In einer Hitparade der schönsten HiFi-Komponenten hätte Primare sicher immer einen Kandidaten unter den Top Ten. Die Schweden haben einfach eine wunderbar leichte Hand für ein gleichermaßen entschlacktes wie edles Design. Eines, das von vorn herein deutlich macht, dass hier Qualität vorherrscht. Aber einfach nur schön sein, reicht natürlich nicht. Den Schweden ist es zudem gelungen, ihrem UFDP- (Ultra Fast Power Device) Schaltverstärkerkonzept höchst audiophile Züge anzuerziehen. Der Vollverstärker i32 war lange Zeit so etwas wie ihr Aushängeschild: ein hübscher, kraftvoller Vollverstärker mit vielen Ausstattungs-Features, der zudem noch angenehm günstig war und demzufolge auch von der Fachpresse viel Lob bekam. Nach über sieben Jahren kündigt sich nun ein Nachfolger für diesen i32 an: der Primare i35, den wir natürlich umgehend zum Test bestellten.

Der Fluch der frühen Tat: Als wir beim Primare Vertrieb nach einem Testmuster nachfragten, gab es zwar eines, das hatte aber nur die Primärtugenden eines Vollverstärkers zu bieten; die möglichen Ausbaustufen mit DAC und Bluetooth-Fähigkeit waren Ende Februar 2018 noch nicht zu verfügbar.
Was hat sich zur Serie 32 verändert? Die neue Linie hat ein breiteres Display, die Bedienknöpfe liegen ein bisschen weiter auseinander. Dadurch wirken die Geräte noch einen Tick schlanker. Dennoch sieht der Primare i35 natürlich immer noch absolut klassisch aus. Und auch technisch blieb vieles beim Bewährten. Die Schweden sind ja ausgesprochene Fans digitaler Endstufenkonzepte; auch beim i35 hat man wieder die UFPD-Eigenentwicklungen herangezogen.

Das sind im Kern Schaltverstärker mit Schaltnetzteil, die einer analogen Logik folgen. Primare selbst nennt es „Ultra Fast Power Device“. Was alles Mögliche bedeuten kann. Das Wort versteckt mehr, als es offenbart. Aber: vor allem schnell muss es sein – ultra-fast. Mit dem i35 hat Primare mittlerweile die Ebene des „UFPD2“ erklommen.

Mit UFPD2 erreichen die Schweden nach eigener Aussage einen deutlich besseren Wirkungsgrad und geringere Verzerrungen. Dadurch ergibt sich auch mehr Leistung und angeblich auch der bessere Klang: Hatte der I32 noch 2 x 120 Watt an 8 Ohm, so kommt der Primare I35 auf 2 x 150 Watt an 8 Ohm. Ob die 30 Watt pro Kanal wirklich klangentscheidend sind? Wohl eher sicher nicht.
Das UFPD-Geheimnis steckt in einer patentierten Form der Gegenkopplung, die Störungen wie Impedanz- und Frequenzabhängigkeit bei digitalen Schaltungen komplett beseitigen soll. Zudem punktet das Konzept mit höchster Effizienz: Über 90 Prozent der zugeführten Energie wird in Klang verwandelt, die Wärmeentwicklung bleibt äußerst bescheiden; der i35 wird nicht heiß. Und das, obwohl er bis zu zwei mal 300 Watt an vier Ohm bereitstellen kann. Und außerdem konnten beim Neuen die Signalwege noch einmal verkürzt werden; auch das ist der Impulsgenauigkeit durchaus zuträglich…

Jetzt würde die Logik es aufzwingen, dass so ein Konzept auch mit einem kleinen Trafo auskommen könnte. Tatsächlich: die Stromaufbereitung ist intelligent, aber nicht mit Masse gelöst. Dennoch bringt der Primare i35 satte 11 Kilogramm auf die Waage.
Was auch am edlen Gehäuse liegt. Alles besteht aus Vollmetall. Stabile Metallbleche bilden den Korpus, die Drehknöpfe sind aus Aluminium gefräst und bereiten höchstes Anfassvergnügen. Wer will, kann auch den Primare i35 in der Kür mit eingebautem Streaming-Wandler kaufen. Wir haben uns wie gesagt an die abgespeckte Basis-Variante halten müssen. Doch auch die bietet genug Grund zur Freude. Beispielsweise gibt es gleich zwei XLR-Ports neben drei Cinch-Zugängen.

Die Gesamtkonstruktion ruht auf drei Füßen – was neben der idealen Gewichtsverteilung auch einen wackelfreien Stand garantiert.

Mechanisch macht der Primare i35 also einen exzellenten Eindruck. Klanglich aber musste er sich noch beweisen. Im Hörraum hatten wir dafür verschiedene Lautsprecher aufgebaut – unter anderem die wunderbare Dynaudio Contour 20 und die sehr packende Magnat Signature 1109. Mit beiden klang der i35 überzeugend und mitreißend. Und doch blieben wir letztendlich an der LowBeats Referenz Wolf von Langa Chicago hängen, weil der Primare an diesem Lautsprecher zu noch höherer Form auflief.
Der Primare i35 im Hörtest
Welche Klangphilosophie haben die Schweden dem i35 an-inszeniert? Wir starten unseren Testlauf mit einem brandneuen Remastering: Warner hat die legendäre Aufnahme der „Lieder aus des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler neu aufgelegt – zu haben in 24 Bit und 96 Kilohertz. George Szell leitet das London Symphony Orchestra, Elisabeth Schwarzkopf und Dietrich Fischer-Dieskau singen. Besser geht es nicht. Auch tontechnisch. Das neue Master klingt wunderbar frisch und lässt nirgends ahnen, dass die Originalbänder vor über 50 Jahren entstanden sind.

