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Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 AV-Receiver mit Dolby Atmos und DTS:X. Geniale Raumkorrektur ARC. 3.490 Euro (Foto: R. Vogt)

Test Anthem MRX 720: der audiophile AV-Receiver

In vielerlei Hinsicht war und ist Kanada besser als die USA und auch in Sachen HiFi und Heimkino kommen einige der interessantesten Produkte des Kontinents derzeit aus dem Land des Ahorns – wie beispielsweise der highendige AV-Receiver Anthem MRX 720.

Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)

Die dritte Generation der MRX-Serie besteht aus drei Modellen; der Anthem MRX 720 ist das mittlere und verfügt über die Prozessorpower und Wandlertechnik des großen Modells, hat aber „nur“ sieben Endstufen. Möchte man also Immersive Audio mit Deckenlautsprechern verwenden, braucht es externe Verstärkung oder Aktiv-Lautsprecher. Oder man nimmt eben gleich den größeren Bruder Anthem MRX 1120 mit 11 integrierten Endstufen. Der Anthem MRX 720 wendet sich also an 5.1- und 7.1-Anwender, mit der Option, aufrüsten zu können.

Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 Anschlüsse unter der kleinen Frontklappe (Foto: R. Vogt)

Der Kanadier wird mit reichlich Zubehör geliefert und ist sehr akkurat verarbeitet – allerdings mit teilweise eher schlichten Materialien. Die eloxierte und gebürstete Front aus Aluminium wird durch große Tasten aus Plastik dominiert. Immerhin: Die kleine Klappe auf der Front verbirgt vergoldete Buchsen für einen stationären Kopfhörer und HDMI. Der zusätzliche USB-Anschluss dient nur Firmware-Updates. Weithin gut sichtbar ist das dimmbare, satt-blaue, zweizeilige Matrixdisplay mit seinen Status- und Menü-Informationen.

Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Die griffige Fernbedienung Anthem MRX 720 mit Leuchttasten (Foto: R. Vogt)

Extrem angenehm fand ich die Fernbedienung des Anthems, die wirklich eine Hymne verdient hat. Sie ist zwar wie andere auch nur aus Kunststoff, aber mit einer sehr angenehm griffigen Oberflächentextur, die sich hochwertig anfühlt, im Gegensatz zu mancher nur anfangs handschmeichelnder Gummierung auch quasi ewig halten wird und sich gut reinigen lässt. Die Tasten sind perfekt fürs dunkle Kino Hintergrund-beleuchtet und logisch gruppiert.

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Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 mit Vorverstärker-Ausgängen für 7.2.4 Kanäle (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 Anschlusspaneel (Foto: R. Vogt)
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Das Anschlusspaneel auf der Rückseite zeigt ein durchdachtes, aber auf das Wesentliche reduziertes Konzept. Von Minimalismus kann allerdings bei acht HDMI-Ein- und zwei -Ausgängen keine Rede sein. Analoge Videoanschlüsse gibt es keine mehr, aber es stehen neben 5 analogen Stereo-Ein- auch ein selten gewordener Line-Ausgang zur Verfügung. Zur Unterbindung von Brummstörungen gibt es einen Masse-Anschluss. Gerätekontrolle erhält man per Infrarot-Repeater, RS-232 oder Netzwerk und ein Triggerausgang kann externe Verstärker einschalten.

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Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Sauberes Layout in Feuerrot: Der Innenaufbau des Anthem mit riesigem Trafo (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Die blaue Platine von Phorus regelt WLAN und Netzwerkstreaming per DTS Play-Fi (Foto: R. Vogt)
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Ein Blick unter die großzügig geschlitzte Blechhülle verheißt aufgeräumten Sound mit viel Kraft. Das jedenfalls vermitteln die Platinen in Alarmfarbe, der wahrlich riesige Trafo im üppigen Netzteil und die zwei thermisch kontrollierten Lüfter, die im Dauerbelastungsfall den Hitzetod der Elektronik verhindern. Das Audioprocessing übernimmt ein mächtiger DSP mit vier Rechenkernen, der neben der Decodierung der Surround-Signale ja auch noch die Raumentzerrung ARC übernehmen muss.

