Die wichtigste Nachricht vorab: Die CanJam etabliert sich. Wie schon letztes Jahr waren auch 2016 wieder die meisten großen Namen im Bereich Kopfhörer doch irgendwie vertreten. Und es gab wie immer eine Menge schöner Neuigkeiten. Punkt. Aber unser Messe-Report von der CanJam 2016 kommt auch um die Feststellung nicht herum, dass in diesem Jahr spürbar weniger Besucher vor Ort waren. Daran war das Wetter sicher nicht unbeteiligt: Das war ja auch ne Wucht und die Wetterdienste vor Ort sprachen vom letzten schönen Wochenende in diesem Jahr. Klar, dass dann einige die Sonne dem Messe-Center vorziehen. Veranstalterin Juliane Thümmel schätzt die Besucherzahl letztendlich auf knapp vierstellig. Hm. Das kann also noch besser werden.
Für LowBeats war die Anzahl der Besucher fast nebensächlich. An unserem Stand führten wir erstmals einer breiteren Öffentlichkeit die Vorzüge unseres LowBeats Klang Orakels vor; damit kann man alle Kopfhörer (wie auch Lautsprecher, Soundbars und Tonabnehmer), die wir bislang getestet haben, online im Vergleich anhören. Wir waren uns selbst nicht sicher, ob über diesen Weg die Unterschiede groß genug sind. Doch die Besucher bei uns am Stand waren einhellig der Meinung: ja. Das ermuntert uns natürlich, diesbezüglich weiter zu machen und aus dem Klang Orakel nicht nur eine große Audio-Kopfhörer-Datenbank zu machen, sondern damit auch ein starkes Instrument zum problemlosen “Vergleich zuhause” zu schaffen.
LowBeats Tonmeister und Kopfhörer-Spezialist Jürgen Schröder trieb aber noch etwas anderes um: Er stellte fest, dass immer mehr Hersteller elektronische Entzerrungen für Kopfhörer entwerfen – Teils im Gerät, Teils in Zusatzgeräten. Um hier einmal etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, moderierte er auf der CanJam 2016 eine Diskussionsrunde, die leider nicht ganz so stark besetzt war wie ursprünglich geplant und wie sie es verdient gehabt hätte. Aber dank der gleichermaßen informativen und lebendigen Diskussion zwischen Ingo Schmidt-Lucas (HD-Klassik), der genau eine solche Entzerrung mit seinem “Headphone Optimizer” anbietet und Gunter Weidemann, Senior Produktmanager beim deutschen Kopfhörer-Spezialisten Beyerdynamic, der Entzerrungen auf unterschiedlichsten Wegen erreicht, war die Runde – da waren sich die Zuhörer einig – außerordentlich ergiebig.
Vor allem, weil Weidemann aus dem Nähkästchen plauderte. Bei Beyerdynamic lässt man in aufwändigen Testpanels viele Testhörer so lange an elektronischen Equalizern herumspielen, bis sie ihre Lieblingsabstimmung gefunden haben. Diese Ergebnisse werden gemittelt und dann passiv umgesetzt. “Wir haben ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten”, so Weidemann: “vom Helmholtzresonator bis hin zum richtigen Ohrpolster.” So detailliert hat sicherlich noch kein Kopfhörer-Fachmann öffentlich über interne Abstimmungsprozesse gesprochen. Man verstand in etwa, warum einige Beyerdynamic-Modelle so gut klingen.
