Will man wirklich fast die komplette Anlage gegen ein All-In-One-Gerät austauschen? LowBeats Autor Andreas Günther hatte den Musical Fidelity Encore 225 über einige Wochen im Test und fand im Laufe dieser Zeit etliche Argumente dafür. Eine sachte Annährung an das Thema Streaming-Verstärker.
Wenn das Publikum sich in Euphorie steigert und mit dem Beifall gar nicht mehr aufhören will, dann ist der Künstler auf der Bühne am Zug. Er muss, will, sollte eine Zugabe geben. Im englischen Sprachraum ist dann von einem „Encore“ die Rede. Genau nach der gleichen Logik ist der Musical Fidelity M6 Encore 225 aufgebaut. Auch er kombiniert ein Pflichtprogramm – nämlich das Verstärken – mit einem Fundus an Zugaben.
Behauptung: Die Zugaben sind bei manchen Konzerten die Highlights des Abends. Genau so verhält es sich auch beim Encore 225. Er ist ein vollwertiger Streamer mit eingebauter Festplatte.
Genau an dieser Stelle des Textes schalten viele ab. „Festplatte“ und „Streamer“ klingen in der Kombination zu sehr nach Computer. Das mögen manche nicht. Vielmehr: Es gibt eine echte Phobie: Ein Computer hat in der Welt des High End nichts zu suchen.
Wenn es so einfach wäre. Wer sich mit dem Thema nicht beschäftigt, verpasst eine Welt der Musik. Mehr noch: eine Welt des besseren Klangs. Der Encore 225 will es der Zielgruppe besonders einfach machen. Er negiert alles, was nach Computer aussieht. Er funktioniert als Stand-alone-Komponente. Und dennoch ist er in seinem Herzen ein PC.
Das merkt man nicht zuletzt bei seiner Inbetriebnahme. Dafür muss er nämlich unbedingt ans heimische LAN. Unterbricht man in dieser Zeit den Kontakt, versteht der Musical Fidelity Encore 225 die Welt nicht und verweigert den Betrieb. Aber auch sonst braucht er die dauerhafte Einbindung ins LAN. Diese dauerhafte Verbindung ist zwanghaft und Teil des Konzepts; das wird so manchem PC-skeptischen Audiophilen sicherlich keine Freude bereiten.
Bei Sonos-ähnlichen und TV-Geräten haben wir uns an die Dauerverknüpfung vielleicht schon gewöhnt. Aber bei so einer ambitionierten High End-Maschine wie dem Encore 225? Ein Aufruf an alle, die sich schwer tun: Es lohnt sich.
Der Aufbau des M6 Encore 225
Hier waltet ein Dual-Core 64-Bit-Intel-Prozessor mit einem Arbeitsspeicher von 2 Gigabit RAM. Alle Musik wird auf einer Festplatte mit zwei Terabyte gespeichert. Das klingt natürlich stark nach Computerwerten – und dennoch erscheint der Musical Fidelity M6 Encore 225 weder als Prozessor noch direkt als Speichermedium – alles richtet sich an jenen Musikfreund, der mit Bits und Bytes nichts zu tun haben will.
Um den Encore 225 zu steuern, genügt faktisch das Display auf der Frontseite. Über die soliden Bedienelemente lässt sich jeder Wunsch erfüllen. Die Plastik-Fernbedienung ist fast überflüssig. Wer mehr will, lädt die passgenaue App für Android und iOS herunter. Hier wird das Bediendisplay faktisch in die Hand beziehungsweise auf das Smartphone oder das Tablet gelegt.
Auf einer zweiten Ebene muss sich König Kunde auch keine Gedanken um Formate und Abtastraten machen. Der Musical Fidelity M6 Encore 225 beherrscht alles. Der eingebaute Digital/Analogwandler macht alle bekannten Formate bis 32 Bit und 384 Kilohertz zu Musik. Das ist stolz und mehr als zeitgemäß. Wenn es hier einen Wunsch gäbe: einzig DSD-Signale sind tabu. Vielleicht wird Musical Fidelity hier nachrüsten.
Ganz wichtiges Thema: Das Software-Update. Jede Nacht um drei Uhr sucht der Musical Fidelity M6 Encore 225 nach neuer Software. Wie oben schon erwähnt, ist deshalb essentiell, dass der Player/Verstärker dauerhaft mit dem Internet verbunden ist. Es gilt: Fast noch wichtiger als das Stromkabel ist das Ethernetkabel, das den Musical Fidelity M6 Encore 225 mit frischen Informationen versorgt. Umkehrschluss: Es findet sich auch kein „harter“ Stromschalter an dieser Komponente; er muss beim Ausschalten heruntergefahren werden, wie jeder PC auch.
