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Musical Fidelity M6 Vinyl – Ausgang
Die Musical Fidelity M6 Vinyl ist eine bestens ausgestattete und wunderbar neutral klingende Phonostufe für 1.500 Euro (Foto: H. Biermann)

Test Phono-Preamp Musical Fidelity M6 Vinyl

Das hatte Musical Fidelity noch gefehlt. Ein Phonovorverstärker auf 6er Niveau. Und da ist er nun: der jüngste Spross der M6-Familie, der auf den logisch-simplen Namen Musical Fidelity M6 Vinyl hört. Es ist eine Phonostufe für MM und MC und in ihrer Klasse – so viel sei vorab verraten – einzigartig vielseitig.

Schon das Auspacken bereitet Freude. Da zeigte sich in der zweiten Schicht des Pappkartons ein massives Bauteil im 44-Zentimeter-Format. Nicht die üblichen, kleinen Zigarrenschachteln, die sich um die Vinyl-Verstärkung kümmern dürfen. Musical Fidelity liebt die volle Breitseite wie beim Vollverstärker M6si oder wie beim CD-Player M6scd. Etwas irritierend ist nur, dass die Gehäuse unterschiedlich aufgebaut sind. Beim Vollverstärker und beim CD-Player wird das sehr feste Gehäuse von einer ebenso festen Deckelplatte abgeschlossen. Beim Musical Fidelity M6 Vinyl ist es – wie auch beim M6sdac – ein zum kurzen „U“ gebogenes Blech.

Musical Fidelity M6 Vinyl – Totale
Unauffällige Vielfalt: der M6 Vinyl ist eine der am umfassendsten ausgestatteten Phonostufen unter 2.000 Euro. Es gibt sie in Schwarz und in Silber (Foto: MF)

Die Front verrät viel über das Potential des Musical Fidelity M6 Vinyl. Hier werden die unterschiedlichen Optionen für die Feinverstärkung des Tonabnehmers per Lichtzeichen (LED) angekündigt. Jeweils sechs Abschlusskapazitäten bedient der M6 Vinyl bei MM-Tonabnehmern: 50, 100, 200, 300, 350 und 400 pF. Bei MC-Tonabnehmern hat König Kunde die Wahl zwischen sechs Abschlusswiderständen: 25, 50, 100, 400, 800 und 1200 Ohm. Da findet sich auf dem Weltmarkt wohl kein Tonabnehmer, der nicht stimmig eingebunden werden kann.

Musical Fidelity M6 Vinyl – Front
Alles ganz analog: Der Eingang und die Anpassung werden einfach per Knopfdruck eingestellt (Foto: H. Biermann)

Nicht einmal, wenn er sehr leise ist: Eine kleine Taste auf der Front verspricht „+6dB“. Klar: Hier legt die Ausgangsleistung zu, was eine perfekte Anpassung auch an die nachfolgende Elektronik bedeutet. Und dann hat der geneigte Musikfreund auch noch die Wahl zwischen der klassischen RIAA- oder der seltener verwendeten IEC-Entzerrung. Was besser ist? Je nach Aufnahme. Einfach ausprobieren. Zum vollkommenen Glück würde ich mir an dieser Stelle noch eine Fernbedienung wünschen. Die ist bei Phonostufen eine Rarität, stimmt schon. Aber wenn es so viel zu bedienen und vergleichen gibt, wäre es doch noch schöner, das vom Hörplatz aus zu tun…

Musical Fidelity M6 Vinyl – Eingang
Drei satt vergoldete Eingänge hat der M6 Vinyl. Da kann man herrlich experimentieren (Foto: H. Biermann)

Denn es stehen nicht weniger als drei Eingänge bereit. Man kann also mehrere Plattenspieler oder Plattenspieler mit mehreren Tonarmen ganz komod anschließen und – das ist perfekt für uns – miteinander vergleichen. Hinaus geht es doppelt – per Cinch oder per XLR. Meine Güte: so ein Ausstattungswunder müsste deutlich teurer sein, oder?

Der Blick unter die Haube lässt den Betrachter wieder etwas nüchterner werden. Ein überschaubar großer Trafo versorgt das Ganze mit Energie und die notwendigen Bauteile – dank SMD-Technik eng zusammengefasst – verlieren sich in dem eigentlich viel zu großen Gehäuse. Dennoch ist der M6 Vinyl fast komplett symmetrisch aufgebaut.

Musical Fidelity M6 Vinyl – innen
Sehr übersichtlich: Dank SMD-Technik konnte die Vielzahl von Baugruppen kompakt zusammengefasst werden (Foto: H. Biermann)

Und Qualität hängt ja heute nicht mehr von Größe ab. Was also kann der Musical Fidelity M6 Vinyl? Zur Beantwortung dieser Frage zogen wir eine echte Instanz hinzu: den LP12 von Linn, fraglos eines der besten Laufwerke aller Zeiten. Dieser Plattenspieler ist ein Ausbund an Musikalität – falls eben auch die Phonostufe diese Informationen wandeln kann. Als Konkurrenz gesellten wir verschiedene, bewährte Phono-Vorstufen dazu – die 8000 PPA von Audiolab und die Exposure 3010 S2D.

