Kopfhörerverstärker gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Braucht es da wirklich noch einen weiteren? Diesen hier auf jeden Fall: Die Rede ist vom Niimbus US 4, der in zwei Ausführungen angeboten wird. Im Blickpunkt des nachfolgenden Tests steht der Niimbus US 4+, der gegenüber der Standardversion US 4 mit Balancesteller und erweiterten, analogen Anschlussmöglichkeiten aufwartet. Für beide Niimbus US 4 gilt: Ihr Schöpfer ist Fried Reim, Chef und Mastermind des Konstanzer Pro-Audio-Herstellers Lake People. Und es ist keineswegs übertrieben, Fried Reim als den Wegbereiter des dezentralen Kopfhörerverstärkers zu bezeichnen.
Zur Erklärung hier ein kurzer Ausflug in die tontechnische Historie: Ihren Ursprung haben die Kopfhörerverstärker im Tonstudio-Bereich. Bis Mitte der Achtzigerjahre waren sie in der Regel als zentrale Baugruppe(n) ausgeführt. Meist versammelten sie sich als Quartett oder Oktett in einem gemeinsamen 19-Zoll-Gehäuse. Von dort aus führten dann relativ lange Leitungen zu den Musikern im Aufnahmeraum. Bei den damals ohnehin meist hochohmigen Kopfhörern war das technisch kein Problem. Der Nachteil: Der Cue Mix, also das Kontrollsignal für den einspielenden Musiker, lag komplett in der Hand des Toningenieurs. Selbst einfachste Korrekturen, beispielsweise Lautstärkeänderungen, konnten die Musiker nicht selbst vornehmen.
Lake People war einer der ersten Hersteller, der dezentrale Kopfhöreramps für den Einsatz “vor Ort” auf den Markt brachte. Der Lake People V6 anno 1986 war ein kompakter Verstärkerblock, der sich für den Musiker zugänglich aufstellen ließ. Bei seiner Entwicklung galt es, einige Herausforderungen zu meistern. Hohe Aussteuerbarkeit auch an hochohmigen Hörern, top Klangqualität, unter allen Umständen zuverlässige Schaltungstechnik, einfache Bedienung und nicht zuletzt eine trittfeste, robuste Konstruktion – all das war unter einen Hut zu bringen. Der Markt nahm die dezentrale Bauweise jedoch dankbar an: Fraglos bildete der V6 den Grundstein für das aufstrebende Unternehmen Lake People.
Niimbus US 4+: ultimativ durch Erfahrung
Wer über mehr als drei Jahrzehnte hinweg Kopfhörerverstärker entwickelt und produziert, weiß, worauf es ankommt. Das bekommt man von Fried Reim sogar schriftlich: Wissbegierige können unter diesem Link seine Broschüre “Das Kopfhörerverstärker-Kochbuch” herunterladen. Somit erscheint Reims Anliegen nur konsequent, sein gesammeltes Knowhow in eine Familie absoluter Top-Produkte einfließen zu lassen. Für diese “Ultimate Series” rief Reim sogar eine eigene, exklusive Marke ins Leben: Niimbus – nunmehr das High-End-orientierte Oberhaus im Portfolio von Lake People.
“Tools – not Toys” – mit diesem Slogan charakterisiert Lake People all seine Produkte. Da macht auch der Niimbus US 4+ keine Ausnahme. Seine Ausrichtung lässt sich in simpler Formel zusammenfassen: 33 Jahre Erfahrung in Bau und Entwicklung von Kopfhöreramps + 3 Jahre Entwicklungszeit = Ultimate Series 4. Ohnehin präsentiert sich der Niimbus US 4+ auf erfreulich schnörkellose Weise. Seine professionellen Gene zeigen sich bereits bei der mitgelieferten Dokumentation. Die macht ihrem Namen wirklich alle Ehre: Anschlussbelegung, Blockschaltbild mit internen Pegelangaben, das variable Erdungskonzept, Verstärkungseinstellung – jedes Detail, jedes Wieso und Warum wird darin anschaulich illustriert beschrieben.