So wie etwa der DT 1990 Pro, den LowBeats exklusiv im Test hatte und der auch auf der CanJam 2016 Furore machte. Aber der DT 1990 Pro war nur eines von vielen, vielen Highlights dieser Messe. Wir laufen die Stationen mal alphabetisch ab. Audeze (im Vertrieb von AudioNEXT) hat den ersten In Ear mit magnetostatischer Membran auf den Markt gebracht. Sieht etwas eigenwillig aus, klingt aber sehr fein und natürlich. Audioquest hat nach seinem überraschenden Erfolg mit dem Night Hawk nun nachgelegt: Der Night Owl ist der fast gleiche Over Ear Hörer, allerdings in geschlossener Bauweise. Klanglich schien der Night Owl dem geschlossenen Night Hawk etwas überlegen zu sein – was eigentlich wegen der benachteiligten Bauform fast nicht sein kann … Aber vielleicht haben die Amerikaner auch allgemein noch etwas dazugelernt. Eine technisch überragende Meister- und Miniaturisierungsarbeit gelang den chinesischen In Ear Spezialisten von Fidue: im A91 Sirius, dem größeren Bruder des von uns frisch getesteten (und überragenden) fidue A83 brachten sie ein echtes 5-Wege-System unter. Wie das nur zu schaffen ist …? Dennoch gefiel mir bei einem ersten Hör-Check der kleinere A83 doch besser als das große Hightech-Flaggschiff. Letzteres war allerdings auch noch überhaupt nicht eingespielt. Der zumindest klanglich beeindruckendste Hörer der Messe war der neue Focal Utopia (im Vertrieb von Music Line), der bislang einzige Kopfhörer mit Beryllium-Treiber. Wegen ihm war der Focal Stand unter dauerhafter Belagerung und ich musste mehrere Anläufe unternehmen, um ihn für wenige Minuten hören zu können. Die Mühe hat sich gelohnt: Er klingt so überwältigend fein, natürlich und offen, dass er fraglos zu den bestklingenden Kopfhörern der Welt gehört. In diese Klasse strebt auch der brandneue Shure KSE 1500. Der Preis für diesen elektrostatischen In Ear ist mit 3.000 Euro respektabel hoch, zumal er im Bass recht kräftig war. Aber im Mittelhochtonbereich hat er Meriten, die ihn zu einem der besten In Ears machen, die ich je gehört habe. Nicht unerwähnt dürfen die neuen Stax Hörer bleiben: SR-L 300, 500 Pro und 700 Pro wurden ebenfalls dauerbelagert. Ich persönlich kann mich dem Charme dieser elektrostatischen Hörer nicht entziehen. Es ist immer eine Detailfülle und Klangfarbenpracht, die mit klassischen Kopfhörern in dieser Qualität nur ganz selten zu hören ist. Die Frage, die mich umtrieb: Können diese neuen Hörer die legendären “großen” Modelle wie SR 007 oder SR 009 vielleicht sogar übertrumpfen? Nein. Die Stax Welt ist auch mit den neuen Modellen absolut im Lot. Ein SR 009 bleibt der Maßstab, die neuen sind aber nichtsdestotrotz extrem interessant. Kein Wunder, dass sie sich bei LowBeats schon für den kommenden Test warmlaufen …
Neben all diesen Kopfhörern gab es auch eine Menge Elektronik, heißt: Kopfhörerverstärker in allen Darreichungsformen. Zwei stachen heraus: Frank Lehmann hat den kleinen, smarten Drachenfels modular aufgebaut. Es ist ein guter Kopfhörer-Amp, der durch Einbau eines DACs zu einer richtigen Vorstufe gemacht werden kann. In der maximalen Ausbaustufe kostet er knapp 1.000 Euro. Richtig in die Vollen geht Pathos (im Vertrieb von High Fidelity Studio) mit seinem InpolEar. Der InpolEar sieht aus wie dem (klassischen) Vollverstärker Inpol Remix aus dem Gesicht geschnitten und dürfte auch viele von dessen Genen mitbekommen haben. Trotz des sehr geringen Leistungsbedarfs ist auch der InpolEar ein Hybrid mit Röhrenvorstufe und Mos-FETs im Ausgang. Und natürlich waren auch die Profis von SPL vor Ort. Ihre überragenden Phonitore sind nach wie vor die Kopfhörer-Verstärker, die am ehesten den Eindruck einer echten Von-vorne-Ortung erzeugen.
Gäbe es so etwas wie den “Best Sound Of CanJam 2016”, so geht der in den nächsten Jahren immer, wenn ein Sennheiser “Orpheus” am Start ist, eben an diesen Ausnahmehörer. Das war auch auf der CanJam 2016 so. Das ist so ein bisschen wie mit den Bayern in der Bundesliga. Interessant ist eher, wer auf Platz 2 kommt. Für uns war dies auf der CanJam 2016 der Focal Utopia. Auch unter den meisten Kollegen der anderen vertretenen Medien gab es diesbezüglich keine zwei Meinungen. Ein fantastischer Hörer, wie man im LowBeats Test nachlesen kann …
Weitere Messen:
Messerückblick CanJam 2015
Messerückblick High End 2016
Mehr zu den im Beitrag erwähnten Themen:
Test Profi-Kopfhörer beyerdynamic DT 1990 Pro
Test fidue A83: Der überragende 3-Wege In-Ear
Test Focal Utopia: Der beste Kopfhörer der Welt?
Test SPL Professional Fidelity Serie
Erster Hörtest Sennheiser Orpheus 2015
Kopfhörer, Lautsprecher, Soundbars, Tonabnehmer online vergleichen:
LowBeats Klang Orakel