Gemeinhin haben die Texte bei LowBeats eine gut verdauliche Länge: nach gut 10 Minuten ist man in der Regel durch. Doch Autor Uli Michalik wurde beim Test des Rega Planar 10 so euphorisch, dass ein langer Feuilleton-Beitrag daraus erwuchs. Und dann gab auch noch LowBeats‘ Etat-mäßiger Analog-Guru Bernhard Rietschel seinen Senf dazu, weil er in den letzten 20 Jahren so gut wie jeden Rega-Dreher getestet hat. Da wollte er beim heimlichen Spitzenmodell erst recht keine Ausnahme machen. Seine Einschätzung finden Sie am Ende des Textes.
Beide Autoren kennen Rega in- und auswendig und wissen um die große Performance auch der kleineren Plattenspieler. Doch warum ausgerechnet der Planar 10 womöglich den besten Gegenwert fürs Geld bietet, warum Ulrich Michalik (seit 35 Jahren glücklich mit dem Linn LP12 verheiratet) ernsthaft ein gschlampertes Dreierverhältnis erwog und was das alles mit Fred Astaire und oberpfälzischen Leberkässemmeln zu tun hat…lesen Sie selbst.
Direkt zum FazitUli Michalik über den Rega Planar 10
Meine erste Begegnung mit Rega endete in einem Fiasko – für meinen Dual Siebenhundertirgendwas, die genaue Typenbezeichnung habe ich verdrängt. Wir schreiben die relativ jungen 1980er. Ein Freund hatte seinen brandneuen Rega Planar 3 mitgebracht, um, wie er mit ätzender Zuversicht prognostizierte, dem Dual „die Luft rauszulassen“.
Der Rega tat mehr als das: Er zerstörte mein Weltbild, mein Urvertrauen in die Überlegenheit teutonischer HiFi-Ingenieurskunst. Der Planar 3 klang so viel besser als mein Dual, dass es wehtat. Wobei der physische Schmerz beinahe leichter zu ertragen war als die vom feisten Grinsen des Freundes befeuerte psychische Pein.
Auf dem Plattenteller rotierte unter anderem Ulla Meinecke mit ihrer unvermeidlichen “Tänzerin”, und was der Dual dem Rega gegenüber an Rauminformationen und Bassdynamik, an Gaumenschnalzern und anderen vermeintlichen Petitessen verschluckte, das erfüllte den Tatbestand fortgesetzter Unterschlagung in einem besonders schweren Fall.
Keine Gnade, der Dual musste gehen. Er wurde eilig durch einen Thorens TD 318 ersetzt, ein Shoot-Out gegen den Planar 3 war im Handumdrehen organisiert, allein die Schmach der Niederlage, sie ereilte zum zweiten Mal den deutschen Teilnehmer. Die naheliegende Idee, die neuerliche Blamage dem Tonabnehmer in die Schuhe zu schieben, schied zu meinem Leidwesen aus, in Thorens wie Rega war ein Grado Fortissimo montiert.
Zwar konnte kein Zweifel bestehen, der blattgefederte TD 318 war ein wesentlich besseres Laufwerk als der Dual und machte einiges auch überzeugender als der Planar 3. Gleichzeitig bewahrheitete sich, was in britischen Fachmagazinen und amerikanischen Undergroundzirkeln sowie vom einzigen damals ernst zu nehmenden deutschen High-End-Blatt, Das Ohr, gebetsmühlenartig kolportiert wurde: Im Rega steckte ein ingeniöser Tonarm, einer, der all den ob ihres Komforts hochgelobten Thorens-TPs in bester britischer Henkersmanier den Garaus machte. Und das ohne wechselbares Armrohr, ohne Azimut-freundlich drehbares Headshell, ohne Möglichkeit zur komfortablen VTA-Justage. Beim RB300 gab’s nix zum Wechseln, Drehen oder Höhenverstellen. Garnix.
Der Wechsel ins Rega-Lager war mental so gut wie beschlossen, als das Schicksal den HiFi- und musikverrückten Jungbetriebswirt Michalik von einer wohlbestallten Karriere im Verdienstparadies Marketing gänzlich unverhofft in die Fakultät Journalismus bugsierte, und zwar in Funktion eines tariflich entlohnten Redakteurs bei der Fachzeitschrift STEREO bzw. deren gerade wiederauferstandenen Schwesterpublikation HIFI exklusiv. Bereits unmittelbar nach Amtsantritt eröffnete sich dort die Chance zum außerordentlich (um nicht zu sagen: unverschämt) günstigen Erwerb eines gebrauchten Linn Sondek LP12. Womit sich das Thema Hauptlaufwerk erledigt hatte.
Man beachte die erste Silbe gerade genannten zusammengesetzten Substantivs, denn völlig getrennte Wege gingen Rega und ich in der Folgezeit mitnichten. Irgendeine Planar-Version war fast immer Bestandteil meines Laufwerkfuhrparks, zuletzt ein vor etwa anderthalb Jahren angeschaffter Planar 6 der jüngsten Generation, den ich im Verein mit dem kleinen MC-System Ania für das wohlfeilste Angebot seines Marktsegments halte. Seit meiner Rückkehr zum Schreiben nutze ich ihn als Messlatte für seinen direkten und indirekten Wettbewerb. Und er fachte meine Neugierde auf das derzeitige Rega-Spitzenmodell gehörig an. Womit leidlich elegant der Bogen zum Thema dieses kleinen Essays gespannt wäre, dem Planar 10.
Da dem allumfassenden Planar 8-Artikel meines Kollegen Bernhard Rietschel schlechterdings nichts hinzuzufügen ist und ich Ihnen und mir vermeidbare Wiederholungen ersparen möchte, werde ich im Folgenden nur die konstruktiven Unterschiede zwischen Planar 10 und seinen kleineren Stallgefährten skizzieren, um mich dann auf seinen Klang zu konzentrieren.
Vorab eine Beichte: Was mich auf Anhieb für den P10 einnahm, das waren Dinge von rein optischer Natur: das an ein Science-Fiction-Raumschiff erinnernde skelettartige Chassis, der jungfräulich weiße Plattenteller, der im Stile einer gepflegten US-Straßenkreuzerstoßstange blitzende Tonarm. Nur dass es sich hier nicht um Chrom, sondern um eine hochglanzpolierte Aluminiumlegierung handelt. Poliert nicht nur, um saturierte Journalisten anzutörnen, sondern um auch noch das letzte Quäntchen Gewicht abzuknapsen. Typisch Rega, wenn schon, denn schon.
