Marantz genießt bei HiFi-Kennern einen legendären Ruf. Schon die geburtenstarken Jahrgänge lernten die Produkte des 1951 in Queens, New York gegründeten Unternehmens schätzen als hervorragend klingend, aber gar nicht so teuer. Ab den 1970er-Jahren gelang es Gründer Saul Bernard Marantz, seine anspruchsvollen Komponenten noch ein bisschen günstiger als die der etablierten, englischen Konkurrenz in Europa anzubieten. Das blieb hängen. Noch heute sind die legendären Receiver dieser Zeit – wie der Model 4800 oder der Marantz Model 238B absoluter Kult. 1980 wurde Marantz an Philips verkauft und bedingt durch die hohe Ähnlichkeit, die die Produkte irgendwann hatten, drohte der einstige Glanz des amerikanischen Vorzeige-Unternehmens allmählich zu verblassen. Doch seit 2002 ist Marantz eine Marke der „D+M Group“ mit Sitz in New Jersey. Dazu gehören, wie der Name schon andeutet, Denon und Marantz, aber auch der Lautsprecherhersteller Boston Acoustics. Marantz hat unter „D+M“ wieder zu alter Stärke gefunden und Design-Anleihen an frühere Produktlinien lassen auch die Herzen älterer Fans höher schlagen. Das gilt auch oder gerade für die neuen Midsize-Komponenten Marantz HD AMP1 und CD1.
Bei dieser Kombination aus Vollverstärker und CD-Player ist es den Designern gelungen, den Charme und die anmutige Optik der highendigen Marantz-Geräte in einer Basisbreite von 30,4 Zentimeter unterzubringen und das Ganze mit einer modernen Ausstattung zu kreuzen: Das sieht bezaubernd aus.
Und auch für die Maße muss man die Japaner einfach lieben. Die hübsche Kombi passt nämlich haargenau in ein Fach des millionenfach verkauften Expedit von IKEA. Die Schweden haben ja einen Großteil der deutschen Wohnzimmer in 33,5 x 33,5 Zentimeter große Quadrate eingeteilt; warum die HiFi-Industrie diesen Umstand so wenig berücksichtigt, habe ich nie verstanden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Vollverstärker mit viel Digitaltechnik
Der HD AMP 1 kann sich sehen lassen. Eine aufgeräumte und massive Alufront wird mittig durch ein rundes Display gekrönt, das in dezentem Blau die Eingangswahl oder eingestellte Parameter anzeigt. Marantz selbst nennt das Instrument „Bullauge“, dabei erinnert es doch unverkennbar an die Oszilloskopen-Röhre der Marantz-Tuner aus den 1960er und 1970er Jahren, die zur exakten Senderabstimmung verbaut waren (z.B. Model 150). Schöne Sache.
Etwas schade nur: Die „Retro“-Wangen an den Gehäuseseiten sind nicht aus Holz, sondern aus Plastik und auch nur bedingt abnehmbar. Übrigens: Wer eine Familienähnlichkeit zum USB-D/A-Wandler Marantz HD DAC1 erkennt, hat recht, der HD AMP1 ist mit dem Kopfhörerverstärker eng verwandt.
Anschluss findet der Verstärker trotz kompakter Ausmaße (30,4 x 10,7 x 35,2 cm) genügend: Zwei Stereo-Cinch-Eingänge für analoge Zuspieler stehen zur Verfügung und jede Menge digitale Kontakte: USB-A, USB-B, S/PDIF-Koaxial und zweimal S/PDIF-optisch.
Ein Phono-Eingang fehlt, dafür lädt der USB-A-Eingang an der Vorderfront zum Anschluss an iPhone & Co ein. Diese können direkt dort angeschlossen und auch geladen werden, sogar im Standby-Modus des Amps – praktisch.
Im Inneren des Marantz HD AMP1 werkelt ein High-Current D/A-Wandler von SABRE, der 384 kHz/32 Bit verarbeiten kann. An dieser Stelle ist das Kürzel HD also durchaus gerechtfertigt. Verstanden werden die Formate WAV, WMA, MP3, FLAC, ALAC, AAC, AIFF und sogar DSD – also alles, was in der Praxis allgemein gefordert wird.
Per Remote-Anschluss sind auch andere Marantz-Geräte mit der Verstärkerfernbedienung nutzbar. Erstaunlich allerdings, dass ein Verstärker mit diesem Anspruch keinen Kontakt zu Bluetooth oder WLAN findet.
Dafür kann der Verstärker mit PCs oder Macs kommunizieren, eine Treiber-CD liegt bei. Ganz im Gegensatz zu einer Bedienungsanleitung. Die gibt’s nur im „So stöpseln Sie richtig“-Format, das allerdings sehr gut und selbsterklärend. Vollumfängliche Infos gibt es als PDF zum Download im Netz.
