Der Mira Ceti von Fezz Audio ist einer der attraktivsten (weil günstigsten) 300B-Röhren-Amps am Markt. Seit seinem Test im November 2018 ist er einer der LowBeats Referenz-Verstärker, die bei unseren Tests zum Vergleich herangezogen werden. Aber er hat – wie alle Single-Ended-Class-A Konstruktionen auf 300B-Basis – ein Leistungs-Manko: Seine etwa 8 Watt pro Kanal klingen zwar nach viel mehr, doch realistisch betrachtet kann man mit dieser Leistung nur wenige Lautsprecher am Markt ausreizen. Deshalb bringen die pfiffigen Polen nun einen aufgebohrten Mira Ceti: den Fezz Audio Lybra mit zwei parallel geschalteten 300B-Bestückungen und gut 15 Watt pro Kanal. Ein Scherz? Nein. Ein Geniestreich.
Die Idee zu Lybra entstand auf der HIGH END 2019. Eigentlich wollten die Fezz Audio Entwickler einen Vollverstärker auf KT150-Basis entwickeln, ein richtiges Kraftwerk, das die unselige Leistungsdebatte sofort beendet. Doch der Chef des hiesigen Vertriebs, Frank Urban von Audium winkte ab: “Wie langweilig”, hörte man ihn sagen. “Davon gibt es doch schon dutzende. Macht doch mal was richtig Ausgefallenes. Was haltet ihr von einem Mira Ceti mit doppelter 300B-Bestückung in paralleler Single-Ended- (Eintakt-)-Schaltung? Das wär’ doch mal was. Das macht doch sonst keiner. Und wir hätten dann die doppelte Leistung.”
Zu der 300B muss man keine vielen Worte machen. In highendigen Kreisen lässt allein die Nennung ihres Namens die Augen leuchten. 1938 wurde sie von Western Electric eigens für Audio-Übertragung entwickelt – was sie von vielen anderen Röhrentypen wie etwa der 845 oder der 211 unterscheidet. Die wurden ursprünglich als Sende-Röhren entwickelt und operieren mit sehr viele höheren Spannungen. In einer klassischen Single-Ended-Schaltung bringt die 300B zwar eine fast einzigartigen Klangreichtum, aber – wie oben schon angedeutet – nicht einmal 10 Watt. Schaltet man allerdings zwei parallel, bekommt man, wenn die Konstruktion solide gemacht ist, die doppelte Leistungsausbeute.
Jetzt werden viele fragen: Meine Güte, warum wird diese Parallelschaltung denn nicht von viel mehr Herstellern eingesetzt? Die Antwort ist einfach: Das kann nicht jeder. Die Umsetzung einer Single-Ended-Parallelschaltung mit den 300B ist alles andere als trivial. Man braucht dazu eine spezielle Umgebung. Die Treiberstufen müssen extrem leistungsfähig und stabil sein und es bedarf besonders ausgelegter Transformatoren.
Und damit kommen wir zu Fezz Audio. Hinter der jungen Elektronik-Schmiede (Gründung: 2015) steckt Toroidy, ein weltweit agierender Spezialist für Transformatoren und Übertrager aus Polen. Vater Lachowski entwickelte einen breitbandigen Ringkernübertrager, den er aufgrund patentbedingter Absprachen nicht selbst vermarkten konnte. So entstand die Idee der beiden Söhne, mit Fezz Audio eine Firma zu gründen, die dieses Wissen in eine eigene Audiofirma einfließen lassen kann.
Der Aufbau des Fezz Audio Lybra
Reicht dem “kleinen” Mira Ceti noch das originelle Midi-Format, kommt der Lybra um die “klassische” HiFi-Basisbreite von 42 Zentimetern nicht herum. Der Platz ist nötig, allein wegen der doppelten 300B-Bestückung und der wuchtigen Transformatoren – natürlich runde Toroid-Typen. An diesem – tatsächlich klangentscheidenden – Punkt ist die Kompetenz der Polen womöglich noch etwas höher als bei den Mitbewerbern. Für die Single-Ended-Parallelschaltung des Lybra mussten die Entwickler nicht irgendeinen Ausgangstrafo vom Markt irgendwie anpassen – Familie Lachowski hat dem Lybra einfach einen perfekt passenden, toroidalen Ausgangstransformator auf den Leib geschneidert.
