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Marantz 4240
Marantz hat zwar eine wechselvolle Geschichte, aber fast durchgehend beeindruckende Komponenten wie den Receiver 4240 im Programm (Foto: Catawiki)

70 Jahre Marantz: So muss guter Klang aussehen!

Der amerikanische Traum beginnt üblicherweise in einer Garage. In der Regel haben zwei (männliche) Freunde eine Idee, die sie im Schlafgemach eines Automobils austüfteln, um dann mit dem daraus entstehenden Produkt mega-erfolgreich zu werden. Die Garage von Bill Hewlett und David Packard in Palo Alto (Kalifornien) ist dafür ein perfektes Beispiel, denn sie hat sich zu einer Art Wallfahrtsort entwickelt. Der Autounterstand verfügt sogar über einen eigenen Wikipedia-Eintrag und gilt als „Geburtsort des Silicon Valley“. Dem Onlinelexikon nach gab es zahlreiche dieser „Garagenfirmen“: Harley-Davidson, Mattel, Apple oder Google, um nur einige zu nennen. Was auch immer daran wahr oder Legende ist, sei dahingestellt, doch die folgende Geschichte von Saul B. Marantz ist echt und beweist, dass es auch ohne Garage, oder einen Kumpel klappen kann. Ein Rückblick auf 70 Jahre Marantz.

Saul Bernard Marantz
Saul Bernard Marantz als junger Mann. Marantz war ausgebildeter Grafikdesigner und stets der Meinung, dass HiFi-Geräte nicht nur gut klingen, sondern auch gut aussehen müssen (Foto: Marantz)

Saul kam als ältestes von drei Kindern am 7. Juli 1911 in Brooklyn, New York, zur Welt. Obwohl er schon als Junge Interesse und Geschick im Umgang mit technischen Dingen zeigte, blieb ihm eine technische Ausbildung oder gar ein Ingenieursstudium verwehrt. Seine Eltern waren knapp bei Kasse, so war der Teenager gezwungen, bereits nach der achten Klasse die Schule verlassen, um die Familie finanziell zu unterstützen. Der Technik-Journalist Len Schneider, der seinerzeit noch mit Zeitzeugen sprechen konnte, schreibt in seiner Anfang der 2000er-Jahre erschienenen Marantz-Biografie („Marantz: The Man And The Company“), dass Saul sich zunächst als Bote verdient habe, wieder gefeuert wurde, um schließlich einen Ausbildungsplatz als Grafikdesigner zu ergattern.

70 Jahre Marantz: Ein Formatkrieg als Inspiration

Er war offenbar begabt und arbeitete nach der Lehre für renommierte Kunden wie Hanes (New Yorker Bekleidungsgeschäft) oder General Electric. Wir überspringen ein paar Jahre bis zum 17. März 1939, dem Tag, an dem Saul in New York City Jean Dickey während der Feierlichkeiten zum St. Patricks Day kennenlernte. Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, denn nur ein Jahr später heirateten sie. Jean war Akademikerin, die zudem ein mathematisches Talent besaß, das sich für Saul B. Marantz noch als äußerst wertvoll herausstellen sollte. Sie zogen in ein Haus in Kew Gardens, das jedoch den Nachteil hatte, dass die Autos draußen bleiben mussten – es standen nur Laternenparkplätze zur Verfügung. Dafür gab es einen Keller. Dieser sollte Saul Marantz‘ „Garage“ und der Ort seiner ersten technischen Gehversuche werden. Und das kam so:

Saul hatte sich im Laufe der Jahre gute Kenntnisse im klassischen Gitarrenspiel angeeignet und war gemeinsam mit Ehefrau Jean Mitglied der New York City Classical Guitar Society. Darüber lernte die Familie den populären Gitarristen Andres Segovia kennen und befreundete sich mit ihm, er war ein gerngesehener Gast in Kew Gardens. Musik spielte also bei Mr. und Mrs. Marantz ganz deutlich eine große Rolle. Klar, dass da dann irgendwann auch der Wunsch entstand, musikalische Aufzeichnungen, sprich Schallplatten abzuspielen. HiFi fing gerade an zu boomen, JBL (noch unter Lansing Sound firmierend) etwa brachte bereits 1947 den ersten Lautsprecher für das heimische Wohnzimmer auf den Markt – das Model D-1000.

Im selben Jahr begann Saul Marantz an einem eigenen Verstärker zu basteln. Der Grund: Er war – wie alle Gründungsväter damals – unzufrieden mit der Wiedergabequalität. Nicht, wie man heute vielleicht annehmen könnte, weil die Geräte eine grundsätzlich schlechte Qualität aufwiesen. Bei dem genannten Model D-1000 von JBL handelte es sich immerhin um eine leistungsstarke Zwei-Wege-Bassreflex-Box. Ursache des Problems waren die Produzenten von Schallplatten. Sie befanden sich – ähnlich wie in späteren Zeiten in Europa die Videosysteme Betamax, VHS und Video 2000 – in einem Formatkrieg. Jedes Label setzte bei der Herstellung auf eine eigene Schneidkennlinie, die es bei der Wiedergabe der Platte zu entzerren galt. Bis die AES (Audio Engineering Society) 1955 den RIAA-Standard festlegte, war es somit mehr oder weniger dem Zufall überlassen, ob eine Scheibe gut oder schlecht klang.

