Man sieht es ihm nicht an, aber die Geschichte des Rega Brio 2017 währt schon über ein Vierteljahrhundert. 1991 kam der erste Brio in die Läden und die Legende besagt, dass seine Geschichte sogar noch viel länger zurückreicht, denn sein Schöpfer, der Rega Ingenieur Terry Bateman, studierte erst einmal acht Jahre lang die Theorie, bevor er – wie ihm von Rega Chef Roy Gandy aufgetragen – einen kleinen, feinen Verstärker entwarf.
Inspiriert wurde Bateman dabei durch einen Aufsatz von Quad Gründer Peter Walker, der ein Verstärkerkonzept beschrieb, welches sowohl die Vorteile des Transistors als auch die klanglichen Eigenschaften der Röhre versprach. Daraus entwickelte Bateman den ersten Rega Brio.
Meine eigene Geschichte mit diesem liebenswerten Verstärker ist fast genauso lang, hatte aber Höhen und Tiefen. 1992 kam er zum Test zur Audio (meinem damaligen Arbeitgeber) und fiel glatt durch.
Kein Wunder. Es war die Zeit der extrem leistungsstarken Verstärkerboliden von Pioneer, Sony, Sansui & Co. Da war so ein kleiner, auf den feinen Ton gezüchteter Amp chancenlos – zumal der Audio Hörraum absurd überbedämpft und die angeschlossene Referenzbox (B&W 800) für einen solchen Verstärker viel zu anspruchsvoll war.
Doch der Eindruck saß tief und erst 2006 näherte ich mich dem Thema erneut. Zusammen mit LowBeats Neu-Autor Andreas Günther saß ich im (akustisch recht guten) stereoplay Hörraum und hörte den damals neuen Brio 3.
Schon nach den ersten Takten sahen wir uns fassungslos an: Das Ding machte aus dem Stand richtig gut Musik. Passende Lautsprecher vorausgesetzt, musizierte der Brio 3 auf entzückende Weise natürlich.
Und es keimte in mir der Verdacht, dass womöglich auch alle Brios zuvor (Brio 1, Brio 2, Brio 2000) schon sehr gut geklungen haben…
Für die Modelle nach dem Brio 3 stimmt das in jedem Fall: Auch der Brio R von 2011 galt unter Audiophilen als echtes Schnäppchen und der neue Rega Brio 2017 dürfte wohl in derselben Kategorie landen.
Denn er legte gegenüber dem Vorgänger Brio R noch einmal zu, sein Preis blieb aber bei der Marke von knapp 800 Euro stehen. In Zeiten ständiger Verteuerung ist das doch sehr erfreulich.
Der Aufbau
Was hat sich geändert? Von den Abmessungen her ist der Brio 2017 ein echter Brio geblieben: ein Vollverstärker mehr tief als breit im smarten Midsize-Format von 21,6 x 7,8 x 34,5 cm (B x H x T).
Die optischen Veränderungen mit Wölbung unten empfinde ich jetzt nicht unbedingt als Fortschritt; die höhere Stabilität des Gehäuses ist es in jedem Fall. Das Gehäuse besteht aus einer U-förmigen Aluminium-Schale, die durch einen eingeschobenen Deckel auch nach oben hin abgeschlossen ist. Gehalten wird der Deckel durch das Verspannen der Front mit der Rückseite über vier lange Gewindeschrauben. Das ist ganz trickreich und in der Produktion sicherlich zeitsparend.
Prinzipiell ist die Ausstattung des Rega gut: Mit vier Hochpegeleingängen und der sehr ordentlichen Phono-MM-Stufe lassen sich die meisten Anforderungen im HiFi-Alltag bewerkstelligen.
Neu am Brio ist die Netzteilauslegung. Der Trafo des Rega Brio 2017 hat nun mehrere Abgriffe für mehrere Netzteile: Vorstufe, Endstufe, Kopfhörerverstärker und Phonostufe. Das soll in allen Stufen für mehr “Ruhe” sorgen.
