Class-A-Verstärker kommen mehr und mehr aus der Mode. Die immer raffinierter gemachten Gegentakt- oder Digitalverstärker sind erheblich effizienter, damit umweltfreundlicher, aber auch erheblich vielseitiger. Und doch: Hört man sich gut gemachte Class-A-Amps an, verstärkt sich die Ahnung, dass diese ohne Übernahmeverzerrungen agierenden Kraftwerke klanglich vielleicht doch noch die Nase vorn haben. So geschehen bei LowBeats als wir kürzlich den Pass INT 25 im Test hatten. Und so erneut geschehen, als wir jetzt für einige Wochen den Luxman L-550AX-II zum Test hatten. Das ist nicht nur ein traumhafter Verstärker: Er hat auch so etwas wie einen liebevollen Blick zurück auf die 1980er-Jahre eingebaut.
Auf meiner “Wollte-ich-schon-immer-mal haben”-Liste stehen seit mehr als vier Jahrzehnten (es ist ein Graus mit dem Alter…) die beiden Luxman Verstärker L-530, L-550 und L-560 ganz oben. Und es scheint, als wäre ich nicht der Einzige, der diesen Ausnahmeverstärkern nachtrauert – auf dem Gebrauchtmarkt werden die ikonischen Class-A-Boliden zu Höchstpreisen gehandelt. Glücklicherweise hat Luxman das Thema Class-A nie ganz aus den Augen verloren und aktuell sogar drei Modelle im Programm: Neben dem (in der Stückzahl begrenzten) Jubi-Modell L-595A und dem großen L590 AX-II auch noch den “kleinen” L-550 AX-II, der wegen seines Preises von 6.450 Euro womöglich der Interessanteste des Trios ist. Eine These, die er während der Testwochen nachdrücklich bestätigte.

Das Besondere am Luxman L-550 AX-II
Zunächst reden wir auch beim “kleinen” L-550 AX-II von einem echten Boliden: 24,3 Kilo wollen erst einmal aus dem Karton gewuchtet werden. Und wir reden hier auch über die klassische Luxman-Verarbeitung, die an Yamaha oder an Accuphase erinnert: nirgendwo scharfe Kanten, alles passt perfekt, alles fasst sich gut an und an allen möglichen Stellen hört man das feine Klicken der Relais… Exakt so muss es sein!

Die Ausstattung des L-550 AX-II ist erfreulich klassisch, könnte man sagen. Das heißt: Neben REC-In/Out und einem Vorstufenaus- und einem Endstufeneingang finden wir auf der Rückseite fünf Hochpegel-Eingänge (einer davon als symmetrischer XLR-Eingang) sowie den Zugang zu einer Phonostufe.

Das weitgehend diskret aufgebaute Phono-Board sitzt gleich hinter den Anschluss-Buchsen und bietet (umschaltbar) Verstärkungen für MM- und MC-Abtaster. Anpassen kann man hier nichts; Luxman arbeitet mit Durchschnitts- (Abschluss-) Widerständen beziehungsweise -Kapazitäten. Das muss nicht schlecht sein. Ich hatte den ATR Celebration 40 sowohl mit dem vorinstallierten ATR SPU (MC) als auch mit dem Ortofon 2M Black (MM) angeschlossen. Das klang in beiden Fällen prachtvoll und genau so, wie ich die beiden Tonabnehmer kannte. Wer den L-550 AX-II ersteht, kann sich die Anschaffung einer zusätzlichen Phonostufe der Unter-700-Euro-Klasse getrost schenken.

