Wer in den letzten Jahren auf der HIGH END in München bei AVM vorbeikam, konnte mit etwas Glück die erwartbaren Elektronik-Komponenten aus Malsch an AVM-eigenen Lautsprechern hören. Will da einer zum Vollsortimenter werden? Offenkundig. Denn die für ihre herausragenden Verstärker und All-In-One-Maschinen bekannten Badener stellten schon auf den Norddeutschen HiFi Tagen im Februar 2018 die Prototypen zweier Plattenspieler vor: AVM R 5.3 und R 2.3. Beide sind nun verfügbar. Und beide waren bei LowBeats im Test.
Wer kauft heutzutage einen Plattenspieler? Die Marktforschung möchte uns gern belehren und sagt: Es sind junge Neueinsteiger, die eine Vinylscheibe als cool empfinden. Gefolgt von einer zweiten Zielgruppe: ältere Männer, die ihre Schallplattensammlung wieder aus dem Keller ins Wohnzimmer holen. Was in beiden Fällen so überhaupt nicht zur Sprache kommt: Der Betrug, der uns Anfang der 80er Jahre ereilt hat.
Damals hielt Herbert von Karajan seine erste CD der Weltöffentlichkeit entgegen und sprach: “Alles andere ist Gaslicht”. Das glaubten viele, ich auch. Dummerweise. Denn heute wissen wir: Eine gute Pressung, über einen guten Plattenspieler abgetastet, klingt oft besser als CD.
Man braucht nur in der Zeit zurückzugehen und sich vorzustellen, welche Potenz damals, Mitte der 80er Jahre ein PC hatte. Keiner benutzt diese Technik mehr, das ist Elektroschrott. Ebenso veraltet ist die CD – ihre 16 Bit und 44,1 Kilohertz sind ein Relikt. Kein Tonstudio der Welt vertraut diesem Codec mehr eine Neuaufnahme seiner wertvollen Künstler an.
Heißt: Es gibt auch viele Musik-Liebhaber, die erkannt haben, dass sie sich mit schwarzen Scheiben die bessere Klangqualität ins Haus holen. Auf der Gegenseite stehen die Geldhaber – es soll sie geben, Menschen, die sich einen Plattenspieler als reine Design-Ikone ins Wohnzimmer stellen – mitunter noch nicht einmal angeschlossen an den Verstärker.
Fazit bis hierher: den einen, einzigen Plattenspieler-Käufer gibt es nicht. Was es für Hersteller auch schwer macht, die Zielgruppe zu treffen. Schön muss der Plattenspieler sein, edel und natürlich gut klingend. Das gewisse Etwas ist gefragt, kombiniert mit einer Archaik.
Die Technik von AVM R 5.3 und 2.3
In diesem Terrain jagt nun AVM nach Kunden. Zwei Plattenspieler bieten die Elektronik-Spezialisten aus Malsch an: den kleinen R 2.3 und den größeren R 5.3 – passend zu den AVM Komponenten-Linien 2 und 5. Der Chef des Hauses, Udo Besser, hat eine schöne Legende um diese Plattenspieler gestrickt. Die geht so: Sein Sohn wurde 18 – was nach einem besonderen Geschenk verlangte. Besser setzte sich an den Zeichentisch und entwarf einen Plattenspieler, der nicht nur ein überraschendes Geschenk abgab, sondern auch als Blaupause für die hauseigene Plattenspieler-Entwicklung genutzt wurde.
Die LowBeats Redakteure kennen AVM schon über ein Vierteljahrhundert – als Verstärkerspezialisten. Nun also Plattenspieler? Natürlich waren wir ebenso begeistert wie interessiert – und wollten beide haben: den R2.3 und den R 5.3. Udo Besser brachte beide Modelle in der Redaktion vorbei, um bei der Gelegenheit auch gleich Rede und Antwort stehen zu können. Zum Beispiel auf die Frage nach dem Herstellungsweg. Denn es wäre ja dumm, würde ein Elektronik-Profi wie AVM plötzlich die Pferde wechseln und seine Fertigung auf Vinyl justieren. Für einen Betrieb würde das ein unkalkulierbares Risiko bedeuten. Man braucht eine neue Fertigungstrasse, neue Werkzeuge und, und, und…
Also überantworte Besser alle praktischen Dinge dem European Audio Team (EAT) – einer kleinen Röhren- und Analog-Company, die wiederum als Tochterunternehmen mit dem größten Hersteller für Marken-Plattenspieler weltweit, nämlich Pro-Ject, verbandelt ist.
