Wir sind angefixt von Vertere. Kollege Bernhard Rietschel jubelte über den Plattenspieler Dynamic Groove und das tolle MM-System Vertere Sabre. Ich habe preislich tiefer gegrast, war aber nicht minder von der Plattentellerauflage techno mat fasziniert. Der Name der Company weckt Assoziation in den französischen Sprachraum. Stimmt aber nicht. Man residiert im Westen von London, knapp vor Wembley. Das Mastermind ist Touraj Moghaddam. Ein Mann mit Zopf und Geschichte. Unter anderem hat er die Kult-Vinyl-Firma Roksan gegründet. Und auch sein Vertere Phono 1 MKII ist ein Hammer: Mit seinem Einstandskurs von 1328 Euro pustet er die Mittelklasse der Phonoamps im Sturm hinweg. Leider auch meinen bisherigen Liebling…
Die Besonderheiten des Vertere Phono 1 MKII
Wie ticken die Briten? Höchst eigenwillig. Die Plattenspieler sind flache Flundern mit Acryl-Schichten, aber man bietet das Komplettpaket auf, eben über Tonabnehmer sogar bis zu eigenen Tonarmkabeln. Natürlich gibt es auch Phonoverstärker, genauer gesagt nur einen, den Phono 1, mittlerweile in der MKII-Version. Eine schmucke, kleine Kiste hinter massiver Aluminium-Front. Da gibt es nur einen Schalter in der Mitte der Front – ein oder aus, basta. Alles Weitere wird über die Rückseite erledigt.

Natürlich kann der Phono 1 MM ebenso wie MC. Man muss ihn nicht aufschrauben, um an das Mäuseklavier für die Feineinstellung zu kommen. Aber ihn umdrehen – alle Details liegen auf der Unterseite. In zwölf Schritten wird beispielsweise der Gain angepasst. Alles fein säuberlich neben den Schaltern markiert. Wer den Job zu kompliziert findet, sollte dem Händler seinen hauseigenen Tonabnehmer benennen – und der Fachmann übernimmt dann die Service-Arbeit.
Die Rückseite ist erstaunlich unaufgeregt – per Cinch geht es einmal hinein und einmal verstärkt hinaus. Links davon die Erdung. Rechts davon aber ein Schalter und ein zweiter Schraubknauf. Seltsam. Vertere nennt es Phono Ground Switch. Drei Optionen stehen an: Hard Ground, No Ground, Soft Ground. Im Lieferzustand erreicht der Amp den Kunden in der Soft-Gound-Option. Um was geht es hier?

Die Erdung des Phono1 wird auf praktische Werte getunt. Wenn es brummt, ist es böse. In der ersten Einstellung wird das komplette Gehäuse geerdet, Punkt zwei koppelt alles ab, Nummer drei schließt nur die innere Platine an.
Wir werfen einen Blick unter die Haube: Ah, das ist schlau – das Gehäuse ist in zwei Arbeitsbereiche unterteilt. Links liegt die komplette Stromaufbereitung. Im kurzen Weg geht es zu einer Leistungsplatine mit einem verkapselten Trafo. Dann wird die Mauer aus Stahl durchbrochen und der Stromfluss auf der rechten Seite einem Parcours aus Transistoren und Widerständen übergeben. Dann die eigentliche Phono-Platine, voll verkapselt und direkt mit den kürzesten Wegen an Ein- und Ausgang gelegen: „very straight“.

Hörtest
Klingt es auch so? Vielleicht sogar unerbittlich-direkt? Nö, genau das Gegenteil. Der Brite würde wohl eher von „smooth“ sprechen. Ein schönes Wort, weil es einerseits die Assoziation zu geschmeidig wie elegant bedient. Ich habe meinem Linn LP12 zum Hörtest mit unterschiedlichen Tonabnehmern bestückt. Beispielsweise dem größten MM-System aus dem Hause Ortofon, dem 2M Black Ludwig van Beethoven und dem MC Transfiguration Aria. Der Vertere bedient beide Bauformen perfekt und mit dem gleichen Charakter.
Zuerst Pop: Adele ist wieder da und stürmt die Charts. Ihr neues Album 30 gibt es natürlich auch auf Vinyl. An den Superstar durften nur die besten Tontechniker heran, die sich in der Show allerdings extrem zurückhalten. So gibt es keine Tricksereien mit Hall oder Phase. Alles sehr direkt und schön. Meine Güte, die Frau kann wirklich singen, seufzen und verführen. Der Phono 1 MKII erfasste subito das feine Beben, das von dieser Stimme ausgeht, dann ein mächtiger Flügel hinter der Stimme, mit Groove schleicht sich der Kontrabass an. Und fertig ist das Abbild im Studio – mit Druck strömt es aus den Boxen zum Hörplatz. Jetzt bestünde die Gefahr, dass das Klangbild entweder andickt oder zu brutal-schneidig daherkommt. Der Vertere fand genau die ideale Präsenz.