Für die Leistung des Brio 2017 greifen die Rega Ingenieure wie schon bei den Vorgängern auf integrierte Schaltungen zurück: Die Transistoren des neuen Brio sorgen in Verbindung mit dem Netzteil immerhin für stabile 50 Watt an 8 Ohm; an 4 Ohm-Lautsprechern wächst die Sinus-Leistung um Faktor 1,5.
Die Leistung scheint größer, Netzteil und Netzteil-Auslegung um einiges stabiler geworden zu sein. Einige Rega Händler, mit denen ich zum Thema neuer Brio sprach, führten diesen Punkt an.
Tatsächlich habe ich während der Hörtests den Rega Brio 2017 nicht zum Abschalten bekommen – was mir mit dem Brio 3 noch relativ einfach gelang. Insofern ist das eine schöne Botschaft, denn die Kombinations-Möglichkeiten mit verschiedenen Lautsprechern ist dadurch gewachsen.
Eine besondere Betrachtung verdient – wie bei fast allen Rega Verstärkern – der Aufbau der eingebauten Phonostufe. Im Rega Brio 2017 hat sie ihr eigenes Netzteil und ist komplett diskret, also aus Einzelbausteinen und nicht, wie in dieser Klasse üblich, als IC aufgebaut.
Es ist eine nicht anpassbare MM-Vorstufe mit praxisnahen Abschlusswerten von 47 KΩ und 220 pF. Mit dieser Phonostufe kann man auch die so genannten Hi-Output MC-Tonabnehmer betreiben. Für klassische MC mit ihrer niedrigen Ausgangsspannung allerdings braucht es dann allerdings eine MC-Vorstufe.
Ebenfalls beachtenswert und von Roy Gandy explizit erwähnt ist der aufgewertete Kopfhörerverstärker. Der Miniverstärker hat zwar keine Impedanzanpassung an die jeweiligen Kopfhörertypen (Mobilhörer meist 32 Ohm, Stationärhörer meist um die 300 Ohm), bekam aber nun auch ein eigenes Netzteil, was für mehr Substanz sorgen soll.
Der Rega Brio 2017 im Hörtest…
…klang wunderbar natürlich. Der Ton: warm-substanziell und nach oben raus sehr fein, sehr geschmeidig. Der amerikanische Sänger Sean Rowe verfügt über eine wirklich fantastische Barion-Stimme, seine neuestes Album New Lore wurde bei LowBeats CD der Woche 15.
Mein Anspieltipp ist “I’ll Follow Your Trail” und da war es einfach nur schön, wie der Brio 2017 hier die Färbungen von Rowes Stimme transportierte, wie überzeugend er die begleitende Gitarre er zum Leben erweckte und all die kleinen Obertöne und leicht und gleichermaßen so akkurat an die Lautsprecher weitergab. Auch die plastische Abbildung von Sänger und Gitarre war absolut glaubhaft.
Aber der Brio 2017 ist nicht nur der Verstärker für schmusige Stunden. Auch so energische Musik wie die “Tubular Brass”, die legendären Tubular Bells von Mike Oldfield von einer Bläserkapelle gespielt, behielt mit dem Brio alle Facetten – und eine tolle Dynamik.
Selbst mit so bassgetriebener Musik wie von Yello (Toy) verzauberte der neu Brio, weil er die teils versteckten Schattierungen der satten Grooves sehr wohl zu unterscheiden verstand.
Das alles machte der Rega Brio 2017 wie bei meinem Erlebnis mit dem Vorgänger aus dem Jahre 2006 alles aus dem Stand – ohne langatmiges Einspielen/Aufwärmen.
Der Zauber schwand etwas, wenn die Pegel die Marke weit jenseits von gehobener Zimmerlautstärke überschritten. Denn seine Leistung ist mit etwas über 70 Watt an 4-Ohm-Lautsprechern – zumal im 70 Quadratmeter großen LowBeats Hörraum – halt doch überschaubar.
Aber das Angenehme am Brio ist sein Verhalten unter Volllast: Er klingt dann weder hart noch dünn, sondern scheint eher “weicher” zu werden.
