Auf der diesjährigen Consumer Electronic Show hat Audio-Technica, der weltweit größte Hersteller für Kopfhörer und Tonabnehmer, wieder einmal gezeigt, wo der Tonabnehmer-Hammer hängt und mit seiner Audio-Technica VM-Serie ein gutes Dutzend neuer Moving Magnet (MM-) Abtaster im Preisbereich zwischen 150 und 700 Euro auf den Markt gebracht. Die Japaner positionieren sich damit etwa in der gleichen Preisklasse wie Branchenprimus Ortofon mit seiner 2M-Serie – allerdings mit sehr viel mehr Modellen. Die hohe Anzahl der VM-Tonabnehmer ergibt sich daraus, dass Audio-Technica hier drei verschiedene Tonabnehmer-Bodys und sieben verschiedene Nadel-Typen kombiniert. Hinzu kommen zwei Spezial-Abtaster für Mono-Aufnahmen (VM670SP). Doch die heben wir uns für einen späteren Spezialbeitrag auf. Für den vorliegenden Familientest haben wir uns die Kern-Modelle der neuen Audio-Technica VM-Serie vorgenommen. Also:
- Audio-Technica VM740ML: Dual Moving Magnet Stereo-Tonabnehmer mit MicroLine™ Nadel (329 Euro)
- Audio-Technica VM540ML: Dual Moving Magnet Stereo-Tonabnehmer mit MicroLine™ Nadel (259 Euro)
- Audio-Technica VM530EN: Dual Moving Magnet Stereo-Tonabnehmer mit Elliptical Nude Nadel (199 Euro)
- Audio-Technica VM520EB: Dual Moving Magnet Stereo-Tonabnehmer mit Elliptical Bonded Nadel (129 Euro)
- Audio-Technica VM510CB: Dual Moving Magnet Stereo-Tonabnehmer mit Conical Bonded Nadel (109 Euro)
Die folgende Slideshow zeigt die Testkandidaten:
Wie bei vielen MM-Tonabnehmern ist auch bei der Audio-Technica VM-Serie der Nadelersatz oder auch das Aufrüsten auf einen besseren Abtaster kinderleicht: Der Nadeleinschub des Systemkörpers wird einfach ausgetauscht. Allein durch Wechsel des Nadelträgers bietet Audio-Technica hiermit eine sehr elegante Möglichkeit des Upgrades. Und keine Bange: Das klappt in der Praxis perfekt – wie wir hier im Test beweisen konnten.
Deshalb haben wir bei Audio-Technica nur zweimal das komplette VM520 (einmal klassisch in der EB-Variante, einmal als im Headshell eingebaute H-Version) und das VM740ML sowie zwei Nadeleinschübe mit zwei Nadeln VMN10CB und VMN30EN bestellt und konnten trotzdem sechs Tests durchführen. Das VM510CB, das VM520EB, das VM530EN und das VM540ML (Einschub aus dem VM740ML) wurden durch Umstecken der Nadel am 520er Systemkörper gemessen und aufgenommen, die VNM40-Nadel sowohl im 500er als auch im 700er Systemkörper (der nur Nadeleinschübe an VNM40 und höher akzeptiert) gemessen und gehört. Und Surprise, Surprise: Da waren doch vergleichsweise große Unterschiede festzustellen…
Neben der Konstruktion ist der Abtastdiamant und sein Schliff von zentraler Bedeutung für den Klang: Die Eigenschaften des ganzen Tonabnehmers werden vom Nadeleinschub – und natürlich auch von der Nadelform – maßgeblich beeinflusst. Und hier bietet die Audio-Technica VM-Serie eine große Vielfalt: Es gibt Conical Bonded (konisch, verklebt), Elliptical Bonded (elliptisch, verklebt), Elliptical Nude (elliptisch, aus einem Stück) und MicroLine™.
Was man schon in der vereinfachten Zeichnung kaum unterschieden kann, ist mit bloßem Auge natürlich doppelt schwer. Wir haben deshalb versucht, mit einer Spezialkamera die Unterschiede ausfindig zu machen.
Dafür haben wir eine Spezialkonstruktion gebaut, um eine Uhrmacherlupe so vor die Kamera zu arretieren, dass die Abbildungen der einzelnen Nadel möglich werden. Die Unterschiede sind trotz der beeindruckenden Bilder nur sehr vage zu erkennen – siehe Slideshow.
Audio-Technica hat die verschiedenen Varianten gut im Griff: man hört die Unterschiede recht deutlich. Nach oben hin wird es immer feiner, offener, detailreicher.
Audio-Technica VM-Serie: die besseren MM-Abtaster?
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, arbeiten alle Tonabnehmer zur Schallplattenwiedergabe nach dem elektro-dynamischen Prinzip. Dabei wird die in den Rillen der Schallplatte in mechanischer Form vorliegende Toninformation durch Induktion in elektrische Spannung gewandelt, die anschließend – nach gehöriger Verstärkung durch die Phonostufe – vom Lautsprecher in Schalldruckschwankungen verwandelt und somit hörbar gemacht wird.
