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Sonus faber Guarneri Tradition – der Exklusivtest

Aluminium, Holz und Leder

Aber Sonus faber ist immer auch Holz. Schönes Holz. Perfekt verarbeitetes Holz. Liebevoll lackiertes Holz. Und immer auch lederbezogenes Holz – die Schallwand nämlich. Das gilt für die Sonus faber Guarneri Tradition ebenfalls. Und dabei zeigen die italienischen Schreinermeister ihre ganze Klasse: Da gibt es von der Verarbeitung her aber mal gar nichts zu meckern.

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Die Seitenwangen der Traditions-Serie (hier die der Amati Tradition) bestehen aus leicht gebogenem Schichtholz (Foto: Sonus faber)
Trotz des vielen Metalls bleibt immer noch jede Menge Holzarbeit (Foto: Sonus faber)
Feinschliff bei der Sonus faber Guarneri Tradition
Hier passiert alles per Hand: Die Seitenwangen werden final geschliffen (Foto: Sonus faber)
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Wie auch bei den geschwungenen Seitenwangen aus Mehrschichtholz, die im Metall-Skelett eingespannt sind. Hier sorgen gleich mehrere Umstände für hohe Resonanzarmut: die Einspannung, die Krümmung des Holzstücks und eine gekonnte Bedämpfung.

Und auch die Gehäuseform – einer Laute nachempfunden – dürfte einen Beitrag zu dem akustisch hervorragenden Ergebnis liefern. Wer die Sonus faber Guarneri Tradition in natura erlebt, kann ja mal den Klopftest machen: Ich kenne kaum einen Lautsprecher, dessen Gehäuse so „tot“ und resonanzfrei klingt. Ein gutes Zeichen.

Allerdings ist die Sonus faber Guarneri Tradition allein noch nicht komplett; wie bei ihren Guarneri-Vorfahren Homage und Memento ist auch bei ihr der Ständer Teil des Konzepts – siehe Slideshow:

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Die Sonus faber Guarneri Tradition auf dem dazugehörigen Ständer
Die Sonus faber Guarneri Tradition wird mit Ständer ausgeliefert. Der Ständer ist Teil des optischen Konzepts, bringt den Lautsprecher auf die exakt richtige Höhe und ist im Paarpreis von 15.900 Euro inbegriffen (Foto: Sonus faber)
Das Rohr des Ständers ist aus Kohlefaser
Der Ständer selbst ist aus leichter, aber hochstabiler Kohlefaser (Foto: Sonus faber)
Der Fuß des Ständers der Sonus faber Guarneri Tradition
Der Fuß des Ständers ist aus massivem Aluminium. Das bringt den Fuß auf sein stolzes Gewicht von 16,0 Kilo (Foto: Sonus faber)
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Hier muss man sich also fragen: Ist ein Kompaktlautsprecher, bei dem der Fuß Teil des Konzepts ist, überhaupt noch ein Kompaktlautsprecher?

Ich meine ja. Im Gegensatz zur Guarneri Homage von 1993, wo der Ständer noch für die Anwinkelung des Lautsprechers nach hinten zuständig war (siehe unten), hat der sehr elegante und sehr stabile Fuß der Sonus faber Guarneri Tradition keine weiteren Funktionen – außer den Lautsprecher auf die perfekte Höhe zu bringen. Ein Resonanz-Ableitungssystem, wie von der Sonus faber Entwicklungsabteilung postuliert, konnte ich nicht erkennen.

Natürlich spielt so ein Edellautsprecher auf einem Ständer am besten. Aber ich habe die „Tradition“ auch auf einem Sideboard ausprobiert und das war ebenfalls echt nicht übel…

Die Schaltung ist auf Amplituden-/Phasenverhalten und damit auf beste Räumlichkeit und bestes Timing optimiert. Was gar nicht so einfach ist: Die Vorgängerin Guarneri Evolution hatte mit Hilfe des Ständers eine leichte Anwinkelung, um zu gewährleisten, dass die Hoch- und Tiefmitteltonsignale der Treiber zeitgleich am Ohr des Hörers ankommen.

In der Sonus faber Guarneri Tradition übernimmt die Frequenzweiche diesen akustisch sinnvollen Phasen- (Zeit-) Versatz des Hochtöners nach hinten.

