2018 feierte der Audio Trade Vertrieb (ATR) seinen 40. Geburtstag und entwarf zu diesem Anlass einen gleichermaßen hübschen wie eigenständigen Komplett-Plattenspieler: den ATR Celebration 40. Doch im Jubiläumsjahr kam die Produktion nicht so richtig in Schwung, sodass der hübsche Jubi-Spieler erst jetzt flächendeckend verfügbar ist. Wer auf das ATR-Eigengewächs gewartet hat, tat gut daran. Denn der LowBeats Test zeigt: es gibt in der Klasse um 2.500 Euro nur wenig Besseres.
Über 40 Jahre. Seit über 40 Jahren mischen Peter Mühlmeyer & Co. mittlerweile den deutschen Markt auf. So lange haben sich nur die wenigsten gehalten. Audio Trade ist damit einer der Grand Seigneurs der Branche. Zum Geburtstag beschenkt man sich natürlich nicht selbst, sondern die Fan-Gemeinde.
Der Aufbau des ATR Celebration 40
Also haben die vielen Analog-Spezialisten bei Audio Trade einen Plattenspieler nach allen Regeln der Kunst und nach eigenem Gusto entworfen. Und bei einem der Lieblingshersteller in Auftrag gegeben: Die weltweit führende Analog-Manufaktur Pro-Ject fertigt den ATR Celebration 40 mit dem enormen Knowhow und den vielfältigen Möglichkeiten des zum Audio-Konzern gewachsenen Unternehmens (300 Mitarbeiter).
Schon der Preis ist heiß: 2.495 Euro kleben als Etikett am Karton. Das ist erstaunlich günstig. Zumal hier wirkliche Feinkost verbaut wurde. Audio Trade vertreibt nicht nur Pro-Ject, sondern auch die Tonabnehmer von Ortofon. Von hier wurde ein superber Abnehmer zugeliefert, dazu ein hochwertiges Kabel. Die Kombination ist spannend – ein veritables Best-of. Sieht gut aus und klingt superb.
Doch zuerst ein Blick auf die Basis. Die gibt es in zwei Farben, extrem klassisch in Schwarz oder Weiß. Wir haben uns für die helle (heißt: gedecktes Weiß) Version entschieden. Das ist perfekt gelungen. Alles strahlt höchste Fertigungsqualität aus. Die Basis ist fein lackiert und umfassend gedämpft. So denken die Profis: Sie vertrauen nicht nur auf MDF allein, sondern erschaffen einen Mix. Hier wird Holz verdichtet und mit Metallspänen durchschossen. Deshalb ist das Chassis auch so schwer und quasi frei von Resonanzen.
Natürlich ist der ATR Celebration 40 ein riemengetriebenes Laufwerk. Denn damit hat man bei Pro-Ject womöglich mehr Erfahrung als fast jeder andere Anbieter am Markt.
Die Gesamtkonstruktion steht auf drei Füßen. Auch diese sind aus dem vollen Aluminium gedreht und schlau per TPE (themoplasisches Elastomer) gefedert. Spätestens an dieser Stelle überkommt den geneigten Betrachter ein Grübeln: Wie lässt sich dieser Edelaufwand mit dem noch überschaubaren Preis vereinbaren? Nun: ATR wird nicht drauflegen, aber hier scheint doch alles extrem fair bepreist zu sein.
Die Opulenz geht weiter. Auf dem Chassis rotiert ein wuchtiger Plattenteller aus Aluminium. Auf dessen Unterseite wurde ein Ring aus TPE zur Bedämpfung eingelassen. Das klappt perfekt: Klopft man mit dem Fingerknöchel auf den Plattenteller, hört man lediglich ein sprödes “Pöck”; hier klingelt nichts.
Und um auch den letzten metallischen Ton zu unterdrücken (und einen Schlupf der LP zu verhindern) legt ATR für den Plattenteller noch eine – im perfekt passenden Blau gehaltene – Ledermatte obendrauf.
Auf der zentralen Achse aus Edelstahl liegt eine kleine Kugel aus Keramik. Alles wird mit Schutzkappen angeliefert, dazu legt Audio Trade aber noch eine Spritze mit Spezialöl, sollte einmal nachgefüllt werden müssen. Sehr gut, sehr überdacht, perfekt umgesetzt.
Und eine der wichtigsten Fragen vieler Musikfreunde kann ATR ebenfalls mit “ja” beantworten: Im Komplettpaket gibt es auch eine Staubschutzhaube. Etwas leicht geraten, wie ich finde, aber absolut funktionell.
