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Audeze LCD-2 Classic (Picture: Audeze)
Offener, magnetostatischer Kopfhörer Audeze LCD-2 Classic; 899 Euro (Foto: Audeze)

Test: Kopfhörer Audeze LCD-2 Classic

Der südkalifornische Kopfhörer-Spezialist Audeze (sprich Odyssee) weiß offenbar sehr genau, wie ein auch die jüngere Kundschaft ansprechendes Produktdesign auszusehen hat. So kam mein 20-jähriger Sohn letztens auf einen abendlichen Überraschungsbesuch vorbei, während ich gerade das umfangreiche Hörtest-Programm mit den Kopfhörer-Equalizern Sonarworks Reference 4 Headphone Edition und True-Fi abwickelte. Hierzu hatte ich natürlich alles Erreichbare an Kopfhörern um mich herum versammelt, was gut klingt und Rang und Namen hat. Doch der einzige von bestimmt neun Top-Kopfhörern, der meinem Sohn sofort positiv auffiel, war der jüngst vorgestellte Audeze LCD-2 Classic.

Der ist in der Tat ein echter Hingucker: Seine großflächigen Wandlersysteme, bestückt mit wuchtigen Kunstleder-Ohrpolstern, verhelfen dem Audeze LCD-2 Classic zu einem recht massiven optischen Auftritt. Mit mattem, anthrazitfarbenem Finish wirkt er dennoch einigermaßen dezent, was ihm ein sehr solides Flair verleiht.

Audeze LCD-2 Classic – Earpads and XLR Connectors
Die ausladenden, kunstledernen Ohrpolster unterstreichen nicht nur den soliden optischen Auftritt des Audeze LCD-2 Classic. Auch sorgen sie für guten Tragekomfort trotz der gewichtigen Konstruktion (Foto: J. Schröder)

Bei neuen Produkten interessiert mich persönlich zunächst mal die Geschichte, die zu ihrer Entstehung geführt hat. Und der Audeze LCD-2 Classic hat definitiv eine solche – auch wenn das Unternehmen Audeze gerade mal 10 Jahre existiert. Wie der Name bereits verrät, basiert der LCD-2 Classic technisch auf dem im Jahre 2010 vorgestellten Audeze LCD-2. Und es war eben dieser, der mit seiner planaren Wandlertechnik den Weg zum internationalen Erfolg von Audeze ebnete.

Tatsächlich fand der Ur-LCD-2 von Audeze weltweit Anklang. Offenbar so nachhaltig, dass man sich entschloss, auf dessen technischer Basis ein preislich attraktives Nachfolgemodell in Planartechnik zu entwickeln – nun allerdings mit dem in den zurückliegenden Jahren gesammelten Knowhow in Sachen Fertigungstechnik. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist der hier vorgestellte Audeze LCD-2 Classic: Das mit ihm gesteckte Ziel wurde erreicht, denn mit 899 Euro liegt er tatsächlich in einem interessanten Preisbereich.

Qualitativ wollte man beim LCD-2 Classic natürlich keinerlei Abstriche machen, was bedeutet: Die Fertigung erfolgt ebenso wie bei den exklusiven Modellen komplett bei Audeze in Südkalifornien. Stattdessen verzichtete Audeze auf alles, was keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Klangqualität hat. Beispielweise ließ sich das recht kostspielige, „Seewasser-feste“ Transport-Case durch einen Schaumstoff-ausgepolsterten Karton ersetzen. Auch wichen die für Audeze-Hörer typischen Echtholz-Einfassungen der Wandlersysteme beim LCD-2 Classic solchen aus robustem, resonanzarmem Nylon.

Audeze LCD-2 Classic – Wandlertechnik

Kopfhörer mit planaren Schallwandlern indes gibt es nicht erst seit Audeze. Bereits Mitte der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts brachten Peerless, MB und Yamaha sogenannte orthodynamische Kopfhörer auf den Markt, die dieses Prinzip nutzten. Vereinfacht gesagt, stellen Planarwandler das auf magnetischer Kraftwirkung basierende Äquivalent zu elektrostatischen Kopfhörern (wie zum Beispiel den Stax SR-L Modellen) dar.

