Wir hatten ja schon mehrere Mach One Modelle von Spatial Europe im Test und waren von den offenen Schallwänden durchweg begeistert. Doch im Herbst meldete sich Mach-One-Chef Robert Andorf völlig euphorisch bei uns. Ihm sei nach Monaten des Forschens ein epochaler Durchbruch gelungen. Wir waren also noch einmal gespannter und orderten das erste Modell, bei dem er seine neuen Erkenntnisse in die Tat umsetzte, umgehend zum Test. Seitdem spielt die Spatial Europe MCS No. 2 im LowBeats Hörraum. Und nicht nur wir sind wirklich baff, wie viel Auflösung der Ingolstädter mittlerweile aus den professionellen Beschallungs-Treibern seiner MCS No. 2 zaubert…
Der Aufbau der Spatial Europe No. 2
An der klassischen Konstruktion seiner MCS-Modelle hat Andorf auch bei der neuen No. 2 nichts geändert. Eine Schallwand, die ja das einzige „Gehäuse“ darstellt, besteht aus mehreren Platten verschiedener Stärke, die sich auf insgesamt 7,6 Zentimeter Dicke addieren. Das ist schon eine Menge Material. Doch zwei so stattliche Tieftöner wie die beiden eingebauten 12-Zöller geben natürlich eine Menge Vibrations-Energie in die Schallwand. Die hält Andorf durch schiere Masse, aber auch durch eine eingelassene Stahlplatte im Zaum. Ebenfalls Ruhe-stiftend wirken die Nylon-Muffen, in denen die Treiber verankert sind und die bei aller Festigkeit auch eine gewisse Entkopplung bewirken.
Die Verarbeitung der MCS-Modelle war schon immer gut und Andorf achtet auf eine größtmögliche Nachhaltigkeit durch Gehäuse-Zulieferer aus der direkten Umgebung von Ingolstadt. Das ermöglicht kurze Wege und eine große Auswahl echt hübscher Furniere. Das Testmuster in Olive sah jedenfalls super lecker aus…
Erfreulich an der MCS No. 2 ist ihr noch dezentes Erscheinungsbild: Mit einer Breit von 40 Zentimetern bei einer Höhe von gut einem Meter übertrifft sie klassische HiFi-Lautsprecher nur ein wenig. Für einen Open-Baffle-Speaker ist das keine sehr große Fläche – man denke nur an die kürzlich getestete Thorens HP 600: die ist um den Faktor 1,5 größer.
Bestückt ist die MCS No. 2 mit – ich hatte es schon erwähnt – mit zwei stattlichen 30 Zentimeter Hochleistungs-Tieftönern sowie einem neuen 8 Zoll (20 cm) Koaxialsystems, in dessen Mitte ein Kugelwellenhorn für eine hocheffiziente Wiedergabe mit sehr breiter Abstrahlung (Öffnungswinkel: 180 Grad) sorgt. Der Koax kommt vom spanischen Spezialisten Beyma und gilt als ausgesprochen belastbar. Andorf lässt ihn daher bis runter auf 100 Hertz laufen – der gesamte, für die Wiedergabe wichtige Stimmbereich (und alle dazugehörigen Obertöne) kommen also aus einer Punktschallquelle. Das dürfte für die Abbildung kein Nachteil sein. Zumal Andorf seine Dipol-Konstruktion auch im Hochton nach vorn und nach hinten abstrahlen lässt.
Die Frequenzweiche…
…bekommt hier einen eigenen Unterpunkt, weil sie tatsächlich außergewöhnlich ist. Vor einige Jahren traf Andorf den ehemaligen Chefentwickler von Klein + Hummel – immerhin einer der ganz großen Namen im professionellen Audio. Dieser Mann erzählte von der Überlegenheit der seriellen Weiche. Andorf war sofort Feuer und Flamme und begann zu forschen. Bei seriellen Filtern liegen die Treiber – in diesem Fall die beiden Tieftöner, der Mittel- und der Hochtöner – in Serie und die meisten Filter-Bauteile parallel dazu. Bei klassischen Frequenzweichen liegen die Treiber parallel und die Bauteile in Serie – man ahnt den Unterschied. Andorf: „Ich habe alles ausprobiert. Mit unserem Serienfilter spielen die Boxen in einer ganz anderen Liga.“
Aber es gibt einen Pferdefuß zu der Sache: nämlich wenig Theorie und so gut wie keine Berechnungsprogramme. Also wählte Andorf, der sich dabei vom HiFi-Handlungsreisenden Tim Hoffmann unterstützen ließ, den rustikalen Weg und probierte alles durch – eine extrem zweitaufwändige Sache. Nicht selten, wenn ich anrief, wimmelte er mich ab, weil er gerade mal wieder in einer seiner stundenlangen Hörsessions saß…
Aber man kam wohl weiter: Für die neue Generation seiner Open-Baffle-Schallwandler entdeckte Andorf quasi die Kunst des Weglassens. Am Ende blieben nur sieben Filter-Bauteile (die größeren Kondensator-Werte durch mehrere, kleine Kondensatoren zusammengesetzt) übrig. Eine besonders glückliche Fügung ergab, dass der Hochtöner ohne Widerstand im Signalweg auskommt. Das ist für den Impuls natürlich optimal.