Noch ein wenig Streichquartett? Aber nicht schon wieder Haydn, Mozart oder Beethoven. Sondern ein Kind des 20. Jahrhunderts – Korngold, Erich Wolfgang mit Vornamen. Ganz frisch hat uns eine Edelpressung von Challenge Records erreicht. Die Niederländer sind um so vieles mutiger als die Marktführer. Das Alma Quartet spielt auf. Da mischt Korngold mit kräftiger Hand die Walzertradition seiner Heimatstadt Wien auf, da wird es zutiefst melancholisch. Aber immer klangstark. Der Mix ist auf Präsenz ausgelegt. Ich sage einmal: Ein dynamisches Klangbild wie live aus dem kleinen Konzertsaal. Toll, wie sich hier komplette Klangwelten aus den Bassinformationen des Cellos aufbauen, dazu die Brillanz der ersten Geige. Dann der tiefe Griff in die Themenkiste von Korngolds eigener Filmmusik.

Der Vertere Phono 1 MKII zeigte sich wieder im Höchstmaß stringent. Der Zufall wollte es, dass ich die CD-Version zusätzlich zur LP habe. Keine Kritik an meinem guten CD-Player mit Röhrenstufe – doch die Vinyl-Scheibe über den Vertere klingt um zwei, drei Welten besser. Schlicht reicher in den Informationen. Diese feine Gewichtung jeder dynamischen Information, dazu das stärkere Gefühl von Korpus bei den Instrumenten. Keine Konkurrenz?
Ich habe – wie gesagt – alle Tonabnehmer-Tests am Linn LP12 gemacht. Für ihn gibt es aus meiner Sicht immer noch kaum einen Konkurrenten. Aber es gibt natürlich viel Konkurrenz zum Vertere Phono 1 MKII. Beispielsweise die Elac PPA-2, die Pro-Ject Phono Box RS2 oder die Teac PE-505. Alle drei sind direkte Mitbewerber, die aber meinen Allzeit-Favoriten dieser Klasse, den Audiolab PPA 8000, nicht ausstechen konnten. Den PPA 8000 gibt es leider nicht mehr, ich hoffe aber, dass er bald neu aufgelegt wird. Diese Phonostufe ist mein Fetisch von Auflösung und Körper; auch der Vertere soll ihn nicht überflügeln, so wünsche ich es mir. Aber dem ist nicht so. Der Phono 1 findet tatsächlich zu einer höheren Präsenz. Da ist der Körper und der schöne Vinyl-Zugriff um einige Impulse reicher. Um wenige, aber entscheidende Zentimeter zeigt sich hier der bessere Verstärker.
Fazit Vertere Phono 1 MKII
Für überschaubares Geld gibt es hier einen potenziellen Olympia-Sieger. Der Klang ist fein, sanft, britisch, die Anpassbarkeit auf den jeweiligen Tonabnehmer extrem feinfühlig.. Gerade hat mich der Vertrieb für Deutschland angerufen: Sein Preis bleibt bei 1.328 Euro. Das ist vergleichsweise günstig – insbesondere angesichts der unfassbar hohen Feineinstellungen zwischen Gain und Empfindlichkeit. In meinem Klangwissen hätte ich freudig auch 3000 Euro für diese Sensibilität und Kraft ausgegeben.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Körperhaft-räumlicher Klang, fein und tendenziell samtig |
| vielstufige Anpassung für die Tonabnehmer |
| Erdung dreistufig anpassbar |
| Solide, gute Verarbeitung, verschiedene Farben zur Auswahl |
Vertrieb:
Beat Audio
Hainbuchenweg 12
21224 Rosengarten
www.beat-audio.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Vertere Phono 1 MKII: 1.330 Euro
Technische Daten
Vertere Phono 1 MKII | |
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Konzept: | Phonostufe für MM + MC |
Verstärkung: | 40 dB bis 62,8 dB |
Anpassung MM: | 14 Stufen |
Anpassung MC: | 9 Stufen |
Abmessungen (B x H x T): | 21,0 x 5,5 x 23,5 cm |
Gewicht: | 2,0 Kilogramm |
Alle technischen Daten |
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