Mit dem Niimbus US 4+ erhält man jedoch nicht nur einen reinen Kopfhörerverstärker. Dank der integrierten, separaten Hochpegel-Ausgangsstufe lässt sich der US 4+ auch als fernbedienbarer, hochwertiger Line-Preamp verwenden – wahlweise mit oder ohne Lautstärkesteller. Nicht umsonst also verfügt der US 4+ über zwei asymmetrische sowie einen symmetrischen Hochpegeleingang.
Niimbus US 4+: Volle Dynamik für jeden Hörer
Die zentrale Herausforderung bei Kopfhörerverstärkern besteht darin, dass sie mit den unterschiedlichsten Kopfhörertypen zusammenarbeiten müssen. Hochohmige Hörer (bespielsweise der Sennheiser HD 800 S) benötigen für HiFi-gerechte Lautstärken in der Regel eher hohe Ausgangsspannungen. Bei niederohmigen Typen hingegen (so beim Astell & Kern AK T8iE) fließt mehr Strom, weshalb bei ihnen eher die verfügbare Ausgangsleistung in den Blickpunkt rückt. Zudem gibt es in beiden Lagern Hörer mit tendenziell hohem oder geringem Wirkungsgrad. Obendrein gilt es, diese höchst unterschiedlichen Hörertypen auch noch rauschfrei anzutreiben – bei möglichst hohen Pegelreserven versteht sich.
Um all dem gerecht zu werden, müssen wirklich gute Kopfhörerverstärker über einen wahrhaft gigantischen Dynamikbereich verfügen. Und genau an diesem Punkt setzt der Niimbus US 4+ an. Über rückseitige, kanalgetrennte DIP-Schalter lässt sich seine Verstärkung perfekt an den jeweils verwendeten Hörer anpassen. Somit ist gewährleistet, dass unabhängig von dessen Eigenschaften stets die gesamte Systemdynamik des Niimbus US 4+ zur Verfügung steht.
Bei niederohmigen, wirkungsgradstarken Hörern kann es dabei durchaus vorkommen, dass eine Abschwächung des Signalpegels erforderlich ist. Auch das ermöglichen die “Pre Gain” genannten DIP-Schalterbänke über negative Dezibelwerte. In diesem Falle arbeitet der Niimbus US 4+ als Impedanzwandler mit niederohmigem Ausgang. Vorteil: Wegen der nunmehr sehr geringen Verstärkung (<1) fällt der Rauschpegel extrem niedrig aus – sehr zur Freude von Besitzern empfindlicher In-Ear-Hörer.
Verlustfreie Lautstärkeeinstellung
Eine Herausforderung für alle Verstärkerbauer ist das Reizthema Lautstärkeeinstellung. Ob analog etwa per Potentiometer oder digital per Wortbreitenreduktion: Jede Lösung hat ihre spezifischen Vor- – und meist mehr noch – Nachteile. Kompromisslos realisiert, wird’s dann extrem aufwändig – so wie beim Niimbus US 4+. Bei ihm erfolgt die Lautstärkeeinstellung analog über verlustarme Festwiderstände, die mittels hochwertiger Schutzgas-Reedkontakte relaisgesteuert geschaltet werden. Die hierfür erforderliche Wertetabelle liefert ein Analog-Digitalwandler, der seine Steuerspannung aus dem eigentlichen Lautstärke-Potentiometer bezieht. Dieses erlaubt eine sehr feinfühlige Lautstärkeeinstellung, die über den gesamten Drehwinkel bei einer Schrittweite von etwa 0,4 Dezibel einem Einstellbereich von 102 dB bietet. Weitere Vorteile sind ein perfekter Kanalgleichlauf auch bei sehr niedrigen Pegeln sowie geringes Kanalübersprechen.
Ebenso kreativ ist der Balancesteller beim Niimbus US 4+ realisiert. Um auch hier eine hohe Übersprechdämpfung zu erzielen, wirkt dieser lediglich auf den rechten Kanal. Was sich zunächst etwas befremdlich lesen mag, funktioniert in der Praxis ganz hervorragend. Das Verschieben des akustischen Zentrums gelingt mit ihm ungewöhnlich sensibel.
