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Leak Stereo 230
Der Stereo ist die auf neuesten Stand gebrachte Replika eines Verstärkers aus den 1960er Jahren. Der Neue kann enorm viel und kostet ab 1.300 Euro (Foto: Leak)

Test Retro-Vollverstärker Leak Stereo 230: sieht nur aus wie von gestern …

Der Leak Stereo 230 besticht durch sein glaubwürdiges Retro-Äußeres und hat ein so modernes Inneres wie auch einen so charaktervollen klanglichen Auftritt, dass er fraglos zu den interessantesten DAC-Vollverstärkern der 1.000 Euro-Klasse zählt. Wir haben den ungewöhnlichen Amp nun schon seit einigen Wochen im Hörraum und sind noch immer begeistert …

Wie fast immer, wenn wir über ein Produkt aus dem großen Kosmos der International Audio Group (IAG, hierzulande: IAD) berichten, ist es angezeigt, zunächst einen Blick zurückzuwerfen. In diesem Fall auf Leak. An den britischen Highender werden sich nur noch die Älteren unter uns erinnern: Schon in der 1950er Jahren entwickelten die Briten teils phänomenale Röhrenverstärker, mit denen man gern auch einmal die genauso ehrwürdigen Elektrostaten von Quad betrieb. Die Vorfahren des Leak Stereo 230 indes sind „nur“ 60 Jahre alt: Sie hörten auf die Namen Stereo 20 (Röhre), Stereo 30, Stereo 60 und Stereo 70. Die drei letztgenannten sind Transistor-Amps, die den Leistungszuwachs der Transistoren dieser Zeit dokumentieren. Der Stereo 30 hatte noch 12 Watt Sinus pro Kanal, der Stereo 70 bereits 35 Watt.

Leak Stereo 30 Plus
Das Bild zeigt den Stereo 30 Plus von 1968. Das Design ist mit dem des neuen Stereo 230 durchaus verwandt … (Foto: Leak)

Die Besonderheiten des Leak Stereo 230

Von dieser bescheidenen Leistung sind wir mit dem Stereo 30 meilenweit entfernt. Er kommt pro Kanal auf über 115 Watt Sinus an 4 Ohm. Wichtiger an dieser Stelle ist der Hinweis auf das Äußere: Die Designer des modernen Leak schaffen fast eine 1:1-Kopie des – man würde heute sagen – Midi-Verstärkers. Sogar die Knöpfe sind – wie früher – aus Plastik. Ich finde diesem Umstand gar nicht anrüchig. Zum einen ist es eine Verbeugung vor den Leak-Legenden der 1960er Jahre, zum anderen beugt es bei hoher elektrostatischer Aufladung (wie sie oftmals Teppiche oder Böden erzeugen) dem bitzelnden Schlag bei Kontakt mit dem Verstärker vor.

Leak Stereo 230 Front
Dem Stereo 30 nicht völlig gleich, aber weitestgehend angelehnt: das Äußere des Stereo 230, der nicht einmal 35 Zentimeter breit ist (Foto: H. Biermann)

In der Basisversion gibt es den neuen Stereo 230 auch ganz normal „nur“ im Metallgehäuse. Die Holzversion ist das gleiche Gerät, wird aber in einen stabilen Holzkasten geschoben, der rundum verleimt und foliert ist. Dieser umlaufende Holzkasten ist durchaus stabil: Die MDF-Wände haben eine Stärke von 11 Millimetern. Das beruhigt nicht nur das Metallgehäuse des Verstärkers, sondern hebt auch das Gewicht um 2,5 Kilo an. Für die 200 Euro Aufpreis ist also durchaus etwas geboten …

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Den Leak Stereo 230 gibt es auch ohne Holzgehäuse. Da sieht er nicht nur sehr viel moderner aus, er kostet auch 200 Euro weniger (Foto: Leak)
Leak Stereo 230 Kühlkörper
Das Holzgehäuse besteht aus 11 Millimeter starkem MDF mit Nussbaum-Folie. Weil die Holz-Applikation umlaufend ist, gibt es oben und unten Lüftungsgitter zum Abführen der Wärme (Foto: H. Biermann)
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Die Technik …

… ist in Bezug auf die Verstärkung eine klassische A/B-Schaltung, bei der vier MOSFETs (Type: TDA7293) an den Kühlkörpern schuften und – ich habe es oben schon erwähnt – den Leak Stereo 230 auf 2 x 115 Watt (ergibt putzigerweise zusammen 230) an 4 Ohm bringen. Bei 8-Ohm-Lautsprechern, die mittlerweile echt rar sind, bleiben immer noch 2 x 75 Watt. Wem das immer noch nicht reicht, dem eröffnet der geregelte Vorstufenausgang die Möglichkeit, noch stärkere Endstufen anzuschließen.

