Eigentlich schade: Das Hamburger Holiday Inn an den Elbbrücken war nun zum letzten Mal Austragungsort der Norddeutschen HiFi Tage (NDHT). Wenn ältere HiFi-Semester wehmütig dem ehemaligen HIGH END Hotel Kempinsky in Gravenbruch bei Frankfurt nachweinen – das Holiday Inn war letztendlich der designierte Nachfolger und bot auch für die NDHT 2020 wieder den passenden Rahmen. Hoffen wir also, dass die nun neue Location vor den Toren Harburgs, das etwas edlere Privathotel Lindtner, diese großen Fußstapfen ausfüllen kann.
Und als wollte der Ort noch einmal zeigen, was er draufhat, präsentierten sich Holiday Inn und NDHT 2020 im allerbesten Licht. Es war – wie auch die letzten Jahre – proppevoll mit Ausstellern, tollem HiFi und interessierten Besuchern. Das Holiday Inn hat 18 Stockwerke, von denen die unteren drei sowie die Etagen 16,17 und 18 für die Ausstellung genutzt wurden. Der Messe-Slogan “High End über den Wolken” war deshalb gar nicht so weit aus der Luft gegriffen…

Die Highlights der NDHT 2020
Wie üblich ordnen wir diese Art von Report der besseren Übersicht wegen in alphabetischer Reihenfolge. Zum Appetitmachen lassen wir jedoch zuerst wir ein paar Bilder für sich sprechen.
…bevor wir den eigentlichen Rundgang starten:
Tatsächlich begann der erste Messetag für den emsigen HiFi-Journalisten wie auch in den letzten Jahren mit einer AVM-Neuheiten-Show. AVM Chef Udo Besser präsentierte nicht nur einen neuen Außendienstmann (Florian Schütz) für ganz Deutschland, sondern vor allem eine neue vielseitige und Roon-fähige Streaming-Engine, die von nun ab in allen neuen AVM Geräten implementiert wird.
Das erste mit der X-STREAM Engine standardmäßig ausgestattete Modell ist das neue All-in-One Flaggschiff Ovation CS 8.3. Während man solche Komponenten gemeinhin eher im bezahlbaren Preisbereich vermutet, setzt AVM hier in vielen Belangen Maßstäbe. So auch beim Preis: die günstigste Version kostet 12.990 Euro. Oder im Leistungsbereich. Die mit einer Röhrenstufe “künstlich auf sanft klingend” gezüchtete Maschine kommt auf 2 x 500 Watt. Das reicht selbst für extrem anspruchsvolle Lautsprecher.
Die Vorteile der neuen Engine waren schon auf der Messe zu hören. Ich würde sagen: ein Fortschritt. Den bietet AVM auch für ältere Ovation Modelle wie das CS 8.2 oder das 6.2 an. Der Upgrade-Preis liegt bei 1.790 Euro.
Ascendo (Vertrieb: IDC Klaassen)
Was lange währt, wird endlich gut. Im September 2016 testete ich die Ascendo Live 15. Doch offenkundig war damals die Entwicklung noch nicht ganz abgeschlossen, denn jedes Mal, wenn ich Ascendo Chef Stefan Köpf danach traf, meinte er: “Ja, ein bisschen haben wir noch dran verändert…” Auf den NDHT 2020 aber spielte die nun finale Version. Und ich war beeindruckt.

Während des Tests erschien mir die wuchtige Standbox mit 38 cm Bass und 30 cm Koax bisweilen etwas burschikos. Das hat sie mittlerweile komplett abgelegt. Der Ton ist ausgesprochen natürlich – getragen von einer Dynamik und einem verzerrungsfreien Maximalpegel, wie ihn wohl kein anderer HiFi-Lautsprecher dieser Klasse hinbekommt.
Bakoon + Sound Kaos (Vertrieb Audionext)
Von allen Messe-Highlights haben mich diese beiden am meisten überrascht: der Bakoon 13R Kopfhörerverstärker und die unorthodoxe Kompaktbox Vox 3 von Sound Kaos. Der Bakoon 13R ist mit seinen 2 x 25 Watt ja ungewöhnlich kräftig. Das extrem flache Ding (Gewicht: 4 Kilo) ist – ähnlich den genialen Questyle-Amps – ein Strom-Verstärker und umgeht mit diesem Schaltungskonzept etliche Schwächen der üblichen Spannungs-Verstärker.
Die Sound Kaos Vox ist eine bildhübsche Kompaktbox mit ungewöhnlicher Treiberanordnung, die – aus welchen Gründen auch immer – total gut zu dem Bakoon Amp und den beengten räumlichen Bedingungen der NDHT 2020 passte. Ich konnte es fast nicht glauben, wie offen, natürlich und fein diese Kombination im Audionext Demo-Raum klang. Es ist wirklich teures Bonsai High End. Aber klanglich der Über-Hammer!

