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Thorens TD 124
Thorens wird 140 und der TD 124 ist ein wesentlicher Meilenstein in der Chronik – auch, weil er gleich zweimal in der Thorens-Historie auftaucht (Grafik: Thorens)

Thorens feiert Geburtstag: ein Rückblick auf 140 Jahre höchste Ingenieurskunst

Unter den LowBeats History Reports hielt DENON bisher den Rekord mit der längsten Ahnengalerie. Mehr als 110 Jahre existiert die japanische Firma bereits, deren Ursprung in der Herstellung von Grammofonen und Schallplatten liegt. Tatsächlich über 30 Jahre älter ist das Schweizer Unternehmen Thorens, das schon 1883 gegründet wurde! Trotz tausender Kilometer Distanz und der Gewissheit, dass sich beide nicht kannten, gibt es sogar Gemeinsamkeiten zwischen DENON-Gründer Frederick Whitney Horn und Manufaktur-Namensgeber Hermann Thorens. Beide sind Jahrgang 1856 und beide versuchten sie ihr Glück im Ausland mit der Produktion von musikreproduzierenden Geräten. Horn in Japan und Thorens in der Schweiz. Hier enden die Überschneidungen jedoch. Während es den US-Amerikaner erst als gestandenen Kaufmann mit dem richtigen Näschen für gute Geschäfte ins Land der aufgehenden Sonne zog, kam der gebürtige Rheinländer Hermann Thorens in jungen Jahren ins Land der Eidgenossen und entwickelte sich dort zum geschickten Konstrukteur.

Hermann Thorens
Der Firmengründer Hermann Thorens leitete das Unternehmen bis 1932 (Foto: Thorens)

Thorens: die frühen Jahre

Hermanns Vater war früh verstorben und nachdem die Familie zunächst bei einem Lehrer auf dem Land eine Obhut fand, ging es für ihn mit 18 Lenzen allein in die über 700 Kilometer entfernte Gemeinde Sainte-Croix in der Schweiz. Seine Mutter Louise stammte aus Concise am Neuenburgersee das nur etwas über 20 Kilometer weiter, ebenfalls im Kanton Waadt liegt. So fand Hermann bei einem Verwandten Unterschlupf, seinem Onkel Frédéric Thorens, der beruflich als Graveur (Kupferstecher) aktiv war. In Sainte-Croix lebten zu dieser Zeit um die 5000 Einwohner (übrigens etwa gleich viel wie 2021) und damit gehörte der Ort zu den mittelgroßen Gemeinden in Waadt. Eine Idylle ja, auch, aber weniger im Sinne von Alpen, Kühen, Schafen und Heidi. Zwar spielt die Landwirtschaft bis heute eine wichtige Rolle, doch Sainte-Croix war seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch eine bedeutende Industriegemeinde.

Thorens Fertigung Saint Crox
Die Fabrik in Saint Crox war schon zur Jahrhundertwende (zum 20. Jahrhundert) recht groß und zeigt, welch große Nummer Thorens damals war (Foto: Thorens)

Um 1740 wurden in der Kleinstadt bereits Teile für Uhren hergestellt, 1814 die erste Fabrik für Spieldosen errichtet – im Jahr 1832 waren es sage und schreibe 17 Produktionsstätten, die in Sainte-Croix diese feinmechanischen Kleinode in Handarbeit fertigten. Strom gab es damals in der Schweiz noch nicht, das erste Elektrizitätswerk lieferte erst am 15. Juli 1884 Gleichstrom für die Straßenbeleuchtung und einige private Haushalte – zunächst nur in die Großstadt Zürich. Wechselstrom wurde ab 1890 produziert, in den 1920er und 1930er-Jahren bekamen auch peu à peu die Bewohner ländlicher Gebiete der Schweiz eine Steckdose ins Haus. Bahnbrechende Zeiten: 1877 erfand Thomas Alva Edison den Phonographen, Emil Berliner zehn Jahre später das Grammofon. Technische Kreationen, die auch Hermann Thorens‘ Leben nachhaltig beeinflussen sollten.

Emil Berliner
Emil Berliner erfand die Schallplatte und das Grammofon – das Patent dafür erhielt er 1887. Die ersten Schallplatten bestanden übrigens nicht aus Schellack, sondern aus Hartgummi (Foto: Wikipedia)

Thorens hatte sich seit seiner Ankunft 1874 in der Schweiz einiges an Wissen und Können angeeignet. 1881 eröffnete er – nach einer Ausbildung zum Klavierstimmer – ein Fachgeschäft für Musikinstrumente und handelte mit Pianos und Harmonien. Besonderen Einfluss hatte zu jener Zeit der aus Môtier hinzugezogene Arthur Jeanrenaud auf den jungen Mann. Jeanrenaud residierte seit 1870 in dem Ort und stellte Musikdosen her. Die „Plérodienique“, ein Spieldosensystem, das ein längeres Abspielen ermöglichte, war seine Erfindung. Er war es auch, der Thorens in die Techniken zur Herstellung von Spieluhren und in die Komposition einweihte, und offenbar weckte er dessen Konstrukteurs- und Unternehmergeist. 1883 schließlich gründete Hermann mit 26 Jahren die Firma Thorens und produzierte nun selbst Musikdosen und Musikwerke. Hermann war von Beginn an erfolgreich, dass er zudem fließend Deutsch sprach, dürfte beim Kontakt zu Spielzeugherstellern förderlich gewesen sein, so dauerte es nicht lang und die Auftragsbücher waren voll.

Thorens Blechplattenspieluhr
Eine Thorens Blechplattenspieluhr von 1902/1903. Praktisch für den Musikfreund, gut für den Hersteller, denn die Blechscheiben waren günstig herzustellen (Foto: Catawiki)

Der Raum Nürnberg etwa ist seit dem 15. Jahrhundert ein Mittelpunkt des Handels und der Fabrikation von Spielzeugen gewesen. Über 30 Jahre lang, heißt es, besuchte der Firmenchef Fachmessen, erschloss sich neue Märkte. Das Portfolio wuchs schnell, ebenso wie das Unternehmen, dessen räumliche Ausdehnung und die Mitarbeiterzahl. 1897 brachte die Manufaktur eine eigene Blechplattenspieluhr auf den Markt. Die auswechselbaren Blechscheiben ermöglichten es unterschiedliche Titel zu hören, darüber hinaus waren sie billig zu produzieren. Mit dem geschäftlichen Erfolg wuchs auch die Zahl der Angestellten: Anfang des 20. Jahrhunderts waren 80 Menschen bei Thorens beschäftigt.

