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Der JBL Live 650 BTNC bringt das pralle Paket eines kabellosen Noise-Cancelling Kopfhöreres mit, ist aber mit 134 Euro echt günstig... (Foto: JBL)

Test Kopfhörer JBL Live 650 BTNC: Noise-Cancelling zum Sparpreis

Es gibt sie hundertfach: Over-Ear-Kopfhörer, die Superklang und effektives Noise Cancelling versprechen. Die besten haben sich um 300 Euro eingependelt. Hier kommt ein Verfolger für den halben Preis – der alle Konkurrenz hinwegfegt: der JBL Live 650 BTNC für 134 Euro.

Die gute Fee erscheint und erlaubt uns einen Wunsch: Welche Company in der großen HiFi-Gemeinschaft möchtest Du sein? Nehmen wir einen Edelhersteller oder einen Massenbeglücker? Da können wir uns ebenso schnell wie leicht entscheiden und sagen: beides, beziehungsweise Harman. Die Company hat die Lizenz zum Geld drucken. Sie hat sich stark aufgestellt im Markt der kleinen Klangfluter. Nebenbei hält man sich noch eine Luxury Group mit den ganz dicken High-End-Namen wie Mark Levinson oder Revel.

Das pralle Paket

Aber so richtig geht die Post bei den „Kauf-ich-mir-mal-eben-Produkten“ ab. Da nimmt der riesige Harman Konzern natürlich auch den Kampf mit Bose auf. Kopfhörer, Bluetooth-Böxlein – damit lässt sich ein gewaltiger Markt aufmischen. Um den perfekten Klang geht es dabei nicht immer. Trotz aller Versprechen. Hier wird oft eine Hexensuppe mit Mode, Lifestyle und allerlei Produktversprechen angerührt.

JBL Live 650 BTNC Totale blau
Der JBL Live 650 BTNC in voller Pracht. Der Kopfbügel des geschlossenen Over Ear Hörers ist stoffbezogen und trägt sich recht angenehm auf dem Kopf (Foto: JBL)

Nehmen wir einen Schluck davon, in Form des JBL Live 650 BTNC – und sind überrascht. Hier wird das Leistungsversprechen mehr als eingehalten. Viele Zahlen und Buchstaben, die aber Sinn ergeben. BT steht für Bluetooth, NC für Noise Cancelling. Das Gesamtpaket ist in Form und Potenz ein direkter Angriff auf Bose, Sennheiser & Co. Doch mit einem gewaltigen Unterschied – dem Preis. Bose hat an der Schraube gedreht und bietet seine Headphones 700 mittlerweile für 325 Euro an. JBL hat auch an seiner Schraube gedreht und düpiert Bose mit identischer Ausstattung – für 134 Euro. Einfach in den virtuellen Einkaufswagen legen und sich gut fühlen.

JBL Live 650 BTNC Verpackung
Volles Paket, ordentlich verpackt: der noch jungfräuliche JBL Live 650 BTNC vor den Tests (Foto: A. Günther)

Auf der Rückseite des Kartons haben die JBL-Marketingstrategen kaum genügend Platz, um alle Features unterzubringen. Noise Cancelling und Bluetooth hatten wir bereits erwähnt. Natürlich liegt auch ein 3,5-Millimeter-Kabel bei, um den Kopfhörer direkt mit einer Muffe zu verbinden. Ebenso das Ladekabel für einen USB-Port. Unsere Vorurteile werden nicht müde, zu flüstern: Für 134 Euro kann man keine Verarbeitungsqualität erwarten. Dieser Kopfhörer wird wie eine Schraubzwinge auf dem Schädel sitzen.

Von wegen. Unfug. Das ist ein ganz feiner Over-Ear, der trotz seiner Größe nur 249 Gramm wiegt. Ich setze ihn auf und schwitze nicht, ich stöhne nicht. Nach einigen Minuten habe ich sogar seine Gegenwart vergessen. Danach wird es wunderschön. Der Sound ist smart, aber nicht eingefärbt. Keine Show in der Höhe, selbst die so typische Bass-Emphase der Amerikaner fehlt. Sehr direkt und schnell die Abstimmung. Harman hat ja im Audio die wahrscheinlich größte Forschungsabteilung und mit Dr. Sean Olive eine DER Akustik-Kompetenzen weltweit im Konzern. Das Wissen, wie man aus jeder Art von Schallwandler einen guten Ton zaubert, ist also massenhaft vorhanden. Und in diesem Falle perfekt umgesetzt.