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Leak Stereo 230 innen
Da das Holz eine effiziente Kühlung über die Gehäusewände verhindert, sind die Kühlkörper in der Mitte angebracht, wo sie über Lüftungsschlitze in Deckel und Boden die Wärme abführen können (Foto: Leak)
Leak Stereo 230 Digitalboard
Das Digitalboard ist unter anderem mit dem ESS 9038Q2M 32-Bit-DAC und einem XMOS-Chip für die USB-Schnittstelle prominent bestückt und sitzt direkt an den Digital-Eingängen (Foto: Leak)
Leak Stereo 230 Pegelregler
Hinter dem Pegelregler sitzt mit dem 20KAX2 ein wuchtiges Motorpoti des japanischen Spezialisten Alps (Foto: Leak)
Leak Stereo 230 Quellenwahl
Die Quellenanwahl erfolgt über den leichtgängigen Drehregler mit einer Batterie klickender Relais dahinter (Foto: Leak)
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Der Aufbau ist nach alter Väter Sitte. Der Ringkerntrafo (schwarz, unten rechts) hat eine ordentliche Größe und auch die Phonostufe ist weitgehend mit diskreten Bauteilen aufgebaut. Wo man hinschaut: alles ordentlich, alles gut gemacht und an den wichtigen Stellen qualitativ hochwertige Bauteile. Hier spielt die International Audio Group wahrscheinlich einfach ihre Größe aus: Den ESS Sabre ES9038Q2M Reference DAC verbauen die Chinesen ja auch im kürzlich getesteten Vollverstärker Audiolab 7000A und im passenden Netzwerk-Zuspieler 7000N ebenfalls. Da lassen sich über große Stückzahlen natürlich gute Preise verhandeln.

Leak Stereo 230 Fernbedienung
Die auch für den CD-Player der Reihe passende Kunststoff-Fernbedienung ist funktional, wenngleich nicht wirklich würdig … (Foto: H. Biermann)

Gemessen an dem, wie der Stereo 230 aussieht, ist er doch verdammt modern. Bluetooth ist natürlich Teil des Konzepts, sodass man auch Musik über das Smartphone oder das Tablet in Fast-CD-Qualität übertragen kann. Koaxial kann der geneigte User Daten bis 192 KHz, über den USB-Eingang PCM-Signale bis 768 KHz und DSD bis DSD512 anliefern. Daten von einem Mac nimmt der Retro-Amp sogar ohne Treiber-Installation. Auch schön. Was auch immer mehr Mode wird: Der Stereo 230 hat einen HDMI-ARC-Eingang zur einfachen Wiedergabe des TV-Tons.

Leak Stereo 230 Digital-Anschlüsse
Über die HDMI/ARC-Buchse kann man ganz kommod auch den (per Fernbedienung des TV geregelten) Ton vom Fernseher abzapfen (Foto: H. Biermann)

DAC, Phono und Kopfhörer

Ebenfalls erwähnenswert ist der eingebaute Kopfhörerverstärker, den ich erstaunlich gut fand. Der hat ja mit der eigentlichen Verstärkerschaltung nur wenig zu tun, erfreut aber ebenfalls mit einem natürlich-kraftvollen, eher sonoren Klangbild.

Leak Stereo 230 Kopfhörer
Der eingebaute Kopfhörerverstärker ist ebenfalls erfreulich gut. Mit einem klassischen, kabelgebundenen Kopfhörer wie dem Beyerdynamic DT 900 Pro X (im Bild vorn) klingt es richtig klasse (Foto: H. Biermann)

Das Gleiche gilt für den Phonozweig, der deutlich mehr als ein Feigenblatt ist und mit seinen fixen und sehr praxisgerechten Abschlusswerten (47 KiloOhm, 80 PicoFarad) die meisten MM-Systeme weitgehend ausreizen kann.