Anthem Room Correction, kurz ARC
Anthem Room Correction, kurz ARC (Foto: Anthem)

Einer der Hauptgründe, warum sich jemand einen AV-Receiver au dem Hause Anthem kaufen sollte, ist deren hauseigene Raumentzerrung Anthem Room Correction, kurz: ARC. Die genießt unter Experten einen so guten Ruf, dass sie zum Beispiel auch bei Martin Logan zum Einsatz kommt. Der casus knacksus bei solcherlei Messverfahren und Korrekturen ist die sehr begrenzte Intelligenz – sprich Rechenleistung und Speicherkapazität – integrierter Signalprozessoren. Die eignen sich zwar bestens zur anschließenden Ausführung einmal gefundener Filter, aber eben nicht besonders zum Messen und Berechnen. Mehr Mathepower bietet der nächstbeste Windows-Laptop. Denn den braucht man zum Arbeiten mit ARC.

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Anthem Room Correction - ARC Mikrofon (Foto: R. Vogt)
Anthem Room Correction – ARC Mikrofon (Foto: R. Vogt)
Anthem Room Correction - ARC Stativ (Foto: R. Vogt)
Anthem Room Correction – ARC Stativ (Foto: R. Vogt)
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Das Zubehör für ARC wird in einer Extraschachtel mitgeliefert. Darin findet man ein ausreichend großes professionelles Mikrofonstativ, ein professionelles Messmikrofon mit integrierter USB-Soundkarte und alle notwendigen Kabel plus Software. Letztere sollte man sich aber, wie immer, zur Sicherstellung neuester Version lieber von Anthems Webseite laden. Dort findet man auch nach Angabe der Seriennummer die Kalibrierungs-Datei des Mikrofons. Eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit der ARC-Software mit dem Receiver ist natürlich, dass sich Windows-PC und Receiver beide im selben lokalen Netzwerk angemeldet haben.

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Anthem Room Correction - ARC (Foto: R. Vogt)
Anthem Room Correction – ARC ist ein professionelles Messsystem (Foto: R. Vogt)
Anthem Room Correction - ARC (Foto: R. Vogt)
Von wenigstens fünf Raum-Positionen möchte ARC Messungen zur Analyse erhalten (Foto: R. Vogt)
Anthem Room Correction - ARC (Foto: R. Vogt)
In vier Profilen lassen sich verschiedene Einstellungen verwalten (Foto: R. Vogt)
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Die eigentlichen Messungen und Analysen mit verschiedenen Lautsprechern liefen im LowBeats-Testkino völlig reibungslos. Das ist aber eigentlich nicht für Laien gedacht, sondern für Leute, die sich auskennen oder halt den Händler, der den Anthem aufbaut: In bis zu vier „Profile“ genannten Speichern lassen sich verschiedene Lautsprecher-Konfigurationen ablegen. Das Bassmanagement ist dabei so detailliert und flexibel justierbar wie sonst nur bei Profi-Equipment wie etwa DSPeaker oder Trinnov. So lässt sich beispielsweise das Subsonic-Filter frei setzen oder überhaupt die Grenzfrequenzen des Equalizings definieren. Dadurch kann man sein Setup für verschiedene Zwecke optimieren: etwa eine spezielle Einstellung für Film – mit höheren Einsatzfrequenzen für Subsonic und Bass-Übergang für mehr Grenzpegel. Oder ein Profil für Musik in Stereo ganz ohne Subwoofer. Hat man seine Justagen erledigt, muss man das Ganze noch berechnen lassen und kann es dann in den Receiver übertragen. Einen Haken aber gibt es noch: ARC stellt keine Laufzeiten ein. Die Abstände der Lautsprecher zum mittleren Hörplatz muss man mit Messband oder Zollstock selbst ermitteln und manuell eintragen. Gegebenenfalls muss man entsprechend auch den Subwoofer in Sachen Delay etwas nachtunen, um den saubersten Phasenübergang zu erhalten.