Schaltungstechnisch ist der Luxman L-550 AX-II ein Transistor-Verstärker mit Class-A-Schaltung; die üblichen Übernahme-Verzerrungen fallen also weg. Dafür ist die Leistungsausbeute in diesem verzerrungsarmen Arbeitsbereich nicht sehr hoch: 20 Watt an 8 beziehungsweise 40 Watt an 4 Ohm. Das sind ganz offensichtlich sehr konservativ gemessene Luxman-Angaben. Vor einigen Jahren hatte ich den Vorgänger bei stereoplay im Test und da haben wir etliche Watt mehr gemessen. Aber die können ja nicht schaden…
Der L-550 AX-II ist ein Verstärker nach alter Väter Sitte. Und dennoch finden wir hier ein paar hochmoderne Schmankerl – wie die ausgefuchste Lautstärkeregelung namens LECUA (Luxman Electric Controlled Ultimate Attenuator). Hier steuert der Pegelregler auf der Front einen Prozessor, der wiederum eine gleichmäßige Lautstärkeregelung in 88 Schritten ermöglicht. Die Lautstärkeregelung ist auch einer der Unterschiede zum Vorgänger: Der neue LECUA1000 soll noch einmal rauschärmer und besser sein. Bleibt die Frage, ob ein Pegelregler klanglich den Unterschied machen kann. Kann er. Wer sich je mit passiven Vorstufen (die ja quasi nur aus einem Pegelregler bestehen) beschäftigt hat, der weiß, dass hier viel klanglicher Fortschritt stecken kann.

Gleichwohl fällt es nicht leicht, größere Unterschiede zum Vorgänger auszumachen. Der Blick ins Innere offenbart keine Veränderungen. In den technischen Daten findet man kaum Anhaltspunkte. Außer jenen: Die Leistungsverstärker-Module namens M-700u wurden dem großen L-590AX-II entliehen, die ausgefuchste Gegenkopplung wurde nochmals verfeinert und der Dämpfungsfaktor leicht von 160 auf 200 erhöht. Alles in Allem ist das aber nicht so viel…
Also Rückfrage beim Vertrieb (IAD). Antwort von Vertriebsmann Krey Baumgartl: “Das sieht nach außen nicht sonderlich beeindruckend aus. Aber klanglich ist der L-550 AX-II zum Vorgänger eine echte Neu-Entwicklung geworden. Du kennst Luxman: Die machen keine kosmetische Pflege.”
Ich bin gewillt, ihm zuzustimmen. Der L-550 AX – aus dem Test von 2014 – klang in meiner Erinnerung eher etwas schlanker, der aktuelle AX-II klingt wunderbar vollmundig.
Praxis
Außerdem ist es bei dieser Art Verstärker auch irgendwie egal: Ich erwarte keine Raketentechnik bei einem Oldschool Class-A-Amp, sondern einen Aufbau und eine Ausstattung wie früher. Dazu zählen neben den oben schon aufgeführten Ein- und Ausgängen natürlich die charakteristischen VU-Meter, einen Kopfhörerausgang, eine Klangregelung und eine Loudness-Kurve, aber auch so Nettigkeiten wie die Mono-Schaltbarkeit und die Möglichkeit, den ganzen Klangregel-Schmonzes per “Line-Straight”-Taste zu überspringen.

Eine Besonderheit sei nicht verschwiegen: Die Front des Luxman L-550 AX-II ist zwar mit Bedienschaltern oder -Knöpfen bedeckt, einige Funktionen aber kann man nur über die mitgelieferte Fernbedienung aktivieren – etwa die Mono- oder die Loudness-Funktion

