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Dynaudio Focus 30 Paar
Die zierliche Aktiv-Standbox Dynaudio Focus 30 verbindet smartes Streaming mit hoher audiophiler Kompetenz. Der Paarpreis liegt bei 7.500 Euro (Foto: Dynaudio)

Test Streaming-Standbox Dynaudio Focus 30

Wenn Dynaudio smarte und kabellose Aktiv-Lautsprecher anbietet, dann ist das alles andere als ein Abklatsch anderer Hersteller: Die Dänen waren nämlich die ersten Anbieter aus dem Inner Circle des High End, die audiophile Smartspeaker auf den Markt brachten. Und die hier vorgestellte Streaming-Box Dynaudio Focus 30 zeigt, dass man immer noch einen beruhigenden Vorsprung hat…

„Streaming“ ist heute der angesagte Weg, um Musik zu konsumieren. Das geht mit dem Handy über gute Kopfhörer schon recht gut, aber mit Lautsprechern im Wohnzimmer noch viel besser. Ein „Touch“ in der Tidal-, Spotify- oder Roon-App – um nur einige zu nennen – und schon steht einem die bunte Vielfalt an Musik in Sekundenschnelle zur Verfügung. Eine geniale Entwicklung so finde ich. Erst recht, wenn man dafür dezidierte Lautsprecher kauft. Soll heißen: Verkaufen Sie Ihren HiFi-Turm und Ihre CD-Sammlung und stellen Sie sich ein Paar Lautsprecher ins Wohnzimmer, die all das nicht mehr brauchen. Was Sie noch brauchen, ist einen Internet-Anschluss und einen Account bei einem Streaming Dienstanbieter – das war´s.

Immer mehr Hersteller mischen bei dieser neuen Lautsprechergattung mit und erfreulicherweise auch immer mehr Highender. Hersteller von Aktiv-Lautsprechern sind hier klar im Vorteil, denn hier fehlen lediglich ein Modul und eine Softwareoberfläche, das die Tondaten der Streamingdienste entgegennimmt.

Und hier kommt die Firma Dynaudio ins Spiel, eine Firma die jahrzehntelange Erfahrung im Boxenbau hat und schon lange Aktivlautsprecher für den professionellen Tonstudiosektor baut. Gegründet 1977 in Skanderborg, Dänemark ist sie seit jeher bekannt für ihre eigenen Chassis-Kreationen. Konnte man anfangs die Chassis noch einzeln kaufen, um sich seine Boxen selber zu bauen, gibt es die Pretiosen seit vielen Jahren nur noch in fertig konfektionierten Boxen. Die Dänen haben sich im Laufe der Jahre drei Standbeine aufgebaut: Lautsprecher für das Tonstudio, für den Musikliebhaber zuhause und für die Beschallung im Auto.

Mit ihren All-In-One Streaming-Lautsprechern der Focus-Serie haben sie ihre Modellpalette für den Heimbereich aktuell erweitert. Alle drei Modelle überzeugen durch schnörkelloses, geradliniges, „wohnraumtaugliches“ Design. Vier verschiedene Oberflächenausführungen stehen zur Auswahl: „Black High Gloss“, „White High Gloss“, „Blonde Wood“ und „Walnut Wood“.

Dynaudio Focus Familie
Dynaudios neue Focus Familie von links: die Focus 30 (7.500 Euro), die Focus 50 (10.000 Euro) und die kompakte Focus 10 für 5.000 Euro – allesamt in „Blonde Wood“ (Foto: Dynaudio)

Im Prinzip basieren diese Lautsprecher auf Dynaudios aktiven Studiomonitoren der Top-Serie Core: Die eingebauten Class-D-Verstärker kommen ebenfalls vom Partnerunternehmen Pascal aus Kopenhagen, die Chassis sind für den Heimgebrauch leicht abgewandelt und wie gewohnt aus eigener Fertigung.

Dynaudio Focus 30: das Konzept

Die Focus 30 ist das mittlere Modell aus der Reihe – eine kleine nur 90 Zentimeter hohe, kaum 15 Kilogramm schwere Standbox. Zwei 14 Zentimeter Tiefmitteltöner und eine 28 Millimeter große Gewebekalotte befinden sich auf der schmalen Front. Das sieht nach 3-Wege-Box aus ist es aber nicht: Im Prinzip ist die Focus eine Zwei-Wege-Box, die lediglich unterhalb 200 Hertz Unterstützung vom zweiten 14er Bass erfährt. Das nennt man dann 2,5-Wege-Box. Das heißt bis 220 Hertz schwingen beide 14er parallel, um genügend Membranfläche für die tiefen Frequenzen bereitzustellen: Oberhalb 200 Hertz schwingt nur noch der Obere der beiden, um im Mitteltonbereich eine breite Abstrahlung zu gewährleisten. Ab 2.500 Hertz kommt schließlich die Hochtonkalotte zum Einsatz.