Thorens Grammophon
Ein Thorens Grammofon von etwa 1900. Insgesamt stellte das Schweizer Unternehmen drei Millionen Grammofone her (Foto: Catawiki)

Man konnte und wollte wachsen und sich den Markterfordernissen anpassen und stieg ab 1903 in die Fabrikation von Walzenphonografen ein. Drei Jahre später startete die Fertigung von Grammofonen nach dem Prinzip von Emil Berliner. Ein Produkt, das für 50 Jahre bleiben und stetig weiterentwickelt wurde. Drei Millionen Grammofone stellte Thorens während dieser Zeit her. Kein Vergleich zu den Spieldosen, von denen die Schweizer 50 Millionen Exemplare produzierten und die fast 80 Jahre zum Bestand gehörten. Hervorzuheben ist bei den Grammofonen etwa das Modell No. 55 „Sprechapparat Excelda“, ein spätes, mechanisches Exemplar von 1933: ein zusammenklappbares Reisegrammofon das im Volksmund den Namen „Camera Phone“ erhielt, weil es im Aussehen einer damaligen Reisekamera glich.

Thorens Excelda
Thorens No. 55 „Excelda“: Ein Reisegrammofon von 1933, das besonders in Asien und Afrika beliebt war (Foto: Catawiki)

In der mitgelieferten Bedienungsleitung wurde jedoch die Seriosität des Abspielgeräts betont. Zitat: „Der Sprechapparat Excelda ist kein Spielzeug, sondern ein vollwertiger Sprechapparat, mit einem guten THORENS-Laufwerk mit Schneckenspindelantrieb, sowie einem sinnreich konstruierten Tonarm und einer Schalldose bester Qualität.“ Ein echtes Erfolgsprodukt, das in Asien und Afrika begeistert aufgenommen wurde.

Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte bewies das Unternehmen zudem immer wieder seine Wandlungsfähigkeit. So wurden ab 1913 eigens konstruierte Feuerzeuge ins Programm aufgenommen, von 1914 bis 1952 gab es Mundharmonikas aus dem Hause Thorens. Auch wenn das Rauchen heutzutage eher ein Hobby von Minderheiten ist, war es zur damaligen Zeit ein kluger Schachzug von Hermann Thorens, Feuerzeuge zu fertigen. Wer rauchte galt als schick und modern und konnte sich etwas leisten. Schätzungen zufolge griffen im Kaiserreich etwa 20 bis 30 Prozent der männlichen Bevölkerung zu Zigarette, Zigarre oder Pfeife. Bei Frauen lag der Anteil bei weniger als fünf Prozent. Kein Vergleich übrigens zu 1950, da entschieden sich neun von zehn Männern für die Erzeugung von blauem Dunst. Als die Schweizer 1964 die Herstellung von Feuerzeugen einstellten, sank der Anteil der rauchenden Bevölkerung bereits wieder, bis dahin hatten sich fünf Millionen Konsumenten von der Qualität eines Thorens-Feuerzeugs überzeugen lassen.

Thorens_Single_Claw_1919
Der Sammler Wilhelm Broesan hat eine stattlliche Sammlung an Feuerzeugen zusammengetragen. Unter anderem auch dieses frühe Thorens Feuerzeug von 1919.
Zitat von seiner Seite zu diesem Modell: „Single Claw – Allererstes Feuerzeug der Firma Thorens! Einfach zu erkennen an der verwendeten Niete am Deckelschanier und das Schanier sitzt fest am Deckel. Halbautomat, Reibrad-Schwingdeckel, Benzin“ (Foto: Wilhelm Broesan)

Der Laden brummte, im Oktober 1928 wurde das Unternehmen in eine Familien-Aktiengesellschaft umgewandelt – die Hermann Thorens S.A. Die Anzahl der Mitarbeiter war da auf über 1000 gewachsen. Die technischen Innovationen, sie sprudelten: Ein elektrischer Direktantrieb für das Grammofon kam gleich im selben Jahr, 1929 folgte der erste elektrische Tonabnehmer. Dazu auch hier ein Zitat aus einer Werbeanzeige entnommen: „Die Wiedergabe ist eine vollstarke, ohne Beeinträchtigung der Tonreinheit; ohne irgendwelche Missbildungen wird die gesamte Tonskala naturgetreu wiedergegeben.“ Die Wortwahl ist der Zeit geschuldet und würde heute sicherlich nicht mehr so Verwendung finden und doch demonstrieren die Auszüge, das starke Selbstbewusstsein ob der Qualitäten von Thorens. Zu Recht, wie wir heute wissen.

Induktions-Antrieb und Tagential-Tonarm: Sohn Frédéric übernimmt

1932 übernahm Hermanns Sohn Frédéric die Geschäftsführung. Die naturgetreue Wiedergabe von Musik blieb auch unter seiner Regie stets im Vordergrund der Firma Thorens. So beschäftigten sich die innovationsgetriebenen Schweizer etwa mit der Konstruktion eines Tangentialtonarms. Bei dieser Bauart bewegt sich der Tonarm parallel zum Radius des Plattentellers, wodurch Spurfehler, die Verzerrungen zur Folge haben, vermieden werden können. Tangential-Spieler sind jedoch sehr aufwändig zu konstruieren, wenn sie vernünftig funktionieren sollen, aber was für Daniel Düsentrieb gilt, gilt auch für Thorens-Entwickler: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“.

Thorens Tangentialtonarm
Thorens experimente früh mit dem technisch anspruchsvollen Tangentialtonarm. Bereits 1931 brachten sie ein Modell auf den Markt, das einen Lautstärkerregeler integriert hatte (Foto: Thorens)

Der erste Plattenspieler mit Tangentialtonarm aus Sainte-Croix erschien noch 1931 und hatte einen Lautstärkeregler integriert. Auch die Verbesserung des elektrischen Antriebs war stets Gegenstand der Forschung bei Thorens, im Ergebnis wird 1932 das „Induktions-Laufwerk“ vorgestellt. Schön auch das passende Marketing dazu, denn es wurde hervorgehoben, was der Motor (Typ UV 603) nicht hatte: „Kein Kollektor, keine Bürsten, keine Funkenbildung, keine Antriebsschnur, kein Widerstand.“ Ein Funktionsprinzip mit Zukunft, auch der legendäre TD-124 (1957) setzte später auf einen Induktionsmotor (Typ E50).

