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Sendy Audio Aiva Muschel
Der Sendy Audio Aiva ist ein magnetostatischer Over Ear Hörer, der in seiner Preisklasse Maßstäbe setzt (Foto: F. Borowski)

Test magnetostatischer Over-Ear Kopfhörer Sendy Audio Aiva

Um wahre Perlen im weiten Meer der Kopfhörer-Angebote zu finden, muss man manchmal auch abseits der üblichen Gewässer fischen. Mit dem Sendy Audio Aiva hat der Vertrieb Higoto einen dieser seltenen Fänge gemacht und einen magnetostatischer Kopfhörer an Land gezogen, der fernöstlichen High-End-Charme mit abendländischen Klangtugenden verbindet.

Echte Fans der kopfnahen Beschallung haben oft mehr als nur einen Kopfhörer im Haushalt. Vielleicht einen In-Ear für draußen, einen Bluetooth Bügelhörer für Reisen oder zum ungestörten TV-Genuss, und womöglich einen drahtgebundenen High-End-Kopfhörer am DAC/Kopfhörerverstärker. Das Schöne am Musikspaß per Kopfhörer ist ja auch, dass er nicht zwingend mit astronomischen Kosten einhergehen muss, damit man exquisiten Klang genießen kann. Und dass Kopfhörer einfach weniger Platz als Lautsprecher benötigen und je nach Laune und Geschmack aus der Schublade gezogen werden können.

Der Aufbau des Sendy Audio Aiva

Wer noch einen optisch, mechanisch und klanglich anspruchsvollen sowie sehr individuellen Over-Ear in der Preisklasse unter 1.000 Euro sucht, der muss eigentlich beim Sendy Audio Aiva schwach werden. Carsten Hicking, Chef des deutschen Spezialvertriebs Higoto – digital highend, hat bei einem USA-Besuch einen solchen Kopfhörer entdeckt, in den man sich schnell verlieben kann. Der Aiva stammt von dem hierzulande völlig unbekannten Hersteller Sendy Audio, dessen Wurzeln in China liegen.

Sendy Audio Aiva Muschel
Der Sendy Audio Aiva: Klassisches Design, aber äußerst ansprechend ausgeführt (Foto: F. Borowski)

„Oh nein, nicht noch so’n Chinakracher!“ – Wenn Ihnen das gerade durch den Kopf ging, bitte nicht vorschnell urteilen, denn der Aiva hat so rein gar nichts mit billigen China-Massenprodukten am Hut.

Schon auf den ersten Blick in die Verpackung wird klar, dass hier offenbar Leute mit viel mehr Affinität zum Thema High-End und Musikgenuss am Werk waren, als bei Produkten aus Fernost tendenziell üblich. Schon das sehr hübsche und knapp auf die Form des Kopfhörers geschrumpfte Transport-Case hat richtig Charakter. Die Oberfläche besteht zwar nur aus Kunstleder, sieht mit der groben Narbung aber wie echt aus und fühlt sich auch so an.

Transport-Case
Das mitgelieferte Case ist genau auf die Form des Kopfhörers zugeschnitten und fühlt sich nach echtem Leder an – ist aber Kunstleder. Das Case kann dank der Füße auch aufrecht hingestellt werden (Foto: F. Borowski)

Im Inneren findet sich neben dem Kopfhörer ein etwa 1,4 Meter langes, geflochtenes Kupferkabel mit Steckern, die über ein schuppenähnliches Muster auf den Gehäusen verfügen. Kopfhörerseitig sind pro Treibergehäuse je ein 2,5 mm Mono-Klinkenstecker montiert. Quellenseitig ist das Kabel mit einem noch relativ selten anzutreffenden Pentaconn-Stecker konfektioniert, der nach einem passenden symmetrischen Anschluss am Kopfhörerverstärker verlangt. Da die wenigsten Amps eine Pentaconn-Buchse bieten, liegt ein Adapter auf 3,5 mm Stereo-Klinke bei. Ein Adapter auf 6,35 mm Klinke fehlt leider, aber den haben die meisten Kunden der Zielgruppe vermutlich schon im Arsenal. Allerdings bedeutet das dann eine doppelte Adaptierung: Pentaconn > 3,5 mm > 6,35 mm.