Die Membranen der Esotec+ Tief-/Mitteltöner sind natürlich Eigenentwicklungen, die seit vier Jahrzehnten verfeinert wurden. Das Material ist ein Magnesium-Silikat-Polymer, das geringes Eigengewicht, hohe Formstabilität und besondere Resonanzarmut mitbringt. Leichte Aluminium-Schwingspulen gehören seit jeher zum Standard bei Dynaudios Tief-/Mitteltönern. Die Aufhängung also Sicke und Spinne sind auf großen Hub ausgelegt. Der Lautsprecherkorb aus Aluminium-Druckguss ist sehr verwindungssteif und erlaubt somit eine filigrane Konstruktion, so dass die Membran ungehindert und reflexionsfrei schwingen kann.

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Dynaudio Focus 30 Tweeter
Der Hochtöner ist an sich schon ein Star: Seine 29 Millimeter große Gewebekuppel soll bis über 20 Kilohertz absolut sauber schwingen (Foto: Dynaudio)
Dynaudio Focus 30 Bass
Ein Aluminiumgusskorb mit schmalen Stegen lässt die Membran ungehindert schwingen. Die Tief-Mitteltöner sind auf großen Hub ausgelegt, um bis nahezu 30 Hertz hinunter Schalldruck zu liefern (Foto: Dynaudio) (Foto: Dynaudio)
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Auch im Hochtonsektor ist Tradition angesagt: Seidengewebe war schon bei der Dynaudio-Gründung 1977 das Material der Wahl. Es ist leicht, lässt sich gut in Form bringen und weist eine hohe innere Dämpfung auf. Der Cerotar Gewebehochtöner basiert auf dem derzeitigen Spitzenmodell Esotar 3 und weist einen sogenannten Hexis-Mechanismus auf, der unerwünschte Resonanzen der nach hinten abgestrahlten Energie unterdrückt.

Dynaudio Focus 30 von der Seite
Die Dynaudio Focus 30 ist recht schlicht und von zeitloser Schönheit. Vier ausladende Kunststoffprofile dienen als standsichere Basis. Je nach Bodenbeschaffenheit kann man die vormontierten Gummifüße oder Spikes nutzen (Foto: Dynaudio)

Die Tief-Mitteltöner arbeiten in einem geschlossenen Gehäuse und werden von jeweils einer 280 Watt starken Endstufe via DSP entzerrt angetrieben. Um die Chassis bei hohen Lautstärkepegeln zu schützen, reduziert ein spezieller „gleitender“ Hochpassfilter die Tieftöner-Auslenkung im Grenzbereich. Für den Hochtöner stehen immer noch satte 110 Watt zur Verfügung. Das sollte reichen.

Dynaudio Focus 30 Apps
Das Bild zeigt, welche Möglichkeiten die Dynaudio Focus 30 alles bietet: eine Menge! (Foto: Dynaudio)

Wie häufig bei Streaming-Lautsprechern gibt es auch bei der Dynaudio Focus 30 einen untergeordneten und einen Haupt- (Primär-) Lautsprecher. Letzterer beherbergt neben der Aktivelektronik auch alle Zugänge. Als da wären: Für die digitalen Quellen einen Toslink- und Koaxial-Eingang sowie ein Pärchen Cinch-Eingänge für eine analoge Quelle. Für eine Verbindung zu einem externen Subwoofer ist ebenfalls gesorgt. Etwaig angeschlossene Dynaudio Subwoofer können mit dem Trigger-Ausgang der Focus 30 verbunden werden, was damit das Standby-Verhalten auch auf den Bassisten kopiert. Wer die beiden Boxen nicht per WiSa (Wireless Speaker and Audio) über den Äther kommunizieren lassen möchte, kann auch über „Coax Out“ eine kabelgebundene Verbindung herstellen – dann kann Musik mit Datenraten von bis zu 192 Kilohertz gehört werden. Per Funk sind es 96 Kilohertz.