Beim Dynamo-Prinzip ist es gleichgültig, ob die induzierte Spannung durch bewegte Leiterspulen im ruhenden Magnetfeld erzeugt wird (man spricht dann von Moving Coil, kurz MC-Systemen), oder ob dies ein in feststehenden Spulen von der Abtastnadel bewegter Magnet übernimmt (Moving Magnet, kurz MM-System). Daneben gibt es mit Moving Iron (MI) noch die Mischform, bei der ein von der Nadel bewegtes magnetisches Eisenjoch den Magnetfluss des feststehenden Magneten moduliert und dabei in der ebenfalls feststehenden Spule eine Wechselspannung induziert.
Audio-Technica wendet in der hier getesteten Tonabnehmer-Serie noch eine weitere Variante des MM-Prinzips an: VM. Jedem Kanal steht dabei ein eigener winziger, bewegter Magnet zur Verfügung. Die Magnete stehen V-förmig zueinander (was namensgebend ist), weshalb die VM-Tonabnehmer vom Aufbau den Schneidemaschinen ähneln, die die Mikro-Informationen in die Rille der LP schneiden.
Gegenüber einem klassischen MM-Tonabnehmer mit seinem (normalerweise) einzelnen Magneten am Ende des Nadelträgerröhrchens lassen sich so die Magnetflüsse der Stereokanäle leichter separieren, was die Übersprechdämpfung verbessern hilft. Diese von Audio-Technica verwendete Doppelmagnet-Konstruktion ist allerdings altbekannt; auch das millionenfach bewährte AT95E folgt diesem Prinzip. Was aber viel wichtiger ist: Durch den Zweifach-Magneten lässt sich wie bei MC-Tonabnehmern Aufhängung und Dämpfung des Nadelträgers optimieren. Und wir können festhalten, dass die Kanaltrennung der Audio-Technica VM-Serie tatsächlich sehr gut ist. Klanglich können sie mit den guten Tonabnehmern der Mitbewerber fraglos mithalten, sind aber nicht unbedingt überlegen.
Der LowBeats Testaufbau für die VM-Serie
Für den Testaufbau standen zwei Referenz-Plattenspieler zur Verfügung: Das VM520EB/H wurde mit seinem Headshell am SME-Arm 3009 auf dem Thorens TD 160 Super gemessen und aufgenommen. Dieser Tonabnehmer wurde dann aus dem Headshell ausgebaut und ein zweites Mal im Rega P9 (mit Tonarm RB 1000) gemessen und gehört. Alle anderen Abtaster wurden nur im Rega P9 gemessen, für das Klang Orakel aufgenommen und gehört. Die sechs Mess-Ergebnisse und die dazugehörigen klanglichen Eindrücke finden Sie in den Einzelbeiträgen zu den Tonabnehmern – siehe unten.
Prinzipiell kann man sagen, dass sich die Testergebnisse sehen lassen können. Alle Tonabnehmer der hier getesteten Audio-Technica VM-Serie haben eine hervorragende Tiefenabtastfähigkeit. Heißt: Selbst die höchste auf Testschallplatten zur Verfügung stehende Amplitude von 120 Mikrometer tasten sie problemlos ab: überragend. Die übrigen Abtastverzerrungen fallen dagegen schlechter aus.
Mit um die 4 Millivolt liefern die fünf Modelle der Audio-Technica VM-Serie MM-typische Ausgangsspannungen, was gute Rauschabstände garantiert. Auch ihre elektrische Impedanz liegt auf MM-üblichem Niveau. Die angeschlossene Phonostufe sollte also idealerweise einen Eingangswiderstand von 47 Kiloohm und eine möglichst geringe Eingangskapazität besitzen.
Die Parameter der hier getesteten Systeme weisen sie als optimal für die am Markt überwiegend angebotenen leichteren Tonarme aus. Am mittelleichten Referenz-Tonarm Rega RB 1000 beispielsweise ergaben sich bei allen Abtastern Tiefenresonanzen um 8 Hertz. Ein guter Wert.