Leak Stereo 230 Ambiente
Der Leak Stereo 230 im LowBeats Wohnhörraum im Zusammenspiel mit dem Clearaudio Concept. Im Hintergrund die Standboxen Mission QX-3, die mit ihrem modernen Äußeren allerdings sehr viel besser zum Clearaudio als zum Retro-Leak passen… (Foto: H. Biermann)

Der letzte interne Vergleich galt dem DAC: Ist er besser als externe Lösungen? Hier machte ich den Vergleich mit dem Denon DCD-A110, der einen exzellenten Wandler eingebaut hat, die Signale aber auch digital ausgeben kann. Man hört sofort, dass der im Leak verbaute ESS Sabre ES9038Q2M kein schlechter ist – wenngleich natürlich die technische Umgebung letztendlich ebenfalls für den Klang entscheidend ist. Der interne Denon-DAC wirkt einen Hauch griffiger, der interne Leak-DAC etwas voller. Riesenunterschiede konnte ich hier nicht ausmachen. Quintessenz bis hierhin: alles sehr ordentlich, keine Beanstandungen.

Hörtest

Die gab es auch während der Hörtests nicht. Sofort hörbar war, dass der Leak nicht nur optisch aus der Welt der 1960er Jahre stammt, sondern auch tonal. Hier ist nichts Vordergründig-Spitzes, was nervt oder den langen, genüsslichen Musikabend irgendwie anstrengend machen könnte. Der Stereo 230 klingt einfach schön.

Bevor jetzt einige aus dem Text aussteigen, weil sie mir unterstellen, dass ich einen müde klingenden Verstärker schönschreiben will: Bitte dabeibleiben. Der Stereo 230 klingt zwar einen Hauch wärmer als die meisten seiner aktuellen Zeitgenossen und hält von seinem Charakter her einen ordentlichen Abstand zu beispielsweise den immer etwas „heller“ klingenden Yamahas. Aber von der neutralen Mitte er ist nicht weit entfernt.

Als Ausgeburt des Neutralen kommt bei uns immer Cambridge Audio ins Spiel. Wir haben quasi die gesamte Verstärkerpalette der Briten im Regal und können so preisklassengerecht einstufen. Der Cambridge Audio CX81 kostet 1.200 Euro und liegt damit in der Preisklasse des Leak Stereo 230 ohne Holzkleid.

Leak Stereo 230 Ambiente
Der Leak Stereo 230 im kleinen LowBeats Hörraum im Vergleich zum Cambridge Audio CX81 (Foto: H. Biermann)

Beide Verstärker sind sich im Grunde recht ähnlich. Stimmen oder akustische Instrumente meistern beide wunderbar natürlich und mit einer ausdrucksstarken Plastizität. Aber wo der CX81 die Pauken noch einen Deut exakter ausschwingen lässt, rundet der Leak etwas mehr, schiebt aber nach unten heraus noch mehr Energie nach.

Wie überhaupt der Eindruck entstand, dass der Leak etwas mehr Power hat, obwohl er auf dem Papier sogar einen Tick weniger Leistung zur Verfügung stellt: Cambridge = 120 Watt, Leak = 115 Watt an 4 Ohm. Aber normalerweise hört man solch geringe Leistungsdifferenzen nie. Deshalb macht der Leak offenkundig an anderen Stellen vieles richtig.

Leak Stereo 230 im LowBeats Hörraum
Der Stereo 230 hier mit dem Atoll IN50 Signature. Auch dieser Vergleich lief an der Dynaudio Heritage Special (Foto: H. Biermann)

Im Vergleich zu einer anderen Verstärker-Referenz, dem französischen Atoll IN50 Signature (850 Euro), fielen die Unterschiede deutlicher aus. Der Franzose spielt quirliger und offener, der Leak sonorer, klangfarbensatter und letztendlich souveräner. Bei Mozarts Requiem in D-Moll (Wiener Philharmoniker unter Karl Böhm) stellte der Atoll die Solistenstimmer etwas präziser heraus. Der Leak gab ihnen, vor allem aber den Streichern, etwas mehr Substanz wie Kraft und zog auch den Raum etwas weiter nach hinten auf.

