High End aus Russland ist auf dem Weltmarkt selten. Doch auch im größten Land der Erde gibt es jede Menge findiger Köpfe, die mit viel Pioniergeist und Knowhow gegebene Klanggrenzen sprengen wollen. So wie die Entwickler der russischen Marke Kennerton, die das Prinzip der Magnetostaten erheblich verbessert haben wollen. Wir machten die Probe aufs Exempel haben das Top-Modell Kennerton Thror (tatsächlich mit dem “r” hinter dem Th) zum Gipfeltreffen eingeladen.
„Glasnost“ – Offenheit & Transparenz sind in Russland, respektive der ehemaligen Sowjetunion längst nicht mehr politischen Ambitionen vorbehalten. Nach der erfolgreichen Strategie des Ex-Staatssekretärs Michail Gorbatschow von einst schicken sich heutzutage zum Beispiel noble Kopfhörermodelle aus St. Petersburg an, ihre klanglichen Tugenden in diesem Sinne nach klangverwöhnten Ohren auszurichten – und das erst seit ein paar Jahren: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben? Kaum. Denn die Experten, die mit Fischer Audio Engineering verbandelt sind, setzen im Premiumbereich auf das highendige magnetostatische Arbeitsprinzip – so auch im neuen Spitzenmodell Kennerton Thror, Thronfolger des Odin.
Das Konzept des Kennerton Thror
Gefertigt wird der Kennerton Thror in der Nähe von St. Petersburg in einer Manufaktur, die – so stellt man sich das bei den Russen vor – auch für die Luftfahrtindustrie und das Militär arbeitet. Das macht den Kopfhörer zwar nicht friedlicher, gibt aber die Gewissheit, dass hier höchste Präzision Priorität hat. Und dass womöglich einige Mittel zu weitreichender Forschungsarbeit vorhanden sind…
Gute Gründe für ihre Vorgehensweise haben die Russen in ihren Augen, pardon: Ohren mehrere. „Wir sehen den perfekten Kopfhörer als Kreuzung der dynamischen und elektrostatischen Technologien in einem.“ So wollen sie den luftigen und detaillierten Klang eines Elektrostaten einerseits quasi mit der Dynamik eines herkömmlichen Wandlers kombinieren. Dabei bemerken die Ingenieure selbstbewusst, dass sich angeblich „die 35 Jahre alte planare Magnettechnologie mit der Zeit nicht weiterentwickelt hat.“ Deshalb starteten sie die Entwicklungsarbeit auf dem berühmten weißen Blatt Papier. Kernziel: „Interne Strukturresonanzen zu minimieren und Schallwellenmuster zu optimieren, um eine klare, verzerrungsarme Klangfrequenz zu erzeugen.“ Die Magnetfeldverteilung soll sich dabei über den gesamten Frequenzbereich vereinheitlichen. Dazu meldeten die St. Petersburger gleich mehrere Innovationen zum Patent an.
Für das neue Flaggschiff erdachten die Experten einen neuen 80-Millimeter-Treiber, der in Sachen Phasenkohärenz und „flache Impedanz“ punktet (sie liegt bei 42 Ohm, der Frequenzumfang umfasst 10 Hertz bis 55 kHz). Die nur 10 µm dünne Mehrschicht-Membran aus Polyamid besitzt eine sehr niedrige Masse, was neben Schnelligkeit auch Langlebigkeit garantieren soll. Das FEM-optimierte („Finite Elemente Methode“) Magnetsystem vereint zehn halbkreisförmige Neodym-Exemplare, die in symmetrischer Gegentakt(Push/Pull-)-Anordnung arbeiten, was zu dem erwähnten, gleichmäßigerem Magnetfeld führt.
Auf der Materialliste stehen noch weitere Schmankerln: Aluminium und Stahl aus der Luftfahrttechnologie, keinerlei Kunststoffteile – dafür Hörmuscheln aus wertigem Holz. Damit ihre Entwicklungsarbeit nicht zum Trial & Error-Ratespiel wird, setzt Kennerton auf Hightech. „Die Holzschalen werden von einem 3D-Modell auf dem Computer generiert, die Präzisionsmaschinen steuern. Die zeichnen sich durch extrem hohe Verarbeitungsqualität und geometrische Widerholgenauigkeit aus.“ Aha. Während eines typischen Produktionsablaufs, bei dem Trocken- und Beschichtungsverfahren mit antibakteriellen Substanzen zum Einsatz kommen, stehen nach dem Fräsen Schliff und Politur an – per Hand selbstverständlich. Danach wird das Holz mit speziellen Ölen beschichtet, später geht es in die Mikrowelle, dann wiederum kommt heißes Bienenwachs hinzu, bevor es in die Trockenkammer bei 74 Grad Celsius geht.