Der Aufbau des Rega Planar 10
Zusammen mit Bernhard und einem weiteren Kollegen aus der ehemaligen HiFi-Blätter-Hochburg Stuttgart hatte ich vor langer Zeit das Vergnügen, Rega-Chef Roy Gandy anlässlich eines Besuchs der alten Rega-Fabrik in Westcliff-on-Sea in der südenglischen Grafschaft Essex persönlich kennenzulernen. Ein echter Gentleman, blitzgescheit, gertenschlank, mit feinen Manieren, hintergründigem Humor und frei von jenem enervierenden Hang zur Selbstbeweihräucherung, welcher Mitglieder der HiFi-Hautevolée besonders häufig zu befallen scheint.
Als am Abend in seinem nicht unnötig kleinen, aber wohltuend unprätentiösen Privatdomizil ungefähr nach der vierten Flasche eines nicht unnötig billigen Bordeaux das Gespräch auf ein Thema jenseits meines technischen Horizonts bzw. gehobenen Promillespiegels fiel, klinkte ich mich kurz aus, um mich bei Roys Köchin nach dem Rezept der besten Jakobsmuscheln meines Lebens zu erkundigen.
„Certainly dear, loads of good English butter, moderate heat and a pinch of salt.“ „A drop of lime juice, maybe?“, lallte ich mittelschweren Zungenschlags, an den mich seither jede Dinner For One-Ausstrahlung erinnert, sobald Butler James Miss Sophie den Geflügelgang serviert. „Oh my goodness, pleeeeeease, don’t spoil this dish with foreign crap. Never, ever!“ Ehe Sie nachfragen: Ja, es gab auch Quellen für leckere alte Schallplatten im beschaulichen Essex, ergiebige und wohlfeile Quellen.
Was überhaupt nicht mehr beschaulich ist, ist das inzwischen aus allen Nähten platzende aktuelle Rega-Werk in Southend-on-Sea, südöstlich von London. Rega als Firma ist im Vergleich zu früher buchstäblich explodiert, steht heute wirtschaftlich gesünder und international besser aufgestellt da als je zuvor. Eine unternehmerische Großtat, die außer Rega und Linn kaum eine andere britische Traditionsmarke zu vollbringen vermochte, zumal unter unverändert privaten Besitzverhältnissen.
Denn die einstmals so stolze HiFi-Flotte Ihrer Majestät, sie wurde vom Digital-Tsunami nahezu vollständig versenkt. Nicht wenige der Überlebenden fielen gefräßigen Heuschrecken zum Opfer, welche sie nach kurzer Zeit unverdaut wieder ausspuckten. Reihenweise wurden Fabriken dichtgemacht, Belegschaften freigestellt, nur um die Namensrechte höchstbietend zu verscherbeln. Bei uns zuhause in Deutschland fällt mir mit T+A nur ein ähnlich erfolgreiches Familienunternehmen vergleichbarer Größenordnung ein. Wir sollten es hätscheln und pflegen und Siegfried Amft, einem westfälischen Unternehmer von echtem Schrot und Korn, beide Daumen drücken, dass es ihm gelingt, die Unabhängigkeit von T+A weiterhin mit Zähnen und Klauen zu verteidigen.
Tonarm RB3000
Obwohl keineswegs der erste Tonarm, der auf einem Rega-Laufwerk Platz nehmen durfte – diese Ehre gebührt zwei S-Auslegern aus gutem japanischem Hause, nämlich Koshin – darf der 1983 vorgestellte und erstmals komplett in Eigenregie produzierte RB300 als genetischer Stammvater sämtlicher späterer Rega-Tonarme gelten. Von denen wurden bis heute mehrere Hunderttausend unters Volk gebracht, nicht allein unter dem Rega-Label, sondern in etlichen OEM-Versionen auch im Lohnauftrag vieler anderer Hersteller. Unverwechselbares Markenzeichen aller RBs ist das inklusive Headshell aus einem Stück Aludruckguss gefertigte, konisch sich verjüngende Armrohr.
British Engineering & Design at its very best, wer wollte es bestreiten. Und ob nun Roy Gandy Recht hat, der seiner One-piece-Konstruktion überlegene Resonanzeigenschaften attestiert, oder jene Wettbewerber, die verschraubten oder verklebten Headshells noch bessere mechanische Integrität nachsagen – who knows? Was Rega-Arme voneinander unterscheidet, ist in erster Linie die Güte von Lagern und Peripherie, sprich Verkabelung und Steckern. Falls Sie Novize sind und eine Erdungsstrippe am RB3000 vermissen: Die ersetzt Rega traditionell durch den Schirm im linken Kanal des Tonarmkabels, welches zu Vorverstärker oder Phonostufe führt. Das Tonarmkabel selbst ist ein kapazitätsarmes, doppelt geschirmtes Exemplar vom deutschen Zulieferer Sonnen Cable. Die Cinchstecker, in der Vergangenheit ebenfalls nicht immer der obersten Schublade entnommen, sind standesgemäß vergoldet und ermöglichen via Rändelzwinge innigen elektrischen Kontakt zur Buchse.
Richtig in die Vollen ging man bei der Entwicklung des mit elf Gramm effektiver Masse sehr universell einsetzbaren RB3000 an anderer Stelle. So wurde das Armrohr neu berechnet und seine Wandstärke und Masseverteilung dahingehend modifiziert, dass einerseits die Steifigkeit erhöht, andererseits Resonanzen und Materialverspannungen reduziert wurden. Dies soll das Armlager insgesamt einer geringeren Belastung aussetzen.
Besagtes Lager ist, was seine keramische Vertikalsektion angeht, ebenfalls brandneu und in toto auf derart geringe Toleranzen getrimmt, dass die einzelnen Bauelemente in der Endfertigung händisch selektiert werden wollen. Das Ergebnis ist ein Tonarm mit theoretisch nullkammanull Spiel, aber weil nullkommanull Spiel aus technischer Warte gar nicht erstrebenswert ist, hat man den RB3000 künstlich mit ein bis zwei Mikron Spiel bzw. Reibung beaufschlagt.
Apropos beaufschlagt. Auch die Antiskating-Vorrichtung weist eine definierte Vorspannung auf, die, populär formuliert, dazu dient, dass die Berg-und-Talbahn-Odyssee des Tonarbnehmers zwischen Plattenanfang und Plattenende stets in aufrechter Haltung anstatt mit zunehmender Schlagseite absolviert wird. Was, das hat sich in Entwicklerkreisen herumgesprochen, bei nicht vorgespannten Antiskatingkonstruktionen spätestens ab Plattenmitte häufig dem Zufall überlassen bleibt.