Musical Fidelity M6 Vinyl im Hörtest

Die Planeten von Holst (Cover: Amazon)
Die Planeten von Holst (Cover: Amazon)

Hoch gehandelte Prominenz also. Doch der M6 Vinyl hielt mit. Auch bei den ganz großen Brocken der Testmusik. Wer Glück hat, ergattert die Decca-Pressung der Planeten von Gustav Holst. Zubin Mehta dirigiert das Los Angeles Philharmonic Orchestra. Das ist Prachtmusik für jede Kette. Anfang der 80er Jahre ist die Aufnahme in einer deutschen Budget-Pressung erschienen, die nicht weniger gut klingt, aber nur kleinstes Geld kostet. Auf einem Flohmarkt fiel sie mir kürzlich für 50 Cent zu. Fast unsittlich. Das spricht dem Wert des audiophilen Erlebnisses schon Hohn. Denn hier gibt es alles zu bestaunen: das dynamische Spektrum ist extrem, das Orchester vollbringt Fabelhaftes.

Wenn denn eben der Plattenspieler die Dynamik entfalten kann. Der LP12 von Linn ist hier ein echtes Schlachtross – ich kenne keinen besseren, riemenangetrieben Plattenspieler, der so viel Finesse auslesen kann. Ein Felsmassiv von einem Plattenspieler, ein Fixstern. Der aber eben ohne die passende Phonovorstufe recht verloren dasteht.

Hier kommt der Musical Fidelity M6 Vinyl ins Spiel. Er zeigte die feinsten Schattierungen. Das war ohne Frage eine sehr gute Vorstellung. Im direkten Vergleich zur Phonostufe von Audiolab fiel auf, dass diese mehr auf die smarten, sanften Töne und den kräftigeren Klangfarben setzte. Wer also nur auf der Suche nach dem weichen, samtigen Vinylklang ist, wird mit der 8000 PPA besser bedient.

Die Exposure 3010 S2D dagegen ist eine Ausgeburt an Dynamik, die, so scheint es, bei Blechbläsern einfach noch mehr Schmiss hat und den Hörer sofort in die Musik zieht. Eine Erlebnis-Vorstufe, der nur manchmal noch etwas Feinsinn fehlt.

Das kann man der Musical Fidelity nun wahrlich nicht vorwerfen. Die M6 Vinyl wirkte irgendwie höher auflösend. Da blitzen Impulse noch etwas heller auf, da stimmte vor allem die räumliche Abbildung. Das war ungemein genau und bei aller Analyse nie hart oder gar anämisch. Diese Phono-Stufe beherrschte das Feine wie den großen Dynamikschub.

Christian_Kjellvander_The_Pitcher
Christian Kjellvander The Pitcher (Cover: Amazon)

Da wollten wir nochmals tiefer hineinhorchen. Diesmal mit einer Edelpressung aus den Stockfisch-Tonstudios. In Süd-Niedersachsen betreibt Günter Pauler ein kleines, aber ultra-feines Aufnahme-Studio. Die besten Singer Songwriter kehren hier ein. So auch Christian Kjellvander, der sich während seiner Europa-Tournee zu einem Live-Mitschnitt überreden ließ. Die CD klingt gut, die LP überragend. Wieder einmal wird einem bewusst, welche Informationen eine LP mehr vermitteln kann als der banale PCM-Code.

Der Song „The Valley“ hat das Zeug zu einem veritablen Hit. Der LP12 legte die Basis, die Phonostufe von Musical Fidelity bereitete das größte Vergnügen. Da sprangen einen die angerissenen Saiten der Gitarre an, da stand die Stimme von Christian Kjellvander mit seinem Bariton wunderbar vor den Lautsprechern. Dieser Mix aus Körperlichkeit und eleganter Ruhe ist durch nichts zu kopieren. Das schafft nur ein guter Plattenspieler in Kombination mit der perfekten Phonostufe. Ganz großes Lob an die schottischen Strategen von Linn und vielleicht sogar das größere Lob an Anthony Michaelson von Musical Fidelity. Gut, dass es beide auf der britischen Insel gibt.

Fazit Musical Fidelity M6 Vinyl:

Allein auf den Klang bezogen, kennt diese Preisklasse sicherlich drei, vier Modelle, die noch etwas mehr Klangfarben oder Dynamik bieten. Der M6 Vinyl dagegen versucht sich als absoluter Universalist – und es gelingt. Hier herrscht kein nebulös-schöner Vinyl-Kult, der in irgendeine Klangrichtung schielt, sondern wieder einmal, Musical-Fidelity-typisch, der Wille zur musikalischen Analyse.

Vor allem aber die Ausstattung ist prächtig: Jeder Tonabnehmer (und es können bis zu drei (!) an der Zahl angeschlossen werden) kann maximal sinnig und passgenau ausgelesen werden. Zudem überrascht der Preis – hier gibt es eine große Vinyl-Spielwiese für gar nicht so viel Geld.

Musical Fidelity M6 Vinyl
2018/08
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Natürlich-ausgewogener, transparenter Klang
Drei Eingänge; Ausgänge mit Cinch und XLR
Umfassende Tonabnehmer-Anpassung möglich
Unterschiedliche Entzerrungskurven

Vertrieb:
Reichmann AudioSysteme
Graneggstraße 4
78078 Niedereschach
www.reichmann-audiosysteme.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Musical Fidelity M6 Vinyl: 1.500 Euro

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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.