Ein Zustand, den Saul nicht hinnehmen wollte und so fing er an, einen Vorverstärker zu konstruieren, der 36 unterschiedliche Entzerrungen beherrschte. Ein Novum in der Verstärkertechnik, das sich schnell herumsprechen sollte. Der Name des Vorverstärkers: „Audio Consolette“. Jean hatte dank ihrer mathematischen Intelligenz kräftig an der Entwicklung der Consolette mitgeholfen, indem sie komplexe Gleichungen löste und die korrekten Werte für zahlreiche interne Schaltungskomponenten berechnete. Jean Marantz war also der zweite schlaue Kopf in dieser Garagen-, Verzeihung, Kellergeschichte des amerikanischen Traums, der gerade anfing Wirklichkeit zu werden. Nach vielfachem, positivem Feedback war sie es auch, die ihn 1952 ermunterte, eine erste Kleinserie zu starten. 100 Geräte sollten es zum Start sein.

Marantz Consolette
Die Marantz Consolette war der erste von vielen Meilensteinen (Foto: Marantz)

Der Ingenieur Gerd Redlich hat auf seiner Seite des HiFi-Museums ein Interview veröffentlicht, das er in einer Ausgabe der nahezu unbekannten und beinahe vergessenen deutschen Zeitschrift „digital audio“ von 1987 entdeckt hat. Ein schöner Fund und absolut lesenswert. Die Kollegen hatten Saul B. Marantz 1986 besucht und einige Details erfahren, die es auch heute noch wert sind, zitiert zu werden. So berichtete der damals 75-jährige Marantz, dass er für die Produktion der ersten 100 Geräte die Unterstützung von zwei Mitarbeiterinnen hatte, die die Verkabelung übernahmen. Und: „Nachts kamen zwei Männer von IBM, die die schwierigen Dinge erledigten“. Was auch immer er damit im Detail meinte, es wird dadurch deutlich, dass es sich seinerzeit um einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb gehandelt haben muss. Logisch, dass Saul Marantz, schnell die Grenzen des Wachstums erkannte. Die Nachfrage wuchs und entsprechend sollte die Produktionskapazität steigen. Marantz selbstkritisch: „(Ich hatte) gar nicht die entsprechende Ausbildung dazu, so ein Projekt professionell anzugehen. Für Probleme und Tests habe ich gleich Sydney Smith angestellt, der den zur Audio Consolette passenden Endverstärker Model 2 schuf.“

Die 50er Jahre: Das Unternehmen wächst, Fachleute werden gebraucht

Sydney Stockton Smith, genannt Sid, sollte sich für Saul Marantz als Glücksgriff herausstellen. Er passte zudem blendend in das nun entstehende – Musik liebende – Trio, denn bei Smith handelte es sich wahrhaftig um einen ausgebildeten Opernsänger. Dieser hatte auf ein Engagement an der Metropolitan Opera gehofft und zog deshalb gemeinsam mit seiner Frau Marylin (Violinistin) eigens an die Ostküste. Doch zu dieser Zeit gab es dort viele Operntenöre ohne Beschäftigung. Die Träume zerschlugen sich. Opernsänger war jedoch erst Sids zweite Berufswahl. Während seines Wehrdienstes hatte er bereits eine Ausbildung zum Elektroniker absolviert und war dort für die Wartung von Peilsendern in Flugzeugen zuständig. Danach stieg er in die Audio-Verstärkerentwicklung ein. Ende der 1940er-Jahre konstruierte er in Chicago etwa den ersten von Radio Craftsmen hergestellten Verstärker „C500/500A Williamson Triode“. Klar, dass Saul Marantz ihm gleich einen Job gab.

1953 schließlich wurde die Marantz Company in Long Island gegründet und Saul und Sid gaben Gas. 1954 erschien der Nachfolger der Audio Consolette, das Model 1, das unter anderem über einen Tape-Monitor-Schalter und einen TV-Eingang verfügte.

Marantz Model 1
Das Model 1 von 1954. Wie auch bei der Consolette lassen sich schon erste Grundzüge der markanten Marantz-Optik erkennen (Quelle: Archiv)

Zwei Jahre später kam der erste Endverstärker auf den Markt, das bereits oben genannte Model 2. Ein 40 Watt Trioden Mono HF-Verstärker mit EL34-Röhren, der bis 1959 im Programm bleiben sollte (letzte Ausführung war das Marantz Model 2A). Mit einem Schalter ließ sich der Mono-Verstärker vom Ultralinear-Modus in den Trioden-Modus versetzten, um mehr Leistung zu erzielen – 40 Watt statt 20 Watt.  Ein „technischer Trick“, der auch 2023 noch zur Anwendung kommt, etwa bei vielen Modellen von Cayin oder Canor.

Marantz Model 5
Bei der Endstufe Model 5 aus dem Jahre 1958 war man noch auf der Suche nach dem richtigen Design… (Foto: Marantz)

Das langsame, aber unaufhaltbare Aufkommen der Stereo-Schallplatte im Jahr 1957, ließen Marantz und Smith hellhörig werden und bereits im Dezember 1958 konnten die Zwei der wachsenden Fangemeinde den ersten Stereo-Vorverstärker präsentieren, das Model 7. Der Amp war mit einer einzigartigen dreistufigen Phonoschaltung ausgestattet, die sechs ECC83/12AX7-Röhren enthielt und die später als „Marantz-Schaltung“ zur Legende wurde.

Jeder Kanal nutzte drei 12AX7-Röhren, der Frequenzgang reichte von 20Hz – 20kHz +/- 0,5dB, der Rauschabstand lag bei -80dB. Auch das für Saul Marantz typische Design wurde hier verwirklicht – eine Frontplatte aus gebürstetem Aluminium, auf der sich links und rechts zwei Reihen von je vier Drehschaltern befinden, die mittig von vier Kippschaltern flankiert werden – allesamt symmetrisch angeordnet. Der Amp kam in einem Ganzmetallchassis, die Gehäusewände bestanden aus Aluminium, auf Wunsch gab es ein optionales Holzgehäuse. Das Gerät wurde ein absoluter Hit und soll in seiner gut zehnjährigen Produktionszeit mehr als 130.000-mal über die Ladentheke gewandert sein. Das Model 7 wird heute zu exorbitant hohen Preisen auf dem Gebrauchtmarkt angeboten – Preise um 10.000 US-Dollar sind keine Seltenheit – wenn man überhaupt eines bekommt.