Selbst wenn die Ausgangs- und Netzteil-Transformatoren die Paradepferde der Polen sind: auch der Rest des Lybra ist picobello gemacht. Das Bild zeigt die Unterseite der Platine beziehungsweise das saubere Platinen-Layout ganz ohne freischwebende Kabel – wie man sie sonst oft bei Röhren-Amps findet. Die Kondensatoren (teilweise vom deutschen Spezialisten Wima) sind nicht einfach von der Stange, sondern wurden in einem aufwändigen Klang-Contest ermittelt. Und weil die Fezz Audio Leute wirklich viel hören, wurde auch der Grad der Gegenkopplung immer weiter heruntergefahren. Wenn die Schaltung es hergibt, ist das natürlich der klanglich beste Weg.
Alles in allem wirkt der 18 Kilo schwere Bolide nicht nur gut durchdacht, sondern mit seinem Preis von knapp unter 4.000 Euro auch ausgesprochen fair kalkuliert. Zumal, wenn man die Ausstattung betrachtet: Über die vier 300B Röhren im Leistungsbereich haben wir schon gesprochen. Hinzu kommen zwei Treiberröhren vom Typ 6SN7 und eine Eingangs-Spannungsverstärkungsröhre vom Typ 12AX7 hinzu. Alle fünf beziehen die Fezz-Audio-Ingenieure beim US-amerikanischen Röhren-Spezialisten Electro-Harmonix, der allerdings in Russland fertigen lässt. Das hält die Preise niedrig. Alle im Lybra eingesetzten Röhren stammen aus der besseren (und natürlich teureren) Electro-Harmonix Gold-Serie.
Ein weiteres Plus des Fezz Audio Lybra sind die lebensbejahenden Farbtöne, in denen der Doppel-Trioden-Amp zu haben ist. Wir hatten den Lybra in Schwarz als Testgerät – was ja fast die langweiligste Variante ist. Die anderen Ausführungen bringen mit ihren frischen Farben echt Pfiff in die so oft eintönig gefärbte Anlage.
Der Lybra ist ein wirklich toller und ungewöhnlicher Röhrenverstärker – aber kein Ausstattungswunder. Es gibt drei Hochpegeleingänge. Das war’s. Da kann man schon fast froh sein, dass immerhin die Lautstärke über eine recht rudimentäre Fernbedienung einstellbar ist. Einen Hauch von Luxus aber gibt es selbst bei den Traditionalisten von Fezz Audio: Die polnische Röhrenschmiede bietet für ihre Verstärker – also auch für den Lybra – ein optionales Bluetooth-Modul für unter 200 Euro an. Ich habe es an anderer Stelle einmal ausprobieren können: Es funktioniert einwandfrei und macht das Leben mit Streaming vom Handy, Tablet oder Rechner doch sehr viel leichter…
Die verständlichen CE-Anforderung an den Berührungsschutz können auch die Designer von Fezz Audio nicht umgehen: Der Käfig-ähnliche Überwurf aus Stahl ist an den Seiten offen und ebenfalls Bestandteil des Lybra-Pakets. Echte Röhren-Freunde lassen das Cabriolet-Dach natürlich im Karton…
Praxis
15 Watt sind zwar in etwa doppelt so viel wie 8 Watt, aber immer noch nicht viel: eine Leistungsverdoppelung bringt auf dem Papier lediglich einen Schalldruck-Zugewinn von 3 dB. Doch wer vor so geringer Leistung zurückschreckt, sei mit einer Binsenweisheit beruhigt: Röhren-Watt wiegen schwerer als Transistor-Watt. Das liegt am Verzerrungsverhalten der Röhren, deren Klirr vor allem im (für unser Ohr angenehmen) geradzahligen Bereich (K2, K4, K6 und so weiter) liegt. Auf gut Deutsch: Selbst bei 5% Klirr klingt eine Röhre noch irgendwie angenehm; Transistor- oder Digital-Amps mit ähnlichen Klirrwerten klingen dagegen unerträglich.
Man kann mit dem Lybra daher deutlich lauter hören, als man es einer 300B-Konstruktion unterstellen würde. Wir haben sogar die leiseste Box unseres Referenzregals drangehängt: den LS3/5a-Nachbau von Hifisound Münster mit nicht einmal 80 dB 1W/1m). Weil die LS3/5a aber recht hochohmig ist (was die 300B sehr gern mag), harmonierte diese Kombination erheblich besser als erwartet.