Niimbus US 4+: Qualität made in Germany
Einen beträchtlichen Teil seines hohen Gewichts verdankt der Niimbus US 4+ seinem robustem Gehäuse. Für hohe Stabilität und wirkungsvolle, elektromagnetische Abschirmung ist es aus 2 Millimeter starkem, pulverbeschichtetem Stahlblech gefertigt. Heavy Metal sozusagen – allerdings mit Sinn für Ästhetik. So verbergen sich die Schrauben für die obere und umtere Gehäuseschale hinter seitlichen Abdeckleisten, die mittels Magneten passgenau angeclipst werden.
Der Hingucker schlechthin beim Niimbus US 4+ ist zweifellos seine 10 Millimeter starke Aluminium-Frontblende. Ihr asymmetrisches Profil rund um den Lautstärkesteller dürfte sicherlich auch zum Markenzeichen weiterer Niimbus-Produkte avancieren. Ein weiteres optisches Highlight ist die in den Lautstärkersteller eingebaute LED-Positionsanzeige. Deren Helligkeit lässt sich wie auch bei allen anderen LEDs auf der Frontplatte über einen speziellen Tastaturbefehl am Gerät variieren.
Großen Wert legt man bei Lake People darauf, dass der Niimbus US 4+ komplett hierzulande gefertigt wird. Wie im Firmenname bereits verankert, erfolgt das in Konstanz am Bodensee. Bemerkenswert dabei ist auch, dass die Zulieferer allesamt in der näheren Region ansässig sind.
Der Hörtest
Kopfhörerverstärker gehören definitiv zu den besonders klangkritischen HiFi-Komponenten. Das liegt daran, dass bei ihnen die beiden größten Klang-“Influencer” – sprich Lautsprecher und Raum – naturgemäß keinen Einfluss ausüben. Zwischen Musik und Trommelfell befindet sich lediglich der Kopfhörer – der deutlich weniger Verzerrungen produziert als selbst der beste Lautsprecher.
Will man Kopfhörer-Amps also wirklich auf den Zahn fühlen, braucht’s Musik mit ausgedehntem Tonspektrum von außergewöhnlicher Klarheit und einer Dynamik bis hinunter zur Hörgrenze. Sorry, liebe Vinyl-Freunde – so etwas lässt sich meiner Erfahrung nach nur auf digitalem Wege produzieren. Bestes Beispiel hierfür ist das in jeder Hinsicht phänomenale Album Dark Days Exit des Südafrikaners Felix Laband aus dem Jahre 2005. Nicht umsont zählen es Größen wie etwa Peter Kruder und Richard Dorfmeister zu den Meilensteinen anspruchsvoller Electronica.
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Hinter dem eher abschreckenden Cover von Dark Days Exit verbirgt sich ein musikalisches und aufnahmetechnisches Highlight. Es strotzt vor leuchtenden Klangfarben, aberwitzigem Detailreichtum, feinsten Transienten und Oberton-Strukturen sowie ausdrucksstarkem Stereo-Panorama – all das bei einem phantastischen dynamischen “Schwarzwert”. Dieses Album ist die perfekte Herausforderung zum Testen anspruchsvoller Kopfhörer-Amps.
Genau das Richtige also für den anstehenden Hörvergleich auf höchster Ebene. Denn um seinem Namen gerecht zu werden, musste sich der Niimbus US4+ mit der LowBeats-Referenz in der Kategorie Kopfhörerverstärker messen: dem Questyle-Trio bestehend aus Preamp CMA800P sowie zwei im Mono-Betrieb arbeitenen CMA800R – allesamt aus dem Questyle Golden Reference Tower und nicht weniger als insgesamt 9.000 Eurod wert.