Eine Erweiterung des Angebots wird in den 1930er-Jahren durch eine Kooperation mit dem deutschen Hersteller Stassfurt-Imperial erreicht (Sachsen-Anhalt, am selben Standort produziert heute TechniSat) und umfasst die Produktion, beziehungsweise Zulieferung, von Radios und Musiktruhen. Das Topmodell hatte sogar ein Thorens-Schallplattenaufnahmegerät integriert und kostete stolze 830 Schweizer Franken – heute rund 10.000 Euro. In Bezug auf aktuelle Preise im High End mag das zunächst nicht ungewöhnlich kostspielig erscheinen, doch das ist ein Trugschluss. Als Folge auf die Weltwirtschaftskrise sanken die realen Stundenlöhne 1932 auf 75 Prozent des Werts von 1929. Das Durchschnittseinkommen eines Arbeiters oder Angestellten in Deutschland lag 1934 zwischen 150 und 200 Mark brutto im Monat. Umgerechnet wären das heute 76 bis 102 Euro. Man musste also verdammt lange sparen, um sich so ein Mega-Luxusgerät leisten zu können.

Am 13. Oktober 1943 starb Hermann Thorens im Alter von 87 Jahren. Bereits 1936 wurde er wegen seiner unternehmerischen Verdienste mit der Ehrenbürgerschaft von Sainte-Croix ausgezeichnet. Neben seiner zweifellos überragenden kaufmännischen und ingenieurstechnischen Seite gab es an ihm auch eine weitere, weniger bekannte Eigenschaft. Thorens war tiefreligiös und unter seiner Führung wurden niemals Güter für die Kriegsindustrie hergestellt. In einem Leserbrief, den die Phonografische Zeitschrift in der Ausgabe 17 von 1916 veröffentlichte, machte er seine unerschütterliche Einstellung ganz persönlich deutlich: „(…) Ich kann Ihnen voll und ganz bestätigen, dass ich mich stets geweigert habe, irgendwelche Heeresbedarfsartikel zu liefern, wäre Ihnen jedoch zu Dank verpflichtet in Ihrer nächsten Nummer berichtigen zu wollen, dass ich überhaupt als Christ und Neutraler für keine Partei diese Artikel herstellen könnte. Deswegen fabriziere ich gern nach wie vor für alle meine Kunden, welche mich mit ihren Aufträgen beehren, Sprechmaschinen und Spieldosen-Artikel (…).“

Auch nach dem Ableben des Gründers geht es für das Unternehmen Thorens weiter. Noch 1943 bringen die Schweizer den ersten Plattenwechsler auf den Markt, den CD 30, einen Garrard-Lizenzbau. Es folgen eigene Entwicklungen, von denen der CD 50, der die Platte von beiden Seiten abtastete, besonders bemerkenswert ist. Zunächst kam die untere Seite (sic!), auf einer erhobenen Position, dran. Danach wurde die Platte mechanisch freigegeben, so dass sie auf einen unteren Plattenteller fiel. Während dieses Vorgangs drehte sich in Sekundenschnelle der Tonkopf am Tonarm, dann konnte die andere Seite gehört werden. Das verlinkte Video erklärt es besser, als Worte dies zu erklären vermögen. In Kürze: Mechanisch genial und wunderbar anzuschauen:

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1948 erschien das Thorens New Century: Auf den ersten Blick ein schmales, tragbares Radio, wie man es viel später von den ersten volltransistorisierten Empfängern her kennt. Tatsächlich hatte Thorens clever den HF-Teil inklusive der Skalenanzeige und den Bedienelementen ausgelagert. Das „dicke Ende“ hing an einem Kabel und nannte sich wortgewandt „Schallwand“. Hier waren dann die Verstärkerröhren, Gleichrichter und der Lautsprecher zu finden. Optisch zweifellos ansprechend und zeitlos, der Preis indes hatte es mal wieder in sich, die teuerste von sechs Ausführungen des Modells schlug mit 1.500 Schweizer Franken zu Buche. Umgerechnet auf das Jahr 2023 handelte es sich um ein bis zu 7.500 Schweizer Franken teures „Kofferradio“. Ohne den passenden Koffer selbstverständlich.

Thorens New Century
Das Thorens New Century erschien 1948. Es bestand aus einem „Handteil“, an dem etwa die Sender einzustellen waren. Es war über ein Kabel mit dem Verstärker und dem Lautsprecher verbunden (Foto: Archiv)

Es folgten durchaus bodenständige Produkte. Allem elektrischen Hype zum Trotz besann sich das Schweizer Unternehmen auf seine feinmechanischen Wurzeln und präsentierte 1954 den Riviera, einen mechanischen Rasierapparat. Keinen extravaganten Rasierhobel, wie man annehmen könnte, sondern ein Rasierer zum Aufziehen mit Federwerk. Wie bei den bewährten Spieluhren, von denen Thorens bereits Millionen Stück produziert hatte. Die Schweizer bewiesen auch hier wieder ihre erstaunliche Weitsicht und das Erkennen von Trends. 1954 war das Jahr der Fußballweltmeisterschaft und die fand in der Schweiz statt. Hier wie dort wollte man reisen, gern mit dem Auto oder dem Motorrad, oft war ein Campingplatz das Ziel. Rasieren musste sich (besonders) der Mann auch dort vor Ort, nur Strom gab es im Zelt oder Wohnanhänger eher selten.

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Thorens Riviera
Der Thorens Riviera Aufziehrasierer kam zeitlich passend zur in der Schweiz ausgetragenen Fußballweltmeisterschaft 1954 auf den Markt. Der damalige Preis: 62 CHF (Foto: Catawiki)
Thorens Riviera
Der rückseitige Aufziehmechanismus des Thorens Riviera von 1954. Hier konnte Thorens von seine jahrzehntelangen Erfahrung als Hersteller von Spieldosen profitieren (Foto: Catawiki)
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Der Aufziehrasierer war also das richtige Produkt zur richtigen Zeit. Weil es so schön war: Der Riviera kostete zur Markteinführung 62 CHF, umgerechnet auf die heutige Zeit müssten Sie für die stromlose Pretiose gut 290 CHF auf den Tisch legen.

Die Mutter aller High End Plattenspieler: der TD 124

1957 dann schließlich kam er: Nicht nur Fans dieser Marke sehen im TD 124 (TD = Tourne Disque; franz. drehende Scheibe) den Urknall für hochwertige Plattenspieler. Der Fachbuchautor Joachim Bung hat dem TD 124 – und weiteren klassischen HiFi-Plattenspielern – gar ein zweibändiges, mehr als 900 Seiten starkes, Kompendium gewidmet. Wer mehr, nein, wer alles über den Thorens TD 124-Kosmos erfahren möchte, dem sei dieses Werk ans Herz gelegt. Auch Joachim Bungs Homepage ist sehr informativ und einen Besuch wert. Hinweis: Die Bände sind nur über den Autor selbst zu beziehen und nicht im Handel erhältlich.

