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Cambridge Audio Alva TT Totale
Cambridge Audio hat einen Plattenspieler zu seiner Edge-Serie entworfen. Der Alva TT ist ein fantastischer Plug n Play-Spieler für 1.700 Euro (Foto: Cambridge Audio)

Test Plattenspieler Cambridge Audio Alva TT

Cambridge Audio will mitspielen: Die Briten legen einen neuen Plattenspieler auf, genannt Cambridge Audio Alva TT. Ab diesen Tagen im Handel. Wir hatten eines der ersten Modelle vorab im Test und durften bereits aufbauen, justieren und lauschen. Ein spannendes Produkt mit einem rasant guten (und teuren) Tonabnehmer. Wie gemacht zur analogen Ergänzung der Edge-Serie.

Cambridge Audio Alva TT mit Edge A
Als seien sie für einander gemacht: Cambridge Audio Alva TT und der  Vollverstärker Edge A (Foto: Cambridge Audio)

Ein Mann mit Rauschebart sitzt auf dem Sofa. Vor ihm auf dem Tisch liegen die Einzelteile zu einem Plattenspieler. So könnte ein Märchen beginnen. Tatsächlich ist es aber ein YouTube-Video, das Cambridge Audio in Auftrag gegeben hat. Hier soll der potentielle Kunde erfahren, wie einfach der neue Plattenspieler aufgebaut werden kann. Die Botschaft: Keine Angst, wir wissen, was wir tun. Benannt wurde der Plattenspieler nach dem Großmeister unter den Erfindern: Thomas Alva Edison. Der zweite Vorname hält als Markenzeichen her – der Plattenspieler heißt Alva TT.

Er sieht aus wie ein alter Bekannter, widerspricht aber umfassend den aktuellen Spielregeln des Marktes. Die da wären: Ein Plattenspieler wird mit Riemen angetrieben, der Plattenteller besteht aus Glas, an der Spitze tastet eine Nadel mit MM-Tonabnehmer ab – das Ganze muss unter 1.000 Euro kosten.

Der Aufbau des Cambridge Audio Alva TT

Die Spielregeln gelten nicht für Cambridge Audio. Der Alva TT liegt bei 1.700 Euro. Der Tonabnehmer ist ein gehobenes MC-System, das mindestens bei 500 Euro Straßenpreis liegen würde. Zudem rotiert der Plattenteller direkt über dem Motor – wir stehen vor einem Direktantrieb. Als Material nutzt Cambridge Audio hier einen Kunststoffmix, edel-schwer und unantastbar für böse Vibrationen, kurz POM genannt – „Polyoxymethylen“.

Cambridge Audio Alva TT Kante
Elegant von allen Seiten: der Alva TT mit dem Plattenteller aus POM (Foto: Cambridge Audio)

Natürlich wollte ich wissen, woher der Tonabnehmer des Cambridge Audio Alva TT stammt. Der Name wurde nicht verraten. Nur soviel: der Hersteller sitzt in Japan und auf dem Aluminiumträger sitzt eine Nadel mit elliptischem Schliff. Beim Tonarm mussten wir nicht lange fragen: Das ist der RB 330 aus dem Katalog von Rega.

Cambridge Audio Alva TT Tonarm
Der Tonarm des Alva TT kommt von Rega. Der RB 330 ist ein klanglich genialer Tonarm und auch sehr einfach zu bedienen (Foto: H. Biermann)

Das ist schlau. Wollen die Briten alles auf einen Schlag selbst herstellen, wären die Kosten unendlich und der mögliche Klanggewinn schwer berechenbar. Warum sich also nicht auf dem etablierten Markt bedienen? Aber auch im eigenen Fundus. So haben sie recht gute Phonovorstufen im Sortiment, wie etwa die Duo für 300 Euro. Die wurde wie selbstverständlich in den Cambridge Audio Alva TT integriert.

Cambridge Audio Duo
In der Redaktion tut die Duo schon seit vielen Monaten ihren exzellenten Dienst. Im Cambridge Audio Alva TT ist sie bereits eingebaut (Foto: H. Biermann)

Bedeutet für den Kunden: Kein weiteres Equipment ist nötig, der Plattenspieler kann direkt an einen Cinch-Port des Vollverstärkers gehängt werden. Oder noch einfacher: Auf der Rückseite gibt es nicht nur den vorverstärkten Phonoausgang, sondern zusätzlich auch einen Winzschalter für einen Bluetooth-Sender. Dann werden die audiophilen Signale komplett kabellos mit bis zu 24 Bit und 48 Kilohertz an die passenden Boxen gestreamt – oder gleich an einen Kopfhörer. So muss die Zukunft des Klangs aussehen.