In unserem kleinen Hörraum (15 Quadratmeter) wurde es im Halbnahfeld (Abstand: 2 Meter) ansprechend laut und klang schlicht bezaubernd: mit einem Klangfarbenreichtum und einer Räumlichkeit, die auch von sehr viel teureren Kombinationen nicht überzeugender transportiert werden kann. Ähnlich überzeugend, nur deutlich dynamischer klang es übrigens mit dem sympathischen Breitband-Lautsprecher Heco Einklang.
Diese Botschaft ist wichtig: Wir spielten den Lybra auch an etlichen Lautsprechern mit normalem Wirkungsgrad zwischen 85 und 88 Dezibel (1Watt/1 Meter) sowie dem üblichen Impedanzverlauf um 4 Ohm; an keinem brach er wirklich ein. Das ist der Unterschied zum kleinen Bruder Mira Ceti, der schon öfters mal bei gehobenen Zimmerlautstärken erkennen ließ, dass er an seiner Leistungsgrenze ist. Ein klarer Pluspunkt für die Kraft der zwei 300B-Herzen. Aber muss man, gerade bei einer solchen Parallelschaltung, nicht ständig auf den optimalen Ruhestrom der einzelnen Röhren achten?
Nicht im Falle des Lybra: Hier sorgt eine Auto-Bias-Schaltung für den jederzeit richtigen Ruhestrom der vier 300B; der Besitzer muss nicht selber an schlecht zugänglichen Schrauben nachregeln. Allerdings müssen für den Auto-Bias die Röhren gemachted sein. Dieser Punkt macht den Ersatz einzelner Röhren schwierig; man sollte den ganzen Satz auswechseln.
Vor diesem Hintergrund ist der Röhrensatz vom US-amerikanischen Anbieter Electro-Harmonix eine kluge Wahl. Klug deshalb, weil ein Satz von vier gematchten 300B aus der Gold-Serie um die 400 Euro kostet. Wenn also nach vielen Jahren mal ein neuer Satz nötig wird, bleiben die Kosten überschaubar. Damit die Röhren möglichst lange halten, fährt die Schaltung die Anodenspannung langsam hoch: es dauert etwa 2 Minuten, bis der Lybra einsatzbereit ist. Die Farbe des hinterleuchteten Logos auf der Front wechselt dann von Rot auf Weiß.
Der Fezz Audio Lybra im Hörtest
Schon mit den ersten Tönen macht der Fezz Audio Lybra deutlich, warum diese Single-Ended Trioden einen so einzigartigen Ruf haben. Man fühlt sich augenblicklich wohl. Die Ähnlichkeit der Röhren mit einem glimmenden Kaminfeuer ist nicht nur äußerlich, auch der Klang hat etwas Behagliches – zumindest bei den Single-Ended-Konstruktionen. Hier fehlen eben die Übernahme-Verzerrungen üblicher Verstärker. So klingt eine akustische Gitarre so echt, als säße man direkt neben dem Gitarristen. Den natürlichen Ton des schwingenden Holzkorpus, alle noch so feinen Obertöne stellt der Lybra mit einer traumhaften, unaufgeregten Leichtigkeit in den Raum. Alles klingt auf eine wunderschöne Art satt und reich. Aber halt auch fein.
Wir hatten ja in den letzten Jahren viele exzellente Transistor-Verstärker dieser Preisklasse im Test – und einige davon befinden sich noch im Referenzregal. So auch der Atoll IN 400 SE (4.500 Euro), ebenfalls aus dem Audium Vertrieb in Berlin. Beide sind auf ihre Art herausragend gut und machen auch deutlich, was die jeweilige Technik besser kann. Der Transistor klingt schneller, dynamischer, präziser, die Röhre macht den Raum weiter auf, klingt etwas geschmeidiger. Bei kleineren Lautstärken aber werden wohl die meisten Musikfreunde den Lybra vorziehen.
Allerdings muss man für ein so schönes Musik-Erleben bei der Lautsprecherwahl achtsam sein: Es passt schlicht nicht jeder. Da ist ein so potenter Transistor-Amp wie der Atoll natürlich weit im Vorteil: Es gibt so gut wie keinen Schallwandler, den er nicht treiben kann. Und Live-haftige Lautstärken sind mit handelsüblichen Lautsprechern auch nur dann möglich, wenn hinten viele, viele Watt hineingepumpt werden. Die bietet der Fezz Audio Lybra nun einmal nicht. Aber Musikfreunde mit Hang zur Single-Ended-Röhre wissen um dieses Handycap und schauen entweder nach extrem wirkungsgradstarken Lautsprechern oder bescheiden sich mit Wohnzimmerpegeln.