Sendy Audio Aiva Stecker
Der fünfpolige Pentaconn-Stecker: Kopfhörerverstärker mit passendem Anschluss sind derzeit noch selten (Foto: F. Borowski)

Die symmetrische 4,4 mm Pentaconn-Verbindung bietet diverse Vorteile und ist mit herkömmlichen Klinkenbuchsen nicht direkt vergleichbar. Zunächst einmal ist ein Pentaconn-Stecker deutlich kleiner als die sonst für symmetrischen Anschluss oft verwendeten XLR-Stecker (2x XLR3 oder 1x XLR4). Beide Kanäle werden gleichzeitig mit nur einem kleinen fünfpoligen (daher „Penta“ = fünf) Stecker übertragen. Die Buchsen und Kontakte sollen zudem deutlich langlebiger und kontaktsicherer sein als herkömmliche Klinkenbuchsen.

Sendy Audio Aiva Stecker
Schön auch im Detail: Geflochtenes Kabel und Steckverbinder mit Schuppen-Deko (Foto: F. Borowski)

Aber sie sind eben noch nicht sehr weit verbreitet. Sennheiser hat in seinem Kopfhörerverstärker HDV 820 eine passende Buchse verbaut und vor allem Sony führt Geräte mit Pentaconn-Anschluss im Sortiment. Ganz neu und besonders günstig wäre da noch der iFi Audio ZEN DAC zu nennen, an dem ich den Aiva unter anderem getestet habe. Dazu später mehr.

Der Sendy Audio Aiva selbst macht den Eindruck, als wäre er aus einem massiven Block gefräst. Die Hörergehäuse sollen aus Zebraholz bestehen. Aber ganz ehrlich: die sind so glatt und fein gearbeitet, dass es sich auch um Holzimitat handeln könnte. Ich kann es nicht unterscheiden und möchte zum Beweis nicht erst das Gehäuse zerkratzen oder anbohren. Auf jeden Fall wirkt es sehr edel. Die Ohrpolster scheinen nicht ohne weiteres abnehmbar zu sein. Auch hier wollte ich keine Gewalt anwenden.

Sendy Audio Aiva Leder
Angenehm weiche und dicke Ohrpolster haben ihren Anteil am hohen Tragekomfort des Aiva (Foto: F. Borowski)

Mit dicken, flauschigen Ohrpolstern aus gelochtem Leder versehen, die an den Auflageflächen einen sehr weichen Stoffbezug haben, fühlt sich der Sendy sehr komfortabel an – und das trotz der rund 400 Gramm, die er ohne das (angenehm leichte und flexible) Kabel auf die Waage bringt. Die Bügelkonstruktion ist einfach gehalten. Als Kopfband dient lediglich ein dünner und weicher Streifen Leder. Simpel, aber effektiv und bewährt.

Die Gesamterscheinung des Aiva lässt einen Preis im Bereich um 1.500 Euro oder mehr vermuten. Die tatsächlich geforderten 699 Euro sind da eine erfreuliche Überraschung. Konstruktiv gesehen handelt es sich um einen halboffenen Over-Ear mit magnetostatischen Treibern mit 32 Ohm Impedanz und 96 dB Kennschalldruck.

Der Hörtest

Carsten Hicking ist ein erfahrener Mann in Sachen Kopfhörer. Und so war mir klar, dass er uns bei LowBeats keinen basslastigen Schönfärber oder anderweitig geschmäcklerischen Kandidaten vorsetzen würde. Als Maßstab diente mir, wie so oft in den letzten Jahren und in dieser Preisklasse, der Beyerdynamic T1 als Maßstab. Der Heilbronner Spitzenkopfhörer ist äußerst neutral, schnell, dynamisch und musikalisch – sofern er an einem richtig guten Kopfhörerverstärker hängt, der mit seinen 600 Ohm keine Mühe hat. Wie am superben Moon 430 HA der mir seit dem Test vor zwei Monaten als Referenz dient. Darüber hinaus habe ich den Aiva aber auch an günstigeren Amps getestet, wie dem Burson Conductor 3 (um 2.000 Euro, ebenfalls im Vertrieb von Higoto) und am oben schon erwähnten iFi Audio ZEN DAC, der mit gerade mal 150 Euro zu Buche schlägt.