Praxis
Traditionell haben die Modelle des Robert Andorf einen hohen Wirkungsgrad. Da macht auch die MCS No. 2 keine Ausnahme: 93 dB (2,83 Volt W/m) ermittelte Messlaborleiter Jürgen Schröder. Das ist so hoch, dass tatsächlich auch kleine Röhrenverstärker schon ordentlich Pegel erzeugen.
Andorf selbst propagiert ja die Idee mit den kleinen Röhren und empfiehlt explizit die Modelle von Audion. Audion Chef Graeme Holland stimmt auf Wunsch deren Ausgangsübertrager auf das jeweilige Spatial Europe Modell ab – siehe LowBeats Bericht.
Die Kombination mit den Röhren ist eine feine Idee, die No. 2 harmoniert aber auch mit exzellenter Transistor-Elektronik ganz hervorragend. Zum Beispiel mit meinem Transistor-Liebling Soul Note A2 klang es wunderbar offen – und bei Bedarf auch sehr laut. Und weil es großen Spaß macht, mit der neuen No. 2 auch sehr laut zu hören, lautet meine Empfehlung: Es dürfen gern gute 100 Watt pro Kanal (oder mehr) sein…
Bei einem Dipol-Lautsprecher muss zwingend über die Aufstellung gesprochen werden. Denn diese Lautsprecher einfach an die Rückwand zu stellen, ist keine gute Idee. Dipole sind sogenannte Schnellewandler; sie erzeugen den meisten Bass dort, wo die Schallschnelle am höchsten ist – in der Regel in der Raummitte. Das ist selbst für Extrem-Audiophile meist ein Problem.
Robert Andorf empfiehlt einen Abstand von der Vorderkante des Lautsprechers zur Rückwand von mindestens 65 Zentimetern und einen Mindest-Hörabstand ab 2,5 Meter. Nun haben wir im LowBeats Hörraum (70 Quadratmeter) natürlich optimale Möglichkeiten und können so einen Lautsprecher bis zur Perfektion ausreizen. Wie auch das Bild erkennen lässt, haben wir den Abstand zur Rückwand mit fast 2 Metern deutlich größer gewählt. Dann war der Bass annährend perfekt. Auch sollte die Rückwand nicht zu stark bedämpft sein, denn die rückseitig abgestrahlte Energie ist in der Abstimmung berücksichtigt. Wird hier alles weggedämmt, klingt die No.2 ziemlich matt…
Und noch ein Tipp: Die MCS No. 2 hat wegen des kräftigen Anstiegs ab 10.000 Hz obenrum reichlich Pfeffer. Wir haben die Schallwände so stark eingewinkelt, dass der Treffpunkt der Achsen etwa ein Meter vor dem Hörplatz lag – und damit waren alle Lästigkeiten verschwunden.
Klang
Ich selbst habe schon viele der Mach One Modelle gehört und bin ein großer Freund des Prinzips der offenen Schallwand. Aber derart präzise, transparent und dynamisch habe ich noch keines der Modelle aus dem Hause Robert Andorf gehört – aber schon etliche, die deutlich teurer waren. Mit seinen letzten Schritten bei der Frequenzweichenabstimmung scheint der Ingolstädter tatsächlich einen großen Schritt gemacht zu haben. Vielleicht aber passt auch nur der neuen Koax mit Kugelwellenhorn so gut zu den beiden 12-Zoll-Bässen. Oder es kommt alles zusammen und die lange, mühselige Arbeit des Firmenchefs mündet endlich in einem Produkt, bei dem nur wenige Fragen offenbleiben…
Klanglich jedenfalls ist die MCS No. 2 ein Erlebnis. Aber womöglich anders, als viele erwarten. Einige der letzten Mach One Modelle versuchten sich mit mehr Schub von unten und mehr sattem Tiefbass – was nicht selten zu einem etwas wolkigen und undefinierten Tiefton führte. Doch die neue No. 2 zieht voll durch. Und zwar nicht mit einem Boh-ey-PHAT-Bass, sondern einem harmonisch perfekt eingebundenen, extrem präzisen und wunderbar federnden Tiefton, der zwar nicht absurd tief reicht, der aber alle Schattierungen im Bass hörbar macht. Die knalligen Bässe des neuen Peter-Gabriel-Werks “I/O” waren genau die Spielwiese der No. 2: Wie viel Information dieser Schallwandler aus den Basslinien holte – grandios!