Allerdings ist die Vorspannung des RB3000 in Nullstellung heftig genug, um das Armrohr beim Versuch des Ausbalancierens rasant in Richtung Plattenaußenseite wegdriften zu lassen. Als Gegenmaßnahme empfiehlt Rega einen zärtlichen Griff ans Gemächt des Arms, genauer: den Lagerträger unterhalb des Einstellrads für die Auflagekraft. Weil mein Linn Ekos SE antiskatingmäßig ebenfalls vorbelastet, mir geschildertes Prozedere daher wohlbekannt, aber zu fummelig und obendrein unpräzise ist, rate ich emphatisch zur Anschaffung einer elektronischen Tonarmwaage. Solche gibt’s inzwischen in passabler Qualität für schmale 20 Euro, bestens investiertes Geld angesichts geschonter Nerven und der Gewissheit, die Auflagekraft auf zwei Stellen hinterm Komma genau eingenordet zu haben. Dem Planar 10 diktiere ich derweil ins Zwischenzeugnis, dass er zwar plug & play ist, aber nur fast.
Roy Gandy pflegt zu Halbprofi-Diskussionsstoff wie Antiskating, Azimut und VTA seit jeher ein betont distanziertes Verhältnis. Für Antiskating tun’s beim RB3000 die Skalenwerte nix, 1 (für MM-Systeme) und 2 (für MCs). Für den Azimut, von vorne betrachtet die exakte Senkrechtstellung der Nadel in der Rille, sieht er, zurecht wie ich meine, nicht den Tonarm-, sondern den Abtasterhersteller in der Verantwortung. Und dem VTA, dem Winkel, mit dem die Nadel seitlich betrachtet in die Rille eintaucht, hat Gandy gar eine umfangreiche technische Abhandlung gewidmet, die man sich im Internet unbedingt zu Gemüte führen sollte und deren Moral sich destilliert in etwa so liest: viel Lärm um nix.
Nicht, dass der Rega-Häuptling die klangliche Relevanz des vertikalen Abtastwinkels per se in Abrede stellte. Gleichwohl sei der Gestehungsprozess einer Schallplatte mit derart vielen Imponderabilien behaftet – man denke nur an die Ausrichtung des Schneidstichels beim Mastering oder die profane Plattendicke –, dass man den optimalen VTA eigentlich für jede Scheibe individuell festlegen müsste. Dann doch lieber ein vernünftiger Kompromiss, meint Pragmatiker Gandy. Und wenn’s denn unbedingt ein Abtaster eines Drittanbieters sein muss, dann hieven sogenannte 3-Punkt-Spacer, Metallscheibchen unterschiedlicher Stärke, den RB3000 auf das geforderte VTA-Niveau.
Der deutsche Vertrieb TAD hält hierfür spezielles Werkzeug vor. Es verhindert, dass der sensiblen Keramikbrücke zwischen Arm und Lagerblock mechanisches Unheil widerfährt. Wenn Sie mich fragen: Besagtes Werkzeug ist nicht ohne Hintergedanken so ausgepreist, dass einem der Gang zum entsprechend ausgerüsteten Händler als opportunere Lösung erscheinen muss. Mit Rega-Tonabnehmern ist man von Haus aus fein raus.
Zur Auflagekraft. Wie es sich für das Topmodell geziemt, hat Rega dem RB3000 ein Gegengewicht aus Wolfram spendiert. Das sieht nicht nur schicker aus als ein fetter Bollen Alu am Hinterteil. Es hat dank des höheren spezifischen Gewichts von Wolfram einen weiteren nicht zu unterschätzenden Vorteil: Es kann näher an das Lager heranrücken, was sich klanglich erfahrungsgemäß positiv niederschlägt. Bei der Generierung der Auflagekraft wandelt der große Rega wieder abseits ausgetretener Pfade: Anstatt dass sich, wie gemeinhin üblich, die Federspannung mit zunehmender Auflagekraft erhöht, verhält es sich hier genau umgekehrt: je höher die Auflagekraft, desto geringer die Federspannung.
Laufwerk Rega Planar 10 mit Netzteil PL10
Obwohl ich mich nach intensiver Recherche im Vorfeld des Artikels auf einiges gefasst gemacht hatte, war ich nach Auspacken des Planar 10 doch einigermaßen perplex – das Ding wiegt subjektiv kaum mehr als eine großzügig belegte Leberkässemmel aus einer Dorfmetzgerei meiner Oberpfälzer Heimat! Klar, an einem Skelett sind nunmal mehr Gräten dran als Speck, aber dass ein Weltklasse-Plattenspieler sooooo wenig wiegen kann, das dürfte selbst den Wortgewaltigsten sprachlos machen. Sooooo wenig wiegen MUSS, würde Roy Gandy erwidern, der sich wie kein zweiter Laufwerkskonstrukteur auf diesem Planeten dem qualifizierten Leichtbau verschrieben hat. Mit nachgerade manischem Eifer tüftelt der Mann an Werkstoffen, bei denen Gewicht und Rigidität im optimalen Verhältnis stehen.
Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft ist dies ein der Luftfahrtindustrie entliehener, PU-Schaum-artiger Materialcocktail namens Tancast 8. Er bildet, wie schon beim Planar 8, den Kern des Planar 10-Zargenskeletts, ist beidseitig eingehüllt von einer schützenden Haut aus Hochdrucklaminat und summa summarum verblüffende 30 Prozent leichter als beim Vorgänger RP10, dem auch kein Mensch pathologische Fettleibigkeit hatte vorwerfen können. Weitere Neuerung: Die für den Klang so entscheidende, möglichst starre Verbindungsachse zwischen Tonarm und Tellerlager bildet beim Planar 10 eine bockharte Keramikstrebe an der Oberseite des Skelettauslegers, an der Unterseite klebt eine dickere Lage erwähnten Laminats.
Das Ganze hört auf die griffige Bezeichnung Double Bracing und steht stellvertretend für Roy Gandys paramilitärisch vertretenes Mantra: Masse speichert Energie, was gleichbedeutend ist mit Verlust an musikalischer Information, also weg damit. Gleichzeitig will die Struktur überall da, wo höchste Festigkeit gefordert ist, gezielt verstärkt werden. Genau das sei beim Planar 10 in akribischer Feinarbeit insofern realisiert worden, als man dem großen Cost-no-object-Vorbild Naiad so nahe auf die Pelle rückte, wie man es innerfamiliär für vertretbar hielt, ohne dabei den Kostenrahmen zu sabotieren.
Ein Problem, mit dem alle Regas und ähnlich konstruierten Laufwerke zu kämpfen haben, ist die mögliche Übertragung von Motor- und Tellerlagervibrationen auf Tonarm und Abtaster, mit all den potenziell damit drohenden Klangeinbußen. Sauber ausgelegte Subchassis-Laufwerke sind hier prinzipbedingt im Vorteil, allerdings sind sauber ausgelegte Subchassis-Laufwerke etwa genauso weit verbreitet wie sauber ausgelegte „Brett“-Player.