Wie diese verwenden auch die elektrodynamischen Planarwandler hauchdünne Folien als Membran. Bedampft mit mäanderförmigen Leiterbahnen, sind diese Membranen zwischen front- und rückseitig angeordneten Arrays aus stabförmigen Dauermagneten eingespannt. Fließt nun ein vom Tonsignal bedingter Wechselstrom durch die aufgedampften Leiterbahnschleifen, geraten die Membranen durch die Kraftwirkung des magnetischen Feldes in Bewegung und erzeugen Schall.

Die Vorteile des planaren oder magnetostatischen Prinzips liegen zunächst mal in der gleichmäßigen Kraftwirkung, die die Membran über ihre ganze Fläche erfährt. Gegenphasig schwingende Bereiche, die zu selektiven Pegeleinbrüchen führen, werden dadurch weitestgehend vermieden. Zudem reagiert die extrem dünne und damit sehr leichte Folie praktisch verzögerungsfrei auf den Signalstrom, was zu einem sehr guten Impulsverhalten führt.

Verwendet man dazu noch – wie die Systeme im Audeze LCD-2 Classic – front- und rückseitige Dauermagnet-Arrays, so fallen auch die harmonischen und nichtharmonischen Verzerrungen sehr gering aus. Magnetostaten mit einer solchen Architektur arbeiten von Haus aus als Dipol (Schnellewandler) mit front- und rückseitiger Schallabstrahlung. Sie eignen sich daher besonders gut für offene, ohrumschließende Hörer – was der Audeze LCD-2 Classic denn auch konsequent umsetzt.

Audeze LCD-2 Classic on DAC Questyle CMA600
Die magnetostatischen Wandlersysteme im Audeze LCD-2 Classic besitzen einen Durchmesser von etwa 100 Millimetern. Nicht bloß optisch bildet der Audeze mit dem DAC-Headphone-Amp Questyle CMA600i ein harmonisches Gespann (Foto: J. Schröder)

Willkommener Nebeneffekt der planaren Bauweise: Verteilt über die gesamte Membranfläche, kühlt sich die Leiterschleife beim Schwingen gewissermaßen selbst. Planare Wandler können bei guter Dimensionierung somit beträchtliche Dynamikspitzen verarbeiten, ohne Schaden zu nehmen.

So gibt Audeze für den LCD-2 Classic denn auch eine Spitzen-Belastbarkeit von 15 (in Worten: fünfzehn) Watt an. Bedenkt man die Tatsache, dass er für einen Schalldruckpegel von 101 Dezibel nur 0,001 Watt benötigt, so läge man mit 15 Watt Eingangsleistung bereits sehr deutlich oberhalb der 130-Dezibel-Marke – was die Audeze-Werksangaben denn auch bestätigen. Für dynamischen Headroom ist also mehr als ausreichend gesorgt.

Dank seines recht hohen Kennschalldruckpegels und mit einer mittleren Impedanz von 70 Ohm eignet sich der Audeze LCD-2 Classic recht gut auch für mobile Zuspieler wie iPhone & Co. Der hierfür erforderliche Adapter auf einen 3,5-mm-Stereo-Klinkenstecker liegt allerdings nicht bei. Zum Lieferumfang des LCD-2 Classic gehört ein recht robust wirkendes Anschlusskabel mit üblichem 6,3-Millimeter-Klinkenstecker. Hörerseitig ist es mit zwei soliden, vierpoligen Mini-XLR-Kabelbuchsen versehen, sodass es sich im Fehlerfall oder auch gegen eine symmetrische Ausführung leicht auswechseln lässt.