Tendenziell ist die No. 2 etwas hell abgestimmt – siehe auch Praxis. Mit der entsprechenden Einwinkelung ist das aber kein Problem und es bleibt diese herrliche Auflösung, die beispielsweise den Tolyqyn-Chor beim Stück „Goldmine“ (Album „Silver Seed“) auch in der Tiefe wunderbar fein auffächert. OK: So eine offene Wiedergabe schaffen viele andere, sehr gute Lautsprecher ebenfalls.
Aber nicht mit dieser mühelosen Dynamik. Was der Koax hier mal eben auch an Feindynamik aus dem Ärmel – beziehungsweise aus dem Horn – schüttelt, ist großartig. Womöglich fällt es nur dem geübten Hörer sofort auf. Aber es ist ein seltenes Von-Null-auf-Hundert-Erlebnis, von dem klassische HiFi-Lautsprecher nur träumen können: Man versteht jeden Ton, jede Silbe, jeden noch so feinen Oberton, und es klingt – weil ohne erkennbare Dynamikbremse – absolut authentisch.
Herausragend gut gefiel mir auch die Abbildung. Hier bemühe ich gern die Tribute-Veröffentlichung eines Konzerts von Gil Scott-Heron aus dem Jahr 1983 aus Bremen. Die Aufnahme („Legend Of His Own Mind“) geriet so plastisch, das Publikum ist harmonisch mit eingebunden. Was die MCS No. 2 mit dieser Aufnahme zauberte, war atemberaubend: Weil sie nicht nur den Sänger enorm plastisch auf die imaginäre Bühne setzte, sondern der Aufnahme auch eine glaubhafte Tiefe gab. Gerade der Part, in dem er mit dem Publikum singt („Three Miles Down“) wurde dadurch zum Gänsehaut-Erlebnis. So mitreißend jedenfalls hatte ich dieses Konzert bislang nur selten gehört.
Fazit Spatial Europe MCS No. 2
Mit der MCS No. 2 öffnet Spatial Europe eine neue Tür. Obwohl noch vergleichsweise klein geraten, offenbart die neuen Spatial Europe die ganze Dynamik einer Aufnahme und zieht den Zuhörer ohne Umschweife mittenrein ins musikalische Geschehen. Es ist ein intensiver Erlebnis-Schallwandler und fraglos eine Zierde des Dipol-Prinzips. Gemessen daran, ist der Preis durchaus fair zu nennen.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Extrem detailreicher, räumlicher Klang mit wunderbar straffem Bass |
| Gute Verarbeitung, viele Oberflächen, geniale Optik |
| Hoher Wirkungsgrad, erstaunlich hoher Maximalpegel |
| Braucht mehr Platz als klassische HiFi-Boxen, starke Bündelung |
Vertrieb:
Mach One Classics
Brunnhausgasse 2
85049 Ingolstadt
www.machone-classics.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Spatial Europe MC Series No. 2: 7.800 Euro
Technische Daten
Spatial Europe MC Series No. 2 Mk II | |
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Konzept: | 3-Wege Dipol-Box mit Koax |
Bestückung: | TT: 2 x 30 cm Bass, MHT: 1 x 20 cm Koax mit Kugelwellenhorn |
Wirkungsgrad: | 93 dB (2,83 Volt / Meter) |
Maximalpegel (Dauer / kurzfristig): | 106 / 118 dB |
Mindest-Leistung für Max.-Pegel (Dauer): | >70 Watt |
Impedanz-Minimum: | 4,0 Ohm (@64 Hertz) |
Abmessungen (H x B x T): | 105,0 x 40,0 x 7,6 (Schallwand) cm |
Gewicht: | 27,0 Kilogramm |
Alle technischen Daten |
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