Beim Planar 10 hat Gandy knöcheltief in die Trickkiste gegriffen, um den ohnehin sehr, sehr laufruhigen 24-Pol-Synchronmotor mittels resonanzschluckender Dämpfungsmaßnahmen weitestgehend zwangszusedieren. Ein übriges tut die externe 33/45-UpM-Stromversorgung PL10, die ab Werk haargenau auf den im jeweiligen Planar 10 verbauten Motor eingeregelt ist. Sie legt ihm damit maximal enge Zügel an und sorgt via Quarzsteuerung für eine preußisch genaue Einhaltung der gewählten Geschwindigkeit. Zudem ist eine Option zur Drehzahlfeinregulierung vorhanden, etwa für den Fall, dass die Plattenfirmen demnächst 500-Gramm-Pressungen auf uns arme Kunden loslassen.
Das für den Einsatz im Planar 10 tiefgreifend überarbeitete Tellerlager wäre dagegen und gegen noch viel gröberen Unfug vermutlich bestens gewappnet. In einer gewichtsmäßig leicht abgespeckten, aber dem Vernehmen nach mechanisch trotzdem noch robusteren Messingbuchse läuft wie gehabt ein aus massivem Aluminium gedrehter Subteller mit einer Spindel aus gehärtetem Werkzeugstahl.
Die Kraftübertragung erfolgt, wie es sich für Planare aus der Chefetage seit längerem geziemt, über zwei babypopoweich geschliffene Gummirundriemen, in die Gandy mehr Hirnschmalz investierte, als – pardon für die polemische Blutgrätsche – bestimmte Mitbewerber in ihre gesamte Produktpalette.
Über all dem thront, nein, schwebt förmlich ein unter Hochdruck gebrannter und für perfekte Oberflächenbeschaffenheit diamantgeschiffenerAußenteller aus hellem Keramikoxid. Dank smarter, von innen nach außen hin zunehmender Gewichtsverteilung rotiert er Gleichlauf-förderlich in bester Schwungradmanier. Ein Monument zeitlosen Industriedesigns! Auch wenn ich gegen eine schwarze statt weiße Filzmatte keine Einwände angemeldet hätte. Die steckbare Not-Haube? Finde ich cool.
Besagtes Monument steht auf drei hübschen kegelförmigen Füßchen, die gerne mal unten kleben bleiben und gelegentliches leichtes Anliften mit einer klitzekleinen Klangsteigerung goutieren. Wie jeder gescheite Plattenspieler reagiert der Planar 10 sensibel auf Ausführung, Beschaffenheit und Qualität der Stellfläche. Wenig überraschend war daher in meinem Wohnhörraum, dass er sich auf dem großen Tisch von TimeTable, dem Time, klanglich hörbar wohler fühlte als auf dem schmaleren kleinen Tischchen, dem T For 2.
Auf dem Time zeigte er sich zudem deutlich weniger empfänglich für Anregungen durch Trittschall, welcher sich auf dem Betonboden im Dachgeschoss unseres Altbauhauses nie zur Gänze vermeiden lässt. Leider macht der niedrige Kniestock dieses Raums eine Wandmontage unmöglich. Sollten Sie sich mit ähnlichen Trittschallproblemen konfrontiert sehen: Im Rega-Zubehörprogramm gibt’s für knapp 200 Euro das probate Gegengift in Form einer stabilen Aluwandhalterung. Erstaunlich unbeeindruckt von allem, worauf man sie bettet, gibt sich die Motorsteuerung des PL10 – im Gegensatz zum mimosenhaften Radikal-Netzteil meines LP12.
Moving-Coil-System Apheta 3
Beim Testmuster handelt es sich um das Package aus Planar 10 und Apheta 3, das gegenüber Einzelkauf einen Preisvorteil von immerhin 300 Euro bietet. Das Apheta 3 unterscheidet sich von seinem Vorgänger Apheta 2 unter anderem durch eine Rega-spezifische Variante des bewährten Schliffgeometrie Fine Line sowie durch einen leicht modifizierten Einbauwinkel des Diamanten von nunmehr exakt 90 Grad, was vor allem der Detailauflösung zugute kommen soll. Neu sind ferner ein computerberechneter, eloxierter Träger aus massivem Aluminium für das Generatorsystem sowie ein nur noch halb so schwerer Eisenträger für die handgewickelten Spulen, auf dessen Diät die Abtasteigenschaften gehofft hatten.
Beibehalten wurden hingegen der potente Neodymmagnet sowie der robuste Alunadelträger und natürlich jene konstruktiven Idiosynkrasien, die Rega-MCs von fast allen anderen Tonabnehmern nach dem Prinzip der bewegten Spule unterscheiden: Das Apheta 3 kommt ohne Spanndraht oder Spannfaden für den Generator aus und ohne Bedämpfung mittels Gummi, Silikon oder verwandter Elastomere. Weil dadurch die bewegte Masse sinkt und, wie wir inzwischen wissen, Roy Gandy entbehrliches Gewicht etwa so attraktiv findet wie Donald Trump den Lügendetektor. Spanndraht widerstrebt Gandy auch wegen dessen Resonanzverhalten im kritischen Hochtonbereich zwischen acht und zwölf Kilohertz, an Gummi und Co. missfallen ihm vor allem vorzeitige Alterungsneigung und mangelhafte Resonanzunterdrückung.
Kehrseite der Medaille: Der Verzicht auf Spanndraht und konventionelle Dämpfungsmaßnahmen erfordert extrem enge Bauteiletoleranzen sowie ein Höchstmaß an Präzision und menschlicher Konzentration bei der Ausrichtung des gesamten Generatorsystems während der Fertigung. Ein Prozess, an dem Gandy seit anderthalb Dekaden obsessiv feilt und den er mittlerweile nahe am Optimum wähnt.
Schade nur, dass man diese tollen Rega-Systeme trotz ihrer an sich völlig handelsüblichen technischen Parameter – 0,35 Millivolt Ausgangsspannung, rund 2 Gramm Auflagekraft beim Apheta 3 – in anderen als Rega-Tonarmen nie zu 100 Prozent wird ausreizen können. Bombenfeste 3-Punkt-Montage ist leider nur in letzteren möglich, selbst in artverwandten Armen schottischer Provenienz ist sie zum Scheitern verurteilt: Bei Linn befinden sich zwei der drei Montagelöcher im vorderen Teil der Headshell und eines im hinteren, bei Rega ist’s genau umgekehrt. Dabei sind Roy und Ivor doch eigentlich prima Kumpels, beide vom gleichen Semester und beide seit 1972/73 im Geschäft.