Audeze LCD-2 Classic – Mechanik und Tragekomfort

Mit einem Gewicht von 580 Gramm zählt der Audeze LCD-2 Classic eher zu den schweren Hörern. Allerdings fällt das „gefühlte Gewicht“ beim Tragen deutlich geringer aus, was sicherlich auch ein Verdienst der großflächig anliegenden, sehr bequemen Ohrpolster ist. So lastet der LCD-2 Classic nicht auf dem Kopf, vielmehr verteilt sich sein Gewicht bei mittlerem Anpressdruck auf eine große Fläche.

Audeze LCD-2 Classic – Mechanics
Die Aufhängung der Wandlersysteme am Kopfbügel ist von robuster Natur. Die Rastmechanik zum Verstellen des Kopfbandes macht ihrem Namen alle Ehre (Foto: J. Schröder)

Der Kopfbügel des LCD-2 Classic zeigt sich gegenüber dem ursprünglichen Modell überarbeitet, was noch einiges Gewicht einsparte. Ebenfalls neu gestaltet wurde das breite Kopfband. Anpassen lässt es sich über eine robust wirkende Mechanik, die kräftig einrastet. Alles in allem jedoch trägt sich der gewichtige Audeze LCD-2 Classic auch bei längeren Hörsessions überraschend komfortabel.

Audeze LCD-2 Classic – Hörtest

Was dem Ur-LCD-2 aus dem Jahre 2010 zum Erfolg verhalf, war auch beim Nachfolger schon nach wenigen Sekunden zu hören. So klang der Audeze LCD-2 Classic ausgesprochen „frei“ (von Verzerrungen), angenehm tonlich in den mittleren Lagen und dabei unaufdringlich detailreich. Hervorragend aufgenommene Klassik, etwa das Andante con moto aus der Symphonie Nr. 3 von Jean Sibelius, eingespielt von den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle, war mit dem Audeze LCD-2 Classic wirklich ein Genuss.

Sein Klang war wunderbar körperhaft, sehr gut zu hören an den voluminösen, jedoch nicht aufgeblähten Kontrabässen. Die Streichergruppen grenzten sich gut voneinander ab, was dem exzellenten Differenzierungsvermögen in den mittleren Lagen zu verdanken war.

Interpretatorisch hatte der Audeze LCD-2 Classic einen Hang zum Dramatischen. Das lag nicht zuletzt an einer gewissen „Schwärze“, die seinem dynamischen Temperament innewohnt. Dadurch zeigte er auch ein Faible zur Darstellung weitläufiger Räume, was gleichsam eine ausgedehnte Bühne entstehen ließ. Filigrane Klangdetails, wie zum Beispiel das Aufsetzen der Bögen, setzten dabei die nötigen Glanzlichter.

Die LowBeats Klangreferenz unter den dynamischen Hörern, der Sennheiser HD 800 S, reproduzierte – ebenfalls vom enorm klangstarken Kopfhörerverstärker Questyle CMA 600i angetrieben – das akustische Umfeld in seiner Ausdehnung minimal kompakter als der Audeze LCD-2 Classic. Dabei führte er den Hörer jedoch etwas näher an die Instrumente heran, was seine Performance intimer, direkter erscheinen ließ. Sein Timbre entwickelte der Sennheiser damit insgesamt eine Spur „leichtfüßiger“ als der Audeze LCD-2 Classic.

Nochmals deutlicher wurde der Unterschied der beiden offenen Edelhörer bei knackig aufgenommener Popmusik. Hier zeigte sich der Audeze LCD-2 Classic spürbar zurückhaltender als der Sennheiser HD 800 S. Das lag jedoch definitiv nicht an mangelndem grob- und feindynamischem Temperament. Grund dafür war vielmehr die im Präsenzbereich eher verhaltene Spielweise des Amerikaners, hervorgerufen durch seine dort sehr ausgeprägte Diffusfeldentzerrung. Das geht auch aus den untenstehenden Diagrammen hervor, die einen guten, relativen Vergleich der Frequenzgänge vom Audeze LCD-2 Classic und dem Sennheiser HD 800 S ermöglichen.