Aber was machte den TD 124 so besonders? Joachim Bung nannte mir drei wesentliche Eigenschaften: „Das ausbaubare Tonarmbrett, der zweiteilige Plattenteller und die Solidität des Gusschassis‘.“ Ihm persönlich gefällt zudem die „bauchige Form“, des TD 124. „Dē gustibus nōn est disputandum“ – über Geschmack lässt sich nicht streiten heißt es und das stimmt. Außerdem findet Schönheit sowieso im Auge des Betrachters statt. Unbestritten ist die ausgeklügelte Gesamtkonstruktion des TD 124 über jeden Zweifel erhaben. Thorens war damals der gleichen Ansicht und bewarb den TD 124 wenig bescheiden als den „Rolls-Royce unter den Plattenspielern“. Ein Vergleich, der es zumindest optisch nicht trifft. Aber hätte Thorens zu dieser Zeit getextet „Der Lanz Bulldog unter den Plattenspielern“ dann wäre das zwar ehrlicher gewesen, aber sicherlich weniger gut angekommen.

Thorens TD 124
Der TD 124 war optisch ein Kind seiner Zeit, technologisch allerdings ganz weit vorn (Foto: Thorens)

Doch auch diese Umschreibung hätte gestimmt, denn die Neuerscheinung war solide, reparaturfreundlich und auf das beste (Klang-)Ergebnis hin konstruiert. Ganz klar hatte Thorens den anspruchsvollen Musikfreund und den aufstrebenden HiFi-Markt im Blick – aber auch Profianwender, etwa Rundfunkanstalten in aller Welt, gehörten von Anfang an zur Zielgruppe. Thorens war zu diesem Zeitpunkt längst eine Marke für hochwertige Produkte, die als solches auf der ganzen Welt wahrgenommen wurde. Hier einige Details des TD 124 in Kürze:

  • Das mehrfach verrippte, stabile Chassis ist aus Aluminiumdruckguss gefertigt und somit verwindungsfrei
  • Der Tonarm ist nicht mit dem Chassis verbunden, sondern wird auf einem speziellen Holzbrett verschraubt. Dadurch lassen sich verschiedene Tonarme schnell und einfach austauschen (mehrere Tonarmbretter vorausgesetzt)
  • Der Plattenteller ist zweigeteilt und besteht aus einer gusseisernen Schwungmasse (Subteller, 4,5 kg schwer) und einem darüberliegenden Aluminiumteller. Mittels einer Kupplung (Hebeldruck) war es möglich, dass der eigentliche Plattenteller (auf dem die Schallplatte lag) etwas angehoben werden und so von der darunter befindlichen Schwungmasse getrennt sofort angehalten werden konnte, während der Subteller weiterlief. Für Profis, etwa bei einer Radiostation, eine enorme Arbeitserleichterung, da der Plattenspieler so stets auf Nenndrehzahl gehalten werden konnte.
  • Der Antrieb selbst war eine Kombination aus Reibrad und Riemen. Ein vierpoliger Induktionsmotor (E50) trieb über einen Riemen ein Reibrad an, welches wiederum den Subteller in Schwung versetzte. Somit konnte störende Motorvibration stark reduziert werden.

Der TD 124 steckte voller Innovationen, die Thorens lange eine Führungsposition im Plattenspielerbau ermöglichten und wurde in zwei Versionen bis 1968 produziert.

Es folgten einfachere Varianten vom Urmodell wie der TD 134, TD 135 und TD 184, ebenso kamen verschiedene Tonarme auf den Markt.

Vielen unbekannt ist, dass Thorens ab 1957 auch eigene HiFi-Verstärker vorstellte. Den Anfang machte der PR 15, ein Monoverstärker mit einer Leistung von 15 Watt. Lieferbar in den Farben „Lachs“ und „Blau“. 1959 gab es das erste Stereo-Modell PR 24 zu kaufen, das 2 x 12 Watt Ausgangsleistung hatte. Auch passende Boxen wurden angeboten. Die Treiber für den Eck-Lautsprecher BE 8 zum Beispiel durfte sich der geneigte Besitzer aussuchen: Sie kamen von Peerless, Electro-Voice oder Lowther. Eine höchst eigenwillige Form des Angebots.

1962 präsentierte Thorens einen neuen Wechsler, wieder mit einer einzigartigen Mechanik, den TDW 224 – siehe Video unten. Bei diesem Modell wurde die Schallplatte nach Spielende seitlich (!) vom Teller gehoben und abgelegt, dann von oben vom Plattenstapel eine weitere Scheibe entnommen, herübergeführt und vollautomatisch abgespielt. Auch bei diesem Modell gilt: Muss man gesehen haben, erst dann erschließt sich die komplette Faszination dieser Konstruktion:

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Ende 1962 endete bei Thorens die Tradition einer Familiengeführten Aktiengesellschaft. Mit Beginn des Jahres 1963 schlossen sich Thorens und der Kamera- und Schreibmaschinenhersteller Paillard zusammen. Paillard übernahm alle Aktiva und Passiva, alle Patente, sämtliche Gebäude und die Mitarbeiter. Die Produktion von Spieldosen wurde eingestellt. Jean-Paul Thorens indes zog in das benachbarte L’Auberson, wo er erneut Spieldosen fertigte – bis 1985.

Zu dieser Zeit boomte das Kamerageschäft gewaltig, die von Paillard hergestellten Bolex-Kameras waren weltweit so stark gefragt, dass auch Thorens-Mitarbeiter Kameras produzieren mussten. Trotzdem ging die Entwicklung von Plattenspielern weiter, etwa arbeitete man an einem neuen Modell mit Tangential-Tonarm. Doch der modifizerte TD 124 erfüllte nicht die erwünschten Vorgaben, so dass das Projekt aufgegeben wurde. Ist eben echt schwierig umzusetzen, so ein Teil. Es folgten einige aufregende Jahre mit einem stetig wachsenden Produktportfolio, zum Beispiel einer HiFi-Stereoanlage, der Thorens Compact 1.

Ende Gelände: die Fertigung in Lahr beginnt, der Riemenantrieb kommt

Schon 1966 folgte die Trennung von Paillard und die neu gegründete Thorens-Franz AG übernahm zum 1. Juli. Diese Entscheidung bedeutete das Aus für die Fertigung von Thorens-Plattenspielern in der Schweiz. Die Produktion sollte so bald wie möglich bei der EMT Wilhelm Franz GmbH in Lahr/Schwarzwald beginnen. So kam es dann auch. Bis Ende 1967 wurden noch Geräte in Saint-Croix aus Lagerbeständen gefertigt, 1968 war dann komplett Schluss und die Werkshallen schlossen für immer ihre Tore.