Cambridge Audio Alva TT Anschluss
Klassische Kabel- aber auch Bluetooth AptX-Ausgänge (Foto: Cambridge Audio)

Die Bluetooth-Verbindung haben wir natürlich ausprobiert. Der Edge A stand direkt daneben und so war ein Vergleich mit der Kabelverbindung einfach: Sie ist klanglich in jedem Fall vozuziehen. Sollte der Plattenspieler aber viele Meter wegstehen, sieht die Sache schon wieder anders aus, weil so lange Phonokabel den Klang ja ebenfalls trüben.

Die Verarbeitung des Alva TT hat mich begeistert. Das Design ist maximal geradlinig. Selbst auf einen externen Trafo wurde verzichtet, es geht mit dem Kaltgeräte-Stecker direkt in die Rückseite hinein. Beim Korpus on top liegt eine Ebene aus Vollmetall. Eingefräst wurde der Firmenschriftzug, links vorn prangt der Einschalter und zwei Knöpfe für 33 oder 45 Umdrehungen. Das ist edel und im besten Sinne auch archaisch.

Die Erstinstallation ist in wenigen Minuten gelungen. Auspacken, Plattenteller auflegen, Gewicht auf den Arm schrauben. Der Tonabnehmer ist bereits montiert und vorjustiert. Einzig die Auflagekraft muss noch bestimmt werden, dazu liegt eine Miniatur-Kippwaage von Ortofon bei. Zwei Gramm werden von Cambridge Audio empfohlen. Wie es geht, zeigt uns nicht nur die Bedienungsanleitung, sondern eben auch der freundliche Mann mit Rauschebart auf YouTube.

Cambridge Audio Alva TT BOden
Der Alva TT ruht auf breiten Gummi-Dämpfern. Das sieht dezent aus und funktioniert zuverlässig (Foto: H. Biermann)

Das Fazit bis hierher: Cambridge Audio hat den perfekten Plattenspieler für die höhere Vinyl-Gesellschaft entworfen. Das Konzept ist stringent, das Design edel und die Bedienung wirklich einfach. Hier muss sich kein Neuling in Ängsten plagen. Wir brauchten drei Minuten – und die ersten Klänge fluteten unseren Hörraum.

Die Basis ist gut, der Tonabnehmer aber überragend. Das überrascht abermals. Die meisten Konkurrenten sparen gerade hier. Der Tonabnehmer der meisten vorkonfektionierten Plattenspieler ist ein Kompromiss. Etwa zehn bis zwanzig Prozent so teuer wie der Vinylbeschleuniger selbst. Doch Cambridge Audio langt deutlich höher zu. Was aber die Praktiker freut: Das MC-System versteht sich auf die hohe Dynamikausbeute – als High-Output-System kann es direkt am MM-Verstärker angeschlossen werden. Der aber eben schon im Cambridge Audio Alva TT integriert ist. So edel das MC-System am Neuling auch sein mag, es lässt sich rustikal und stabil in eine bestehende Architektur einbinden.

Der Alva TT im Hörtest

Ich senkte die Nadel herab und wollte mich überraschen lassen. Es gibt eine wunderbare Philips-Pressung von Mendelssohns Sommernachtstraum. Das Concertgebouw Orchester von Amsterdam spielt auf, George Szell dirigiert. Den Hochzeitsmarsch kennt jeder. Hier wallt Dynamik auf. Zuerst kündigen die Blechbläser das Hochzeitspaar an, dann folgt das Tutti. Ein guter Plattenspieler muss mit dem ersten Takt den Raum abstecken, dann tief Luft holen und massiven Druck an die Lautsprecher wuchten. Genau das kann der Cambridge Audio Alva TT. Das war zudem wunderbar plastisch – man hätte in das Klangbild hineingreifen können. Die hellen Streicher lockten mit Brillanz und Samt. Sehr sinnlich geriet das Gesamtbild. Ok, das könnte man auch mit einem guten MM-System erreichen (unser Tipp: das neue VM95SH von Audio-Technica, um 200 Euro). Doch bei einem MC spürt man diesen zusätzlichen Schub an Feininformationen. Zudem stellt sich die Frage nicht. Der Alva TT ist nur als Komplettpaket, eben mit dem japanischen MC zu bekommen.