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Audeze LCD-2 Classic Frequency Response on Sonarworks Reference 4 HE
Audeze LCD-2 Classic: Amplitudenfrequenzgang – Basis zur Berechnung der Korrekturfunktion durch Sonarworks Reference 4 HE (Screenshot: J. Schröder)
Sennheiser HD 800 S Frequency Response on Sonarworks Reference 4 HE
Sennheiser HD 800 S: Amplitudenfrequenzgang – Basis zur Berechnung der Korrekturfunktion durch Sonarworks Reference 4 HE (Screenshot: J. Schröder)
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Im relevanten Bereich zwischen 1 – 2 Kilohertz ist diese Senke beim Audeze LCD-2 Classic um fast 2 dB ausgeprägter als beim Sennheiser. Aber was macht das aus?

Genau diese Fragestellung war der Auslöser für den Mammut-Test der beiden Kopfhörer-Equalizer Sonarworks Reference 4 Headphone Edition und Sonarworks True-Fi, die beide weitgehende Entzerrungen der Kopfhörer-Frequenzgänge erlauben. Einen der beiden sollten nicht nur LCD-2-Classisc-Aspiranten unbedingt mal ausprobieren – was durch die kostenlose Testperiode problemlos möglich ist. Denn unterstützt durch gezieltes Equalizing, klingt beispielsweise der Audeze LCD-2 Classic mit üblichen, Direktschall-betonten Aufnahmen präsenter und insgesamt „richtiger“. Spektral ausgewogene Songs, wie beispielsweise das groovende „Cousin Dupree“ von Steely Dan profitierten davon ganz erheblich.

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Audeze LCD-2 Classic – Fazit

Der Audeze LCD-2 Classic beweist, dass magnetostatische Kopfhörer zu durchaus attraktiven Preisen machbar sind, ohne dabei Abstriche an Qualität oder Komfort zu machen. Mit dem erforderlichen Fertigungs-Knowhow, über das man bei Audeze mittlerweile verfügt, gelingt das sogar „Made in USA“. Entsprechend hochwertig und solide fällt die Verarbeitung des Audeze LCD-2 Classic aus, wobei er auf eine kostentreibende, aufwändige Verpackung verzichtet.

Auch klanglich macht der Audeze LCD-2 Classic seinem Namen alle Ehre. Denn mit seiner Abstimmung eignet er sich ganz hervorragend für solche Aufnahmen, die das akustische Ambiente großer Konzertsäle miteinbeziehen – was bei den meisten klassischen Werken der Fall ist. Hier kann der Audeze LCD-2 seine Stärken, sprich: Offenheit, Verzerrungsarmut und Impulstreue voll ausspielen. Bei knackig aufgenommener U-Musik präsentiert sich der Audeze LCD-2 Classic dagegen eher von seiner dezenten Seite, ohne es dabei jedoch an Temperament oder Detailreichtum vermissen zu lassen.

Audeze LCD-2 Classic
2018/05
Test-Ergebnis: 4,2
SEHR GUT
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Facettenreicher, farbiger Klang
Sehr verzerrungsarm
trotz hohen Gewichts guter Tragekomfort
deutliche Präsenzsenke

Vertrieb:
audioNEXT GmbH
Isenbergstraße 20
45130 Essen
www.audionext.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Audeze LCD-2 Classic: 899 Euro

Im Beitrag erwähnt:

Test DAC, Vor- und Kopfhörerverstärker Questyle CMA600i
Test Software-Equalizer Sonarworks Reference 4 Headphone Edition
Test Software-Equalizer Sonarworks True-Fi

Der Gegenspieler:

Test Edel-Kopfhörer Sennheiser HD 800 S

Autor: Jürgen Schröder

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Toningenieur, R&D-Spezialist und das (mess-)technische Gewissen von LowBeats. Kümmert sich am liebsten um Wissens-Themen, Musik und den spannenden Bereich zwischen Studio und HiFi.