Die Testanlage
Der Plattenspieler, gegen den der Rega Planar 10 die meiste Zeit anzutreten hatte, ist ein Linn Sondek LP12 mit neuem Karousel-Lager, Subchassis Keel, Netzteil Radikal sowie zwei Tonarmen vom Typ Ekos SE, bestückt mit den MC-Tondosen Lyra Kleos und Delos bzw. Linn Kandid und Krystal. Für schnelle Querchecks stehen zwei weitere Sondeks in unterschiedlichen Ausbaustufen und diverse Tonarme und MM/MC-Systeme parat. In der Laufwerkgarage parken ferner ein aktueller Rega Planar 6 sowie ein generalüberholter Thorens TD 126 MK2 mit Tonarm SME 3009 unimproved.
Als Vorverstärker diente die röhrenbestückte Jadis JP 80 MC mit getrennten MM- und MC-Eingängen. Über den Hochpegeleingang liefen u.a. die externen Phonostufen Natalija 2 MM/MC von Rieke Audio (Röhre + Übertrager), die iPhono 2 von iFi Audio (Transistor) sowie die steckbaren Mini-MC-Übertrager HA-T10 von Sony (siehe Kasten). Ein Phonoteil von Rega war bewusst nicht mit von der Partie, hier ist perfekte Harmonie quasi genetisch gewährleistet. Mir ging es darum, herauszufinden, wie sich der Planar 10 an anderer als der hauseigenen Elekronik schlägt.
Meine bevorzugten Lautsprecher sind die Vollhörner Klipsch La Scala I aus den späten 1970ern mit neuen Mittel- und Hochtönern (A-55G bzw. CT120) sowie vorwiegend mit NOS-Ware bestückten externen Eigenbau-Frequenzweichen mit Spulen- und Kondensator-Werten bzw. -Typen exakt nach Paul W. Klipsch, jedoch der Möglichkeit für Bi-Amping.
Letzteres übernehmen zwei Paar Mono-Röhrenendstufen von Typ Jadis JA 30 mit KT120-Leistungspentoden. Weil die La Scalas fast alles beherrschen, nur nicht die Suboktave, werden sie von zwei geschlossenen Aktiv-Subwoofern vom Typ SVS SB12 NSB sekundiert. Lautsprecherinnenverkabelung und die kaum einen Meter langen Verbindungen zwischen externen Weichen und Endstufen sind mit Van den Hul Clearwater ausgeführt, jeweils in Shotgun-Konfiguration.
Die fünf Meter lange Strecke zwischen Vorverstärker und den vier Monos bzw. den beiden Subwoofern überbrücken extrem niederkapazitive und hervorragend geschirmte LC-1-Kabel vom amerikanischen Hersteller Blue Jeans Cable. Meine bevorzugte Verbindung zwischen Plattenspieler und Vorstufe bzw. externem Phonoteil und Vorstufe sind von Yannis Tome in Handarbeit hergestellte Reinsilberkabel aus der Gaia-Serie, konfektioniert mit 5-Pol- bzw. Cinchsteckern vom Typ KLEI Pure Harmony. Bei Netzkabeln vertraue ich grundsätzlich auf 3 x 2,5mm Lapp, professionell und sehr preiswert konfektioniert von Industriebedarf Necker.
Musikalisches Vorspiel
Wie bei jedem Vinyljunkie stehen auch in meinem Drogenschrank ein paar Scheiben, die mir bereits nach kurzem Reinschnuppern verraten, ob der ersehnte Fix mit einer neuen Anlage-Komponente gewährleistet ist. Oder nicht. Als erstes das “Girl From Ipanema” vom Bossa Nova Klassiker-Team Getz/Gilberto. Der relaxt gezupfte Akustikbass, er blubbert und schnurrt getragen, sonor und mit dem nötigen Tiefgang, aber ohne jede Spur von Blähungen. Stan Getz’ Sax steht exakt inmitten des Geschehens, wie immer ein bisschen größer und vorlauter, als ihm im wirklichen Leben zustehen würde, im Mono- noch auffälliger als im Stereo-Mix. Das Stimmchen von Astrid Gilberto, es ist erbarmungswürdig brüchig, das arme Mädl, es hat null Oberweite, neigt aber auch nicht ansatzweise zum befürchteten Krächzen und Zerren. Oha, das klingt ja genau, wie’s sein soll. Und das, obwohl das Apheta 3 nagelneu ist, keine fünf Minuten gespielt hat…
Als nächstes der Track Ring Them Harmonics von Charlie Byrds ewig jungem Album The Guitar Artistry of Charlie Byrd. Charlie wieselt mit der ihm eigenen Akrobatik und de facto Fehlerlosigkeit derart fix über die Saiten seiner akustischen Gitarre, dass man sich unwillkürlich fragt: Hat der Kerl mehr Finger als wir Normalsterblichen? Keter Betts, ein Mega-Crack nicht minderen Formats, drischt mitunter derart hemmungslos auf seinen Kontrabass ein, dass man Angst hat, er fliegt einem gleich um die Ohren. Derweil streichelt, kitzelt, beackert, malträtiert Drummerlegende Buddy Deppenschmidt seine Schießbude, als gäb’s kein Morgen. Fantastisch. Das Ampheta 3 hat immer noch keine Viertelstunde auf dem Buckel. Und die gerade gespielte Platte ist keine unbezahlbare Sammler-Prätiose von 1960, sondern ein höchstwahrscheinlich vom CD-Master gezogenes Allerwelts-Reissue für Zwölfeurofuffzig. Das kann ja heiter werden…
Noch ein Reissue, noch eines, das fast nichts kostet und das man in Ermangelung des Originals einfach haben muss, selbst wenn man mit Jazz im Allgemeinen und Miles Davis im Speziellen wenig anzufangen wissen sollte. Das Album heißt Milestones und wurde von Sony im Rahmen der Music On Vinyl-Serie im lange verschollenen, echten Stereo-Mix neu aufgelegt. Der Anspieltipp stammt aus einem Interview mit Stones-Schlagzeuger und Jazz-Liebhaber Charlie Watts, der den Track Billy Boy für eines der spektakulärsten Beispiele dafür hält, welch ein Feuerwerk ein Drummer ganz ohne Sticks abbrennen kann. Wenn er’s kann.
Mir bleibt die Spucke weg – der Speed, den Philly Joe Jones von der ersten Sekunde an aus den Handgelenken schüttelt, ist atemberaubend. Der Swing, hier wird er zelebriert, feiert Hochamt. Wie aus dem Leben gegriffen klatschen die Besen auf’s Fell, zischen und fauchen über’s Blech. Unglaublich, dass es nur zwei Besen gewesen sein sollen. Als es vorbei ist, habe ich Schnappatmung und muss garantiert viel tiefer und länger Luft holen als der große Philly Joe Jones anno 1958 in den Columbia Studios, New York City. Der Rega, der hat echt was, da braucht’s keine originale 6-Eye-Pressung zum Glücklichsein.