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Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720: Das On-Screen-Display spricht weitgehend Deutsch (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Für jede Quelle lassen sich Profile und Konfigurationen vorbestimmen (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Für alle vier Profile lassen sich die Laufzeiten (Hörerposition) einzeln einstellen (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Vier verschiedene Lautsprecher-Konfigurationen sind speicherbar (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Eine Serie anschaulicher Grafiken klärt die Namen der Lautsprecher-Positionen (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Selten: Alle Einstellungen lassen sich speichern und wieder herstellen (Foto: R. Vogt)
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Damit sind wir in der Bedienung des eigentlichen Receivers. Das On-Screen-Menü spricht größtenteils deutsch, wenn auch nicht durchgehend. Einige Konfigurationen sind in die Speicher der Eingänge verlagert. Das macht zwar einmalig etwas mehr Arbeit, stellt sich in der Praxis aber als recht genial heraus, weil man Eingangsbuchsen auch doppelt auswählen kann. So lässt sich beispielsweise HDMI 1 für einen Blu-ray-Player auf Input 1 und auch auf Input 2 legen, einmal mit Voreinstellungen für Filmabende und einmal mit Voreinstellungen für Musik. Oder der Sat-Receiver einmal für normalen Betrieb und einmal mit aktivierter Dolby Volume Dynamik-Kompression zum spätabendlichen leise hören. Das nenne ich gut gelöst und praktisch.

Weniger glücklich ist die Wahl des eingebauten Streamingmoduls von Phorus. Das versteht sich zum Streamen ausschließlich auf DTS Play-Fi, welches gut und umfangreich das Programm von gängigen Streamingdiensten, Internetradio und lokalen Musikservern liefert. Es spielt dann auch Highres-Dateien inklusive FLAC und DSD, kann Gapless spielen und so weiter. Ärgerlich ist nur: Das Modul von Phorus zickt bei diversen Routern, so auch im LowBeats Testkino mit seinem Modell von Vodaphone Kabel-Marke „Hitron“. Zwar finden die Apps von Android und iOS den Anthem MRX 720 und können ihn auch in Sachen Lautstärke, Multiroom und so weiter steuern, nur Audiodaten gibt es keine. Musik: Fehlanzeige. Da half auch kein Reset oder Update. Leider kein Einzelfall, wie ich in Kommunikation mit Vertrieb und befreundeten Händlern feststellen musste. Wenn es funktioniert, geht es super. Wenn nicht, dann gar nicht. Wer also digital streamen möchte, muss, wenn sein DTS Play-Fi die Mimose gibt, den Umweg über seinen Blu-ray-Player, einen Google Chromestick oder Ähnliches nehmen.

Auf der analogen Seite verbaut Anthem einen sehr ordentlichen UKW-Empfänger. Der empfing nicht nur überdurchschnittlich viele Stationen, er spielte auch vergleichsweise rauscharm.

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Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Anthem V2 App (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX-720 (Foto: R. Vogt)
…übersichtlich große Tasten (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Hauptmenü (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Wiedergabemodi (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Signalinformationen (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
Dolby Volume Dynamik-Kompression (Foto: R. Vogt)
Anthem MRX 720 (Foto: R. Vogt)
OSD-Menüsteuerung (Foto: R. Vogt)
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Wer im Alltag lieber mit seinem Smartphone navigiert oder aus einem anderen Zimmer Zone2 steuern möchte: die Anthem V2 App ist auf das Wesentliche reduziert und daher übersichtlich.