Wir leben beim Musical Fidelity M6 Encore 225 eindeutig in einer digitalen Welt. Weshalb es auch vier digitale, vier USB- und „nur“ drei analoge Anschlüsse gibt. Wer also beispielsweise seinen Plattenspieler zufüttern will, muss den Umweg über einen externen Vorverstärker mit RIAA-Entzerrung wie dem Musical Fidelity V90 LPS gehen, ein Phonomodul ist im Musical Fidelity M6 Encore 225 nicht vorgesehen. Kein Haken. Zumal für dieses Einsatzgebiet Musical Fidelity gleich mehrere passgenaue Phono-Stufen im Portfolio hütet.
Spannend sind eher die Zugaben der Zugaben. Beispielsweise ein wirklich superber Kopfhöreranschluss auf der Front. So macht Kopfhören nicht nur Spaß, sondern beglückt auch durch höchste Analyse.
Wie kommt die Musik ins Spiel? Hier bietet der Musical Fidelity M6 Encore 225 gleich mehrere Optionen, die einfachste: eine CD einlegen und den Player starten.
Was allerdings nur das halbe Glück ist. Denn im Inneren des Encore 225 rotiert ja eine 2 Terabyte große Festplatte. Die Platz bietet für bis zu 5000 CDs. Das Ripping macht Musical Fidelity dem Kunden besonders einfach – ohne jegliche Computerkenntnisse. Nach ein paar Minuten startet der Vorgang automatisch. Je nach Länge der CD liegt dann in zehn bis zwanzig Minuten eine passgenaue FLAC-Datei auf der Festplatte vor.
Das nötige Cover zieht der Encore 225 ebenso automatisch aus einer Internet-Datenbank. Die entsprechenden Tracks lassen sich einfach auffinden und abspielen. Hier hat Musical Fidelity eine superbe Steuersoftware entwickelt.
Oder man lauscht dem Internet-Radio. Eine spannende Option. Denn hier warten tausende Sender auf die Nutzer vor den Lautsprechern. Wer es persönlicher haben will, kann auch sein hausinternes NAS einbinden und von der externen Festplatte streamen. Gleiches funktioniert auch über die USB-Ports. Umfassender und bedienfreundlicher als am Musical Fidelity M6 Encore 225 kann Musik nicht verwaltet werden. Bravo an dieser Stelle.
Wie bringt der Encore 225 die Musik an die Lautsprecher? Sehr ambitioniert. Das „225“ im Namen ist eine Andeutung auf die Watt-Ausbeute – es sind genau 225 Watt pro Kanal an acht Ohm. Das ist wuchtig. Der Lautsprecher, den dieser Amp nicht anzutreiben wüsste, müsste erst erfunden werden.
Auch die Art und Weise erfreut. Die Endstufen folgen nämlich einem doppelten Monoaufbau, man könnte den Encore 225 in der Mitte durchschneiden, so schön symmetrisch ist die Architektur. Selbst das Netzteil wurde mit galvanisch getrennten Wicklungen für die beiden Kanäle aufgebaut.
Überhaupt ist die Verarbeitung des Encore bestens: halt auf Musical-Fidelity Niveau. Der Bolide mit den Abmessungen von 44 x 12,5 x 40 cm (B x H x T) lässt nur wenige Spaltmaße erkennen und bringt satte 16,6 Kilo auf die Waage.