Das Stirnband kommt im Riemen-Design daher, was eine gleichmäßige Gewichtsverteilung des rund 480-Gramm-Hörers erlaubt – der Vorgänger Odin brachte es noch auf bullige 680 Gramm. Im ersten Praxischeck saß der Kennerton Thror in der Tat gut positioniert auf dem Kopf, recht schüttelfest und auch mit angenehmem Andruck; dennoch geht Thror nicht unbedingt als Leichtgewicht in die Geschichte ein. Haptisch und optisch beeindruckt die sehr gute Verarbeitungsqualität. Die Verstellschrauben und das weiche, aber etwas rustikal anmutende (Lamm-)Leder wirken nicht sonderlich filigran, aber sehr wertig. Die Hörmuscheln schmiegen sich schmuseweich an die Ohren – praktisch: Die zwei Meter langen Kabel lassen sich an den Muscheln links und rechts einfach einstecken. Väterchen Frust hat also keinerlei Chancen. Übrigens gibt es den Thror in mehreren Outfits als „Thror Bog Oak“ zu 3.080 Euro oder „Thror Stabilized” zu 3.537 Euro. Schnäppchen gibt’s auch auf der Homepage www.hoerzone.de.
Der Klang des Kennerton Thror
Zunächst wurde dem Kennerton Thror eine besondere Ehre zuteil: Nämlich die Bekanntschaft und Verkabelung mit dem phänomenalen Kopfhörerverstärker Niimbus US 4+. Das Team schwang sich zu ungeahnten Höhen auf – der Klang wirkte, als ob er gar nicht physisch mit Elektronik erzeugt würde, so schwerelos und souverän klang das Duo. Egal, ob mit klassischer, jazziger oder poppiger Musikkost. Die Performance geriet phantastisch audiophil.
Klar: Für einen Gesamtpreis von rund 8.000 Euro kann und darf man Atemberaubendes durchaus erwarten. Und genießen. Aber selbst wenn man auf dem Teppich bleibt, und nicht ganz so intensiv investieren will oder kann, offenbart der Kennerton Thror seine klangliche Exzellenz. Zum Beispiel mit dem günstigeren, hervorragenden Lehmann Linear SE. Dieser befeuerte den Kennerton Thror in eine ungemein homogene Spiellaune mit einem Klang wie aus einer Hand, in dem sich sämtliche Oktaven präzise und mit dezenter Wärme behaftet aufschwangen.
Sara K bestach auf ihrem famosen Album Hell Or High Water (siehe auch „Hintergrund – audiophile CDs im Vergleich). Fein aufgelöst, luftig, vor allem farbecht und körperhaft setzte sich die Singer-Songwriterin via SACD in Szene. Als Vergleich diente der Sennheiser HD 800 S, der noch etwas offener spielte, jedoch weniger warm und sonor klang. Das neue, live im Studio eingespielte Klasse-Album von Andrew Bird (My Finest Work Yet) drang knackig-frisch und druckvoll an die Ohren, besaß aber via HD 800 wiederum etwas mehr Raumgefühl. Das exzellent remasterte „White Album“ der Beatles beeindruckte via Kennerton etwas packender und homogen-audiophiler.
In puncto Klassik hatte der Kennerton Thror die Nase bei Solo-Intrumenten wie wieselflink gespielten Piano-Forte-Einlagen ganz leicht vorn. Komplexe Passagen wie auf dem Album Konzert Für Violine, Klavier und Streichorchester des deutschen Pianisten und Musikprofessors Matthias Kirschnereit (Felix Mendelssohn Bartholdy; Classic Production Osnabrück) fächerte der Sennheiser differenzierter auf, besaß jedoch nicht ganz die rassige Körperhaftigkeit des Russen.
Das Fazit
Kopfhörer in den Höhenregionen von rund 3.000 Euro gibt es mittlerweile einige, aber bislang nicht aus Russland. Aber das scheint sich nun zu ändern und der Kennerton Thror ist beileibe kein Exot – dafür ist sein Angebot aus perfekter Verarbeitung und wohligem Spitzenklang einfach zu gut. Der charaktervolle Thror reiht sich hier klanglich prima ein in die obere Liga der Konkurrenz von Sennheiser, Hifiman, Audeze & Co.
Bewertungen:
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Satter, sehr filigraner Klang |
| Guter Sitz, langzeittauuglich |
| exzellente Verarbeitung |
| mit 480 Gramm recht schwer |
Vertrieb:
Hörzone GmbH
Balanstraße 34
81669 München
www.hoerzone.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Kennerton Thror: 2.999 Euro
Mit- und Gegenspieler im Test:
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