1959 wird die erste Stereo-Endstufe, das Model 8, der Öffentlichkeit präsentiert, auf die kurz darauf das modifizierte Model 8B folgt. In der 8B verwirklichte Sidney Smith erstmals eine Gegenkopplungsschaltung, die auch für die Monoblöcke des Model 9 (1960) verwendet wurde. Unter Einsatz von EL34-Röhren erzeugte diese Endstufe im ultralinearen Parallel-Push-Pull-Design 70 Watt Leistung. Neue Designelemente kamen zur Anwendung, wie etwa ein abnehmbares Frontplattentürchen, das den Zugang auf weniger häufig genutzte Bedienelemente freigab. Augenfälligstes Merkmal des Model 9 war aber ein rundes Bias-Instrument, das zentral auf der Aluminium-Front thronte.

Marantz Model 9
Mit dem Model 9 führte Marantz das runde Zeigerinstrument auf der Front ein (Foto: Marantz)

Saul hatte längst erkannt, dass das Design von Audio-Komponenten für die Kunden einen ebenso hohen Stellenwert hatte, wie die Klangqualität des Produkts. Er bewegte sich mit dieser Erkenntnis auf gleicher Linie mit anderen, erfolgreichen HiFi-Designern dieser Zeit, wie etwa Alvin Lustig (JBL) oder Dieter Rams (BRAUN).

Die 60er Jahre: Ein Superlativ macht Probleme

1961 stieß Richard „Dick“ Sequerra zum Team. Er muss eine hochintelligente und recht selbstbewusste Erscheinung gewesen sein. So lehnte er eine akademische Laufbahn trotz Angeboten von der New York University und aus Harvard ab. Die Bezahlung war ihm schlicht zu schlecht, wie er in einem sehr lesenswerten Interview, das David Lander von Stereophile 2009 mit ihm führte, verriet. Zitat Sequerra: „Ich bin ein sehr schwieriger Mitarbeiter“. Ob Saul Marantz davon wusste, ist nicht bekannt.

Richard Sequerra
Richard „Dick“ Sequerra kam 1961 ins Marantz-Team nach New York. Ein genialer Kopf (der Vater des Tuners Model 10), der sich allerdings sogar selbst als „sehr schwieriger Mitarbeiter“ bezeichnete (Foto: Archiv)

Tatsächlich brauchte Sid Smith dringend Unterstützung, denn er war bis dahin der einzige Entwickler im Team. Dick Sequerra kam also. Eine folgenreiche Entscheidung in jeder Hinsicht. Trotz aller Eigenheiten war Sequerra ein Bewunderer von Smith: „Sidney war der fähigste Ingenieur, den ich bis heute kennenlernen durfte – einer von einer Million, was seine Fähigkeiten angeht.“ So blieb Dick nicht untätig und schuf Legenden. Nur ein Wort: Oszilloskop. Sequerra implantierte wahrhaftig ein Oszilloskop – nicht nur zur Feinabstimmung – in ein Tuner-Gehäuse. Ein Messinstrument, das bis dahin ausschließlich in der Labortechnik Verwendung fand. Sein Argument: „Wir müssen uns abheben.“ Sein Werk: Der Tuner Marantz Model 10.

Marantz_Model_10
Gehört immer noch in die Riege der absoluten Spitzentuner: der Marantz Model 10 (Quelle TMR Audio)

Drei Jahre entwickelte er an dem Radioempfänger, bis dieser 1964 erschien. Präziser ging es damals nicht, teurer allerdings auch nicht. Das nun realisierte Oszilloskop hatte unter anderem die Aufgabe eine niemals dagewesene Senderabstimmung zu ermöglichen, ebenso zeigte es die ankommende Signalstärke, möglicherweise anliegenden Mehrwegeempfang und anderes mehr an. Versierte Nutzer sollten gar die Stereotrennung von Sendungen, Schallplatten und anderen Quellen überprüfen können. Und natürlich steckte noch so viel mehr in dem Model 10. So viel mehr, dass es den Rahmen hier sprengen würde, im Detail darauf eingehen zu wollen.

Es wundert daher nicht, dass das erste Model 10 extrem aufwändig zu produzieren war. Auch nicht, dass es zunächst unter bestimmten Bedingungen Zicken machte. So wurden knapp 100 Exemplare produziert, da erschien bereits das modifizierte Model 10B auf dem Markt. Das funktionierte zwar einwandfrei, blieb aber teuer. Dies nicht nur im Einzelhandel, der 750 US-Dollar (Deutschland: 4.500 D-Mark) für den Tuner aufrief. Auch die Herstellung schlug heftig ins Kontor. So sehr, dass Saul Marantz schließlich Schwierigkeiten hatte, die Gehälter auszubezahlen. In einem Gespräch mit Marantz, das in der „Vacuum Tube Valley“ (Ausgabe 6/1996) dokumentiert ist, sagte dieser im Rückblick zum Tuner Model 10B: „(…) Obwohl wir 750 Dollar im Einzelhandel verlangten, hatte ich stets das Gefühl, ich würde noch hunderte Dollar zusätzlich in jeden Karton stecken. Dreieinhalb Jahre hatte es gedauert, das Teil zu entwickeln und die Kosten dafür waren enorm! Sogar meine Frau musste Finanzmittel ins Unternehmen einbringen. Tatsächlich hatten wir mit dem Gedanken gespielt, den Laden zu schließen, um irgendwie aus der Sache rauszukommen, bis wir dann das Angebot von Superscope bekamen.“

Sequerra übrigens, hat sich später für die ausufernden Kosten, die durch das Model 10 entstanden waren, bei Saul Marantz entschuldigt. Zitat (aus Stereophile): „Wenn ich ein so guter Designer bin, sollte ich in der Lage sein, Dinge herzustellen, die viel günstiger sind und genauso gut klingen.“ Allen Unkenrufen zum Trotz stellte Marantz – trotz des irrwitzig hohen Preises – insgesamt 5000 Exemplare des Model 10B her.

