Miete, würde die technische Basis nicht stimmen. Hier lassen die Heilbronner das Beste aus ihrem Fundus aufspielen. Das hauseigene Know-how um die Tesla-Wandler wurde maximal miniaturisiert. Es gibt einen starken Neodymmagnet und eine absolut plane Membranfläche. Der Rest ist edle Inszenierung. So gibt es eine Zierplatte mit individuell eingravierter Seriennummer. Die Kabel selbst sind abnehmbar und müssen bei der Erstinstallation zugesteckt werden. Hier entscheidet sich der Nutzer, ob es das einfache Direkt-Kabel mit Klinke sein soll oder eben das Bluetooth-Modul. Natürlich sitzt in dieser Preisklasse auch eine Fernbedienung im Kabelweg – hierüber können Gespräche angenommen werden, oder die Lautstärke wird angepasst.

Beyerdynamic Xelento Aufbau
Tesla-Technologie in edler Behausung (Foto: beyerdynamic)

Was beyerdynamic weiß: Der beste In-Ear-Kopfhörer kann keinen vernünftigen Klang produzieren, wenn er nicht perfekt im Hörgang sitzt. Deshalb packen die Heilbronner nicht nur drei, vier Ohrpassstücke hinzu, sondern satte zehn Modelle. Einige kommen vom Spezialisten Comply. Hier gibt es einen speziellen Schaumstoff mit Memory-Effekt. Einfach zusammenpressen und in das Ohr schieben. Der Schaumstoff schwillt an und verschließt den Gehörgang perfekt. Besser geht es nicht.

Beyerdynamic Xelento Anpassung
10 verschiedene Modelle: Der Xelento bietet die größte Auswahl an Ohr-Adaptern, die ich bislang bei einem Serienprodukt gesehen habe (Foto: beyerdynamic)

So verspricht beyerdynamic eine sehr hohe Klangausbeute. Der Kennschalldruckpegel liegt nominell bei 110 Dezibel, der Frequenzgang verläuft von acht Hertz hinauf bis 48 Kilohertz und die Impedanz bei praxisgerechten 16 Ohm. Damit kommen auch schwächere Smartphones gut zurecht. Die Akkulaufzeit liegt bei acht Stunden. Damit kam ich mit dem ICE von München bis in meine Geburtsstadt Kassel – und wieder zurück.

Aber wir haben nicht nur den Xelento im Ohr, sondern auch noch den Preis im Kopf: 1.200 Euro ruft beyerdynamic für ihn auf. Man kann ihn sogar über die Webseite kaufen; der Kaufimpuls ist schnell befriedigt. Aber stimmt auch der klangliche Gegenwert?

Der Hörtest

Ja. Der Beyerdynamic Xeleno wireless ist einer der besten In-Ohr-Kopfhörer, die mir in den vergangenen Jahren begegnet sind. Glücklicherweise hatten ich auch die direkte Konkurrenz von Sennheiser zur Hand – vielmehr im Ohr. Der IE800 ist ein Wunderwerk, grundehrlich und feinzeichnend in der Abbildung. Doch der Xelento legte noch einige Details mehr in die Waagschale. Das war alles aufgeräumter, griffiger. Dieser Winzling muss selbst den Vergleich mit ohrumschließenden Riesen-Kopfhörern nicht fürchten. Die audiophilen Gene könnten nicht schöner sein.

Womit beginnen? Als erstes Album lege ich das legendäre Graceland von Paul Simon auf. Vielmehr streame ich es herbei. Die Songs sind nämlich auch in 24 Bit und 96 Kilohertz erschienen – eindeutig die beste Darreichungsform.

Cover Art Paul Simon Graceland
Die remasterte Version mit 24/96 ist sogar der guten Erstpressung auf Vinyl überlegen (Cover: Amazon)

Der Xelento hebelt alle Vorstellungen von einem In-Ohr-Kopfhörer aus – das ist plastisch, druckvoll und dabei frei von jeder Nervigkeit. Selbst die besten unter den Winzwandlern fangen bei höheren Lautstärken an, zu schreien. Nicht so der beyerdynamic: da bleibt alles wunderbar auf Kurs. Die Macht der angerissenen Saiten, die Chor-Momente – selbst auf großen Lautsprechern mit fetter, vorgeschalteter Elektronik habe ich diese Aufnahme selten besser gehört. Da schleicht sich Ehrfurcht ein. Wie kann ein gesunder Mittelständler mit einer überschaubaren Zahl an Ingenieuren diese Klangqualität stemmen? Sennheiser ist ein Riese, verglichen mit beyerdynamic – doch in diesem Marktsegment haben die Heilbronner derzeit die besseren Karten. Mich hat dieser In-Ear komplett in seinen Bann gezogen – und ich habe tatsächlich das komplette Graceland-Album in einem Schub gehört.

Doch kommt der beyerdynamic Xelento wireless auch mit großformatiger Klassik zu recht? Bei Mittelklasse-Hörern hätte ich eine Symphonie von Mozart ausgesucht. Doch bei diesem Wunderwerk wollte ich den großen Dynamik-Schub erleben. Also Mahler und seine anspruchsvollste Tondichtung – die achte Symphonie mit aberhunderten von Instrumentalisten, Chor, Orgel und Solisten. Mehr geht nicht (Klangtipp: Chicago Symphony Orchestra unter Sir Georg Solti auf Decca).

Chicago Symphony Orchestra unter Sir Georg Solti auf Decca
Mahlers 8. Symphonie mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Sir Georg Solti (Decca) wurde jetzt remastered  (Cover: Amazon)

Da kollabieren im Finale Lautsprecher, da gehen Verstärker reihenweise in die Knie. Das Xelento-Duo hielt stand. Meine Güte, was für ein Panorama, was für ein Druck. Dazu eine geradezu aufreizende Selbstverständlichkeit. Es wird laut, sehr laut – und dennoch gab sich der Xelento human und harmonisch. Viel Samt bei trotzdem hoher Analyse.

beyerdynamic Xelento wireless: das Fazit

Die Zielgruppe ist klar: Wer viel unterwegs ist, guten Klang liebt und daran nicht sparen will – der kann hier den besten In-Ohr-Kopfhörer seiner Klasse erwerben. Dabei spielen nicht nur die überzeugende Verarbeitung, der perfekte Sitz oder der überragend feine und detailreiche Klang eine Rolle. Ebenso charmant wie überzeugend ist auch die dazugehörige Mosayc App, die die Unzulänglichkeiten der eigenen Ohren optimiert. Deshalb wird es selbst bei hohen Lautstärken nicht nervös, alles wirkt harmonisch, edel, elegant. Dazu eine Fülle an Informationen. Wenn es ein limitierendes Element gibt, so ist es das Smartphone oder der Player. Hier lohnt es sich, über die Anschaffung eines externen Wandlers/Verstärkers nachzudenken. Ich persönlich bin angetan, überzeugt und fasziniert. Der Paketpreis des Xelento stimmt mit dem Gegenwert überein. Die meisten ohrumschließenden Konkurrenten können von dieser Präzision nur träumen. Deshalb eine Traumnote von uns.

beyerdynamic
Xelento wireless
2019/05
Test-Ergebnis: 4,8
Überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Extrem präzises, dynamisches und stressfreies Klangbild
Hoher Tragekomfort, perfekter Sitz
Herausragende gute Verarbeitung
Gelungene Hörkurven-Adaption per MIY App

Vertrieb:
beyerdynamic GmbH & Co. KG
Theresienstr. 8
74072 Heilbronn
www.beyerdynamic.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
beyerdynamic Xelento wireless: 1.199 Euro

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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.