Dass ich mich jemals für Max Raabe würde erwärmen können, habe ich selber nicht geglaubt, bis ich mir auf Drängen eines Spezls, der mich manchmal besser kennt als ich mich selber, das Album Der perfekte Moment holte. Inzwischen schon drei Exemplare, denn das erste war im Testbetrieb rasend schnell abgenudelt (das PVC von heute ist nimmer, was es mal war), das zweite spielt aktuell und das letzte dient mir als eiserne Reserve. Wer verfolgt hat, wie blitzschnell die Vinylausgaben von Raabes früheren Soloalben vergriffen waren, der mag kein Risiko mehr eingehen.
Raabe ist ausgebildeter Opernsänger, aber was mir manchmal noch besser gefällt als WIE er singt, ist, WAS er singt. Die Texte sind teilweise zum Wiehern komisch, und selbst wenn’s mal todernst zugeht, wie auf “Heut bring ich mich um”, katapultiert er sich mit einem ironischen Rückwärtssalto flugs wieder heraus aus der Tristesse.
Klangliche Highlights dieser durchwegs klasse aufgenommen Platte sind “Ich bin dein Mann” und “Du bist viel zu schön für einen Mann allein”. Beide Tracks stellen das Auflösungsvermögen eines Plattenspielers auf eine beinharte Probe, weil sich im hörbaren Frequenzspektrum von (fast) ganz oben bis (fast) ganz unten jede Menge tut. Nicht im Stile audiophiler Krawallscheiben, vielmehr verhalten, subtil und daher viel anspruchsvoller zu reproduzieren. Der Planar 10, er zuckt nicht ein einziges Mal mit der Wimper.
Warum auf so vielen Aufnahmen von Jack Johnson, selbst auf dem soweit ich weiß einzigen analog eingespielten Album, der Bass einen Mords-Wohlstandsbauch vor sich herschieben muss, ist mir unerklärlich. Ob Jack ein Faible hat für grottige Studiomonitore wie den Yamaha NS10? Oder mag er’s einfach nur vollfett? Wie schön, dass auf meinem digital produzierten Lieblingswerk von ihm, On And On, ausgerechnet meine beiden Lieblingstitel, “Rodeo Clowns” und “Cocoon” richtig gut klingen, auch im Bass. Der hat hier zusätzlich zum Druck genügend Kontur, gruftelt nicht nur doof-monoton vor sich hin.
Und der Rega? Der gibt sich nicht den Ansatz von Blöße. Auch nicht bei Jacks gefühlvoll gespielter Akustikklampfe, wo die Saiten so luftig flirren und sirren, dass einem ganz warm wird ums HiFi-Herz. Und schon gar nicht bei den hoch- und höchstfrequenten Transienten vom Schlagzeugblech. Wüsste man’s nicht besser, man könnte fast meinen, das Becken klingt noch nach, wenn der Planar längst ausgeschaltet ist….
Ich bin ganz bei Ihnen, geneigte Leser, der Rega Planar 10 gehört zu jener immer rareren Spezies von HiFi-Komponenten, die sich klassischen Bewertungsschemata standhaft entziehen. Will man wissen, was er drauf hat, hilft frequenzintensquantitative Herangehensweise nach alter Testerväter Sitte jedenfalls nicht weiter, keinen Millimeter.
Als noch alle Plattenspieler und CD-Player identisch klangen und das Vorhandensein oder eben nicht einer automatischen Endabschaltung bzw.16er-Tastatur über Wohl und Wehe, vulgo: die Einstufung in Absolute Spitzen- oder Holzklasse entschied (lachen Sie nicht, ich hab’s selbst erlebt!), hätte man’s in pupstrockener Beamtenprosa etwa so formuliert: „Der Rega Planar 10 geht ohne ohrenfällige tonale Aberrationen zu Werke. Fazit: Die Klangfarbentreue des Probanden ist als gut zu bezeichnen.“
Womit wir gemessenen Schrittes beim HiFi-journalistischen Lakmustest angelangt wären, der fundierten, der konstruktiven, der unabhängigen, durch keinerlei pekuniäre Sachzwänge von dritter oder sonstiger Seite getrübten, allein der Wahrheit und nur ihr verpflichteten Kritik.
Einer Kritik, die hart ist, mitleidslos und streng, aber gleichzeitig gerecht, frei von Häme, bourgeoiser Kleinkrämerei und Oberlehrerattitüde, sachlich und fachlich und überhaupt unangreifbar. Als stünde der Kritiker in seiner Eigenschaft als solcher über allem (Un-)menschlichen. Als urteile und handele er, erhaben über die leidigen Knowhow-Defizite des gemeinen Herstellers, zum ausschließlichen Wohle von dessen argloser und insofern als beschützenswürdig zu bezeichnender Kundschaft.
Schau’ ma mal, vielleicht sehen wir ja tatsächlich klarer, nachdem ich den Planar 10 ein paar Runden am Drehzahlbegrenzer gescheucht, über seine Schmerzgrenze hinaus gequält, in seliger Felix-Magath-Manier tonnenweise Medizinbälle aus der Folterwerkstatt Charly Antolinis habe schleppen lassen. Schließlich dürfen die Testerkollegen vom TÜV arme Vorkammer-Diesel am Prüfstand auch so lange mit Vollgas vergewaltigen, bis die mit qualmenden Rußstoßseufzern das Handtuch werfen. Sofern sie’s überleben. Ich muss dem Rega eine mitgeben, koste es, was es wolle, will ja am Ende nicht als Fanboy dastehen.
Notizen aus der Folterkammer
Der Rega Planar 10 bietet nicht die unerschütterliche, die stoische, die gravitätische Ruhe im Klangbild, die Masselaufwerke gerne für sich reklamieren. Ein paar wenige sogar zurecht. Darauf hinzuweisen, dass etliche dieser Felsen in der Brandung mit der rhythmischen Beweglichkeit, der Lockerheit, der Entspanntheit und dem Groove ebensolcher Brandungsfelsen aufwarten, ist übertrieben häufig der Fachjournaille Sache nicht. Warum auch immer. Wäre ich qua finsterer Mächte gezwungen, den englischen Fliegengewichtler gegen ein Superheavyweight zu tauschen, dann müsste mir schon eine barocke Französin von der animalischen Urgewalt einer Platine Verdier (hier eine Beschreibung von Händler-Freund Klaus Büscher) vor die Füße plumpsen. Ansonsten dünkt mich, den Nicht-Techniker, Roy Gandys lighter-is-better-Philiosophie entschieden plausibler.