Der Mira Ceti hat ja noch etwas weniger Leistung. Und so lautet die spannende Frage: Hört man das? Wie schlägt sich die Kraft der zwei Herzen (Lybra) gegen den kleineren Bruder mit einfacher 300B-Bestückung? Antwort: So, wie man es sich erhofft. Auch der Mira Ceti klingt ja so, wie es sich die meisten Musikfreunde wünschen. Feinste Obertöne kommen mit einer Leichtigkeit, die viele Transistor-Amps nicht beherrschen. Die Klangfarben sind so wunderbar reich und satt wie beim Lybra, die Räumlichkeit ist ähnlich majestästisch. Aber dann, wenn es derber zur Sache geht, spürt man die höhere Power des Lybra. Die Pauken bleiben bei ihm auch bei höheren Pegeln druckvoller, bei ihm scheinen die Felle etwas straffer gespannt zu sein.
Auch der kleine Mira Ceti ist ja ein wunderbarer Verstärker. Aber wegen seiner größeren Präzision und Nachdrücklichkeit klingt der Lybra noch einmal natürlicher. Das macht sich bei Elektropop à la Yello besonders deutlich bemerkbar. Aber auch bei großen Orchestern zeigt der Lybra mehr Gelassenheit und etwas mehr Leichtigkeit. Für jene, die nur im niedrigen Pegelbereich hören, spielt das keine Rolle. Doch wenn es auch mal etwas beherzter zur Sache gehen soll, kann der Lybra einfach mehr.
Fazit
Dieser Vollverstärker gibt ein doppeltes Leistungsversprechen: den betörenden Klang der 300B Leistungsröhre in einer Single-Ended-Schaltung mit wenig Gegenkopplung, aber mit doppelter Leistung als gemeinhin möglich. Dieses Versprechen löst der Lybra umfänglich ein. Der geneigte Musikfreund wird sich schwertun, in dieser Preisklasse einen ähnlichen Farb- und Klangreichtum zu finden. Und der Trick mit den beiden parallel-geschalteten 300B Röhren pro Kanal ermöglicht dem neuen Fezz Audio Amp eine viele größere Zahl potenzieller Lautsprecherpartner.
Was ebenfalls positiv auffiel: Die Verarbeitung ist einwandfrei, die Farbvarianten echt nett. Und selbst die begrenzten Anschlussmöglichkeiten (3 x Hochpegel Cinch) sind bei nüchterner Betrachtung ausreichend, denn heutzutage nutzen viele Musikfreunde ja externe DACs – und die wiederum haben in der Regel ja viele Anschlüsse. Auch auf die wichtige Frage nach den Folgekosten (Röhrenwechsel nach einigen Jahren) haben die Polen eine erfreuliche Antwort: dank kluger Auswahl bei der Bestückung bleiben die Kosten überschaubar.
Kurzum: Echte Schwachstellen habe ich keine gefunden. Stattdessen viele, viele Stunden im wahrsten Sinne des Wortes “schön” Musik gehört. Wahrscheinlich geht es hie und da noch besser, noch präziser, noch dynamischer. Aber schöner…?
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Herausragend natürlicher und räumlicher Klang |
| Gute Verarbeitung, automatischer Bias |
| Für einen 300B-Verstärker erstaunlich kräftig (2 x 15 Watt) |
| Nur drei Hochpegel-Eingänge |
Vertrieb:
Audium
Catostr. 7b
812109 Berlin
www.audium.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Fezz Audio Lybra: 3.850 Euro
Technische Daten
Fezz Audio Lybra | |
---|---|
Leistung: | Leistung: 2x 15 Watt bei THD: < 0.25% |
Bandbreite: | 12 Hz-60 KHz (-3dB) |
Eingänge: | 3 x Line IN |
Ausgänge: | Lautsprecher 4Ω / 8 Ω |
Besonderheiten: | 300B in Single Ended Paralleschaltung |
Stromverbrauch: | 180 Watt |
Abmessungen (B x H x T): | 42 x 17,5 x 41 cm |
Gewicht | 18,0 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
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