Tonabnehmer
Der Alva TT ist nur mit dem eingebauten MC namens Alva TT MC zu bekommen. Die Einschränkung könnte schlimmer sein… (Foto: Cambridge Audio)

Genau hier liegen auch die Vorzüge gegenüber den Konkurrenten. Wir haben zum Vergleich beispielsweise den Magnat MTT 990 aus unserem Testmodell-Fundus angeschlossen. Auch er ein Direktantriebler – doch nur mit einem günstigen MM-System an der Spitze. Das AT95 ist zu recht ein Superseller, aber mittlerweile abgelöst von Audio-Technicas VM-Serie. Also altes, aber gutes Eisen. Doch im Direktvergleich konnte der Magnat nicht mit der Spielfreude des Cambridge Audio konkurrieren. Zudem fehlte die Feinauflösung. Sicherlich ein guter Plattenspieler, aber eben nicht in der Klasse der Briten daheim. Selbst dann nicht, als wir ihn mit dem Sieger unseres großen Familientests, dem Audio-Technica VM95 SH (angeschlossen an dem externen Cambridge Audio Duo), auf ein sehr viel höheres Niveau hoben. Der Alva hatte die Nase vorn.

Dann Pop. Das Label von Katie Melua hat sich entschlossen – endlich – die besten Songs auf LP zu veröffentlichen. Die kommt mit gleich zwei Vinylscheiben daher, ein edles Doppelalbum. Dazu gibt es zwei neue Coversongs, „Bridge Over Troubled Water“ von Simon & Garfunkel und Shirley Basseys „Diamonds Are Forever“. Die Pressung ist superb. Wunderbar die Cellobegleitung, die Streicher, die klare Stimme der Heldin.

Katie_Melua_Ultimate_Collection
Als LP nochmals schöner: Katie Meluas Ultimate Collection (Cover: Amazon)

Vieles ist gehaucht, dann die angerissenen Saiten der Gitarre – der Cambridge Audio Alva TT überbot hier viele CD-Player des Referenzregals an Information und Aura. Herrlich zurückgelehnt, herrlich entspannt. Wer Sehnsucht nach Vinyl mit hoher Auflösung bei einem top-modernen Plattenspieler sucht – hier ist der Held im Haifischbecken.

im LowBeats Hörraum
Verhielt sich selbst im Schallfeld der mächtigen Bässe der Canton A55 erfreulich ruhig: der Alva TT im LowBeats Hörraum (Foto: H. Biermann)

Fazit

Das ist selbstbewusst. Jeder andere Hersteller hätte sich wahrscheinlich dezent herangetastet und einen Plattenspieler unter 1.000 Euro entworfen. Doch Cambridge Audio geht in die Vollen. Der Alva TT ist ein superbes Laufwerk. Stark das Design, stark die Verarbeitung und ebenso stark die Idee, hier mit einem antrittsstarkem Direktantrieb aufzutreten. Dazu ein guter Tonarm aus der britischen Nachbarschaft und als Knaller ein luxuriöses MC-System. Alles ist an Bord. Von der Phonostufe bis zur Bluetooth-Kopplung. So sieht die Moderne und die Ehrenlegion eines Plattenspielers aus.

Cambridge Audio
Alva TT
2019/03
Test-Ergebnis: 4,7
Überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Hochauflösender, antrittsstarker und musikalischer Klang
 Vormontiertes MC, integrierte Phonostufe, Bluetooth-Ausgang
Anmutiges Design mit perfekter Verarbeitung
Exzellente Preis/Klang-Relation

Vertrieb:
Cambridge Audio Deutschland
Alter Wandrahm 15
20457 Hamburg
www.cambridgeaudio.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Cambridge Audio Alva TT: 1.700 Euro

Mit- und Gegenspieler:

Erster Test: Vollverstärker Cambridge Audio Edge A
Erster Test Direct-Drive Plattenspieler Magnat MTT 990
Familientest Audio-Technica VM95: 6 MM-Abtaster unter 200 Euro

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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.