Wolfgang Amadeus Mozart - Karl Böhm, Wiener Philharmoniker – Requiem
Ein Meisterwerk von 1971, das von seiner Schönheit nichts eingebüßt hat: Mozarts Requiem mit den Wiener Philharmonikern unter Karl Böhm (Cover: Qobuz)

Der Stereo 230 ist einer jener Verstärker, mit dem man nicht nur mühelos Stunden hören kann – sondern will! Mir jedenfalls ging es so. Nach der Dynaudio Heritage Special, mit der wir fast alle Hörtests im kleinen Hörraum durchführen, schloss sich noch eine Reihe weiterer Schallwandler an, von denen ich meinte, es könnte passen. Der Zufall wollte es, dass wir aus dem Test noch die Mission 770 in der Redaktion hatten. Und damit ergab sich ein Magic-Match. Beide sehen aus, als seien sie den 1960er Jahren entsprungen und harmonieren klanglich-tonal perfekt: Der etwas „wärmere“ Leak rundet das Klangbild der eher präzis-schlanken Mission aufs Feinste ab.

Damit ist die Geschichte des Stereo 230 bei LowBeats aber noch nicht vorbei. Denn nach dem Test schließt sich eine weitere an: Auf der kommenden HIGH END (18.5. – 21.05.2023 im Münchener M.O.C.) wird LowBeats im Rahmen der „Sounds-Clever-Initiative“ der veranstaltenden High End Society im Raum K4 (134 Quadratmeter) eine 5.000-Euro-Anlage vorführen Der Leak hat uns so gut gefallen und wir trauen ihm so viel zu, dass er das Herz unser Anlage wird. Eine gleichsam spannende wie schöne Geschichte. Und eine Adelung des Leak obendrein.

Fazit Leak Stereo 230

Die Klasse um 1.000 Euro ist gar nicht so reichlich gesegnet mit herausragenden Verstärkern. Der neue Leak jedoch gehört in jedem Fall dazu. Das Versprechen, das er im Vintage-Holzkleid gibt, löst er mit seiner unaufgeregt-sonoren Spielweise und seiner erstaunlich guten Phonostufe vollständig ein. Hinzu kommt das ganze Gedeck, das moderne Transistor-Verstärker aus dem großen IAG-Stall heutzutage mitbringen: stattlich viel Leistung und fast alle, heute sinnvollen Digitalmöglichkeiten. Für dieses prall geschnürte und auch hübsche Paket gibt es von LowBeats eine klare Empfehlung.

Leak Stereo 230
2023/04
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Charaktervoller, warm-kraftvoller Klang
Recht hohe Leistungsreserven, moderne Ausstattung
Gute eingebaute Phonostufe, toller Kopfhörer-Amp
Attraktives Retro-Design mit Holzgehäuse

 

Vertrieb:
IAD GmbH
Johann-Georg-Halske-Strasse 11
41352 Korschenbroich
www.leak-deutschland.de

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Leak Stereo 230 Walnuss: 1.500 Euro
Leak Stereo 230 Silber: 1.300 Euro

Die technischen Daten

Leak Stereo 230
Technisches Konzept:DAC-Vollverstärker mit MM-Phonostufe
Leistung:2 x 115 Watt (4 Ohm)
Wandlerbaustein:ES9038Q2M 32-Bit-DAC
Eingänge:Analog: 2 x Hochpegel, 1 x Phono MM, Digital: 1 x Coax, 1 x optisch, 1 x HDMI ARC, 1 x USB B, Bluetooth 5.0 (aptX/aptX LL)
Ausgänge:
1 x geregelter Vorstufenausgang
Abmessungen
(H x B x T:
32,8 x 14,7 x 41,4 cm (Walnuss), 30,5 x 11,5 x 41,4 cm (Silber)
Gewicht:
15,2 Kilo (Walnuss) / 12,7 Kilo (Silber)
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

Test Dynaudio Heritage Special: in der Tradition der großen Sondermodelle
Test Kompaktbox Mission 770: Fetisch der Neuzeit
Doppeltest Vollverstärker: Cambridge Audio CX61 und CX81
Test Vollverstärker Atoll IN 50 Signature: volle Klangpracht für 750 Euro
Test SACD-Player Denon DCD-A110: Silberscheiben leben ewig
Test Plattenspieler Clearaudio Concept Active + Aktivbox Elac Navis ARB-51
Doppel-Test: HiFi-/ Studio-Kopfhörer Beyerdynamic DT 900 Pro X + DT 700 Pro X

Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.