(Foto: M. Jansen)
Neben ausreichend Anschlussmöglichkeiten gibt es drei Pairing Tasten, die die Boxen miteinander kommunizieren lassen, eine Bluetooth Verbindung etwa zum Handy herstellen sowie die Focus 30 ins WLAN einbinden (Foto: M. Jansen)

Praxis

Zunächst hieß es die Lautsprecher ins WLAN einzubinden. Das heißt einschalten und warten bis die LED-Anzeigen auf den Fronten langsam blinken. Damit sind die Boxen im Verbindungsmodus. Als dann darf man Dynaudios „Set-Up and Control App“ herunterladen und starten. Wählt man „Add New Speaker“ werden die Focus 30 sogleich erkannt und aktiviert.

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Dynaudio Focus 30 App
Ein Klick auf „Focus 30“ und der Hörspaß kann beginnen… (Screenshot: M. Jansen)
Dynaudio Focus 30 TIDAL
Die üblichen Verdächtigen wie Spotify und Tidal werden als Streamingdienste angezeigt (Screenshot: M. Jansen)
Dynaudio Focus 30 Einstellung

Die „erweiterten Einstellungen“ geben einen nochmals vergrößerten Handlungsspielraum  (Screenshot: M. Jansen)
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Neben einer „Lautsprecherabdeckungs-EQ“ lassen sich unter den erweiterten Einstellungen ein Subwoofer integrieren, die Empfindlichkeit des analogen Eingangs einstellen, die Lautstärke fixieren, wenn Sie die Lautstärke über einen Zuspieler einstellen wollen, oder die LED-Anzeige im Nachtmodus deaktivieren

Als HiFi-Purist habe ich die mitgelieferten Frontabdeckungen nicht verwendet. Doch wer es mit Blende mag, dem wird in der Dynaudio App wie von Zauberhand angezeigt, ob eine Abdeckung vorhanden ist oder nicht. Sehr cool. Warum? Weil die magnetische Fixierung der Elektronik sogleich mitteilt, dass sie bitte eine passende Entzerrung einstellen möchte. Also wird der Höhenverlust durch den Stoff anhand einer hinterlegten Entzerrung ausgeglichen.

Die Lautsprecher wurden auf die Standardpositionen gestellt, also mit der eher kurzen Hördistanz von ca. 2,50 Metern.

Dank Roon Ready Zertifizierung kann man die Dynaudio Focus 30 direkt als „Gerät“ in Roon einbinden und ansteuern. Ich nutze jedoch standardmäßig die Roon App und den Roon Nucleus bzw. einen Tidal Account als Streamingquelle, um die Dynaudio Focus 30 über einen Mutec MC3+USB als Schaltzentrale und Jitter-Killer mit Tondaten zu füttern.

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Dynaudio Focus 30 Einstellung
Unter Lautsprechereinstellungen darf der Kunde unter „Frequenzabstimmung“ (Höhenreich, Neutral, Gedämpft) und „Raumoptimierung“ (Neutral, Ecke, Wand) eine Anpassung an die jeweilige Aufstellung respektive Raumakustik vornehmen (Screenshot: M. Jansen)
Dynaudio Focus 30 Einstellung
Unter Raumoptimierung gibt es neben der manuellen Anpassung zudem auch den Punkt „Gemessen“. Nämlich Dirac Live für Klangtüftler: Nach einer Einmessung lassen sich bis zu vier Klangabstimmungen abspeichern und gegeneinander vergleichen (Screenshot: M. Jansen)
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Ein Schmankerl für den Klangtüftler zuhause ist sicherlich die Option via Dirac Live die Lautsprecher auf den eigenen Hörraum hin zu „optimieren“. Die Focus 30 ist als eine der wenigen aktuellen Aktivlautsprecher „Dirac Live Ready“ und kann damit optimal auf den Hörplatz eingemessen werden. Wenn also die Musik in Ihrem Wohnzimmer dröhnig klingt, dann würde es sich lohnen, die Lizenz für 150 Euro (20-500 Hz) zu erwerben. Damit lässt sich das Übertragungsverhalten weitgehend glatt bügeln. Was Sie dazu noch brauchen, ist ein USB-Messmikrofon, einen Computer und die Dirac Software als Download.