Sendy Audio Aiva
Getestet wurde der Aiva u.a. am Burson Cunductor 3 (Test folgt) und am Moon 430 HA (im Hintergrund). Als Gegenspieler diente der beyerdynamic T 1 (Foto: F. Borowski)

Schon die allerersten Takte mit dem (bereits eingespielten) Testmuster sind eine kleine Überraschung. Tonal ist der Aiva dem Beyerdynamic T1 nämlich ungeheuer ähnlich. Man könnte fast meinen, der Entwickler hat sich bei der Abstimmung an genau diesem Kopfhörer orientiert. Das heißt in erster Linie: äußerst neutral, luftig, natürliche Klangfarben und ein kräftiger, sauberer, keineswegs überbetonter Bass.

Tatsächlich habe ich etliche Male die beiden Hörer hin und her wechseln müssen, um die eher kleinen Unterschiede herauszufinden. So gefällt mir der T1 in Bezug auf räumliche Abbildung und Dynamik bei feinen Details noch etwas besser. Der magnetostatische Sendy Audio ist dafür eine Spur wärmer und weniger anspruchsvoll, was die Aufnahmequalität angeht. Und vor allem ist er weniger zickig in Bezug auf die vorgeschaltete Elektronik. Der T 1 macht wirklich nur an exzellenten Amps richtig Spaß.

Sendy Audio Aiva Kopfhörerverstärker
Der kleine und preisgünstige iFi Audio ZEN DAC besitzt einen Pentaconn-Anschluss und passt auch klanglich sehr gut zum Aiva. Der etwa 2.000 Euro teure Burson C3 (im Bild unten) holt zwar noch einiges mehr aus dem Magnetostaten, ist preislich aber vielleicht etwas over-the-top und verlangt für den Aiva nach einem Adapter (Foto: F. Borowski)

Natürlich profitiert auch der Aiva von den Qualitäten eines Moon 430 HA. Und auch an dem noch auf der Testliste stehenden Burson kann der Chinese viel mehr musikalischen Zauber entfalten, als – beispielsweise – direkt am Kopfhörerausgang eines Smartphones. Das ist weniger zu empfehlen. Die gute Nachricht ist jedoch, dass dem Aiva schon der 150 Euro günstige ZEN DAC reicht, um Hörgenuss auf sehr hohem Niveau zu bieten. In der Kombination kostet dieses Gespann gerade mal rund 850 Euro. So viel Klang für unter 1.000 Euro gibt’s sonst selten!

Fazit

Der Sendy Audio Aiva ist als offener Kopfhörer primär für den Einsatz an einem Kopfhörerverstärker daheim gedacht. Dabei entpuppt er sich als absoluter Geheimtipp für Individualisten, die kein Vermögen ausgeben und dennoch einen komfortablen, hervorragend klingenden und wirklich eigenständigen Kopfhörer wünschen. Wer einen wirklich individuellen und „seltenen“ Kopfhörer für seine Sammlung sucht, kommt hier auf seine Kosten.

Der Aiva bietet eine wunderschöne Optik, ausgezeichneten Tragekomfort und kann klanglich mit den Besten seiner Preisklasse mithalten. Einen adäquaten Kopfhörerverstärker als Front-End vorausgesetzt. Zum Glück ist er in dieser Hinsicht nicht allzu anspruchsvoll. In einem für ihn passenden Preisrahmen bis etwa 500 Euro gibt es ja erfreulich viele gute Amps…

Sendy Audio Aiva
2020/01
Test-Ergebnis: 4,4
Sehr gut
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Ausgewogener, natürlicher Klang
Hochwertiger Gesamteindruck
Symmetrisch/unsymmetrisch betreibbar
Kein Adapter auf 6,35 mm Klinke mitgeliefert

Vertrieb:
Higoto GmbH
Isenbergstraße 20
45130 Essen
www.higoto.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Sendy Audio Aiva: 700 Euro

Mit- und Gegenspieler:

Test Moon 430 HAD: superber Kopfhörerverstärker mit DAC
Test Kopfhörerverstärker Burson Conductor 3 Reference

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Autor: Frank Borowski

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LowBeats Experte für Schreibtisch-HiFi und High End kennt sich auch mit den Finessen der hochwertigen Streaming-Übertragung bestens aus. Zudem ist der passionierte Highender immer neugierig im Zubehörbereich unterwegs.