Schon mit den ersten Takten ist ein Verstärker gefordert. Im Piano gibt es einen satten Tiefbassimpuls der Großen Trommel. Da müssen die Membranen beben, da können sich Leichtgewichte unter den Verstärkern regelrecht verschlucken. Der Primare i35 nahm es in unserem Test erstaunlich souverän. Da stimmte alles: die räumliche Präsenz des Basses und der kernige Plopp. Beim Einsatz der Singstimme freuten wir uns über das hohe Tempo – das Flirren der Stimmbänder löste sich schnell und effektvoll aus der Boxenachse. Dietrich Fischer-Dieskau stand im Raum: sehr körperbetont – und sehr überzeugend.
Zum Vergleich griffen wir auf einen unserer Dauer-Helden zurück, den Atoll IN300. Ein Meisterstück in doppeltem Mono-Aufbau und mit Mos-FETs, die bis zu zweifachen 150 Watt an acht Ohm stemmen. Der Atoll versetzte die Lautsprecher eindeutig unter den stärkeren, feineren Druck und sorgt unterm Strich für das größere Dynamikerlebnis.
Doch der Primare i35 punktete mit seiner eleganten Seidigkeit. Nichts schien ihm schwer zu fallen. Auch das große Crescendo in Mahlers „Revelge“ nicht – hier tost das Orchester in einem Gruselmarsch: die ganz große, herrisch-martialische Dynamik. Der i35 freute sich regelrecht an diesem Ausbruch. Das konnte einem unvorbereiteten Zuhörer den Atem verschlagen. Und selbst auf diesem Dynamik-Hoch – nicht die Spur einer angeblich so typischen Härte, wie sie Digital-Verstärkern nachgesagt wird. Der i35 bricht mit allen Vorurteilen. Das war fein gegliedert und ungemein körperreich.

Kann er die gleichen Werte auch in eleganten Jazz einbringen? Hier unser Tipp: Frisch hat sich der Trompeter Till Brönner ins Tonstudio begeben, gemeinsam mit dem Kontrabassisten Dieter Ilg. Nightfall heißt das Album – hier lebt feinster, spartanischer Jazz auf. Der Primare zeichnete geradezu liebevoll jede Phrase nach. Hochinformativ dazu die Reflexionen des Aufnahmeraums. Die Leonard-Cohen-Adaption von „A Thousand Kisses Deep“ gelang zum Niederknien.
Zum Härtetest noch einmal etwas Pop. Wunderbar kerniger Elektropop ist Franz Ferdinand im neuen Album „„Always Ascending“ gelungen. Da muss ein Amp stabile Dauerleistung bringen. Der i35 vollführte das mit leichter Hand. Trotz der komplexen Kost kam nie der Hauch von Nervigkeit auf.
Und natürlich haben wir den Primare i35 auch mit seinem Kombinationspartner CD35 zusammengehört. Auch von dem CD-Player der Serie war ich ja wirklich angetan und so ergab sich ein wunderbares Gesamtbild: klanglich groß, sehr fein aufgefächert und dennoch dezent im Auftritt.

Fazit Primare i35
Der Primare i35 ist besonderes, positives Machwerk. Primare setzt bei ihm auf eine neue Interpretation der UFPD-Schaltung. Das könnte ängstliche Gemüter in Vorurteile locken: Digital-Amps klingen doch hart und uncharmant? Von wegen. Der kompakte Schwede macht es vor, wieviel Power und Souveränität aus der Welt der Schaltnetzteile zu holen ist. Das tönte im LowBeats Hörraum wunderbar leichtgängig, seidig in den Höhen und mit stattlicher Wucht im Tiefstbass. Zugegeben: Es gibt einige Verstärker, die zum gleichen Preis etwas habhafter klingen. Aber seine Feinheit und Luftigkeit beherrschen nur wenige. Und ich finde ihn ja auch richtig hübsch. In meinen Augen ein großer Wurf, dieser Primare i35.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Klingt sehr fein und farbstark |
| Ausbaubar mit DAC und Bluetooth |
| Gehobene Verarbeitung, nobles Design |
| XLR-Anschlüsse für weite Kabelwege |
Vertrieb:
in-akustik
Untermatten 12 – 14
79282 Ballrechten-Dottingen
www.in-akustik.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Primare i35: 3.500 Euro (Basis-Version)
Die Mit- und Gegenspieler im Hörraum:
Test Primare CD35 – einer der schönsten Player seiner Art
Test Atoll IN300 – Vollverstärker mit viel Kraft und besten DACs
Test Dynaudio Contour 20 – Kompaktbox mit höchster Natürlichkeit
Magnat Signature 1109 – Standbox mit der Attacke eines Bühnenmonitors
Wolf von Langa Chicago – die LowBeats Lautsprecher-Referenz