Das Unternehmen wird (erstmals) verkauft

Ende 1964 wird die Marantz Company schließlich an Superscope verkauft. Supercope hatte einst ein Breitbandfilmformat entwickelt, das günstiger war als das konkurrierende Cinemascope. Das Format konnte sich jedoch am Markt nicht durchsetzen, der Name blieb. So suchten die Inhaber, die Brüder Irving und Joseph Tushinsky nach neuen Investitionsmöglichkeiten, besonders im Segment der Unterhaltungselektronik, mit der sie sich bereits auskannten. Geld war vorhanden, denn die Tushinskys hatten bereits seit 1957 die exklusiven Vertriebsrechte für SONY-Produkte in den USA … Darüber hinaus dürfte Joseph Tushinsky dem Marantz-Gründer nicht ganz unsympathisch gewesen sein. Denn er war ein ausgebildeter Trompeter und spielte unter anderem im NBC Symphony Orchestra unter Arturo Toscanini und leitete zeitweise die Carnegie Hall Light Opera. 1943 zog es ihn nach Hollywood, wo er gemeinsam mit seinem Bruder Irving das Supercope-Verfahren entwickelte.

Der Verkauf bedeutete zwar auch ein Ende der New Yorker Produktion, doch Saul B. Marantz und sein Entwickler-Team blieben noch für über drei Jahre. Die Company zog nach Sun Valley in Kalifornien um, alles wurde größer, auch die Mitarbeiterzahl verdreifachte sich. Neue Geräte kamen auf den Markt. Hatte Marantz bisher stets auf Röhren gesetzt, waren ab Mitte der 1960-Jahre Transistoren angesagt. So basierten auch die Vorstufe Model 7T und die Endstufe Model 15 auf eben diesen Halbleitern.

Marantz Model 7T
Das Marantz Model 7, hier in einer neueren Version aus dem Jahre 1965, die bereits mit den runden Kippschalter-Elementen ausgestattet ist (Foto: Catawiki)

Der Markt verlangte es, der Namensgeber des Unternehmens indes war zunächst nicht so angetan. Saul Marantz (digital audio, 1987): „Wir produzierten simultan ein Modell mit Röhren und eines mit Transistoren, wobei wir in der Entwicklung anstrebten, dass die Messwerte der neuen Transistortechnologie aufs Haar genau denen der Röhren entsprachen. Nach langen Messungen und aufwändigstem Abgleich hatten wir unser Ziel auch erreicht. Aber – ich muss es gleich sagen, und heute kann ich es auch offen zugeben – das Transistorgerät klang vergleichsweise wirklich lausig, trotz exakt gleicher Messdaten. Das Ohr ist einfach ein besseres Messinstrument als es unsere damaligen Messplätze waren.“

Es folgten weitere Produkte, wie etwa der Tangential-Plattenspieler SLT-12U, der in Europa nie angeboten wurde und der auch nicht wirklich sauber funktioniert haben soll. Saul Marantz hatte vor dem Projekt des SLT-12U gewarnt und sollte Recht behalten. Tangentialplattenspieler sind konstruktiv sehr schwer zu realisieren, Thorens hatte seinerzeit bereits ein solches Projekt begraben. Technics, als Tochter des Elektronikriesen Panasonic mit einem mächtigen Forschungsbudget, hatte indes bereits 1966 den 100P auf den Markt gebracht. Einen „Linear Tracking System Turntable“ mit Riemenantrieb und der funktionierte.

Marantz SLT-12U
Der Verstärker- und Tuner-Spezialist Marantz versuchte sich auch an einem Tangential-Plattenspieler: dem SLT-12U. Er wurde kein Erfolg… (Foto: Marantz)

Das letzte Gerät, das dem Trio Marantz, Sequerra und Smith entstammte, war der 1968 erscheinende Receiver Model 18. Hier passte nun auch der Klang, Saul war zufrieden und verließ gemeinsam mit Dick und Sid Ende 1968 das Unternehmen. Marantz: „Meine Aufgabe war erfüllt, es gab nichts weiter mehr für mich zu tun, und ich war ja auch nicht mehr der Eigentümer.“

Model Eighteen von 1968
Im Model 18 kamen schon viele Design-Elemente zueinander, die später den Auftritt der großen Receiver-Generationen bestimmen sollten (Quelle: HiFiWiki)

In den Ruhestand ging der umtriebige Tüftler und Designer jedoch nicht. So gründete er ein paar Jahre später mit Jon Dahlquist das gleichnamige Lautsprecherunternehmen, oder noch später mit weiteren Wegbegleitern, die Firma Lineage.

Das neue Management indes blieb nicht untätig. Aufgrund guter Kontakte nach Japan verlegte man bereits ab 1965 einen Teil der Produktion in das Land der aufgehenden Sonne. Im Laufe der Jahre sollten nur mehr einige wenige Geräte das Marantz-Werk in den Vereinigten Staaten verlassen – die sogenannte A-Linie, der überwiegende Teil wurde in Japan hergestellt. Das Sortiment wurde größer, die Marke bekannter. Zu Beginn der 1970er-Jahre kamen neue Verstärker auf den Markt, die sämtlich unter der Leitung des neuen Chefingenieurs Dawson Headley entstanden, den Saul Marantz noch persönlich angeworben hatte.