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Sonus Faber Memento vs Guarneri
Die Sonus Faber Guarneri Evolution aus dem Jahre 2011 (links) hatte mit Hilfe des Ständers eine leichte Anwinkelung, um zu gewährleisten, dass die Hoch- und Tiefmitteltonsignale der Treiber zeitgleich am Ohr des Hörers ankommen. Bei der  Guarneri Tradition ist die Schallwand senkrecht; der notwendige Phasenversatz wird über die Frequenzweiche erzielt (Zeichnung: Sonus faber)
Die Bauteilebestückung der Guarneri-Frequenzweiche
Mundorf EVO Silver Gold Öl Kondensatoren, Spulen von Jantzen, induktionsarme Widerstände: die Frequenzweiche der Sonus faber Guarneri Tradition ist bestens bestückt. Die Trennfrequenz zwischen Tiefmittel- und Hochton liegt bei 2.500 Hertz (Foto: Sonus faber)
Der Chef der Sonus faber Entwicklungsabteilung: Paolo Tezzo
Paolo Tezzo (links) ist der Chef der Entwicklungsabteilung und maßgeblich auch für die Guarneri Tradition verantwortlich (Foto: Sonus faber)
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Die Sonus faber Guarneri Tradition punktet im LowBeats Hörraum

Cover Yello "Touch"
Musikalisch und klanglich ganz stark: Yello Touch kann man gut hören und ist zum Boxentesten bestens geeignet (Cover: Amazon)

Schon bei den ersten Takten wurde deutlich, dass dieser Lautsprecher besonders und viel mehr als nur schön ist. Die Sonus faber Guarneri Tradition erhebt sich über das Gros selbst der besten Kompaktlautsprecher mit einer bestechenden Präzision.

Beispiel Bass: Ich kann mich nicht entsinnen, einen so präzisen und klar strukturierten Bass jemals von einem Lautsprecher dieser Größe gehört zu haben.

Selbst bei dem tausendfach gehörten Yello-Stück „The Expert“ hat mir die Guarneri Tradition gezeigt, dass in dem groovigen Tiefton-Fundament etliche Feinheiten und Klang-Finessen eingebunden sind, die ich vorher noch nie gehört hatte. So kernig, dynamisch, aber auch staubtrocken entblätterte die kleine Sonus selbst undurchsichtigste Bass-Strukturen.

Normalerweise schummeln die Kompakten im oberen Bassbereich ein wenig, um den Eindruck von einem wohligen „Mehr“ zu erzeugen, wo eigentlich keine Substanz ist. Die Sonus faber ist hier ausgesprochen linear und geradeaus.

Diese straffe Abstimmung erlaubt nicht nur einen sehr tiefen Blick in die Aufnahme und auf alle feinen Bass-Details, sie ermöglicht dem Besitzer, die Sonus faber Guarneri Tradition auch relativ dicht vor die Wand zu stellen – ohne dass irgend eine Form der Tiefton-Aufdickung das Klangerlebnis schmälert.

Wie oben schon erwähnt: Ich habe die Guarneri Tradition sogar auf ein Sideboard gestellt und auch dort hat sie sich überragend gut geschlagen.

Auf der anderen Seite aber ist auch vergleichsweise wenig Bass vorhanden. Die etwas größere Focal Sopra No1, aber auch die Dynaudio Contour 20 (hier im Bild neben der Guarneri Tradition) reichen gefühlt eine Oktave tiefer in den Basskeller.

Die Physik lässt sich nicht austricksen, also müssen sich die Entwickler entscheiden, welche Abstimmung sie wählen: wohlig warm oder schlank-präzise. Entwicklungsleiter Paolo Tezzo entschied sich hier für die größtmögliche Ehrlichkeit. Gut so.

Die Sonus faber Guarneri Tradition im LowBeats Hörraum
Die Sonus faber Guarneri Tradition im LowBeats Hörraum – hier neben der Dynaudio Contour 20 und am Referenzkabel in-akustik LS 2404 (Foto: H. Biermann)
Cover ArtSting "57th & 9th"
Mit 57th & 9th knüpft Sting an seine großen Solo-Alben der 1980er Jahre an (Cover: Amazon)

Denn ein sauberer Oberbassbereich gibt auch den Stimmen sehr viel mehr Klarheit und Prägnanz. Stings „Inshallah“ (Album 57th & 9th) wurde zu einer Offenbarung. Sowohl die B&W 805 D3, als auch die Dynaudio Contour 20 und  die Focal Sopra No1 vermittelten mehr „Schmelz“ in der Stimme des Barden. Aber keine von ihnen konnte mit einer derartigen Fülle an Details aufwarten.