Der Rega Planar 10 kann auch nicht mit der fast schon gespenstischen Raumtiefe dienen, mit der so manches mit Tangentialtonarm bewehrte Spitzenlaufwerk selbst mich, der ich dieses Kriterium eigentlich nicht sonderlich hoch gewichte, kurz- bis mittelfristig in seinen Bann zu ziehen vermochte. Andererseits ist der Grat zwischen opulenter Raumdarstellung, euphonischem Gewaber und profaner heißer Luft nach meinem Empfinden ein kriminell schmaler. Weshalb mich bei Plattenspielern, die selbst brettflachen, grotesk manipulierten Multi-Mono-Studiotracks auf wundersame Weise eine halbwegs natürliche Raumakustik einhauchen, stets ein gewisses Unbehagen beschleicht. Der große Rega ist dieser Gattung definitiv nicht zugehörig.
Der Rega Planar 10 ist keine hemmungslose Emotionsmaschine à la LP12, der ja noch in den Extremitäten vorschnell Einbalsamierter ekstatische Zuckungen zu provozieren vermag. Wobei ich der Fairness halber sogleich hinterherschicke: Der LP12 reanimiert Halbtote nur dann, wenn er korrekt ein- und aufgestellt ist.
Einen LP12 korrekt einzustellen, ist kein Hexenwerk, handwerkliches Grundgeschick und gesunder Menschenverstand tun’s völlig. Ok, ein bissl Erfahrung schadet auch nicht. Ihn korrekt aufzustellen, erfordert – Stichworte: leicht, stabil – ebenfalls keine parallelphysikalischen Klimmzüge. Wie viel zu viele Händler und Legionen von Besitzern es trotzdem schaffen, einen Hexencocktail daraus zu mixen, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.
Nach meiner festen Überzeugung und rund 35 Jahren hautnaher Erfahrung, darunter 17 Jahre in Diensten Linns, spielen 95 von 100 Sondeks draußen im Lande unter Wert, mindestens die Hälfte davon deutlich bis drastisch bis herzzerbrechend unter Wert.
Es führt kein Weg dran vorbei, der nahezu Plug & Play-zertifizierbare Rega Planar 10 ist hier im Vorteil, klar im Vorteil. Und er hatte sich in punkto PRAT (Pace, Rhythm And Timing) bereits auf 94,8 Prozent an den schottischen Sultan Of Swing herangerobbt, bis der dank seines superben neuen Tellerlagers Karousel den Abstand erst unlängst wieder um 3,3 Prozent vergrößerte. Anders formuliert: Selbst ich, der ich Duke Ellingtons berühmtes Zitat „It don’t mean a thing if it ain’t got that swing“ beherzige wie kein zweites highfideles Credo, fühle mich vom Tanzbein des Planar 10 nicht im Mindesten auf die Füße getreten, könnte mich im Gegenteil prächtig mit ihm arrangieren. Fans von klassischen Hollywood-Tanzfilmen und Ballettfreunde werden mit folgender Analogie vielleicht etwas anfangen können: Der LP12 ist der Fred Astaire, der Rega der Rudolf Nurejew unter den Top-Plattenspielern.
Wenn Sie die letzten paar Absätze rekapitulieren, gelangen Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit zur gleichen Erkenntnis, die mich nach eingehender Beschäftigung übermannte: Dem Planar 10 etwas Handfestes, reproduzierbar Negatives unterjubeln zu wollen, ist ein denkbar undankbares Unterfangen.
Bei allen angeführten Punkten handelt es sich um weiche bis wachsweiche Kriterien, solche, bei denen Geschmacksfragen sehr leicht ins Geschmäcklerische kippen, wo sich die Graustufe in aller Regel als aussagekräftiger erweist als sture Schwarzweißmalerei. Zu welcher, Asche auf sein Haupt, auch der von Amts wegen eigentlich unfehlbar sein zu habende Autor mitunter den gebotenen Sicherheitsabstand vermissen lässt. Soll ich Ihnen jetzt noch erzählen, dass es der Rega grob- und feindynamisch faustdick hinter den Ohren hat, dass er schnell ist wie die Sau, dass er….okay, wir lassen’s.
Die Moral von der Geschicht’
Für mich ist der Rega Planar 10 die Inkarnation eines Ingenieursgeräts für kühle Rechner. Wie bitte, der Planar 10 ein Tipp für kühle Rechner? Dieser Spargeltarzan würde doch auf der Shitlist von Zeitgenossen, die Qualität in Gewicht pro Währungseinheit bemessen, so lange ganz oben stehen, bis Roy Gandy ein Skelett ausgeknobelt hat, das noch ein paar Milligramm weniger auf die Apothekerwaage bringt.
Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man sich ihr mit einer anderen, zielführenderen Art von Arithmetik nähert. Klanglich vergleichbare Laufwerke inklusive adäquater Motorsteuerung schlagen gewöhnlich mit gut 4.000 Euro aufwärts zu Buche, MC-Abtaster und Tonarme vom Kaliber Apheta 3 und RB3000 jeweils locker mit 2.500 bis 3.500 Euro. Macht, Moment – auf jeden Fall ein fünfstelliges Sümmchen. Dagegen nehmen sich die 6.000 Euro des Gegenstands dieser Zeilen fast schon wieder volkstümlich aus.
Falls alles Bisherige zu verklausuliert bei Ihnen angekommen sein sollte: Der Rega Planar 10 ist für mich der mit Abstand preisgünstigste ECHTE Weltklasse-Plattenspieler. Punkt. Und ich hoffe, irgendwann Gelegenheit zu haben, seine Gliedmaßen getrennt zu sezieren, das Laufwerk mit einem kleineren Arm, den RB3000 mit dem großen MC Aphelion 2…
Trotzdem, es widerstrebt mir, bei 6.000 Euro das Wort Schnäppchen in die Tastatur zu hacken, dazu sind die Realitäten zu real, die Zeiten zu grimm. Wie wär’s stattdessen mit Sonderangebot? Das ist der Rega P10 ganz ohne Frage, und doch wird er in der hier diskutierten Ausstattung viele Budgets sprengen. Zu viele, wenn Sie mich fragen, weshalb ich mir einen Alternativvorschlag erlaube: Gönnen Sie sich, Paketpreis hin, Paketpreis her, den Planar 10 zunächst ohne Apheta 3 und schrauben Sie stattdessen für eine Weile etwas Bodenständigeres in den RB3000.