Jospeh Tushinsky jedoch wollte mehr, das Unternehmen sollte wachsen und so investierte er in eine Lautsprecherentwicklung. Dafür konnte er niemand geringeren als Bart Nicholas Locanthi gewinnen, der vorher als Chefentwickler für JBL tätig war. Locanthi war Absolvent des California Institute of Science und erwarb sich bis in die 1980er-Jahre einen ausgezeichneten Ruf in der Audio-Industrie. So entwarf Locanthi das 1217-1290 Horn für den 175er-Treiber von JBL (siehe auch LowBeats History von JBL). Hadley und Locanthi machten einen Gegenentwurf zur damals äußerst erfolgreichen JBL L100, die Marantz Imperial Seven. Typisch für diese Zeit war ein dreistufiger Schalter auf der Rückseite der Box, mit dessen Hilfe man den „Klang an die Raumakustik anpassen“ konnte. Ein Feature, das sich bis heute gehalten hat (zum Beispiel bei einigen Modellen von Q Accustics oder Dynaudio), ist ein herausnehmbarer „Stöpsel“, der den Bass entweder verstärkt, oder reduziert. Hohe Anerkennung genossen auch die von Edmund May entwickelten Lautsprecher der HD-Linie, mit denen Marantz ins High-End-Segment vorstieß.

Das klassische Marantz-Design hatte sich längst gefunden und damit kommen wir in die Zeit der großen und großartigen Marantz-Receiver. Ich persönlich kenne keinen meiner HiFi-Freunde, der nicht wenigstens einmal in seinem HiFi-Leben von einem dieser außergewöhnlichen „Marantze“ geträumt hätte.

Der Klassiker Marantz Model 2238B aus dem Jahre 1978
Der Klassiker Marantz Model 2238B aus dem Jahre 1978, restauriert 2016 von der HiFi-Zeile in Worpswede. In diesem Zustand kostet der 2238B zwischen 1.500 und 2.000 Euro (Foto: H. Biermann)

Ein gewisser Tom Blumenhofer (der nicht nur zufällig so heißt wie die ikonischen Horn-Lautsprecher aus dem Allgäu…) hatte offenkundig viele Träume von diesen Receivern und hat sie einfach fast alle gekauft. Und sie sind bei ihm beileibe nicht nur Zier; ab und an holt er sich einen aus dem Regal und hört damit seine Hörner. Bluemenhofer kann jedenfalls die meisten seiner Marantz-Preziosen klanglich sehr genau einordnen.

Marantz-Sammlung Blumenhofer
Eine unglaubliche Pracht, die man vielleicht in einem Marantz-Museum vermutet hätte. Das gibt es aber leider nicht. Tom Blumenhofer hat das Seine getan, um die schönsten Modelle ihrer Art zu retten (Foto: H. Biermann)

Ein bestimmter Receiver darf in dieser Aufzählung nicht fehlen. Das Monster wie er oft genannt wird, oder wie die US-Audio es im Erscheinungsjahr 1974 im ersten Satz beschrieb: „Zunächst einmal ist er groß.“ Die Rede ist vom Marantz Model 4400 Quadraphonic. DIN-Sinusleistung 2x 180 Watt an 8 Ohm oder 4x 90 Watt an 8 Ohm. 24 kg schwer, 49 cm breit, 14,6 cm hoch und 38,6 cm tief. Preis 1974: 1.250 US-Dollar (rund 3.250 DM). Ohne Zubehör, das man – je nach System (4-4-4 oder 4-2-4) – für die Wiedergabe von Quadrophonie brauchte.

Schon der Grundpreis machte fast die Hälfte dessen aus, was ein neuer VW Käfer 1200 L in dem Jahr in West-Deutschland gekostet hatte: 6.950 D-Mark. Ausstattet war das Model 4400 reichhaltig, unter anderem mit einem UKW-Dolby. Das war eine Rauschunterdrückung für die Rundfunkübertragung, die es in Deutschland allerdings nie gegeben hat.

Der legendäre Quadro-Receiver Marantz 4400. Das Bild fanden wir beim Revidierungs-Spezialisten VIntage Audio

Was funktionierte, war das bekannte Oszilloskop zur Feinabstimmung, das hier um das eher nutzlose Feature „Scope Display“ erweitert wurde – es pulsierte bei der Musikwiedergabe. Spielkram, ja, aber das Model 4400 überzeugte durchaus ob seiner technischen Qualitäten. Len Feldman, damals Redakteur bei der US-Audio, war jedenfalls sehr beeindruckt. Zitat: „Der Marantz 4400 ist ein hervorragendes Stück Elektronik für sich, wenn auch kein universeller Vierkanal-Receiver, es sei denn, Sie geben etwas mehr Geld aus als die Anfänglichen 1.250 Dollar, die für den Kauf des Receivers erforderlich sind.“

Auch heute noch ist der Marantz Model 4400 ein beeindruckendes Vintage-Gerät, das allerdings nicht kaputtgehen sollte. Der HiFi-Museums-Betreiber Gerd Redlich, der schon so manches historisches Stück HiFi wieder zum Laufen bekommen hat, bekam es nicht hin, sein Erbstück wieder zum Spielen zu bringen. Er ist der Meinung, dass wohl die meisten, die es könnten, bereits von uns gegangen sind …

Marantz 4400 Inside View
Die Technik des Marantz Model 4400 erinnert stark an einen Jaguar 12-Zylinder-Motor jener Tage: Bis zum letzten Quadratzentimeter ausgefüllt mit irrwitzig komplexem Aufbau, der nicht kaputt gehen darf, denn das Teil ist schwer zu reparieren (Foto: G. Redlich)

1978 feierte Marantz seinen 25. Geburtstag und war erfolgreicher denn je. Man war ein „Vollsortimentler“ im HiFi-Segment geworden. Es gab Verstärker und Receiver für Einsteiger, Aufsteiger und High-Ender, eine Auswahl an Plattenspielern und Kassettendecks, selbst Racks waren im Angebot. Auch an Tonbändern und Fernsehern hatte man sich versucht. Vor allem blieb man bei dem, was man konnte, so stellte Marantz die hochwertige Esotec-Serie vor und heimste bald darauf von der Zeitschrift „Stereo Sound“ eine Auszeichnung für die Endstufe SM1000 ein. Ein 5000 US-Dollar teures Modell.