Hier einige wichtige Werte in der Übersichtstabelle:
Spezifikationen | Audio-Technica VM510CB | Audio-Technica VM520EB | Audio-Technica VM530EN | Audio-Technica VM540ML | Audio-Technica VM740ML |
empf. Abschluss-Kapazität | 100 – 200 Picofarad | 100 – 200 Picofarad | 100 – 200 Picofarad | 100 – 200 Picofarad | 100 – 200 Picofarad |
empf. Auflagegewicht | 1,8 -2,2 Gramm | 1,8 -2,2 Gramm | 1,8 -2,2 Gramm | 1,8 -2,2 Gramm | 1,8 -2,2 Gramm |
Abtastfähigkeit (315 Hz) | 120 Mikrometer | 120 Mikrometer | 120 Mikrometer | 120 Mikrometer | 120 Mikrometer |
Ausgangsspannung | 4,3 Millivolt | 4,6 Millivolt | 4,1 Millivolt | 4,2 Millivolt | 4,3 Millivolt |
Preis | 109 Euro | 129 Euro | 199 Euro | 279 Euro | 329 Euro |
Wie man sieht, ähneln sich die Modelle der Audio-Technica VM-Serie an vielen Stellen. So ist bei allen eine Auflagekraft von 1,8 bis 2,2 Gramm empfohlen. Mit 2,0 Gramm erreicht jedes von ihnen sicher die Abtastfähigkeit von 120 Mikrometer. Das ist exzellent. Alle fünf haben eine Ausgangsspannung von etwa 4 Millivolt (nur das VM 520) ist etwas lauter) und für alle werden Abschluss-Kapazitäten von 100 – 200 Picofarad empfohlen. Das sind Werte, wie sie auch Phonostufen ohne variable Anpasswerte bieten. Das alles macht einen sehr praxisgerechten Eindruck. Übrigens auch der Einbau: Viele parallele Linien am Systemkörper machen die Justage einfach.
Die Gehäusetypen sind dabei nicht komplett neu: Man kennt die vergoldeten Aluminiumdruckguss-Gehäuse der 700er Serie genauso wie die aus Kunststoff gegossenen Bodys der 500er Serie. Vielleicht machen gerade deshalb die Modelle der Audio-Technica VM-Serie einen so ordentlichen Eindruck. Man spürt die große Erfahrung bei der Produktion von Abtastern, die in Japan nach wie vor in Handarbeit hergestellt werden.
Wie bei allen Tonabnehmer-Tests (und vor allem bei Familien-Vergleichen), haben wir auch die Modelle der Audio-Technica VM-Serie im LowBeats Klang Orakel aufgenommen: wie immer alle mit demselben Stück, alle mit demselben, exakt eingestellten Pegel. In dieser einzigartigen Sound-Datenbank kann man daher online unter den besten Bedingungen verschiedene Abtaster (aber auch Lautsprecher) untereinander vergleichen. Das gibt es sonst nirgends.
Fazit
Prinzipiell darf man nach dem Test dieser fünf VM-Modelle festhalten, dass auch die neuen Audio-Technica-Abtaster für einen sehr feinen, dezent-kultivierten Klang stehen und so eine schöne Alternative zu den eher kraftvollen Abtastern des Branchenprimus Ortofon mit dessen 2M-Modellen bilden. Diese Aussage gilt für das kleine VM510CB genauso wie für das dreifach so teure VM740ML. Und tatsächlich gelingt es Audio-Technica, mit jedem größeren System einen klanglichen Fortschritt oder Unterschied zu machen.
Wer unsere Test-Ergebnisse nachvollziehen möchte, kann sich unsere Test-Aufnahmen mit einem möglichst guten Kopfhörer nebst entsprechendem Kopfhörer-Verstärker im Klang Orakel anhören und wird (hoffentlich) unsere Einschätzung teilen: Es gibt natürlich auch in dieser Tonabnehmer-Familie in Bezug auf Klang und Preis gute und bessere Abtaster.
Interessant war auch der Vergleich klassischer Abtaster gegen die Variante mit Headshell (H), die wir am VM520EB exemplarisch durchgetestet haben. Technisch gab es keine Unterschiede, klanglich hätten wir in der Mehrzahl der Fälle die H-Variante vorgezogen – siehe Test des Audio-Technica VM520EB.
Hervorzuheben sind in jedem Fall das VM520EB und das VM540ML. Der Sinn des VM510CB erschließt sich dem Tester eigentlich nicht. Das VM520EB ist für nur 20 Euro mehr so viel besser und informativer, dass das kleine Einsteigersystem tatsächlich nur empfohlen werden kann, wenn der Plattenbestand überwiegend aus stark zerkratzten LPs besteht. Dann ist das 510CB die bessere, weil klanglich “gnädigere” Wahl. Doch wer einfach möglichst viel Audio-Technica Qualität für möglichst wenig Geld haben haben möchte, ist mit dem vielfach bewährten AT95E (bei Online-Shops wie dem von hifisound Münster für knapp 30 Euro zu haben) womöglich besser bedient.
Für alle, die sich nicht durch die ausführlicheren Einzeltests arbeiten wollen, haben wir hier in der Slideshow die LowBeats Bewertungen aller fünf Familienmitglieder nebeneinander gestellt:
Detailliertere Infos gibt es in den Einzelvorstellungen:
Test Audio-Technica VM510CB: VM-Technik für 100 Euro
Test Audio-Technica VM520EB (inklusive VM520EB/H)
Test Audio-Technica VM530EN: feiner Abtaster für 200 Euro
Test Audio-Technica VM540ML: die Preis/Leistungs-Empfehlung
Test Audio-Technica VM740ML: die noble Art zu Hören
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