Thorens Fertigung Lahr
Die Fertigung im idyllischen Schwarzwald-Örtchen Lahr stand von der Größe her Saint Crox kaum nach (Foto: Thorens)

Die Geschichte von Thorens ist damit aber noch lange nicht vorbei, schließlich ist EMT nicht irgendwer, sondern ein seit den 1950er-Jahren etablierter Hersteller von hochwertigen Plattenspielern für den Rundfunkbetrieb. Thorens-Produkte waren eine willkommene und sinnvolle Ergänzung, um auch im gut nachgefragten HiFi-Segment zu wachsen.

Besonders hervorgehoben werden muss der TD 150 mit Tonarm TP 13. Dieses Modell war das erste, das komplett in Lahr produziert wurde und es war eine aufregende Neukonstruktion, denn hier setzte Thorens erstmals das legendäre Schwingchassis ein. Eine Entkoppelung von äußeren Einflüssen auf Plattenteller und Tonarm (wie etwa Trittschall), war hier durch das an drei Kegelfedern aufgehängte Subchassis möglich. Ein Bauartprinzip übrigens, das Linn für seinen Sondek LP 12 fast unverändert übernommen hat und der bis heute in England hergestellt wird. Eine weitere Änderung betraf den Antrieb beim TD 150: Anstelle des von Thorens bisher stets verwendeten, aber aufwändigen, Reibradantriebs setzte man bei diesem Modell auf einen einfacheren Riemenantrieb.

1968 endete die Produktion der Serie 124, insgesamt wurden rund 100.000 Exemplare des TD 124 MK I und des leicht modifizierten MK II hergestellt. Im selben Jahr erschien der Nachfolger, der TD 125, der erstmals über eine elektronische Motorsteuerung verfügte.

1969 kam der TD 150 MK II auf den Markt. Die größte Veränderung betraf den Tonarm, der MK II erhielt das besser ausgestattete Modell TP 13A, das mit einer Antiskating-Feineinstellung via Fadengewicht versehen war, ebenso konnte das Auflagegewicht justiert werden. Apropos Tonarme: Thorens hatte etliche, am bekanntesten aber wurde wohl der TP 16, den es in verschiedenen Versionen (und verschiedenen Gewichten) gab.

Thorens TD 160
TD 160: Hier ein Auszug aus der Bedienungsanleitung des TD 160 (1972), der mit dem Tonarm TP 16 kam. Besonderheit: Er hatte eine extra Einstellmöglichkeit beim Antiskating, dass das damals populäre Nassabspielen der Schallplatte berücksichtigte (Foto: Archiv)

Die Besonderheit (wie auch eine akustische Schwäche) des TP 16 war das auswechselbare Tonarmrohr. Einer der wesentlichen Gründe für den Thorens-Erfolg in der damaligen High-End-Gemeinde aber war die Auslegung vieler Laufwerke auch für Fremdtonarme. Thorens favorisiert dabei die Arme der britischen SME-Manufaktur.

Thorens Tonarme
Thorens hatte stets seine eigenen Arme, favorisierte bei Fremdarmen die Modelle von SME. Hier eine Übersicht aus dem Ende der 1970er Jahre (Foto: Thorens)

Im Olympia-Jahr 1972 bringt Thorens den TD 160 auf den Markt und löst den 150er ab. Ein Modell, das sich als äußerst erfolgreich erweisen soll. Drei Jahre später läuft bereits das 500.000 Exemplar vom Band und wird in verschiedenen Revisionsstufen bis 1990 gefertigt. Eine der Besonderheiten: Der TD 160 hatte eine extra Antiskating-Einstellung für das damals sehr populäre Nassabspielen von Schallplatten.

Thorens TD 160
Der Thorens TD 160 (hier mit dem TP 16) kam 1972 auf den Markt und startete eine schier unendliche Erfolgsgeschichte. Noch heute werden gut erhaltenen Modelle hoch gehandelt (Foto: Thorens)

In dem Jahr, in dem Helmut Schmidt (1974) Bundeskanzler wurde, präsentierte Thorens den Nachfolger des TD 125 MK II, den TD 126 electronic (andere Quellen sprechen von 1976 als Erscheinungstermin, macht nichts, Schmidt war immer noch Kanzler). Der TD 126 electronic war das erste Modell des Hauses, das mit einem elektronischen Tonarmlift und einer wahlweisen Endabschaltung kam. Gesteuert wurde der Player per Kurzhubtasten, die über eine Hintergrundbeleuchtung verfügten. Der TD 126 electronic stand für damaliges High End kostete bei Markteinführung 850 D-Mark.

Thorens_TD_126MKIII
Der Thorens TD 126 MK III kam 1983 auf den Markt. Er verfügte unter anderem über einen zweiten Motor zur Tonarmliftsteuerung und hatte besonders die Profis als Zielgruppe im Visier (Foto: Catawiki)

Der TD 126 (vor allem in der MK III Version) war so etwas wie die S-Klasse seiner Zeit und wurde durch den TD 226 auf die Spitze getrieben. Der war durch seine schiere Breite in der Lage, zwei Tonarme (unter anderem auch einen 12-Zöller) aufzunehmen. Wie auch der TD 126 MK III hob die Automatik des TD 226 auch Fremdtonarme von SME, Koshin und EMT am Ende der Schallplatte hoch.

Thorens TD 226
Der TD 226 war nicht nur wegen seiner Breite außergewöhnlich: Er hatte auch eine Vorrichtung zum Ansaugen der Schallplatte. Das war damals sehr modern… (Foto: Thorens)

1976 trudeln die ersten HiFi-Receiver AT 410 aus Eigenproduktion in die Läden. Kollege Jürgen Schröder besitzt noch so ein Schätzchen und ist bis heute zufrieden mit dem Gerät. Von den Ausmaßen her zeitgemäß, konnte sich das Teil auch von innen her sehen beziehungsweise hören lassen. Der damals deutlich wichtige Radioempfang wurde unter anderem durch eine „fünffach Dioden abgestimmte Hochfrequenz-Eingangsstufe und getrennt abgestimmte Dual-Gate MOSFET-Stufe“ gewährleistet, wie dem Prospekt zu entnehmen war. Ein Messinstrument zeigte die Feldstärke des empfangenen Senders an, ein weiteres half bei der Ermittlung der Kanalmitte. Das Verstärkerteil leistete 2 x 65 Watt an 4 Ohm, 12,5 kg brachte der AT 410 auf die Waage. Im Einzelhandel waren dafür zum Einstieg rund 2000 D-Mark zu zahlen.