Ich persönlich hätte nicht die geringsten Skrupel, ein gutes MM der 100-Euro-Liga zu engagieren und mich bis zur Erholung der Haushaltskasse musikalisch wunderbar über die Runden schaukeln zu lassen. Die aktuellen Rega-Offerten in diesem Segment kenne ich für eine qualifizierte Empfehlung nicht gut genug, müsste mich jedoch sehr wundern, wenn sich da nichts Passendes finden ließe. Und das Apheta 3 wird Ihnen danach garantiert noch viel größere Wonne bereiten. Versprochen. Weil Sie sich, als es weh tat, nicht für einen noch so verlockenden Kompromiss, sondern gleich für ein echtes Top-Deck und einen echten Top-Arm entschieden und damit die ewig gültige Laufwerkshierarchie beherzigt haben – erst Laufwerk, dann Arm, dann System.
Wie groß besagter Kompromiss im hausinternen Vergleich ausfällt, kann ich nur anhand meines eigenen Planar 6 verifizieren – den nimmt der Planar 10, wie sagt man so schön, zum Frühstück. Wie es im Vergleich mit seinem hierarchisch direkten Untergebenen, dem Planar 8, aussieht, ist da schon entschieden spannender. Rega-Intimus Bernhard Rietschel hat es für uns eruiert und seine Einschätzung am Ende dieses Textes kundgetan. Wenn Sie diese Zeilen lesen, befindet sich „mein“ Planar 10 schon nicht mehr bei mir auf der bayerischen Alm, sondern bei ihm im schwäbischen Ländle.
Richtig kombiniert, Fred und ich haben nach heftigem Ringen mit uns selber beschlossen, Rudolf ziehen zu lassen. Wobei es uns keineswegs an der nötigen Fantasie für eine gschlamperte Menage-à-trois gemangelt hatte. Andererseits hätten, bei angenommen gleich häufiger Nutzung, zwei absolute Rassepferde jeweils die Hälfte ihres Daseins im Stall fristen müssen – ein schier unerträglicher Gedanke. Für mich und erst recht für Fred. In seinem Fall aus nicht ganz selbstlosen Motiven, verzeihlicherweise. Es bleibt also bei einem so kurzen wie stürmischen Flirt mit dem Rega Planar 10. Aber ist es nicht die unerfüllte, womöglich gar platonische Romanze, derer man sich am Ende des Tages feuchten Auges und entrückten Lächelns erinnert…?
Bernhard Rietschel über den Rega Planar 10:
„Mehr Bass“ ist in der HiFi-Welt zunächst mal kein Qualitätsmerkmal. Mehr Information dagegen schon – weshalb ich beispielsweise schon seit einiger Zeit an einem Verstärker festhalte (dem Croft Integrated nämlich), der zwar untenrum recht schlank, dafür aber feindynamisch so agil spielt, dass so ziemlich alle anderen Amps daneben so flink wirken wie Leguane, wenn die Terrarium-Heizung ausgefallen ist.
Warum also habe ich vom Rega Planar 10 im Vergleich zum hochgeschätzten Planar 8 „mehr Bass“ erwartet? Vielleicht weil es dieser unheimliche Druck im Tiefton, dieser saftig-swingbärige Sound war, den mein alter Linn LP12 bislang allen Regas voraus hatte. Und ich insgeheim hoffte – oder vielleicht auch befürchtete –, dass Roy Gandy mit dem Zehner eine Art Frankenstein-Rega mit eingekreuzten Linn-Genen geschaffen haben könnte.
Wie sich im Hörraum herausstellt, ist der Rega Planar 10 aber einfach ein noch höher angereichertes, noch klarer destilliertes Konzentrat all dessen, was schon den Planar 8 auszeichnet. Letzteren hörte ich mit Regas 1.000-Euro-Abtaster Ania Pro, den Zehner mit dem konstruktiv eng verwandten Apheta 3, und rein tonal sind die beiden Kombis sehr ähnlich. Die Genauigkeit indes, mit der der Planar 10 feinsten Modulationen folgt, ist eine Klasse für sich und selbst dem in dieser Hinsicht bereits verblüffenden Planar 8 weit voraus. Der Spieler erzeugt eine totale, tief in den Mix hinein reichende Transparenz, die aber nicht forciert, chirurgisch oder analytisch wirkt, die Gesamtwirkung der Musik nicht mindert, sondern verstärkt.
Im Bass ist es nicht Fettigkeit, sondern Festigkeit, die den Rega auszeichnet. Seine Tieftonarchitektur erinnert frappierend an die guter Masselaufwerke – wie von Uli Michalik bereits angesprochen eine sehr seltene Spezies, deren „Viel-hilft-viel“-Herangehensweise sie automatisch teuer werden lässt. Der Planar 10 ist nicht nur bandscheiben- sondern auch erheblich kontofreundlicher als alle auch nur entfernt qualifizierten Kontrahenten aus dem Masse-Lager. Er macht auf den ersten Blick zwar nicht soviel her. Aber Tonarme mit dem fast magisch geschmeidigen Lauf des RB3000 kosten anderswo mehr als der ganze Rega-Spieler. Und es gibt anderswo zwar dickere und größere Teller, nicht aber dichtere und härtere als die diamantgeschliffene Aluminiumoxid-Scheibe des Planar 10. Gegenüber früheren Inkarnationen dieses Werkstücks (etwa auf dem alten P9) hat der aktuelle Teller auch ästhetisch deutlich gewonnen: Die Oberfläche ist noch glatter und feiner, die Neigung des alten Teils, mit den Jahren nachzudunkeln, praktisch beseitigt.
Nicht zuletzt spricht für den Zehner seine Pflegeleichtigkeit. Folgekosten für kolossale Laufwerkstische und Statikgutachten fallen nicht an. Gourmet-Mobiliar wie Herrn Michaliks Time Tables oder das Mana Acoustics Reference Shelf, auf dem der Spieler bei mir stehen durfte, kann man sich, wenn man sie nicht sowieso schon hat, sparen – und stattdessen einfach das von Rega für den Planar 10 maßgefertigte „Wall Bracket“ an die Wand dübeln. Damit ist die Aufstellung praktisch perfekt gelöst. Das reicht, da der Rega ohnehin nicht für die Jagd nach dem ewig flüchtigen letzten Promill gebaut wurde. Sondern dafür, die ersten 99,9% mit einer Mühelosigkeit zu erreichen, die einen beim Hören immer wieder zum Grinsen, mitunter auch zum lauten Lachen bringt.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Spektakulärer Klang ohne Set-up-Problematik |
| State-of-the-Art Tonarm, extrem sauberes MC-System |
| Preisgünstigster ECHTER Weltklasse-Plattenspieler |
| Trittschall-empfindlich, beigelegte Staubschutzhaube nur Notlösung |
Vertrieb:
TAD Audio Vertriebs GmbH
Rosenheimer Straße 33
83229 Aschau
www.tad-audiovertrieb.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Rega Planar 10: 4.700 Euro
Rega Planar 10 mit Apheta 3: 6.000 Euro
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