Marantz ESOTEC 1980
Anzeige für die edle Marantz ESOTEC-Baureihe von 1980 (Foto: Archiv)

Viel Geld, ein Testredakteur des Fachmagazins ETI (Australien, Ausgabe 6/1981) empfand den Preis seinerzeit aber eher als eine Frage des Geschmacks: „Der Marantz SM1000 Verstärker ist in der Lage (…) mit dem wahren Elan eines Profis hervorragende Leistungen zu erbringen. Bei einem Verkaufspreis von 4999,00 $ ist zu erwarten, dass viele Leser das Interesse verlieren werden – aber nicht alle – denn der Preis ist wie die Qualität eine Form der Schönheit, die im Auge des Betrachters liegt.“

Auch das darf nicht unerwähnt bleiben: 1978 war auch das Jahr, in dem er erstmals bei Marantz in Erscheinung trat: Ken Ishiwata. Er kam von Pioneer zu Marantz Europa und wir werden noch von ihm hören.

Die 1980er Jahre…

…starten mit dem Verkauf an Philips. Mit Anbruch des neuen Jahrzehnts sah es in den Büchern von Marantz nicht mehr rosig aus. Gerüchten zufolge hatte Superscope Geld verschwendet. Was auch immer daran stimmte, der Konzern geriet in eine finanzielle Schieflage und beschloss die Rechte an dem Namen Marantz, ebenso wie die Werke in Asien an Philips zu verkaufen. Die noch verbliebene Restproduktion in den USA wurde geschlossen. Philips war damals eine große Nummer in der Unterhaltungselektronik, besonders Fernseher der Niederländer waren etwa in Deutschland beliebt. Im HiFi-Segment wurde sie jedoch eher nicht wahrgenommen, hier dominierten vor allem bei den jungen Leuten, Namen wie Sony, Onkyo, Kenwood und Technics, aber eben auch Marantz. Philips konnte also eine starke Marke im HiFi gut gebrauchen. Genauso brauchte Marantz einen Partner im Bereich digitaler Audiotechnik, in die Unternehmen wie Denon schon kräftig investiert hatten, und die bereits 1972 erste Digitalaufnahmen anfertigten. Apropos Sony: Philips hatte gemeinsam mit den Japanern die CD entwickelt. Den ersten CD-Player brachten sie 1982 nun nicht unter dem Namen Philips auf den Markt, sondern auf dem CD-63 prangte der Name Marantz. Ein OEM-Produkt des CD-100 – hergestellt in Belgien.

Marantz CD-63
Der Marantz CD-63 kommt im Herbst 1982 auf den Markt. Im Herzen ein Philips CD-100, hergestellt in Belgien (Foto: Marantz)

Ken Ishiwata

Hier kommt auch Ken Ishiwata wieder ins Spiel. Der Produktentwickler, der schon als Kind Musik über das Model 7c gehört hatte, kniete sich in die Digitaltechnik. Ein Wissen, das er bald darauf besser anzuwenden wusste als manch anderer. Als bereits nach kurzer Zeit die Preise für CD-Player in den Keller gingen, hatte man bei Philips noch jede Menge 14-Bit-Chips übrig. Kunden verlangten aber nun nach den aktuellen 16-Bit-Prozessoren in CD-Spielern. Man überlegte, einen Billig-CD-Spieler auf den Markt zu werfen, dem Ishiwata vehement widersprochen haben soll. Stattdessen machte er das, was seinen Namen zur Legende werden lassen sollte: Er tunte die Geräte, die „KI Signature“ (KI für Ken Ishiwata) war geboren und sie kam bei Fachleuten wie Musikliebhabern gleichsam gut an. Denn die von Ishiwata getunten 14-Bitler klangen hervorragend – womöglich besser als die 16Bitler der Mitbewerber…

Die ersten Sondermodelle von Ihm hießen noch Limited Edition (LE): Das Modell Marantz CD-45 Limited Edition soll in den ersten zwei Wochen des Verkaufs 2000 Mal über den Ladentisch gegangen sein – genauso viele wie noch 14-Bit-Chips auf Lager waren. Klar, dass es danach jede Menge von KI Signatures gab. Die Idee wurde natürlich auch kopiert, aber keiner konnte die Qualität von Ishiwata erreichen, denn er ging beim Klang keinerlei Kompromisse ein. Es folgte die CD-65 und CD-75 Special Edition, dann kam jedes Jahr einen neue Edition auf den Markt. Ken Ishiwatas persönlicher Lieblings-CD-Spieler war übrigens das Modell CD-63SE in der KI-Signature-Version. Ishiwata war ein kenntnisreicher Klangtüftler, der sehr viel um die klanglichen Unterschiede von Bauteilen wusste und in den KI-Geräten gar nicht so viel änderte – außer den klanglich relevanten Bauteilen im Signalweg.