Andreas Günther beim Hörtest
Der Autor beim Outdoor-Versuchsgang mit dem JBL Live 650 BTNC, bei dem er sich über die lange Akku-Laufzeit freute (Foto: A. Günther)

Ich persönlich werde von dem Klang des Live 650 BTNC unmittelbar abgeholt. Doch selbst jene, denen der Sound zu natürlich oder zu wenig spektakulär ist, können nachregeln. Denn der Harman Konzern hat auch die „My JBL Headphones App“ im Angebot. Auf Smartphone oder Tablet geladen, erweitert man mit ihr die Bedienmöglichkeiten des Live 650 erheblich. So kann man hier über vorgeladene Equalizer-Presets an der Bass- oder der Höhenschraube drehen. Die App ist sowieso recht hübsch gemacht und eröffnet noch weitere Optionen wie visualisierte Frequenzgänge oder die Möglichkeit, Updates aufzuspielen.

JBL Live 650 BTNC weiß
Der Live 650 BTNC ist – natürlich – zusammenfaltbar und mit angenehmen Leder-Polstern ausgestattet. Hinter den länglichen Ohrmuscheln sitzen die bewährten 40 mm Breitbänder, die Harman in seinen Marken (AKG, Harman, JBL) öfters einsetzt (Foto: JBL)

Drei Punkte müssen wir noch benennen: Der Kopfhörer taugt auch als sehr gute Freisprecheinrichtung. Einfach auf einen Fingertipp hin den Anruf annehmen und entspannt losplaudern. Das offene Mikrofon hört auch auf Befehle der schlauen Sprachanalysten – konkret Google und Amazon. Angenehm auch das Versprechen, dass der Akku durchhält – mit Noise Cancelling bis zu 20 Stunden. Damit kommt man einmal durch die Republik und zurück. In zwei Stunden am Netz ist der Live 650 BTNC wieder komplett aufgeladen.

Anschlüsse
Die Bedien-Elemente am unteren der Muschel wirken etwas rudimentär, erfüllen aber ihre Aufgaben. Auf ein smartes Touch-Panel, wie sie die teureren Modelle dieser Gattung häufig mitbringen, muss der 650-User verzichten (Foto: A. Günther)

Der JBL Live 650 BTNC im Hörtest

Hören wir genauer hinein. Schnell fällt auf, dass es zwei Wahrheiten gibt: Die Bluetooth-Wahrheit und die Kabel-Wahrheit. Was Audiophile längst wissen – hier kann man es besonders deutlich hören. Bluetooth ist zwar nett, aber dem direkten Kabelkontakt dramatisch unterlegen. Das ist ein Nadelöhr, durch das der Klang hindurch muss. Zuerst fällt ein leichtes Rauschen auf. Danach wirkt der Antritt deutlich gebremst. Insbesondere die Mitten verlieren an Präsenz und Natürlichkeit. Alles kein Drama für die potentiellen Bluetooth-Nutzer, aber es muss gesagt werden.

JBL Live 650 BTNC ZUbehör
Das Zubehör des JBL Live 650 BTNC: die obligatorische Reisetasche, USB-Kabel (orange) und die klassische Kabelverbindung mit 3,5 mm Klinkenstecker (Foto: JBL)

Um das ganze Potenzial des Live 650 auszuleuchten, haben wir uns in diesem Test schnell auf Strippen geeinigt. Ein kleiner, aber guter Aufbau. Auf meinem Mac läuft Audirvana – ein Geniestreich, ein Geschenk für alle, die per Software ihre Lieblingsmusik herbei streamen. Per USB geht es hinaus an eine kleine, aber famose Box: den ADI-2 DAC von RME. Das ist, Nomen est Omen, ein externer Digital/Analog-Wandler, dazu aber auch ein wirklich guter Kopfhörer-Verstärker. Dazu liegt eine meiner Lieblings-SACDs gerippt in der NAS und an dem ADI-2 in DSD an: Word of Mouth Revisited ist ein Huldigungstreffen für Jaco Pastorius. Die ganz großen Bassisten sind dabei. Von Victor Wooten bis Marcus Miller. Richtig fetter Big-Band-Sound – natürlich mit starkem Bass.