Tranparenz ist Trumpf
Ehrlich gesagt hatte ich zu Testbeginn leichte Bedenken, ob der Niimbus US 4+ mit der herausragenden Klangqualität des Questyle-Gespanns mithalten kann. Derartige Zweifel zerstreute der US 4+ jedoch vom ersten Ton an. Er zeichnete sich durch ein Merkmal aus, was ich als typisch für allerfeinste Audio-Komponenten erachte – Transparenz. Sie ist Bedingung für Weiträumigkeit, ein ausgedehntes Tonspektrum und trägheitslose Wiedergabe von Transienten. Transparanz ermöglicht, dass selbst feinste Klangstrukturen ihre Abgrenzungen bewahren und sich damit aus dem dynamischen Untergrund abheben. Transparente Klänge umgibt kein “Hof”, wie etwa der Halo beim Mond in einer dunstigen Sommernacht oder Schlieren auf einer nicht ganz sauberen Glasscheibe.
Der Niimbus US 4+ zählt unbedingt zu den Transparenz-Weltmeistern. Sofort konnte ich bei ihm die angenehm befreiende Luftigkeit im Klangbild wahrnehmen, die lediglich Komponenten der Champions League zu eigen ist. Beim Vergleich mit dem Questyle-Referenz-Trio brauchte ich denn auch nicht lange hinzuhören. Der US 4+ spielte definitiv in der gleichen Liga. Nach wirklich unzähligem Hin- und Herstöpseln zeigte sich die Questyle-Kombi im Tiefstbass eine Winzigkeit martialischer, was aber definitiv bereits an der Grenze der Wahrnehmbarkeit lag.
Das Album Dark Days Exit mit seinen filigranen Sounds war über den Niimbus US 4+ denn auch eine Offenbarung. In diesen “Sphären” greifen übliche Klangbeschreibungen nicht mehr – wenn die musikalische Intention wie beim US 4+ wirklich spürbar wird, ist eigentlich alles geasgt.
Bemerkenswert auch, dass der Niimbus sein hohes Qualitätsniveau an den unterschiedlichsten Hörern aufrecht erhielt. Neben der LowBeats-Referenz, dem Sennheiser HD 800 S (300 Ohm) und dem Audeze LCD-2 Classic kamen zwei weitere Hörer zum Einsatz: der mit 64 Ohm mittelohmige Kennerton Thror sowie der mit 16 Ohm niederohmige Mr.Speakers Ether 2.
Fazit
Der Niimbus US 4+ vereint das Beste aus zwei Welten: Er verbindet einen unprätentiösen Auftritt sowie durchwegs professionelle Eigenschaften mit kompromisslos audiophiler Klangqualität. Ihm gelingt damit der perfekte Brückenschlag von Pro Audio zu HiFi.
Klanglich ist der Niimbus US 4+ der derzeit wohl weltbeste Single-Unit-Kopfhöreramp. Mit seiner flexiblen Verstärkungseinstellung zeigt er sich darüber hinaus für jeden Kopfhörer geeignet. Berücksichtigt man zudem seine umfangreiche Ausstattung sowie das Qualitätsversprechen “Made in Germany”, so scheint der Preis von knapp 5.000 Euro durchaus gerechtfertigt.
Was jetzt noch fehlt: der passende, ebenso hochkarätige DAC aus dem Hause Niimbus – wir bei LowBeats sind gespannt!
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Hervorragend transparenter, audiophiler Klang |
| Dank variabler Verstärkung für alle Kopfhörer geeignet |
| Auch als analoger Line-Preamp einsetzbar |
| Flexible Integration in HiFi- und Pro-Audio-Systeme |
Vertrieb:
cma audio GmbH
Semmelweisstraße 8
D – 82152 Planegg
Telefon: +49 (89) 97 880 38 0
www.cma.audio
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Niimbus US 4+: 5.000 Euro
Die Mit- und Gegenspieler im Test:
Test Line-Preamp CMA800P – der Purist
Test Kopfhörer-Verstärker Questyle CMA800R – der Doppeldecker
Amp/DAC Familientest Questyle Golden Reference System
Test Edel-Kopfhörer Sennheiser HD 800 S
Test In-Ear Kopfhörer Astell & Kern AK T8iE
Kopfhörer-Test Audeze LCD-2 Classic
Test Over-Ear Kopfhörer Kennerton Thror – High End aus Russland
Test Kopfhörer MrSpeakers Ether 2