Ein charmantes Verhalten. Im Vergleich zum etwa gleich starken Exposure 101o S2 behielt er auch bei hohem Pegel etwas länger die Übersicht und glänzte bei Normallautstärke mit peniblerer Darstellung feiner Hochtondetails.
Der Rotel A12, ebenfalls einer der besten Vollverstärker unter 1.000 Euro, zeigte deutlich mehr Kraft, Wucht und Durchzug bei hohen Pegeln, aber er wirkte in den Mitten etwas unruhiger und erreichte deshalb nicht ganz diese sonore, sehr feine Stimmwiedergabe des Brio.
Wie man es dreht und wendet: Der Rega Brio 2017 ist ein hervorragend klingender Verstärker, braucht aber für eine optimale Performance – mehr noch als viele andere Transistor-Verstärker – unbedingt eine genau passende Lautsprecherergänzung.
Aus dem Kreis der hier abgebildeten Boxen passte die Heco Direkt überragend gut. Mit ihr erreichte der Brio auch Pegelstände, dass kein Auge trocken blieb.
Aber allein von der Größe und dem Preis her ist diese Kombination natürlich Nonsens. Wir haben in langen Hörsitzungen zwei erheblich schlüssigere Mitspieler für den Brio gefunden.
Eine überragende Kombination beispielsweise ergab sich mit der kompakten Koaxbox Elac UniFi BS U5, die nicht nur einen erstaunlich hohen Wirkungsgrad, sondern vor allem eine fantastische Abbildung und Dynamik mitbringt: die Aufnahmen sind lebendig, offen.
Im Team zelebrierten BS U5 und Brio auf engem Raum ein erstaunlich authentisches Klangbild. Für noch mehr Pegel und größere Räume drängte sich die Magnat Quantum 727 auf, die eigentlich in den Mitten recht kernig spielt, aber von dem fast sanftmütigen Brio gut im Zaum gehalten wurde.
Ein Wort noch zur eingebauten Phonostufe. Wir haben sie mit unserer Einsteiger-Referenz, der Musical Fidelity V90 LPS Phono verglichen, die derzeit für knapp 170 Euro gehandelt wird. Diese Vorstufe hat sich in diversen Tests als ausgesprochen gut und sehr günstig dargestellt. Gegen diese externe V90 klang das eingebaute Phonoboard des Rega Brio 2017 etwas weniger frisch und nicht ganz so energisch, aber wenigstens genau so ausgewogen, natürlich und fein. Es ist wie gemacht für die Rega Laufwerke Planar 2 und Planar 3 – aber bitte mit Tonabnehmern der 200 Euro-Klasse.
Fazit
Man kann über die Produkte von Rega sagen, was man möchte: Sie klingen immer anspruchsvoll, musikalisch und auf ihre Art besonders. Roy Gandy und seine Leute wissen, was sie tun und was sie den Fans der Marke schuldig sind.
Es gibt vergleichbare Verstärker, die mehr Leistung oder mehr Ausstattung oder gar beides haben. Doch der Klang des Brio hat eine besondere Schönheit und prädestiniert ihn dafür, die Zentrale einer kleinen, sehr feinen, aber gar nicht teuren Anlage mit hohem Anspruch zu sein.
Und während man früher gern und lang die Verarbeitungsmängel herunterbeten konnte, hat sich auch hier alles zum Guten gewandt: Der Rega Brio 2017 liegt diesbezüglich im oberen Drittel seiner Preisklassen-Mitbewerber. Wenn mir das einer vor 25 Jahren gesagt hätte…
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sehr feiner, musikalischer Klang |
| Sehr gute MM-Phonostufe |
| Solide Verarbeitung |
| Etwas wenig Leistung |
Vertrieb:
TAD Audiovertrieb GmbH
Rosenheimer Str. 33
83229 Aschau
www.tad-audiovertrieb.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Rega Brio 2017: 799 Euro
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Lautsprecher-Empfehlungen:
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Test Magnat Quantum 727: viel Pegel, Bass, Dynamik
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