Thorens AT 410
Der HiFi-Receiver Thorens AT 410 erschien 1976. Radioempfang war damals sehr viel wichtiger als heute, um an Lieblings-Musikstücke zu gelangen. Da war es praktisch, dass Thorens auch einen Recorder im Angebot hatte. Der AT 410 leistete 2 x 65 Watt an 4 Ohm und kostete knapp 2000 D-Mark (Foto: Archiv)

Bereits zwei Jahre später folgte ein wirklich schickes Kassettendeck, das PC 650, das über damals nicht selbstverständliche elektronische Tasten verfügte und das sogar mit einer Fernbedienung kam. Wahrer Luxus zu dieser Zeit. Weiterhin waren drei Tonköpfe verbaut, so dass eine sogenannte Hinterbandkontrolle möglich war. Zudem kam das PC 650 mit zwei Motoren: Einer übernahm den Antrieb, der andere das Spulen. 1.398 D-Mark lautete der Listenpreis 1978.

Thorens PC650
1978 gab es auch Kassettendecks von Thorens. Das PC 650 war sehr gut ausgestattet, etwa mit Hinterbandkontrolle (drei Tonköpfe) und zwei Motoren. 1.398 D-Mark waren dafür zu bezahlen (Foto: Archiv)

Richtig spannend wurde es mit der „SoundWall“, einer Schallwand nach dem Prinzip des akustischen Dipols. Ein Drei-Wege-Dipol-System, das es von 1979 bis 1983 gab. Optisch glichen sie einem Paravent (spanische Wand) und waren ein Werk des Diplom-Physikers und Thorens-Entwicklers Ludwig Klapproth. Klapproth hatte für Thorens auch den Rumpelmesskoppler erfunden, ein Werkzeug, mit dem tieffrequente Schwingungen gemessen werden konnten, die etwa das Lager des Plattentellers verursacht. Der Rumpelmesskoppler wurde dazu auf die Tellerachse des Plattenspielers montiert und nur das Lagergeräusch erfasst. Gerald O. Dick hatte das Modell HP 380 damals für stereoplay im Test und schrieb dazu: „Die Test-Jury notierte, dass die Thorens-Wände geradezu allergisch auf schlechtes Platten-Material reagieren – sie bilden augenblicklich jeden Fehler in der Aufnahme, jedes Verschmieren zwischen Bass- und Mittelbereich, jeden künstlich in eine Platte hereingepumpten Bass ab.“ Aus heutiger Sicht: Das müssen verdammt gute Lautsprecher gewesen sein! Technische Daten des Nachfolgermodells HP 381: Offene Schallwand, 15 Tieftöner (16,0 cm) 8,0 cm Konusmitteltöner, 25 mm Konusmitteltöner mit Softmembran. Wirkungsgrad: 91 dB, Gewicht: 34,5 Kilo, Paarpreis: 3.000 D-Mark.

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Thorens HP 380 ohne Abdeckung
15 Bässe machen eine Menge Schalldruck (Foto: Spring Air)
Thorens HP 380 mit Abdeckung
Mit Abdeckung kann man der HP 380 sogar eine gewisse Eleganz unterstellen… (Foto: Spring Air)
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Ein absolutes Mega-Highlight im Jahr 1979 war die Vorstellung eines Superlativs der Schallplattenspieler, des Thorens Reference. Ein Plattenspieler wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte, der ohne Rücksicht auf Kosten entwickelt wurde, die Konstrukteure hatten also freie Hand, ohne dass ihnen das Controlling auf die Finger klopfte. Das Modell war ursprünglich als Messmodell und Showobjekt gedacht, wurde aber dann in einer Kleinserie von 100 Exemplaren aufgelegt – gefertigt in Handarbeit und 18.000 D-Mark teuer (nichts im Vergleich dazu übrigens, was so ein Teil heute gebraucht kostet …).

Thorens Reference
Ein Statement von einem Plattenspieler: Vom „Reference“ wurden nur 100 Stück hergestellt. Er ist heute noch ein teures Stück analoger Begierde (Foto: Thorens)

Hier einige der „irren“ Fakten des Thorens Reference MK I:

  • Chassis und Subchassis waren aus gegossenem Aluminium gefertigt
  • Das Innenchassis war zur Resonanzdämpfung vollständig mit Bleischrot gefüllt
  • Damit das hohe Gesamtgewicht von 90 kg, allein der Plattenteller wog 7 kg (andere Quellen sagen 13 kg, gehen wir davon aus, dass er schwer genug war) gestemmt werden konnte, wurde das Subchassis an vier mächtigen Kegelfedern aufgehängt
  • Die Federn waren zu justieren, so dass sich die Resonanzfrequenz zwischen 1 und 5 Hertz einstellen ließ
  • Insgesamt konnten drei Tonarme montiert werden
  • Zur perfekten Ausbalancierung war eine Wasserwaage eingebaut
  • Die Tonhöhenschwankungen lagen unter 0,02 %
  • Rumpelabstand: besser als 82 dB
  • Der Antrieb erfolgte per Riemen, der Motor war ein 12-poliger-3-Phasen-Synchronmotor mit Quarzregelung

Auch hier gilt: Muss man gesehen haben, sonst ist es kaum möglich die Opulenz dieses Geräts zu erfassen. Steffen Gellrich vom HiFi-Studio SG-Akustik hat ein sehr sehenswertes Video vom Thorens Reference gemacht.

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Ebenfalls Ende der 1970er versuchte man auch im Low-Entry-Geschäft Fuß zu fassen und wollte ausgerechnet mit den „Scheider Rundfunkwerken“ kooperieren, die im HiFi-Segment einen sehr schlechten Ruf hatten. Die Zusammenarbeit floppt, dazu extra konstruierte Modelle, wie TD 104/105 und TD 110/115 werden zu Ladenhütern.

In den 1980ern erscheinen Revisionen des TD 160 und der TD 524 kommt auf den Markt. Ein Modell mit EMT-Genen, das sich speziell an Diskjockeys wenden soll. Dazu hatte man extra DJs befragt und so wurde der TD 524 nach ihren Anforderungen hergestellt. Eine sehr pragmatische Herangehensweise, die ähnlich auch Technics beim SL-1200 MK II umgesetzt hatte. Das schwere Guss-Schwingchassis des TD 524 steckte in einer massiven Holzzarge, zusätzliche Federelemente sorgten für die bestmögliche Eliminierung von Trittschall und Feedback. Der Plattenteller lief in erstaunlichen 250 Millisekunden auf Nenndrehzahl. Der Antrieb: Kein Reibrad, kein Riemen, sondern ein Quarz gesteuerter Direkttriebler.