Das kleine Netzteil arbeitet direkt an der Steckdose, keinerlei störende Hochvoltpegel beeinflussen das Chassis oder den Tonarm. Der wiederum besteht aus einem Karbon/ Aluminium-Mix. Es ist eines der Luxusmodelle von Pro-Ject, doch keineswegs ein Protzer – die Länge liegt bei klassischen neun Zoll. Es sind die kleinen Zugaben, die das Herz erfreuen. So wurden kleine Magnete in der Basishalterung verankert – wird der Tonarm auf Null zurückgefahren, klammern die Magnete ihn sanft fest; hier kann nichts per Zufall oder Fehlverhalten verrutschen. Gutes Handwerk, gutes Feeling.
Beim Aufbau hingegen ist etwas Fingerspitzengefühl nötig. Der Tonabnehmer ist zwar justiert, doch auf der Gegenseite müssen das Gewicht und die Anti-Scating-Konstruktion angebracht werden. Das gelingt bei einigem Geschick in wenigen Minuten. Kein wirklicher Haken. Der Tonarm lässt für die Zukunft erstaunlich viele Optionen offen. So kann er in der Höhe (VTA) wie im Winkel (Azimuth) angepasst werden. So kann auch jeder andere Tonabnehmer perfekt eingebaut werden. Nicht alle Hersteller bieten diese Vielfalt, Audio Trade offenbart hier das Maximum der Möglichkeiten.
So wurde bewusst auch der Anschluss am Tonarm offen belassen. Hier sorgt ein fünfpoliger SME-Anschluss für Kontakt. Im Komplettpaket des ATR Celebration 40 liegt hier das hochwertige Phonokabel 6NX TSW-1010 RCA/5P des Partners Ortofon bei.
Langer Name, gute Basis. Auf der einen Seite gibt es den klassischen SME-5Pin-Stecker, auf der anderen die Kombi aus zwei Cinch-Steckern plus Erdungsleitung. Alles in reinstem Kupfer und mit vergoldeten Kontakten. Mehr als eine Zugabe – ein veritabler Mitspieler für den guten Klang.
Kein Wunder, dass sich Audio Trade auch im Füllhorn von Ortofon bedient, wenn es um den richtigen Tonabnehmer geht. Vorjustiert an der Spitze des Armes prangt ein Modell Ortofon SPU ATR Celebration 40 – abermals eine Sonderanfertigung für den Firmengeburtstag. Nur für den Taschenrechner: Dieser Abnehmer allein würde offiziell mit 500 Euro auf den Gesamtpreis schlagen – hier gehört er zum vereinten Set.
Natürlich ist es ein hochwertiges MC-System, natürlich gibt es auch einen feinen elliptischen Schliff hinzu. Alles wird in einer Hülle aus Aluminium verpackt. Das sieht archaisch aus, das harmoniert perfekt mit der Ästhetik des Tonarms. ATR wünscht sich – wie für alle SPUs – 4,0 Gramm für die perfekte Abtastung.
Der Hörtest
Im Hörtest hatten wir den Übertrager nicht, waren aber mit Tom Evans The Groove Anniversary und Musical Fidelity NuVista Vinyl Phonostufen-seitig bestens gerüstet. Doch wie hoch können wir mit dem ATR Celebration 40 in den Klanghimmel aufsteigen? Erstaunlich hoch. Dieser Plattenspieler versteht sich darauf, der Rille ein Höchstmaß an Informationen zu entreißen.
Der Elac Miracord 90 liegt in der verwandten Preisklasse. Auch er ist eine Wuchtbrumme. Im Lauf der letzten Jahre verstand es der Elac, sich gegen die meisten Konkurrenten um 2.500 Euro durchzusetzen; er wurde ein Art Klassen-Referenz bei LowBeats. Weil der Elac von Haus aus nur mit einem kleinen Audio-Technica-Abtaster ausgestattet ist, haben wir den Edelabnehmer von Ortofon wandern lassen – vom ATR zum Miracord und zurück. Und das mehrfach.
Welches ist die bessere Laufwerk/Arm-Kombination? Tatsächlich haben beide ihre Vorzüge und liegen fast auf gleichem Niveau – allerdings mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Der Arm am ATR mag besser sein, dafür klang der Antrieb am Elac zielgerichteter. Der Miracord verfügte in unserem Test über eine Spur mehr Musizierlust, der Jubiläum-Rotator von ATR hingen brachte die größere Analyse, die höhere Präzision, die höhere Dynamik. Kleiner Vorsprung für den ATR.