Als klassischer Class-A-Verstärker wird der L-550 AX-II etwas wärmer als bauähnliche AB-Vertreter. Hintergrund ist die Wärmeabfuhr, die von der vergleichsweise hohen Leistungsaufnahme herrührt: Selbst wenn er keinen Mucks macht, verbraucht der L-550 AX-II (wenn er nicht auf Standby ist) 170 Watt. Das ist unter Öko-Gesichtspunkten sicherlich kritisch zu sehen. Auf der anderen Seite darf man unterstellen, dass so ein Verstärker nie auf den Müll wandert – wie seine berühmten Brüder L-530, L550, L-560 und folgende unter Beweis stellen. Unter Nachhaltigkeits-Aspekten ein starkes Argument.
Wegen der höheren Wärmeentwicklung ist eine Unterbringung des Luxman in der engen Schrankwand genauso wenig empfohlen wie der Einbau in ein enges Rack, in dem der Lux ganz unten steht. Er braucht halt immer ein bisschen Luft…
Und er braucht Lautsprecher, die zu ihm passen. Oder eine entsprechende Umgebung. Die Idee, den L-550 AX-II an einer großen, aber wirkungsgradschwachen Box in einem großen Hörraum spielen zu lassen, ist keine gute; der L-550 AX-II erreicht sein Leistungs-Limit in solchen Fällen recht schnell. Nun bietet er zwar einen Vorstufenausgang zum Anschluss einer kräftigeren Endstufe, aber eine solche Konstruktion ist irgendwie Unfug. Eine viel schlüssigere Möglichkeit Konstellation ist die Kombination mit Hocheffizienz-Speakern wie beispielsweise den Blumenhofer- oder den Spatial Europe Modellen wie der bei LowBeats bereits getesteten No.5.
Fast noch faszinierender aber ist er in Kombinationen mit feinen, kleineren Lautsprechern, die eh nicht sonderlich hoch belastbar sind und die akustisch keine Riesenräume füllen müssen. Wir hörten ihn im kleinen LowBeats Hörraum an Kompaktboxen den Dynaudio Heritage Special, B&W 805 D4 und der wirkungsgradstarken Stenheim TWO. Das war in allen drei Fällen umwerfend gut. Und nicht selten musste ich mich ernsthaft fragen, ob ich das ein oder andere Stück, diese oder jene Stelle überhaupt schon mal so gut gehört hatte…
Was passiert, wenn die Leistungsgrenze des Luxman überschritten wird? Er wird weder harsch noch grässlich. Eher im Gegenteil: Wenn es dem L-550 AX-II zu laut wird, verrundet er die Kanten und das eigentlich wunderbar transparente Klangbild ist verhangen und eigenwillig lustlos.
Hörtest
Zunächst einmal scheint der Luxman einen Hauch “langsamer” zu klingen. Jedenfalls im Vergleich zu einem klassischen Transistor-Modell wie dem Neukomm CPA 155S, der ja ebenfalls ein überragend guter Vollverstärker ist. Was man dem Neukomm ebenfalls zugute halten muss: Vor allem im Bass geht der Schweizer Amp nochmals kerniger und knackiger zu Werke – und natürlich in Bezug auf Grob-Dynamik sowie Maximalpegel als erster über die Ziellinie geht.
Es dauert einen kurzen Moment, bis man sich auf die minimal gemächlichere Gangart des Luxman eingehört hat. Und spätestens dann hat er dich. Denn das, was der Luxman L-550 AX-II an Klangfarben und Feindynamik, an Anmut und Authentizität aus den Aufnahmen zaubert, ist schlicht außergewöhnlich.

Man hört es fast schon beim ersten Ton: Die “Story Of The Kalender Prince” aus der Scheherazade von Rimsky Korssakoff beginnt mit einem lieblichen, dennoch leicht klagenden Violinenton. Schaltet man bei diesem Entree zwischen Luxman und Neukomm um, merkt man sofort, dass der L-550 AX-II aus dem Geigenton noch mehr Kraft, Wärme, aber auch noch mehr Mikro-Informationen destilliert: Das klingt einfach “echter”.
Wir holten noch weitere Vollverstärker aus dem Referenz-Regal: den bärenstarken Atoll IN 400 ES und den Röhren-Verstärker Fezz Audio Lybra, der mit doppelter 300B-Bestückung in etwa auch auf 20 Watt pro Kanal kommt.