Der Marantz HD AMP1 in der Praxis
In der Praxis zeigt sich, dass das schöne Display etwas zu klein geraten ist, um ausreichend über Titel und Interpret sagen zu können. Nicht dramatisch, da in der Regel das Auge wohl eher mit iPad oder iPod Kontakt sucht, aber manchmal halt doch störend. Und vereinzelt werden auch etwas wirre Symbole gezeigt.
Die Verwandtschaft zum DAC wird nicht nur durch das Aussehen bestätigt, auch die Möglichkeit, die Kopfhörerimpedanz einzustellen, macht dies deutlich.
Der Marantz HD AMP1 bietet hier drei Stufen an: Low (bis 32 Ω), Mid (bis 150 Ω) und High (bis 600 Ω). Etwas lästig ist, dass bei Einstellversuchen die Eingangswahl zu schnell wieder in den Standardmodus zurückspringt. So muss man sich nach einigen Sekunden des Hörens wieder durch das Menü hangeln. Das Klangerlebnis aber war stets über jeden Zweifel erhaben. Wir probierten etliche Grado Modelle, unter anderem den RS 1E und RS 2E. Da hat man die unterschiedlichen Abschluss-Impedanzen gut hören und die Grados optimal ansteuern können.
Den Spieltrieb födert auch die Marantz Musical Digital Filtering- (MMDF-) Technologie – zu erreichen über das Setup. Während die Filterstellung 1 für den analytischeren Sound sorgt, wird es mit Filter 2 ein wenig wärmer, ja analoger. Es dauert ein bisschen, den Unterschied zu erkennen, umso mehr freut man sich, wenn gewohnte Silberlinge plötzlich noch besser klingen.
Etwas erstaunt waren wir über den Klang von iPhone oder iPad, die am vorderen USB-Eingang angeschlossen wurden. Hier schien die Wiedergabe harscher, das vorher stets glaubwürdige, harmonische Klangbild wirkte nun rauer und wenig luftig. Wurde indes ein USB-Stick mit AAC-Material angesteckt, gewann das Klangbild sofort wieder an Transparenz, Präzision und Räumlichkeit.
Wie überhaupt der Marantz HD AMP1 ein wunderbar angenehmes Klangbild entfaltete, wenn ein CD-Player wie der CD1 angeschlossen ist. Den klassischen Hörtest-Scheiben wie Yuri Honings Star Tracks oder Monty Alexanders Caribbean Circle entlockte er eine beeindruckende Tiefenstaffelung; der Marantz baut das Klangbild mit seinem kräftigen Grundtonbereich eher von unten auf und bleibt selbst bei harten percussiven Elementen auf angenehm feine Art dezent und leichtfüßig.
Natürlich habe ich versucht, den HD AMP1 aus der Reserve zu locken und ihn an seine Limits zu treiben. Ergebnis: Seine Leistung ist erwartungsgemäß nicht hoch genug, um große Lautsprecher in einem großen Raum optimal anzusteuern. Und dennoch: Ich habe ihn recht lang mit der Tannoy Canterbury GR gehört. Das klang bis zu hohen Pegel sehr souverän.
Mit einer KEF Reference 3 waren die Bässe etwas wolkiger und bei großdynamischen Stücken wie Mahlers 5. Symphonie brach der kleine Marantz natürlich irgendwann ein. Aber er machte es sympathisch, übersteuerte nicht, sondern kappte einfach nur die Dynamikspitzen.
Doch in kleinen bis mittleren Räumen und angeschlossen an “passenden” Lautsprechern, schlug sich der AMP1 prächtig. Welche Lautsprecher? Wir haben viel ausprobiert und landeten letztendlich bei der KEF LS 50 – weil sie überragend gut klingt, technisch gut passt und weil sie ebenso bezaubernd aussieht …
Einzel-Bewertung Marantz HD AMP1
Marantz HD CD1: einer der besten Player der 1000 Euro-Klasse
Wie schon gesagt, klang der Marantz HD AMP1 mit dem dazugehörigen CD-Player mit am besten.
Etliche Quervergleiche zeigten, dass dies tatsächlich zu einem großen Teil an der Qualität des CD1 selber lag – einem CD-Player nach altem Schrot & Korn. Keine Digitaleingänge, kein Schnickschnack außer einem regelbaren Kopfhörer-Ausgang, den einer der bekannten Marantz HDAM-SA2-Verstärker mit einstellbarer Verstärkungsstufe steuert. Stattdessen solide Technik und Mechanik schlau eingesetzt: Für einen Player dieser Größe ist der CD1 ganz schön schwer: 6.0 Kilo.