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War über 40 Jahre lang bei Marantz für den guten Ton zuständig: der Marantz-Botschafter Ken Ishiwata (Foto: H. Biermann)

Ken Ishiwata war ein besonderer Mensch mit einer besonderen Aura. Hätte man keine Ahnung von seiner HiFi-Geschichte gehabt, hätte man in ihn auch als japanischen Prinzen im Exil einordnen können: kultiviert, dezent und immer auf der Suche nach dem besten Klang. Ohne ihn hätte der Nimbus der Marke Marantz deutlich mehr an Substanz verloren. Anfangs war Ishiwata nur Produktmanager Europa und hatte teilweise die Lautsprecher mitentwickelt. Weil er aber der einzige, wirklich Englisch-sprechende Japaner in Europa war, nahm er als einziger Marantz-Japaner in Europa eine wichtige Moderatorenrolle ein. In dieser Rolle wurde er mehr und mehr zum Botschafter der Marke auf der ganzen Welt.

In Ishiwatas Zeit fallen auch analoge Komponenten, wie der sehr bemerkenswerte Plattenspieler Marantz TT1000. Die Seite Vintagesonic.com stellt zum TT1000 fest: „Selbst nach heutigen Maßstäben ist der Marantz TT1000 einer der traditionell einfachsten, attraktivsten und ausgereiftesten Plattenspieler“. Die Dreher kam mit einem Quarz PLL-Direktantrieb, der Plattenteller allein wog 2,7 kg, das Ganze ruhte in einer Zarge aus Glas. Die Plattenspielerbasis allein brachte mehr als 25 kg auf die Waage.

Marantz TT-1000
Immer noch ein souverän spielendes Laufwerk: der Marantz TT1000 erschien erstmals 1979 (Foto: Marantz)

Die Audio-Entwicklung für Marantz passierte damals komplett in Japan – außer die der CD-Player. Die blieb konsequenterweise in Eindhoven bei Philips. Allerdings kamen die Konzernstartegen auf die Idee, das günstige Philips-HiFi auch unter dem Markennamen Marantz zu vermarkten. Das hat viel Renommee gekostet.

Doch Ende der 1980er wurde Marantz auch im High-End-Segment wieder stark. Ein schönes Beispiel ist hier etwa der CD-Spieler-Bolide CD-11 LE. Der katapultierte sich sofort in die Referenzklasse der Audio (5 Ohren/100 Klangpunkte – mehr ging nicht). In dem 19 Kilogramm schweren Boliden kam unter anderem ein CDM-4 Professional Einstrahl-Schwenkarm-Mechanismus aus Druckguss zum Einsatz, der für die Ewigkeit gebaut schien, so massiv wirkte der.

Die 1990er Jahre

Spätestens jetzt muss ein weiterer Name fallen: Reiner Finck. Der Digitalspezialist kam über den Umweg von Philips zu Marantz und sollte zusammen mit Ishiwata für über 30 Jahre so etwas wie das akustische Gewissen für Marantz werden – und das nicht nur im Digitalbereich.

Aber vor allem im Digitalen lag Marantz damals weit vorn. Auf der IFA 1991 zeigten die Japaner nicht nur den neuen Plattenspieler TT1000 MK II und präsentierten das Music-Link-System, sondern präsentierten auch den weltweit ersten CD-Recorder: den semi-professionellen CDR-1 für 12.000 D-Mark.

Marantz CDR-1
Der erste CD-Recorder der Welt, der Marantz CDR-1, der zunächst nur für Profis zum Rackeinbau angeboten wurde. Doch bald darauf folgte eine Version für die HiFi-Anlage. Der Preis lag bei 12.000 DM (Foto: Marantz)

Der damalige Chefredakteur der HiFi Vision, Uwe Andreesen, war so begeistert von der Technik und der Idee, dass er jedem Exemplar der HiFi Vision eine CD-R beilegen wollte. Allein: es gab nur ganz wenige davon und die waren sackteuer. Aus dem schönen Plan wurde also nichts…

1992 entdeckte der Receiver-Spezialist Marantz auch das Heimkino und stellte mit der SM-80 die erste THX-zertifizierte Endstufe vor. Ein Segment, das Marantz bis heute souverän bespielt. Doch dazu später mehr.

Zunächst noch ein Beispiel für das große digitale Knowhow: 1994 überrascht Marantz die Fachwelt mit dem ersten Audio-Computer, dem AX-1000. Dieser sollte schon damals (!) zu Hause für eine automatische Raumentzerrung sorgen. Der aus Surround-Receivern bereits bekannte DSP war ebenfalls verbaut und simulierte so auf Wunsch verschiedene Konzertsäle, wie zum Beispiel den Großen Wiener Musikvereinssaal oder die Londoner Royal Albert Hall. Auch Kratzgeräusche von der LP konnte der AX-1000 erfolgreich unterdrücken und noch vieles andere mehr.

Maramntz AX1000
Nahm in vielen Bereichen die Entwicklung vorweg: der Audio-Computer AX-1000 für 30.000 D-Mark (Foto: Marantz)

Die Fachpresse war geradezu überschwänglich bezüglich des Lobes für das Gerät: Der AX-1000 brachte es auf den Titel von drei der vier großen Fachmagazine – ein bis heute unerreichter Wert. Endkonsumenten jedoch dürften eher selten zugegriffen haben, denn Marantz rief 30.000 D-Mark für das innovative Teil auf…

1995 erscheint der CD-7, der erste CD-Spieler mit umschaltbaren Filtern, der auf die Arbeit des deutschen Entwicklers Reiner Fink zurückzuführen ist. Dazu passte die Vor- Endkombi SC5 und SM5 mit Batterie-Netzteil BB5. Diese glänzte mit einem völlig symmetrischen Schaltungsaufbau. Neue HDAM-Module kamen für die Phono-, symmetrischen CD- und Vorverstärkerausgänge zum Einsatz, ebenso wie ultrakurze Signalwege. Das HDAM-Modul steckte in einer Kupferbox und setzte konsequent auf diskrete Bauteile anstatt von ICs.