So kann man bei AVM seinen Weg gehen und anspruchsvolle Vorhaben zu noch moderaten Preisen realisieren: der R 2.3 kostet 3.390 Euro, das Topmodell R 5.3 liegt bei 5.490 Euro. Für die meisten Menschen sind das happige Preise. Aber nach dem Auspacken, Anfassen, Einrichten kommt genau dieser Eindruck auf: Der Gegenwert stimmt – hier drehen zwei superbe Plattenspieler ihre Runden, die keineswegs irgendwelche Klone bereits bestehender Konstruktionen, sondern höchst orginäre Laufwerke mit intelligenten Detaillösungen sind.
Was dem AVM R 5.3 und dem R 2.3 gemein ist: Ihre Chassis wurden umfassend bedämpft. Sie bestehen aus einer hochverdichteten, holzbasierten Faserplatte (HDF) mit einer Bauhöhe von entweder 37 Millimeter (R 2.3) oder 60 Millimeter (AVM R 5.3). Doch vom Holz sieht man hier nichts: Alles steckt unter der schönen Verkleidung aus gebürstetem Aluminium – wahlweise in Hell-Natur oder Schwarz.
Wer möchte, kann die 5.3er Version auch in Chrom ordern. Das harmoniert beispielsweise wunderbar mit Elementen von Burmester. Kostet aber 2.000 Euro mehr. Auch dies ist kein Vergehen, sondern die klare Analyse des Marktes. Die AVM-Strategen agieren geschickt: Die Chrom-Version passt in viele High-Class-Racks, der Aufpreis ist faktisch wie ästhetisch gerechtfertigt.
Prinzipiell sind beide Plattenspieler unter der Kategorie Masselaufwerk zu verorten. Dazu gehört ordentlich Gewicht: 12 Kilogramm beim R 2.3 und 17 Kilogramm beim AVM R 5.3. Da beim Masselaufwerk die Entkopplung vom Untergrund nicht über ein Subchassis erfolgen kann, kommt den Füßen eine wesentliche Funktion zu. Die der AVM Plattenspieler sorgen mit Luftpolstern für eine exzellente Entkopplung und somit für störungsfreie Spielweise.
Ein Blick in die Tiefe des Antriebs: Im Rücken liegt der Anschluss für ein externes Netzteil, das 15 Volt bereitstellt. Mag sein, dass moderne Netzteile in ihren kleinen Kunststoffgehäusen enormes leisten, aber gerade am AVM R 5.3 wirkt mir das Seriennetzteil echt zu popelig. Vielleicht lässt sich ja hier noch ein Nachrüstsatz mit einem verstärkten Modell anbieten… Die Umdrehungszahl wird beim AVM R 5.3 wie auch beim R 2.3 on top auf der Zarge per Tippschalter vorgegeben – die Fraktion der Schellack-Fans ist ausgeschlossen: 78 Umdrehungen bietet AVM bewusst nicht an.
Der Motor liegt maximal entfernt vom Tonabnehmer, um Brummeinflüsse so weit wie möglich auszuschließen. Als feine Zugabe spannt AVM eine Acryl-Haube über beide Plattenspieler (wer die Spielregeln kennt: im Betrieb klingen Plattenspieler ohne Haube so gut wie immer besser…).
Die Unterschiede zwischen AVM R 5.3 und R 2.5
Beim R 2.3 folgt alles den klassischen Spielregeln: Das Antriebs-Pully wird durch den Motor angetrieben. Von dort geht die Kraft über einen Riemen auf den Subteller, auf dem der eigentliche Plattenteller liegt. Beim R 5.3 ist das Verfahren ähnlich, jedoch wird der Riemen als “Elipso Centric Belt Drive” um den Subteller gelegt und auf der Gegenseite des Motors von einem passiven Pulley umgelenkt. Die Kraft wird also symmetrisch an den Seiten des Subtellers übertragen; es gibt also keine einseitige Zugkraft wie beim R 2.3 (und so gut wie allen anderen Plattenspielern mit Riemenantrieb), die dann ja auch die Plattenspielerachse in ihrem Lager einseitig belastet.
Unterschiede gibt es auch beim Tonarm. Der R 2.3 kommt mit einem stringenten, geraden Neun-Zöller mit kardanischem Lager daher. Der Arm ist neu und AVM proklamiert, viel Hirnschmalz dazu beigetragen zu haben.