Wir haben das Geld für die Lizenz versuchsweise investiert, um zu sehen, was Dirac so kann und macht. Doch eines vorab: Der erste und bessere Schritt zum perfekten Hörgenuss sind natürlich passive Akustikmaßnahmen. Digitale Raumkorrekturen sind allein schon deshalb kein Allheilmittel, weil sie nur am Hörplatz funktionieren. Im besten Fall sollten sie verwendet werden, um verbleibende Dröhnfrequenzen im Zaum halten. Und ebenfalls wichtig: Veränderungen im Mittel- und Hochtonbereich sollten nur behutsam eingesetzt werden, um nicht den eigentlichen Klangcharakter des Lautsprechers zu verändern.

In meinem Hörraum zeigen sich auf den üblichen Hör- und Boxenplatzierungen vor allem zwei auffällige Raummoden nämlich bei 55 und 72 Hz starke Überhöhungen sowie eine Überhöhung bei 120 Hz und eine Senke bei 87 Hz.

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Dynaudio Focus 30 Einstellung
Hörplatz Einmessung an 9 Punkten, dargestellt die zentrale Messung auf Kopfhöhe, linker und rechter Kanal  (Screenshot: M. Jansen)
Dynaudio Focus 30 LowBeats Messung
Problemzone Bass: Gut zu erkennen sind die beiden Raummoden bei 55 und 70 Hz (hell rosa Kurve). Anhand einer selbst vorgegebenen „Home Curve“ (dicke gelbe Linie) errechnet Dirac die notwendige Korrektur. Das berechnete Ergebnis zeigt die Kurve (dunkel rosa); linker Kanal an 9 Punkten „intelligent“ gemittelt (Screenshot: M. Jansen)(Messung: M. Jansen)
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Zur Kontrolle habe ich eine Nachmessung mit dem von mir üblicherweise verwendeten Mess-System (REW) gemacht, um zu sehen, was die berechnete Korrektur bei vorgegebener Target Curve am Hörplatz auf Kopfmitte bewirkt. Tatsächlich gelang es Dirac, sämtliche Überhöhungen zu glätten. Genau das erwarte ich von „intelligenten“ Algorithmen einer Raumkorrektursoftware.

Dynaudio Focus 30 Einstellung
Nachmessung der Dynaudio Focus 30  mit REW: Messung linker Kanal, Hörplatz Kopf Mitte, Übertragungsfunktion (1/6 Oktave geglättet): blau – Messung am Hörplatz ohne Korrektur, grün – Messung korrigiert mit Dirac Live Home Curve, rot – Messung korrigiert mit eigener Home Curve (Messung: M. Jansen)

Positionsabhängige Auslöschungen sollten dabei keineswegs korrigiert werden. Hintergrund: Die Senken im Bassbereich sind Schalldruckminima aufgrund der Position im Raum. Versucht man diese Minima aufzufüllen, dann bleibt der Schalldruck an dieser Position weitestgehend unverändert, aber an anderen Stellen im Raum würde man deutliche Pegelüberhöhungen messen und die Bässe wären schnell überfordert. Hier hilft nur, vorab bessere Hör- und Boxenpositionen zu finden, die weniger Auslöschungen zeigen.

Dynaudio Focus 30 Einstellung
Nachmessung mit REW: Messung linker Kanal, Hörplatz Kopf Mitte, Step Response: blau – Messung am Hörplatz ohne Korrektur, grün – Messung korrigiert mit Dirac Live Home Curve, rot – Messung korrigiert mit eigener Home Curve. Die Step Response zeigt eindrucksvoll, dass Dirac Live auch das Zeitverhalten korrigiert. (Messung: M. Jansen)

Insgesamt bieret Dirac Live mit der „Variablen“ Home Curve eine große Spielwiese. Es gibt im Internet viele dieser Home Curves, die für den einen oder anderen Lautsprecher und Raum passen. Hier lautet die Devise: Probieren geht über studieren. Cool ist, dass Sie bis zu vier verschiedene Entzerrungen auf der Dynaudio App speichern und direkt vergleichen können. Da bietet es sich zum Beispiel auch an eine „Loudness-Kurve“ als Target abzuspeichern, um etwa für die leisen Abendstunden nichts an Bässen und Höhen vermissen zu müssen. Natürlich lassen sich auch reduzierte EQs abspeichern, also welche die ausschließlich definierte Frequenzbereiche bearbeiten: etwa für höhenbetonte Aufnahmen oder gegen eine dröhnende Basswiedergabe im Raum.