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Big Band Sound vom vielleicht größten (leider schon verstorbenen) Jazz Bassisten on Earth: Jaco Pastorius Words Of Mouth Revisted (Cover: Amazon)

Der Live 650 BTNC liebt diese Musik. Und ich liebe den JBL dafür. Das stimmte auf den Punkt. Luft zum Atmen, aber auch der feine Drive aus dem Oberbass hinaus. Wird es zu massig, bricht das Panorama gern mal ein. Hier kein Problem. Alles wunderbar smooth, zum mitklatschen. Klasse die Weite der Blechbläser. Plötzlich sind wir im Sprachgebrauch des echten High-Ends – meine Güte, bei einem Kopfhörer, der nur 134 Euro kostet.

Das hatte ich nicht erwartet und auch nicht prophezeit. Genrewechsel, diesmal Klassik. Ein ganz heftiger Brocken. Yannick Nezet-Séguin ist der neue Liebling der Deutschen Grammophon. Egal wo der weltweit gefragte Dirigent auftritt – die DG schneidet mit. Aktuell ist die Achte Symphonie von Gustav Mahler erschienen, live eingefangen mit dem Philadelphia Orchestra. Wer es nicht weiß: das ist ein einsames Monstrum unter den Symphonien. Rund dreihundert Musiker, gerne mehr, stehen auf dem Podium. Chöre, Solisten, Orgel. Im Finale wird geflüstert und berstend laut musiziert. Von allem zu viel. Gerade für einen Kopfhörer der Einstiegsklasse. Doch toll, wie der JBL diese Wucht, diese Hochdynamik zu staffeln vermochte. Viele Informationen, viel Leidenschaft, viel echtes Erleben. Und das – ok, es wird langweilig – zu einem sagenhaft kleinen Preis.

Fazit

Der weise Michail Gorbatschow hat mal gesagt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Wir hatten den JBL Live 650 BTNC über ein halbes Jahr in der Redaktion und kamen einfach nicht zum Test. Heute könnte man sagen: zum Glück. Als er auf den Markt kam, war der große Live JBL ein wirklich guter und für seine 200 Euro top-ausgestatteter Over-Ear-Hörer. Für nicht einmal 140 Euro (und wer im Netz etwas sucht, bekommt ihn sogar für knapp über 100 Euro…) ist er eine glatte Sensation.

JBL Live 650 BTNC Farben
Die drei Farbvarianten des JBL Live 650 BTNC: Anthrazit, Weiß, Blau  (Foto: JBL)

Er ist so gut, dass wir ihn in unsere Referenzhalle aufstellen und nicht mehr hergeben wollen. Zugleich fühlt man sich dabei seltsam: Kann das echt sein? Zu diesem Kurs? Der JBL ist nicht nur günstig, sondern hart an der Grenze zum Billigen. Aber nichts davon lässt sich fühlen, ertasten, hören. Er spielt auf wie ein ganz Großer. Und er pustet ein Heer von weit teureren Konkurrenten hinweg.

JBL Live 650 BTNC
2020/07
Test-Ergebnis: 4,7
Überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Homogene Abstimmung mit detailreichem Mittelhochtonbereich
Erfreulich sauber-konturierter ohne die üblichen Aufdickungen
Effektives das Noise Cancelling, attraktive App
Extrem gute Preis/Gegenwert-Relation

Vertrieb:
Harman Deutschland GmbH
Allee 18
74072 Heilbronn
Deutschland
www.jbl.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
JBL Live 650 BTNC: 134 Euro

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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.