Der größere AVM R 5.3. wurde standesgemäß mit einem Zehn-Zöller ausgestattet. Zudem wird in der Premiumversion das Antiscating über eine elegante Umlenkrolle geregelt. Ohne Frage ist dies der bessere Tonarm – auf den EAT/Pro-Ject trotz eigener Fertigung nicht zugreifen darf; das Know-how ist AVM vorbehalten.
Ebenfalls Feinkost beim Zehn-Zöller: am Ende der Gewichtsjustage liegt ein Schneckengewinde, über das das Gegengewicht per Schraubbewegung angepasst wird. Bei besonders schweren Tonabnehmern wird ein Zusatzgewicht (Teil des Zubehörs) mit eingeschoben.
Noch ein Detail, das die neuen AVMs aus der Masse abhebt: Der Plattenteller lässt sich beleuchten. Auf der Unterseite der Front links liegt ein Kippschalter. Hierüber kann blaues LED-Licht geflutet werden, eindrucksvoll leuchtend, gedimmt oder eben ganz ausgeschaltet. Ein Effekt, der sich natürlich nicht auf den Klang auswirkt, aber schön aussieht. Eine Geschmacks- oder auch Stimmungsfrage.
AVM liefert beide Laufwerke ohne Tonabnehmer aus, König Kunde muss sich im freien Markt bedienen. Nach kurzer Absprache mit LowBeats Chefredakteur Holger Biermann und Vorversuchen mit den eigentlich fantastischen Abtastern Audio-Technica VM 540 und Excalibur Black war die Auswahl schnell getroffen: sie fiel auf das Lyra Delos, ein MC mit traumhaften Werten und traumhaft luftig-präzisem Klang.
Um den Vergleich zu erleichtern, nutzten wir zwei Delos,, sodass jedes AVM Laufwerk “sein eigenes” Delos, eingebaut bekam. Anschlossen waren übrigens beide an der Röhren-Phonostufe Luxman EQ 500, die unabhängig vom stattlichen Preis (6.500 Euro) in kurzer Zeit zu einem der absoluten Redaktions-Lieblinge wurde.
Der Preis des Delos liegt bei 1.260 Euro. Auch das ist eine durchaus gehobene Investition. Doch die Dynamik, die Klangfarben und die Feinauflösung des Delos sind in dieser Preisklasse ohne Konkurrenz – wir sind aus Erfahrung Lyra-Fans und der Meinung, dass dieser Abtaster jeden Euro wert ist. Noch eine Subbotschaft: Beide Plattenspieler sind geschaffen für wirklich gute Tonabnehmer. Beim AVM R 5.3 und dem Delos würde ich sogar von einer Traum-Kombination sprechen.
So klingen die Vinyl-Brüder
Wir starteten mit einer Luxuspressung: Sir Georg Solti dirigiert das London Symphony Orchestra in Bela Bartoks Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta. Kennt man nicht? Kennt man doch: Stanley Kubrick hat diese Musik als Background für seinen Horrorstreifen Shining genutzt. Was perfekt passt. Hier flirren die Streicher, hier wird fast so etwas wie ein psychedelischer Teppich ausgebreitet. Die Decca-Tontechniker haben das Ganze mit höchster Präsenz abgemischt.
Ein guter Plattenspieler muss schnell sein, dazu ein Gespür für die feinen Phrasierungen haben. Genau hier liegen die Meriten der beiden AVMs. Vorbildlich plastisch, höchst dynamisch lösen sich die Instrumente von den Membranen, alles hat “Luft”, wirkt unangestrengt. Wobei auch auffiel, dass der große AVM R 5.3 mehr Schub an den Tag legte. Die Streicher haben mehr Substanz, vor allem zeigte sich der Bass kantiger und die Aufnahme wirkt mit dem R 5.3 um einiges bedrohlicher.
Kürzlich hat Paul McCartney sein neuestes Studioalbum vorgestellt: Egypt Station, auch erschienen auf zwei LPs. Die deutlich besser klingen als die CD-Ausgabe, selbst die High-Res-Variante in 24 Bit verfügt nicht über diese Druckkraft. Der Mix ist anspruchsvoll, starke Basslinien überschneiden sich mit einem komplexen Geflecht an Mittelstimmen.
Hier kann ein Plattenspieler die Übersicht verlieren, das ordnende Händchen ist gefragt. Das gelingt beiden AVMs in Zusammenarbeit mit dem Delos mit Bravour. Hier prangte schönste Analyse. Das war vom kleinen wie großen Laufwerk aufs feinste souverän.
Zudem gefielen der hohe Kontrast und die dynamischen Zwischenwerte. Beide R-Modelle, das wurde schnell klar, sind echte Empfehlungen.