Firmenchef und -Entwickler Jörg Bohne ist ja ein Freund des gehobenen Pegels und seine aktiv-entzerrten Kreationen sind daher durchwegs enorm pegelfest. Aber sie kamen bislang immer etwas rustikal daher. Doch nun werden die Bohne Speaker auch noch hübsch: Mit der neuen BB-8L hat die Lifestyle-Serie weiteren Zuwachs bekommen. Und das kleine Ding tönte in dem kleinen Hotelzimmer vorzüglich – Vorteil aktiv.

B&W…
…hatte wieder einmal den größten Raum und spielte das Größte, was das Programm hergibt. Das ist zum einen die B&W 800, verstärkerseitig die neue Rotel Vor-/Endstufen-Kombination namens Michi mit den Mono-Endstufen M8. Mit Michi wollen die Meister des bezahlbaren Mittel- und Oberklasse-HiFi (Rotel) zeigen, dass sie es auch weit oben gut können.
Deshalb haben die Koreaner hier unfassbar viel Material aufgefahren: Die Endstufen sind im Grunde randvoll mit Bauteilen. Was ja erst einmal nichts heißt. Doch hatte B&W die 800er schon zum x-ten Mal hier aufgebaut und so konnte ich zumindest erahnen, was diese neuen Flaggschiff-Rotels können: Spielfreude und eine unfassbare Souveränität und Griffigkeit im Bass. Das war echt beeindruckend.

Das Ganze gefiel mir derart gut, dass ich die Kombi umgehend zum Test orderte. Denn mit 6.000 Euro für den 1.800 Watt (an 4 Ohm) starken Monoblock scheinen mir diese Michis doch ausgesprochen günstig zu sein.

Zweifelsfrei der originellste Auftritt auf der Messe: Cambridge Audio muss keinem mehr beweisen, dass man ziemlich viel Klang für erstaunlich wenig Geld bietet. Die Verstärker der AX- und CX-Serie haben in den LowBeats Tests ihre fantastische Klang-fürs-Geld-Relation untermauert, der geniale Plattenspieler Alva TT ebenfalls.
Natürlich spielte eine Cambridge-Kette, aber die Briten (beziehungsweise ihre deutsche Verkaufsmannschaft) verzichteten auf eine weitere Demo und gestalteten stattdessen eine Art “Hangover-Raum”. Also ein Hotelzimmer, das so aussah, als hätten es die Rolling Stones nach absoviertem Konzert und anschließendem Gelage gerade verlassen – zerbrochene Spiegel, Gitarren und LPs inklusive. Das Ganze unterfütterten sie mit leckerem Gin-Tonic und britischem Bier. Sehr originell. In Schulnoten: eine glatte Eins.
FinkTeam (Vertrieb: IDC Klaassen)
Wir hatten die kleine KIM ja schon in der Messe-Ankündigung und waren ob der großen FinkTeam BORG (immerhin LowBeats Referenz) gespannt wie die Flitzebogen – und wurden in keinster Weise enttäuscht. Die ja eigentlich gar nicht so große Box klang der großen BORG erstaunlich ähnlich, glänzte aber mit einer fast noch besseren, packend-plastischen Abbildung.

Der kompakte Lautsprecher mit 20 cm Tiefmitteltöner (mit 50 mm Schwingspule) plus AMT-Hochtöner erreicht zwar nicht ganz den hohen Wirkungsgrad der BORG, liegt aber immer noch über dem der meisten Mitbewerber. Sie war fraglos eines DER Highlights der NDHT 2020.
Nach dem sehr überzeugenden Test der kleineren F502 war ich sehr auf den Auftritt der F702 gespannt. Und das ist schon richtig ernsthaftes High End, was die ehemaligen Tannoy Mitarbeiter hier mit ihrem Koaxial-System anbieten. Ein super Raum, Druck von unten und jede Menge livehaftiger Dynamik. Sollte ich mich entscheiden, welches derzeit die besseren Tannoy-Lautsprecher dieser Klasse sind, ich würde zu Fyne Audio tendieren…

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