Dynaudio Focus 30 Fernbedienung
Alle wichtigen Funktionen sind auch über die mitgelieferte kleine Fernbedienung steuerbar. Weitere Details lassen sich über die Dynaudio App einstellen (Foto: M. Jansen)

Hörtest

Für den Hörtest war also alles bereit. Die Dynaudios waren nur leicht auf den Hörplatz eingewinkelt. In dem Hördurchgang habe ich die manuellen Einstellungen der Raumoptimierung „Neutral“ also freistehende Lautsprecher und Frequenzabstimmung „Neutral“ mit der Dirac-Entzerrung nach eigener HomeCurve verglichen.

Wie immer stand zunächst die Stimmenwiedergabe oben auf der Hörliste. Hier lässt sich schnell der Charakter des Lautsprechers erkennen – sowohl die Tonalität als auch die Abbildungsfähigkeiten. Interessant waren natürlich später auch direkte Vergleiche zur kürzlich getesteten KEF LS60 Wireless sowie zur Genelec 8351B – zumal alle drei Probanden etwa im gleichen Preissegment liegen und ich die beiden letzteren schon ausgiebig gehört und verglichen habe.

Mit der Focus 30 stellte sich sogleich eine auffallend neutrale Tonalität ein. Patricia Barbers „Touch Of Trash“ oder Diana Kralls „The Girl In The Other Room“ nehme ich gerne für den Check, da sie tonal sehr ausgewogen und im Präsenzbereich sehr klar und offen klingen. Für manche Lautsprecher zu offen, mit zuweilen leicht betonten S-Lauten. Patricia Barber klang schön klar, ohne zu präsent zu intonieren. Mit Dirac Live und eigener Home Curve-Entzerrung war der auffälligste Unterschied der Bass: Ohne Entzerrung wirkten einzelne Noten gerne mal dröhnig und drückten auf die Ohren, mit Entzerrung dagegen sauber konturiert, Ton für Ton deutlich zu differenzieren. Zugleich wirkte die Bühne etwas aufgeräumter, die Trompete trat einen halben Meter nach hinten, die Stimme wurde noch klarer positioniert aber alles auch eine Spur zweidimensionaler, was vermutlich dem Original eher entsprecht.

Ähnliches Bild bei Diana Krall: Auch hier profitierte im ersten Moment ohrenscheinlich vor allem der Bassbereich, doch bei längerem Hinhören zeigte die Dirac Korrektur noch weitere Meriten. Klavieranschläge aber auch die Stimme wurden einfach deutlicher positioniert, was es erlaubte dem Jazz-Ensemble entspannter folgen zu können. Ich denke der Begriff „Authentizität“ trifft es am besten. Die Verarbeitung des Gehörten scheint weniger anzustrengen, man ist mehr Live dabei als zu versuchen die Tonkonserve zu entschlüsseln – wenn Sie verstehen, was ich meine.

Das soll aber nicht heißen, dass die Dynaudio Focus 30 nur dank Dirac so gut klingt; auch ohne Entzerrung spielt sie auf höchstem Niveau. Doch wenn man einmal den Raum dank Korrektur etwas ausgeblendet hat, dann möchte man kaum zurückschalten. Die Kernkompetenz der Focus 30 – mit oder ohne Korrektur – ist ihre Fähigkeit, das Musikgeschehen auf Boxenebene zu präsentieren und gleichzeitig kaum etwas an Auflösung zu verlieren. Mithin klingt sie nie aufdringlich oder vordergründig, sondern baut das Musikgeschehen so plastisch auf wie man es aus Live-Einspielungen gewohnt ist.

Eine Erkenntnis bleibt hängen: Dirac hilft vor allem den Bass aufzuräumen. Ein gutes Beispiel war Peter Wenigers „Half Live“ – zugegebenermaßen ein extrem fett aufgenommener elektrischer Bass. Diese Aufnahme klang gut, dröhnte und wummerte aber am Hörplatz deutlich. Mit Dirac-Entzerrung klang alles sauber und knackig und die Focus 30 schien subjektiv auch tiefer spielen zu können. Sicherlich, weil das Dröhnen ohne Entzerrung keine saubere Differenzierung zuließ.

Abschließend zeigte der Vergleich zur Genelec 8351B und zur KEF LS60 Wireless, wo die Dynaudio steht. Im Vergleich zur KEF spielt die Dynaudio Focus 30 etwas flinker, minimal klarer in den Mitten mit ähnlich breiter Bühnenabbildung. Die Genelec zeigte einmal mehr, dass sie das Musikgeschehen näher vor den Zuhörer positioniert und detailverliebt jede Kleinigkeit der Aufnahme herausschält. Man kann Dynaudios Klangcharakter gewissermaßen zwischen der KEF und der Genelec einordnen – tendenziell jedoch näher an der KEF.