Unter den letztendlich gefundenen “optimalen” Bedingungen (also ein kleinerer Raum und ein kurzer Hörabstand) kam der Lybra dem L-550 AX-II klanglich am nächsten. Auch die Röhre klingt ähnlich selbstverständlich und vielleicht noch einen Hauch luftiger, ohne aber ganz diese habhafte Substanz des Luxman zu erreichen.
Vor einigen Wochen waren wir vom dem (ebenfalls in Class-A arbeitenden Pass INT 25) komplett begeistert. Leider konnte ich die beiden nicht direkt miteinander vergleichen, hatte aber den Eindruck, dass der Pass an den Dynaudio Heritage Special mit noch ein bisschen mehr Durchzug und Dynamik zur Sache ging.
Was aber die überragende Vorstellung des Luxman in keinster Weise schmälert. Eine echte Neuentdeckung für mich dank einer dicken Empfehlung von LowBeats-Toningenieur Jürgen Schröder ist das “Book Of Romance And Dust” von Exit North. Die Musik ist – positiv ausgedrückt – betont melancholisch. Aber dieser facettenreiche, in kräftigen Pastellfarben gemalte Jazz, ist überragend gut aufgenommen: Die Werke des Quartetts spitzeln nur so von feinen Details, die entdeckt werden wollen. Wie auch die Stimme von Sänger Thomas Feiner, die mit dem Luxman von einer solchen Überzeugungskraft war, wie ich sie so noch nicht gehört habe.

“Book Of Romance And Dust” ist ein geniales Album, das ich aber nur ganz selten einmal durchöre. Die Kombination aus Luxman und B&W 805 D4 zwang mich förmlich dazu: Das klang alles so mitreißend, natürlich und schön, dass ich mich nicht entziehen konnte. Ein wunderbares Erlebnis.
Fazit L-550 AX-II
Der “kleine” Class-A-Vollverstärker von Luxman macht hundertprozentig das, was man von ihm erwarten darf: Es ist die perfekte Umsetzung dieser speziellen Art von Japan-HiFi, die mit viel Liebe zu Detaillösungen, perfekter Mechanik und mit hohem Materialaufwand das Herz erfreut. Es ist die Verbindung von viel Ausstattung und ungemein prallem Klang.
Kollege Bernhard Rietschel schrieb anlässlich des oben genannten Pass-INT 25 Tests: “Wenn man nicht ohnehin schon so einen riesigen CO2-Fußabdruck hat, dass ein Class-A-Amp einfach zu unanständig wäre und dann noch 9.000 Euro übrighat, dann ist der Pass INT-25 der beste Vollverstärker, den man bekommen kann.”
Das Gleiche gilt für den L-550 AX-II, nur eine Halbstufe niedriger. Gemessen am noch dynamischeren, aber auch teureren Pass bietet der Luxman geradezu eine Vollausstattung; das dürfte ihn für viele Musikfreunde interessant machen. Dass man mit einem Class-A-Amp Pegel-mäßig keine Wände einreißen kann, sollte dem geneigten Käufer klar sein. Dafür aber bekommt er einen so wunderbar reinen Ton, wie er sonst nur ganz selten zu finden ist…
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sonor-transparenter Klang, super Klangfarben, hohe Musikalität |
| Großes Ausstattungspaket, mit Phono MM/MC, Vorstufenausgang… |
| Exzellente Verarbeitung |
| Vergleichsweise hoher Stromverbrauch, |
Vertrieb:
IAD GmbH
Johann-Georg-Halske-Strasse 11
41352 Korschenbroich
www.audiolust.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Luxman L-550 AX-II: 6.450 Euro
Die technischen Daten
Luxman L-550 AX-II | |
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Technisches Konzept: | Class-A Vollverstärker Transistor |
Leistung: | 2 x 20 Watt an 8 Ohm, 2 x 40 Watt an 4 Ohm |
Eingänge: | 1 x Phono (MM/MC), 4 x RCA, 1 x symm (XLR), Main-In (RCA) |
Ausgänge: | 1 x Rec-Out, 1 x Pre-Out |
Dämpfungsfaktor: | 200 |
Leistungsaufnahme (ohne/mit Signal): | 170 – 230 Watt |
Abmessungen H x B x T: | 44,0 x 17,8 x 45,4 cm |
Gewicht: | 24,3 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
Test Jubiläums-Plattenspieler ATR Celebration 40
Test Kompaktbox B&W 805 D4: wieder das Maß ihrer Klasse?
Test Dynaudio Heritage Special: in der Tradition der großen Sondermodelle
Test Vollverstärker Neukomm CPA155S – der kompakte Favoritenkiller
Test Fezz Audio Lybra: Single-Ended Röhren-Amp mit doppelter 300B