Kein Kiekser in der Stimme von Sting ging verloren, jedes Atemgeräusch wurde herausgearbeitet und belebte die Aufnahme. Mit dieser Transparenz in der Mitte setzt die Italienerin auf beeindruckende Weise Maßstäbe. Auch der Hochton wirkt ungemein leicht und quirlig. Normaler Weise erwartet man so eine Performance von besten Studio-Monitoren – aber doch nicht von einem solchen Kunstwerk…

Und was die Guarneri Tradition ebenfalls überragend macht: Das Klangbild löst sich vollständig von den Gehäusen und hält sich – sehr stabil – recht weit oben. Das wirkt ungemein echt. Bei Sting hatten wir den Eindruck, er stünde tatsächlich singend im Hörraum.

Diese hohe Bass- und Mittenpräzision ist atemberaubend, erfordert aber bei der Kombination mit der Elektronik und den Kabeln sowie natürlich auch bei der Aufstellung Muße und Sorgfalt. Im LowBeats Hörraum spielte die Sonus faber mit nur 30 Zentimeter Abstand vor der festen Rückwand am besten; so kam dann genau das richtige Maß an sattem Fundament hinzu.

Und wir machten große Augen und Ohren, als wir den Octave V80 SE, unsere Röhrenverstärker-Referenz, am BiWiring-Terminal der Italienerin anschlossen. So markige Bassdrum-Schläge, so präzise und durchgreifend, erwartet man von Lautsprechern mit dieser Optik und dieser Größe einfach nicht. Ein Erlebnis.

Bei den Kabeln würde ich eher zu einer „wärmer“ klingenden Verbindung raten; die hochpräzisen Lautsprecherkabel von Nordost etwa sind hier nicht die richtige Wahl. Selbst die ausgesprochen neutralen in-akustik Kabel ergänzen die Sonus faber Guarneri Tradition nicht optimal. Ein Cardas Clear Light dagegen sehr wohl…

Fazit: Die Sonus faber Guarneri Tradition ist teuer, aber ihr Geld wert

Natürlich sind 15.900 Euro für ein Pärchen Lautsprecher eine steile Ansage. Die Focal Sopra No1, bislang die teuerste, bei LowBeats getestete Kompaktbox, kostet mit 8.000 Euro (übrigens auch mit Ständer) gerade einmal die Hälfte.

Ist die Guarneri Tradition deshalb doppelt so gut? Natürlich nicht. Aber sie ist ästhetisch und verarbeitungstechnisch auf allerhöchstem Niveau – und das kostet einfach sehr viel Geld.

Doch sie in die Rolle der „nur schönen“ Italienerin zu drängen, hieße, ihr bei weitem nicht gerecht zu werden. Denn sie ist ein außergewöhnlicher Lautsprecher, der im Kreis der weltbesten Kompaktboxen problemlos mitspielt und in Bezug auf seine Monitor-hafte Präzision und Detailgenauigkeit einige neue Maßstäbe setzt.

Sonus faber Guarneri Tradition
2017/03
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Extrem feiner und präziser Klang
Sehr genaue, dreidimensionale Abbildung
Überagende Gehäuse-Mechanik
Schlichtweg perfekte Verarbeitung

Vertrieb:
Audio Reference GmbH
Alsterkrugchaussee 435
22335 Hamburg
www.audio-reference.de

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Sonus faber Guarneri Tradition: 15.900 Euro (inkl. Ständer)

Hier kann man die Sonus faber Guarneri Tradition hören:

Hamburg: Hifi Studio Bramfeld
Oldenburg: Mainstreet Audio
Düsseldorf: Knopf Hifi Technik
Dresden: Hörbar
Frankfurt: Raum Ton Kunst/Hifi Profis
München: HiFi Concept 

Im Beitrag erwähnt:

Test B&W 805 D3: Maßstab der Kompaktklasse
Test Dynaudio Contour 20: Absolute Natürlichkeit

Test Focal Sopra No1: Mit Hightech zur Weltspitze
Test Vollverstärker Octave V80 SE: Der Referenz-Vollverstärker

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.