Der Anthem MRX 720 im Hörtest

Damit sind wir beim Hörtest. Um es kurz zu machen: Der Anthem MRX 720 klingt fantastisch. Musik, via HDMI vom Oppo UDP-205 zugespielt, wirkte dank wirklich gut klingender D/A-Wandlung und Verstärkung so ausgewogen und detailreich wie selten. Über die Vorverstärker-Ausgänge an die JBL-Monitore und Teufel Oncle-Doc Subwoofer des Testkinos angeschlossen, konnte der Receiver sogar in wenigen Teilaspekten die Referenz Marantz AV8802 übertrumpfen, etwa bei der Feindynamik im oberen Mittelton. Und dank ARC-Kompensation lieferte er auch im Grundton ein wenig mehr Substanz. An die Musikalität und Ausgewogenheit der dezidierten Vorstufe war aber kein Herankommen. Wirklich genial funktionierte die ARC-Entzerrung für den Subwoofer. Im LowBeats Heimkino bekommt die Marantz (weil im Bass das eingebaute Audyssey wirkungslos ist) Unterstützung von einem externen DSPeaker-Entzerrer. Der Kanadier erledigt das mit Bordmitteln –  auf gleichem Niveau.

Im zweiten Durchgang mussten nun auch die Endstufen des Anthem MRX 720 antreten und ein 5.1-Set Heco CelanGT anfeuern. Auch hier klang das Ergebnis kraftvoll, feingliedrig und ausgewogen. Die fast schon übertriebene Transienten-Abbildung im oberen Mittelton milderten die Anthem-Endstufen spürbar, hier merkt man das sie in der Klangabstimmung des Gesamtsystems eine wichtige Rolle spielen. Das klangliche Gesamtniveau mit fließender Musikalität und tonaler Ausgewogenheit mit Kraft und knackig scharf gezeichneter Bühne lag ohne lange vergleichen zu müssen deutlich über den Qualitäten japanischer Mitbewerber, die sonst gern hämisch auf die sparsamere Ausstattung zum höheren Preis hinweisen.

Fazit: Anthem MRX 720 für Klang-Gourmets

Das Fazit fällt ein wenig ambivalent aus, aber in der Summe zugunsten des Anthem MRX 720. Fangen wir mit der Soll-Seite an: Mit über 3.000 Euro ist er vergleichsweise teuer für einen AV-Receiver und die Verarbeitung ist gut, spiegelt den Preis aber nicht wieder. Wer maximale Features sucht und auf den Cent schaut, der ist hier falsch. Auch nicht überzeugend: Das integrierte DTS Play-Fi Streaming funktioniert nur je nach Netzwerkrouter.

Doch die Haben-Seite wiegt das locker auf: der gute UKW-Tuner, eine hervorragende Fernbedienung, mit ARC eines der besten Raumkorrektur-Systeme überhaupt (dazu mit ordentlichem Messmikrofon und Stativ im Lieferumfang) und die geniale Konfiguration mit vier Speicherbänken. Und schließlich klingt er einfach sensationell, feinauflösend, ausgewogen, kraftvoll und mit fokussierter Abbildung. Beim Anthem MRX 720 fehlt so gut wie jeder Schickschnack, dafür gibt es die volle Konzentration auf Performance. Das ist nach meinem Geschmack.

Anthem MRX 720
2017/08
Test-Ergebnis: 4,0
SEHR GUT
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Dynamischer, fein-abbildender Klang
Geniale Raumentzerrung ARC
Guter UKW-Tuner
DTS Play-Fi nicht mit jedem Router

Vertrieb:
Paradigm Audio Vertriebs GmbH
Harderweg 1
22549 Hamburg
www.paradigm-audio.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Anthem MRX 720: 3.490 Euro

Im Beitrag erwähnt:

Test Prozessor-Vorstufe Trinnov ST2 HiFi: Die Raumkorrektur-Sensation
Test Oppo UDP-205: Edelplayer für Audio und Video inklusive HDR, 4K und Dolby Vision
Test AV-Vorverstärker Marantz AV8802
Test DSPeaker Anti-Mode 2.0 Dual Core: Präziseste Bässe


Autor: Raphael Vogt

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Technischer Direktor bei LowBeats und einer der bekanntesten Heimkino-Experten der Republik. Sein besonderes Steckenpferd ist die perfekte Kalibrierung von Beamern.