Marantz Vorstufe SC5, Endstufe SM5 und Netzteil BB5
Die Marantz Vorstufe SC5 mit dem Batterie-Netzteil BB5. Die passende Endstufe namens SM5 ist nicht auf dem Bild (Foto: Marantz)

Die Kombi hatte ihren Preis: 7.500 DM mussten zwischen 1994 und 1998 für jede der drei Komponenten auf den Tisch gelegt werden. 1996 legte Marantz gar noch einmal die Röhren-Urgesteine Model 7 (3.800 $), Model 8B (3.800 $) und das Model 9 (je 4.200 $) in einer Kleinserie in Handarbeit auf. Der Klang soll den Originalen um Nichts nachgestanden haben – vor allem, weil man versuchte, die drei Legenden mit Original-Bauteilen aufzubauen.

Im Januar 1997 tritt der Firmengründer Saul Bernard Marantz für immer von der Weltbühne ab. Er wurde 85 Jahre alt. Seine Philosophie, dass Design ebenso wichtig ist, wie die Technik hat sich im Unternehmen bis heute gehalten.

Saul Marantz
Der Firmengründer starb 1997. Er hat den Grundstein für ein großes Werk gelegt (Foto: Marantz)

Die 2000er Jahre

2001 übernimmt Marantz Japan die Markenrechte von Philips. 2002 schließlich fusionieren die bisherigen Konkurrenten Denon und Marantz zur D&M Group. 2008 beendete Philips die 28-jährige Zusammenarbeit mit Marantz. Am 1. März 2017 übernahm dann die Sound United LLC (Unternehmensdach für Marken wie Polk Audio und Definitive Technology) die D+M Group. Damit aber war das Besitzer-Karussell noch nicht beendet: Im Februar 2022 greift sich der kalifornische Medizingeräte-Hersteller Masimo die Sound-United-Gruppe.

Zumindest die Kooperation mit Denon erwies sich für Marantz vor allem im wichtigen Segment der Surround-Receiver als echter Glücksgriff. Denn Denon hatte in Bezug auf Mehrkanal-Technologien seit jeher stets einen kleinen, aber wichtigen Vorsprung vor den Mitbewerbern von Onkyo, Pioneer und Yamaha. Davon profitierte Marantz erheblich und es entstanden fantastische Mehrkanal-Komponenten wie der AV-8805, der bei LowBeats immer noch so etwas wie einen Referenz-Status innehat.

AV-Vorverstärker/Prozessor Marantz AV8805 mit 13.2-Kanal-Immersive-Audio und HEOS-Highres-Streaming/Multiroom. 3.999 Euro (Foto: Sound United)
AV-Vorverstärker/Prozessor Marantz AV8805 mit 13.2-Kanal-Immersive-Audio und HEOS-Highres-Streaming/Multiroom (Foto: Sound United)

Aber eine so enge Kooperation weckt natürlich immer Argwohn: Haben wir hier womöglich den gleichen Wein in unterschiedlichen Schläuchen? „Nein“, sagt Reiner Finck, der es wissen muss. Bei Mehrkanal ähneln sich die Geräte stark, bei Stereo gibt es große Unterschiede. Denon-Verstärker arbeiten beispielsweise immer mit klassischen Class A/B-Schaltungen plus MOSFET, Marantz überwiegend mit Class-D-Endstufen. Zudem setzt Marantz bei seinen Playern immer seine einzigartigen Ausgangsstufen ein. Finck: „Wir haben ja in Japan noch eine ganze Entwicklungsabteilung sitzen. Da gibt es viele kluge Köpfe. Und auch unsere Abteilung in Europa hat immer versucht, den klassischen Marantz-Sound zu bewahren.“

Marantz Model 30 + 30n silber
Eine Kombination aus Vollverstärker und Multi-Digital-Quelle: Marantz Model 30 und SACD 30n, jeweils für 3.000 Euro. Sie schlugen sich im LowBeats-Test wacker (Foto: Marantz)

Die Sache mit den unterschiedlichen Ansätzen in Sachen Klang können wir von LowBeats-Seite ausdrücklich bestätigen: Anfang 2021 hatten wir die Gelegenheit, einen Vollverstärker-/CD-Player Kombination (Model 30 und SACD 30n) von Marantz mit der preislich ähnlichen Denon-Jubiläums-Kombi (PMA-A110 und DCD-A110): Das klang überhaupt nicht gleich…

Über all die Zeit hatte Marantz in Deutschland immer einen besonders guten Ruf, was in den letzten 30 Jahren auch viel mit Reiner Finck und Ken Ishiwata zu tun hatte. Leider verstarb Ken Ishiwata 2019 und hinterließ nicht nur als Marantz-Botschafter, sondern als Vorkämpfer für das Audiophile im Klang, eine große Lücke. Dass Marantz allerdings in seinem Sinne weiterarbeitet, ist nicht nur am Streaming-Amp Stereo 70S (den LowBeats aktuell getestet hat) auszumachen. Der verbindet auf geniale Art alte und neue Marantz-Tugenden und kostet gerade einmal 1.000 Euro.

Marantz Stereo 70S Front silber
Mit dem Stereo 70S macht Marantz ein hübsches Jubiläums-Geschenk: den wohl attraktivsten Streaming-Verstärker bis 1.000 Euro (Foto: Marantz)

Aber eigentlich hätte es noch dicker kommen sollen. Die Entwicklungsabteilung in Japan hatte – adäquat zum 70. Jubiläum – neue Referenz-Komponenten geplant. Finck: „Corona hat unsere Pläne da komplett durcheinandergewirbelt. Die neuen Flaggschiffe kommen jetzt erst nächstes Jahr.“ Da darf man sich freuen.

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Autor: Andrew Weber