Kommen wir zur Musik. Wer Glück hat, kann auf dem Flohmarkt oder beim Vinylhändler seines Vertrauens eine frühe Pressung von Wagners Tannhäuser erstehen. Sir Georg Solti dirigiert die Wiener Philharmoniker. Bereits die Ouvertüre steht unter Hochspannung. Alles flirrt zwischen Erotik und religiöser Verklärung. Das wurde nie besser eingespielt und aufgenommen.
Die Decca-Tontechniker waren in den Siebzigerjahren auf ihrem Zenit. Doch dieser tief-erdige, verwurzelte Klang muss umgesetzt werden. Ich habe schon viele Laufwerke erlebt, die nur auf Brillanz setzten. Der Jubiläumsspieler von Audio Trade aber fand in unserem Test den richtigen Mix – das Strahlende und den Kontakt zu Bass und Raum. Großartig. Dazu noch das richtige Gespür für die Singstimmen – René Kollo in der Titelrolle strahlte höchst körperreich aus der Mitte der Boxenachse. Ein Erlebnis. So viel Macht kann eine gute Opernaufnahme an einer guten Kette entfachen.
Für den Pop/Rock-Durchgang habe ich seit neuestem stets die brandneue Pressung von Abbey Road von den Beatles dabei: Giles Martin hat das Werk neu abgemischt. Dazu gibt es zwei Extra-LPs mit Studioversionen. Beatles-Fans wie ich müssen dem Rausch verfallen. Ok, es gibt einen HighRes-Download in 24 Bit, aber der kratzt uns nicht an – wir fühlen, dass Vinyl die erste Wahl ist und dem ursprünglichen Ideal mit seinen zwei Seiten mehr entspricht.
Ich werfe erneut den Motor an. Der Celebration macht es mir einfach: Ich kann die Umdrehungszahl einfach per Knopfdruck wählen. Es dauert einige Sekunden, dann hat er die Soll-Drehzahl erreicht.
Dann die Überraschung: Abbey Road klingt wie gerade gestern aufgenommen. Das Lob gebührt natürlich den Beatles, aber auch dem neuen Mixer Giles Martin und nicht zuletzt dem Jubiläumsplattenspieler. Das hatte starke Präsenz. Klasse, wie bei „Come together“ die Stimme von John Lennon uns entgegenkam. Dazu der markante Melodie-Bass von Paul McCartney. Mitreißender kann es kaum sein.
Doch auch eine Grenze dieses Plattenspielers deutete sich an. Vielmehr eine Charakterfrage. Er ist kein Schönfärber, er liest die Informationen mit brutaler Ehrlichkeit aus der Rille. Da gibt es keine falsche Sanftmut, kein schmeichelndes Element, sondern die klassische Geradlinigkeit der SPUs. Wer auf elegantes, tendenziell weiches Analog-Feeling steht, der wird womöglich mit anderen Drehern glücklicher. Wer hingegen Präzision und smarten Druck liebt, der wird hier reich belohnt. Mir gefällt das Geburtstagsgeschenk. Die Verarbeitung ist perfekt, der Preis angemessen, der klangliche Output auf schönstem High-End-Niveau.
Fazit
Der sehr analog ausgerichtete Vertrieb Audio Trade hat hier ein wunderschönes Plattenspieler-Sondermodell erschaffen. Dabei ist viel eigener Gehirnschmalz geflossen und man bediente sich im Fundus seiner besten Freunde. Als da wären Pro-Ject und Ortofon. Das ist eine gute Kombi, das Laufwerk ist edel, der Tonabnehmer ein wirkliches Pfund. Zusammen holt man enorm viel aus der Rille. Aber Vorsicht: Der Klang ist nicht sanft-süffig, hier wird Hochenergie weitergeleitet – ohne Filter. Also: Es gibt höchste Auflösung mit Ecken und Kanten. Für diesen Preis und in dieser Klangphilosophie eine der besten Kombinationen, die wir je in unserem Hörraum hatten.
bewertungen]
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Dynamisch-präziser, sehr energischer Klang |
| Exzellente Verarbeitung, hohes Gewicht |
| Tonarm für alle Eventualitäten einstellbar |
| Überragendes Low-Output MC vormontiert |
Vertrieb:
ATR – Audio Trade
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
www.audiotra.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
ATR Celebration 40: 2.500 Euro
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