Hörtest Musical Fidelity Encore 225: Großes Klangkino
Die Kraft spürten wir sofort beim ersten Testlauf. Da lag Druck und Drive an den Membranen. Als Testmusik haben wir das neue Master von Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band ausgesucht. Das ist Prachtmusik, nun völlig staubfrei und klangstark, als wäre es gestern aufgenommen worden. Tatsächlich ist es fünfzig Jahre her. Im Frühjahr 1967 hatten die Beatles sich in den Abbey Road Studios versammelt. Am Mischpult wurde jedoch nur in Mono abgehört, der Stereo-Mix entstand eher als Nebenprodukt auf die Schnelle. Nun hat jemand frisch und richtig hingehört – Giles Martin durfte auf die Originalbänder zugreifen, der Sohn des legendären Beatles-Produzenten George Martin. Herausgekommen ist ein kleines Wunderwerk. Klang Sgt. Pepper’s bislang nett aber unambitioniert, so ist nun eine wirklich audiophile Version auf dem Markt. Und es geht mächtig zur Sache. Beispielsweise in „Being for the Benefit of Mr. Kite!“ Das schmetterte am Musical Fidelity M6 Encore 225 regelrecht aus den Lautsprechern. Wunderbar, welchen Druck der Amp entfalten konnte. Das war genau die laute Kirmesstimmung, die sich John Lennon gewünscht hatte. Oder in „Lucy in the Sky with Diamonds“ – wie stattlich der Encore 225 den Bassfiguren von Paul McCartney folgte. Das war ganz großes Klangkino. Schließlich „Within you, without you“ von George Harrison. Hier blitzten die Sitarklänge mit wunderbarer Kraft auf. Ohne Frage: der Musical Fidelity M6 Encore 225 hatte Schub ohne Grenzen. Zum Vergleich haben wir einen etwas kleineren Vollverstärker aus gleichem Haus hinzu gesellt – den Musical Fidelity M5si. Der genau die gleiche Vorliebe für Kraft und Saft an den Tag legte, jedoch in der Abbildung unter dem Musical Fidelity M6 Encore 225 blieb. Ohne Frage, der M6 war der druckvollere und plastischere Amp in diesem Familienvergleich.
Dann etwas ganz schwieriges: Aura. Genau davon gibt es satt im letzten Live-Album von Leonard Cohen – Songs from the Road. Der Encore 225 hatte genau das richtige Gespür für den Raum, die Zwischenrufe aus dem Publikum und den aufbrandenden Applaus. Das war ein dreidimensionales Klangbild, zum Hineingreifen schön. Dazu zeigte der Encore 225, das er auch Samt-Töne kann. Beispielhaft in der Stimmfarbe von Leonard Cohen. Andere Amps verfallen hier gern in Härte und unterschlagen die feinen Subtöne. Der Musical Fidelity M6 Encore 225 agierte fast so samtig-sensibel wie eine gute Röhrenendstufe.
Wie hält es der Musical Fidelity M6 Encore 225 mit großformatiger Orchestermusik? Wir haben eine Prachtaufnahme der Decca eingelegt: Die gesammelten Symphonien von Jean Sibelius, dirigiert von Lorin Maazel. Die Aufnahme hat schon einige Jahre auf dem Buckel, klingt aber dank dem neuen Remastering großartig. Die Wiener Philharmoniker spielen wie die Götter. Die Herausforderung für einen Amp besteht darin, die feinen dynamischen Momente auszulesen. Hier werden ganze finnische Landschaften mit dem feinen Pinselstrich entworfen. Ein Amp, der nur Grobdynamik beherrscht, ist fehl am Platz. Genau in diesem Punkt brillierte der Musical Fidelity M6 Encore 225, er lag voll auf Kurs mit Sibelius. Da war eine herrschaftliche Griffigkeit in den Streichern, dazu das sanfte Tasten der Holzbläser und die großen Energiebögen der Blechbläser. Schlichtweg großartig.
Auch der Vergleich mit dem ebenfalls kürzlich getesteten Auralic Polaris änderte diesen Eindruck nicht. Der Polaris spielt zwar um einige Nuancen feiner, aber die schöneren Klangfarben – gerade bei Streichern und Stimmen – und den deutlich habhafteren Schub konnte der Encore auf der Habenseite verbuchen.
Fazit
Ein Machtwort pro-Streaming. Gibt es Schwächen? Wir haben gesucht, geforscht, getestet – und nur wenige gefunden. Der Musical Fidelity M6 Encore 225 ist einer der vollständigsten und potentesten Klanglieferanten, die wir kennen. Vor allem gefällt das Bedienkonzept. Ohne den geringsten Hauch von Computerkenntnissen kann man hier seine CD-Sammlung auf Festplatte transferieren und zum Streaming freigeben. Dazu gefällt die klangliche Ausrichtung: Der Musical Fidelity M6 Encore 225 hat stattliche Kraft und treibt auch kritische Lautsprecher an. Doch die Kraft wird nie Selbstzweck, er beherrscht den großen Druck ebenso wie die feinen Schattierungen. Beides gelingt ihm ohne hörbare Anstrengung – Souveränität auf ihrem Maximum.
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Natürlicher, musikalischer Klang |
| Exzellente Verarbeitung |
| Sehr hohe Leistungsreserven |
| Stringentes Bedienkomzept |
Vertrieb:
Reichmann AudioSysteme
Graneggstraße 4
78078 Niedereschach
www.reichmann-audiosysteme.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Musical Fidelity M6 Encore 225: 5.300 Euro
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