Thorens TD 524
Einer der wenigen Thorens-Dreher dieser Zeit mit Direktantrieb: Der professionelle TD 524 wies eine Menge Schwächen auf und wurde deshalb nur bedingt ein Erfolg (Foto: Thorens)

Zu hundertjährigen Geburtstag, 1983, gönnte Thorens sich und seinen Kunden den TD 147 Jubilee und ein neues Superlativ, den Prestige. Thorens schreibt dazu: „In diesem Modell haben Entwicklungsingenieure alles vereinigt, was machbar ist. Thorens Prestige stellt den höchsten Grad menschlicher Baukunst dar. Damit bieten wir dem anspruchsvollen Musikliebhaber die endgültige Antwort.“

Thorens Prestige
Mit Modellen wie dem gewaltigen Prestige unterstrich Thorens seinen Oberklasse Anspruch (Foto: Thorens)

Das Subchassis des Prestige war hier nun an vier anstatt drei Federn aufgehängt. Eine Reduzierung gab es indes bei der Anzahl der zu installierten Tonarme, hier waren „nur“ noch derer zwei möglich. Für die meisten Kunden wahrscheinlich zu verschmerzen. Verarbeitet wurde massives Edelholz von der Wenge, ein Tropenholz, das heute sicherlich nicht mehr verwendet würde. Das Gewicht dieses Modells lag bei 55 kg, der Preis blieb gleich: 18.000 D-Mark.

Trotz aller Innovationen im analogen Bereich litt Thorens in diesem und im folgenden Jahrzehnt stark unter der 1982 erstmals vorgestellten Compact Disc. Wurden 1984 gerade mal drei Millionen CDs verkauft, waren es sieben Jahre später über 100 Millionen Stück, die über den Ladentisch gingen.

1984 stellte Thorens den TD 320 vor, erstmals ein Modell, das auf die bisher eingesetzten Schraubenfedern verzichtete. Im Subchassis kamen nun Blattfedern zum Einsatz. Wer dabei an Automobiltechnik denkt, liegt richtig, denn tatsächlich hatten sich die Entwickler von dem Federsystem der Autotechnik inspirieren lassen. „Sets aus jeweils aufeinandergelegten flachen Blattfedern sind am Ende mit dem Gehäuse, am anderen Ende mit dem Subchassisblock verbunden“ schreib im September 1984 Hans-Günther Beer von der Fachzeitschrift Audio. Er war von dem Dreher überzeugt und attestierte ihm eine große Zukunft. Zitat: „Ein vielversprechender Entwurf (…), das Schmuckstück dürfte sämtliche Plattenspielersorgen ins nächste Jahrhundert verbannen“. Welche HiFi-Sorgen das kommende Jahrhundert bereithielt, wissen wir heute alle. Die CD war da nur der Anfang.

1988 versuchte es Thorens nochmals mit einem Discoplattenspieler, dem TD 535. Der sollte den Technics 1200/1210 MK II vom Thron holen. Klappte leider nicht, das Gerät war doppelt so teuer, der Plattenteller kam erst in 500 Millisekunden auf Nenndrehzahl. Der TD 535 blieb ein Ladenhüter.

Im selben Jahr versuchte man es erneut mit Elektronikkomponenten, wie Vor- und Endstufen, die von Restek zugeliefert wurden. Schöne Geräte durchaus, die Thorens aber auch nicht retten konnten. In den frühen 1990ern setzte man weiterhin auf die Neuentwicklung von Schallplattenspielern, während die Verkaufszahlen der CD durch die Decke schossen. Heute kaum zu fassen: Zum Ende des Jahrzehnts (1999) gingen sage und schreibe 2,4 Milliarden (!) Compact Discs über den Ladentisch.

Thorens Restek Elektronik TCD 2000
Der TCD 2000 (Baujahr 1997 – 2000) war nicht nur exzellentes CD-Laufwerk, sondern sah auch noch richtig gut aus (Foto: Thorens)

Schon 1993 ließ Thorens für zwei Jahre Plattenspieler in Polen herstellen. Ab 1997 beging man zudem den kapitalen Fehler an den Produkten zu sparen. Eine Insolvenz war somit im Jahr 1999 unabwendbar.

Re-Start 1999

Im selben Jahr übernahm eine in der Schweiz gegründete „Thorens Export Company AG“ die Geschäfte. Es folgten Rechtsstreitigkeiten bezüglich der Markenrechte, bis 2003 die Firma Thorens wieder auferstand. Der Schweizer Kaufmann Heinz Rohrer, der bereits den in den 1990er-Jahren den Thorens-Vertrieb in Asien leitete, wurde zum neuen Eigentümer. Dennoch war Rohrer eigentlich Quereinsteiger und führte das Unternehmen wohl auch deshalb mit Schweizer Vorsicht und gespitztem Rotstift. In seiner Ägide kamen viele, eher günstige Thorens Modelle – etwa die 200er-Reihe – auf den Markt, die mit etlichen neuen Ideen (beispielsweise Acry-Basis), aber auch ohne Subchassis auskommen mussten.

Thorens TD 209 von oben
Das Besondere ist die Form: Der Thorens TD 209 bricht mit klassischen Linien und verleiht dem Thema Analog mehr Pfiff. Er kostete bei Marktstart 1.000 Euro – was ziemlich günstig ist, weil schon für den hervorragenden (eingebauten) Tonarm TP 90 ähnlich viel zu berappen wäre… (Foto: Thorens)

Doch trotz allen Rotstift Denkens ließ sich Rohrer zu einem großartigen Projet überreden: Er ließ 2005 das Entwickler-Multitalent Frank Blöhbaum eine außergewöhnliche Vor-/Endstufen-Kombination entwickeln, die über all die Jahre ihrer Produktion bei Gauder Akustik (also in einer schwäbischen Manufaktur) entstand. Vor allem die Endstufen-Monos (eine geschickte Kombination aus Spannungsverstärkung per Röhre und Transistor-Ausgangsstufe) setzten klanglich Maßstäbe. Hannes Maier, langjähriger Verstärker-Guru bei stereoplay schrieb dazu: „Mit etwas eleganteren Klavierläufen hielten die McIntosh Monoblöcke MC 501 AC zunächst gut dagegen. Doch nachdem die TEM 3200 stereoplays Referenzboxen deutlich entschiedener dazu zwangen, ihre materielle Existenz und Gravität zu verleugnen, profilierten sich die Thorens-Blöcke dann doch als die noch erwachseneren Verstärker und als Sieger. Es geht doch! Deutschland ist Weltmeister.“