Der Vollverstärker HD AMP 1 wiegt glatte 200 Gramm weniger … Erklärbar wird dies durch den effizient Vibrations-dämpfenden, doppelschichtigen Aufbau des kompakten Players und der vergleichsweise robusten CD-Mechanik.
Es werden ja nicht mehr so viele CD-Player in der Preisklasse um 1000 Euro gebaut; umso mehr darf man sich über so fein gemachte und Vertrauens-erweckende Konstruktionen freuen. Wer einfach einmal die Lade raus- und reinschnurren lässt, weiß in etwa, was ich meine.
Der Wandler des CD1 ist nicht etwa der gleiche wie im Vollverstärker (SABRE), sondern der 24 Bit/192 kHz CS4398 von Cirrus Logic. Marantz selbst schätzt diesen Wandler wohl etwas schwächer ein als den ESS SABRE (32 Bit / 384 kHz) des AMP1, weshalb sie dem CD1 Digitalausgänge zwei Digitalausgänge spendierten (1 x optisch, 1 x koaxial) und in der Beschreibung explizit drauf hinweisen, dass man ja auch den DAC des Verstärkers nutzen könne …
Ich teile diese Meinung. Die Musik über den SABRE des AMP1 abgespielt klang noch etwas dynamischer und freier. Wer es also besonders gut machen möchte, lässt die Sache mit der analogen Verkabelung gleich bleiben und nutzt ein hochwertiges Digitalkabel. Ich habe hier die besten Erfahrungen mit dem Digital Koax Exzellenz von in-akustik gemacht. Für nicht einmal 70 Euro ist dieses Kabel schwer zu schlagen.
Und dennoch klang der CD1 auch mit dem eigenen Wandler sehr musikalisch: rund, vollmundig und doch sehr fein. Gerade Stimmen wie die von Fritz Wunderlich (50 Greatest Tracks / Deutsche Grammophon) profitieren davon merklich. Der CD1 holte alle Information aus der Aufnahme heraus, pointierte an den richtigen Stellen. Und das ganz ohne Schärfe. Hier merkt man einfach die große Erfahrung, die Marantz in den letzten 30 Jahren im Bereich CD-Player hat sammeln können.
Das Laufwerk liest neben klassischen CDs auch selbstaufgenommene mit MP3-, WMA- oder AAC-Inhalten. Auch wenn ich mir hier noch eine SACD-Lesefähigkeit gewünscht hätte – auch so ist der Marantz HD CD1 ein überragend guter Player, der keineswegs nur mit dem AMP1 gut harmoniert, sondern auch andere Anlagen um einen sehr audiophilen CD-Player bereichern könnte.
Einzel-Bewertung Marantz HD CD1
Fazit: Nicht in allen Belangen perfekt und trotzdem eine dicke Empfehlung
Die Kombination aus Marantz HD AMP1 / CD1 ist mit das Hübscheste, was die Branche in den letzten Jahren in dieser Klasse hervorgebracht hat: dezente Optik, die doch nach großem HiFi aussieht. Nicht ganz so schön ist der Klangverlust via iPhone oder iPad (per USB-Eingang auf der Vorderseite) und die Entscheidung von Marantz, auf Bluetooth und WLAN zu verzichten.
Aber das ist tatsächlich nur ein Randaspekt. Viel wichtiger ist, dass der AMP1 klassischer, sehr hübscher Verstärker mit ausreichend Puste (etwa 70 Watt an 4 Ω), fein samtigen Klangbild und HiRes-fähigem DAC ist, der sich in der modernen Welt wacker schlägt und mit anpassbaren Kopfhörer-Impedanzen und unterschiedlichen Digitalfilter-Auslegungen Features bietet, die in dieser Klasse keineswegs selbstverständlich sind.
Star des Duos aber ist der CD1. In der 500-Euro-Klasse gibt es nur wenige Player, die so solide aufgebaut sind und derart habhaft, substanziell und fein spielen. Er ist eine echte Bereicherung, nicht nur für den AMP1 Vollverstärker.
Und dass die Seitenwangen des AMP1 oder des CD1 nicht aus Mahagoni sind? Da lasse ich mich doch gern betuppen und freue mich, dass ein kleines Stückchen Regenwald erhalten bleibt – und die beiden trotzdem aussehen, als seien sie den 1970er Jahren entsprungen …
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Feiner, samtener Klang |
| Sinnvolle Ausstattung |
| Bezaubernder Retro-Look |
| Weder WLAN noch SACD |
Vertrieb:
Marantz Deutschland
Division of D&M Germany GmbH
49078 Osnabrück
www.marantz.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Marantz HD AMP1: 1.099 Euro
Marantz HD CD1: 599 Euro
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