Aber im Vergleich verfügt naturgemäß der R 5.3 mit seiner höheren Masse, dem schwereren Teller und besseren Arm über mehr Output: Hier legte die Abbildung des Aufnahmeraumes in den räumlichen Details um wichtige Kubikmeter zu; dort lockte ein spürbares Plus an Informationen…
Der Vergleich zwischen den Brüdern fiel am Ende recht klar aus. Aber wo stehen die beiden insgesamt? Das üblich gut gefüllte Referenzregal von LowBeats beherbergt mit dem Elac Miracord 90 einen rundum soliden, wunderbar neutral-natürlichen Plattenspieler, der in allen Belangen (Ausstattung, Verarbeitung Material und Klang) so etwas wie der Maßstab um 2.500 Euro ist. Und es beherbergt den (häufig unterschätzen) Transrotor Max, der bei LowBeats mit 2 x Tonarm SME M2 9R und großem Netzteil Konstant M1 Reference die Basis aller Tonabnehmer-Vergleiche ist. Ein extrem dynamisches, rasant lebendig-klingendes Laufwerk. Das Delos wanderte sowohl in den Elac als auch in den Max.
Der erste Durchgang Elac vs R 2.3 war schnell beendet. Die höhere Auflösungsfreude und das größere Temperament ließen das Pendel rasch zugunsten des AVM ausschlagen. Man war einfach mehr in der Musik.
Der größere R 5.3 tat sich dagegen etwas schwerer, den preislich vergleichbaren Transrotor Max so einfach zu distanzieren. Denn dessen Lebendigkeit und Präzision sind exzellent. Aber die des AVM R 5.3 auch. Und er punktete mit etwas mehr Substanz. Ein hauchdünner, aber nachvollziehbarer Vorteil für den AVM.
Fazit
Gemeinhin werde ich von HiFi-Komponenten nicht mehr überrascht. Alles scheint schon einmal dagewesen, alles ist irgendwie erwartbar. AVM hat mich überrascht. Nicht, dass sie Plattenspieler bauen, sondern deren klangliche Qualität und die durch und durch stimmige Erscheinung.
Der AVM R 2.3 ist ein blitzsauberes Laufwerk – elegant-reduziert in seiner Formsprache und höchst stabil in seinem audiophilen Charakter. Sein Preis ist fair: für überschaubares Geld gibt es einen schlauen, klangstarken Plattenspieler, das problemlos mit den besten seiner Klasse mithalten kann.
Der Auftritt des AVM R 5.3 ist mächtiger. Schon die Dicke des Tellers strahlt Souveränität aus. Dazu ein glänzender, perfekt verarbeiteter Zehn-Zoll-Tonarm – Vinyl-Herz, was wünschst Du Dir mehr? Hier wird die hohe Kunst der Feinmechanik zelebriert und zugleich mit purer Masse gepunktet.
Klanglich sind wir mit dem R 5.3 schon ziemlich weit oben in der Welt der schwarzen Scheiben. Dieses Laufwerk hat selbst das superbe MC-System Lyra Delos nicht limitiert und könnte noch mehr: Wer will, kann Tonabnehmer der gleichen Preisklasse auf diesen AVM montieren.
Im Vergleich zum R 2.3 ist der 5.3 eindeutig der bessere Plattenspieler. Kunststück, könnte man sagen, er ist ja auch Faktor 1,5 teurer. Klingt er so viel besser?
Jain. Es ist die Crux des Testers, in einem so subjektiven Bereich eine solche Wertung vorzunehmen, denn für jeden stellt sich ja die Frage, was wie viel wert ist, anders. Deshalb gibt es bei LowBeats die Preisklassen-bezogene Einstufung. Und darin ist der R 2.3 sehr gut, der größere R 5.3 überragend.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Lebendig präziser, kräftig-natürlicher Klang |
| Intelligent gemachter symmetrischer Riemenantrieb |
| Effiziente Entkopplung-Füße |
| Attraktive Plattenteller-Beleuchtung |
Vertrieb:
AVM Audio Video Manufaktur GmbH
Daimlerstraße 8
76316 Malsch
avm.audio/de/
Preis (Hersteller-Empfehlung):
AVM R 5.3: 5.490 Euro
Mit Chrom-Oberfläche: 7.490 Euro
Mit- und Gegenspieler:
Test Transrotor Max: das Ausbau-Laufwerk
Test Elac Miracord 90 – edel, schwer und gut
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