Thorens TEM 3200
Die Mono-Blöcke TEM 3200 sahen zwar etwas altbacken aus, waren aber zweifelsfrei eine der technisch modernsten und bestklingenden Konstruktionen ihrer Zeit (Foto: Thorens)

Der Erfolg inspririerte Rohrer, auch bei den Plattenspielern wieder deutlich nach oben zu schauen. Die 900er Serie von Thorens ließ er von den Spezialisten um Karl-Heinz Fink und vom Produkt-Designer und ausgewiesenen Plattenspieler-EXperten Helmut Thiele entwickeln. Thiele hatte vorab schon einige exzellente Tonarme (unter anderem den TP 90 und den TP92) für Thorens entwickelt. Und Thiele soll auch in den kommenden Jahren eine relevante Rolle für die Marke spielen …

Thorens TD 907
Der TD 907 war der größte der 900er Serie und knüpfte in vielen Belangen an die Qualität von TD 150 & Co. an. Seine Entkopplung beispielsweise war über ein variables Luftfeder-System geregelt. Allerdings war er mit 10.000 Euro schlicht zu teuer (Foto: Thorens)

Ab 2018 beginnt die Thorens Neuzeit

2018 schließlich übernimmt der ehemalige Denon/Deutschland- und spätere ELAC-Geschäftsführer Gunter Kürten das Unternehmen von Heinz Rohrer. Für die Marke sollte sich dieser Besitzerwechsel als Glücksfall entpuppen, weil Kürten den Laden mit der ihm eigenen Energie erstaunlich schnell umkrempelte und wieder flottmachte. Als hätte er geahnt, dass er mal Besitzer einer der namhaftesten Plattenspieler-Schmieden der Welt werden würde, hatte Kürten schon Jahre vorher „geübt“ und bei Elac das große analoge Erbe wiederbelebt: Unter dem Label Miracord verkauften die Kieler in den 1970er Jahren Plattenspieler im siebenstelligen Bereich und waren einer der größten Phono-Anbieter der Republik. Mit dem Miracord 90 landete Kürten gleich einen Volltreffer.

High End 2018 Thorens Gunter Kürten
Gunter Kürten auf der HIGH END 2018 – kurz nach Übernahme von Thorens (Foto: R. Vogt)

Kürten hatte also schon vor dem Einstieg zu Thorens jede Menge Erfahrung und die richtigen Kontakte, zum Beispiel nach Taiwan, wo heute ein Großteil der Thorens Plattenspieler entsteht – natürlich unter Qualitätsgesichtspunkten, wie sie auch im Schwarzwald kaum besser waren.

Und dann ging es los. Kürten stellte zuerst die ambionierten, aber viel zu teuren Plattenspieler der 900er Serie ein und holte mit bezahlbaren Modellen der 200er- und 400er Linie finanziell Luft, bevor er dann seine Herzensangelegenheiten vorantrieb: Zunächst den TD 1600/1601, der in der Tradition des 160ers daherkommt und mittlerweile anerkannt und erfolgreich ist, sowie, ein Jahr später, das ebenfalls bestens gelungene Remake der Ikone TD 124 – allerdings mit einem heute sehr viel besser zu beherrschenden Direktantrieb.

Thorens TD 124
Der TD 124 in der nochmals nobleren Jubiläums-Sonderversion (Grafik: Thorens)

Dass Kürten noch viel größere Dinge im Kopf hat, demonstrierte er auf der diesjährigen HIGH END in München. Dort nämlich präsentierte Thorens die Wiederauferstehung des legendären Reference – jetzt als New Reference. Die Maschine ist riesig und in der Lage, bis zu 3 Tonarmbasen aufnehmen. Normalerweise ist es mit dem neu entwickelten TP160-Schneidlager-Tonarm in 12“ Länge und durchgehender Silberverkabelung bestückt, gern wird der Thiele TA01 Tonarm (im Bild hinten) hinzumontiert.

Der Clou am New Reference: Ein elektronische, leider sündhaft teure Vibrationsunterdrückung aus der Medizintechnik verhindert effizientjedes Durchdringen von Schwingungen auf das Chassis und die Tonarme. Und natürlich ist der Quartz-überwachte Antrieb des Riemen-getriebenen Monsters auf einen Gleichlauf quasi mit null Schwankungen getrimmt.

Thorens New Reference
Der Thorens New Reference ist eine analoge Trutzburg besonderer Art: Sie ist extrem schwer und hat zudem eine – erstmals bei Plattenspielern verwendete – elektronische Schwingungsunterdrückung eingebaut (Grafik: Thorens)

Es ist kein Geheimnis, dass sich Kürten und sein Vorgänger Heinz Rohrer freundschaftlich zugetan sind, obwohl sie vom Typ her recht verschieden sind und die Dinge unterschiedlich angehen. Doch eines hat sich Kürten bei dem klugen Herrn Rohrer abgeschaut: Er lässt seine Projekte von Leuten umsetzen, die noch mehr davon verstehen als er selbst. Da ist zum einen Helmut Thiele, der mittlerweile zu den größten Plattenspieler-Experten der Republik zu zählen ist. Thiele hinterlässt fast in jedem neuen Plattenspieler oder Tonarm seine Spuren und Ideen. Die New Reference ist mechanisch wie optisch zum Großteil Thieles Werk. Oder der Elektronik-Altmeister Walter Fuchs, der für Thorens alles Elektronische entwickelt – wie zum Beispiel die hoch ambitionierte Vorstufe TPP1600.

Thorens P1600
Die Thorens Vorstufe TPP1600 mit bis zu sechs (!) Steckplätzen für Phonoplatinen wurde als Prototyp auf der HIGH END 2022 vorgestellt. Auch sie soll jetzt fertig werden und etwa 6.000 Euro kosten (Foto: H. Biermann)

Ein echter Coup gelang Kürten mit der Neuauflage der Soundwall Dipol-Lautsprecher, die jetzt in der Thorens-Neuzeit HP 600 heißen. Für dieses Projekt konnte Kürten Joachim Gerhard gewinnen, der ja weltweit als Koryphäe gilt und auch schon einige Erfahrungen mit großflächigen Dipol-Speakern sammeln konnte.

TZhorens SoundWall HP600
Die Thorens HP 600 – Dipolstrahler mit hohem Wirkungsgrad und sehr feinem Klang. Paarpreis: 22.000 Euro (Foto: Thorens)

Auf der HIGH END 2023 konnten Laufwerk und Dipol-Speaker schon einmal zeigen, was sie können: Es klang großartig und gab eine Andeutung davon, was Kürten noch alles bewegen will: Da hat einer noch viel und Großes vor. Oder im Umkehrschluss: Da haben wir noch viel zu erwarten …

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Autor: Andrew Weber