In punkto Tiefgang spielen alle drei auf etwa gleichem Niveau. Die KEF konnte vielleicht noch ein paar Dezibel mehr Pegel raushauen als die Dynaudio, doch bei allen drei Probanden kam nie das Verlangen auf einen zusätzlichen Subwoofer hinzuzustellen.

Dynaudio Focus 30: Das Fazit

Ich muss zugeben: Diese Lautsprecher haben mich fasziniert. Zum einen ist das Boxenformat wirklich wohnraumtauglich. Mit einer Höhe von 90 Zentimetern und einer Breite von 18 Zentimetern in der Front wird dieser Lautsprecher keinen Wohnraum dominieren. Zum anderen kann die Dänin trotz ihres zierlichen Formats so gut wie alles, was das Hörspektrum verlangt: Sie spielt bis 30 Hertz hinunter und beherrscht dabei in normalen Wohnraumgrößen auch gerne mal hohe Abhörpegel.

Kommen wir zum Klangcharakter. Der Begriff „Charakter „ist eigentlich im Zusammenhang mit Klang eher negativ belastet. „Charakterlos“ wäre das Optimum und würde bedeuten, dass der Lautsprecher keinen eigenen Klang hinzufügt, sondern lediglich das transportiert, was die Aufnahme hergibt. So gesehen kann man der Dynaudio Focus 30 als nahezu charakterlos bezeichnen. Bravo, die Entwickler haben hier ganze Arbeit geleistet!

Als i-Tüpfelchen haben die Dänen der Focus 30 (wie auch den anderen der Focus-Serie) eine Funktion implementiert, die das durchweg positive Bild abrundet: Dirac Live Ready ist das Stichwort. Jetzt sagen Sie nicht, das wäre zu teuer: Bei einem Verkaufspreis von 7.500 Euro für ein Pärchen Dynaudio Focus 30 sind 250 weitere Euro für die Raumkorrektur-Lizenz gut investiert. OK: Dazu kommt noch ein Messmikrofon für etwa 100 Euro. Aber dann haben Sie ein leistungsstarkes Werkzeug-Setup, um vorwiegend Ihre Problemzone Bass – und ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass Sie hier irgendwo ein Problem haben – zu bereinigen. Wenn Sie also gewillt sind ein paar Stunden in die „Home-Curve-Findung“ zu investieren, können Sie alles aus dem Lautsprecher herausholen: Dann hören Sie vor allem die superbe Focus 30 – und eben nicht überwiegend Ihren Raum.

Dynaudio Focus 30
2022/01
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Klasse Auflösung, hohe Natürlichkeit und genaue räumliche Darstellung
Erstaunlich fester Bass
Erlaubt einfache, aber auch sehr komplexe Einstellung
Dirac Live Ready, exakte Raumeinmessung möglich

Vertrieb:
Dynaudio Germany GmbH
Ohepark 2
21224 Rosengarten
www.dynaudio.de

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Dynaudio Focus 30: 7.500 Euro

Technische Daten

Dynaudio Focus 30
Konzept:DSP-entzerrte, 2,5 Wege Streaming-Aktivbox
Bestückung:HT = 1 x 29 mm (Cerotar), TMT = 2 x 14 cm (MSP-Membran)
Leistung de2 Verstärkers:2 x 180 Watt (Bass), 1 x 110 Watt (Hochton)
empf. max. Raumgröße:25 Quadratmeter
Eingänge (Primär-Lautsprecher)
1 x Cinch (analog), 1 x Coax (digital), Ethernet, Bluetooth
Verbindung zwischen den Boxen:kabellos oder kabelgebunden (Cinch)
Farb-Varianten:Black High Gloss, White High Gloss, Blonde Wood und Walnut Wood
Abmessungen (B x H x T):26,8 × 94,7 × 34,2 cm (inklusive Fuss)
Gewicht:16,2 Kilo (Stück)
Alle technischen Daten
Mit- und Gegenspieler:

Test Streamingbox KEF LS60 Wireless
Test Aktiv-Studio-Monitor Genelec 8351B: „The Ones and only“

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Autor: Michael Jansen

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Der begeisterte Oldtimer-Fan ist von Berufswegen Lautsprecher- und Messtechnik-Spezialist. Seine Beiträge fallen meist norddeutsch-trocken aus, haben aber technisch immer großen Tiefgang...