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Anthem AVM 90 (Foto: R. Vogt)
Surround-Vorverstärker Anthem AVM 90 (Foto: R. Vogt)

Test: Anthem AVM 90 8K Highend Surround-Vorverstärker

In den Foren des weltweiten Netzes eilte ihm schon ein vielversprechender Ruf voraus und das nicht ohne Grund: Der Anthem AVM 90 8K ist immerhin der größere von zwei Mehrkanal-Prozessoren im Anthem-Programm und gilt als ernsthafter Angriff auf die großen französischen Prozessoren von Trinnov und Storm. Und er will – das liegt nun einmal in der Anthem-DNA – klanglich noch ein bisschen weiter vorn liegen…

Ein AV-Vorverstärker muss heute jede Menge, teils gegensätzliche, Ansprüche erfüllen. Der große Anthem AVM könnte daher für Viele eine interessante Wahl darstellen, die neben der reinen Audioqualität auch Wert auf das Design und eine eher sinnvolle Ausstattung  legen, ohne dass die Maschine mit Features überladen ist, sprich gut handhabbar ist.

Anmutung und Ausstattung des Anthem AVM 90 8K

Die Anthem Front kommt extrem aufgeräumt daher. Wie aus dem nichts taucht beim Einschalten das weiträumig dimmbare Display auf, das etwa Handteller groß und daher auch aus größerer Entfernung gut lesbar ist. Sechs Tasten, ein Drehregler, Kopfhörerausgang. Fertig. Schick!

Minimalistisches, zeitloses Industriedesign: Anthem AVM 90 (Foto: R. Vogt)
Minimalistisches, zeitloses Industriedesign: Anthem AVM 90 8K (Foto: R. Vogt)

Nicht ganz so aufgeräumt wirkt die Fernbedienung, die aber gut strukturiert mit logisch gruppierten Tasten daherkommt und im dunklen Kino angenehm beleuchtet ist. Einziges Problem mit dem Handgeber: Die Lautstärketaste klemmt ein wenig, funktioniert aber klaglos. Wie mir ein erfahrener Anthem-Händler verriet: Normal, die klemmen alle ein wenig. Naja.

Die Fernbedienung ist kinotauglich beleuchtbar (Foto: R. Vogt)
Die Fernbedienung ist kinotauglich beleuchtbar (Foto: R. Vogt)

Super im Alltag: Die Android-App. Hier läuft insbesondere die Lautstärkeregelung sehr geschmeidig und alle Standard-Funktionen sind direkt und übersichtlich im Zugriff, inklusive direktem Link zur Spotify App. Schade: Für Apple-Geräte gibt es zum Zeitpunkt des Tests (noch) keine App, lediglich für ältere Anthem-Modelle.

Gelungen übersichtlich und perfekt für den Alltag: Android Remote App (Foto: R. Vogt)
Gelungen übersichtlich und perfekt für den Alltag: Android Remote App (Foto: R. Vogt)

Wer es umfangreicher benötigt, geht per Browser ins Webmenü, was eben auch eine Bedienung per iPad oder iPhone ermöglicht. Primär ist das Webmenü ideal dafür geeignet, den AVM 90 zu konfigurieren und einzurichten. Dazu spricht das Menü wahlweise auch Deutsch, wenngleich die Übersetzung wahrscheinlich per KI übersetzt wurde: So muss man manchmal raten, was denn wohl mit „Diskant“ (Höhenregler) oder „Equilibrio“ (Balance) gemeint sein könnte. Die meisten Begriffe passen aber gut.

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Anthem AVM 90 Webmenü taugt für den Alltag und insbesondere die Einrichtung und Konfiguration (Foto: R. Vogt)
Das Anthem AVM 90 8K Webmenü hat sich für den alltäglichen Gebrauch und insbesondere für die Einrichtung und Konfiguration als erfreulich alltagstauglich erwiesen (Foto: R. Vogt)
Übersichtlich und anschlaulich: die Konfiguration des Setups (Foto: R. Vogt)
Übersichtlich und anschaulich: die Konfiguration des Setups (Foto: R. Vogt)
Jeder Eingang lässt sich erstaunlich kleinteilig in seiner Funktion konfigurieren (Foto: R. Vogt)
Jeder Eingang lässt sich erstaunlich kleinteilig in seiner Funktion konfigurieren (Foto: R. Vogt)
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Selten flexibel gestaltet sich das Zuordnen von Audio- und Videoanschlüssen in Kombination diversester Voreinstellungen pro Quelle. Hier kann man auch die wichtigen Funktionen wie die Zuordnungen der bis zu vier Speicher für Lautsprecher-Konfigurationen und Raumeinmessungen verwalten was den Anthem AVM 90 sehr flexibel macht, etwa um für Stereo ein gesondertes Setup zu verwenden. Auch Backups der Einstellungen und Firmware Updates sowie umfangreiche Statusanzeigen zu Hardware, Software, anliegendem Audio- und Videosignal sind im Webmenü zu finden.

Chromcast für universelle Audiozuspielung neben DLNA, Bluetooth und AirPlay 2 (Foto: R. Vogt)
Chromcast für universelle Audiozuspielung neben DLNA, Bluetooth und AirPlay 2 (Foto: R. Vogt)

Etwas indifferent sieht es mit Audio-Streaming aus. DLNA und AirPlay 2 funktionieren klaglos, DLNA auch mit HighRes-Signalen bis 192 kHz bei 24 Bit. Spotify Connect ist an Bord. Roon Ready ist versprochen, das auch schon lange, nur integriert war es bis zum Test nicht. Wer per Roon zuspielen möchte, muss entweder mit den beschränkten Möglichkeiten von AirPlay 2 arbeiten oder Chromecast zum Laufen bringen.

Letzteres hätte ich ohne Hilfe nicht geschafft. Damit der Anthem Chromecast Client im Netzwerk überhaupt sichtbar wird, muss man ihn nämlich per „Google Home“ App identifizieren, dann einer Zone zuweisen und einen Namen vergeben. Erst danach meldet sich die Chromecast-Verbindung für Roon und andere kompatible Geräte und kann angespielt werden. Allerdings: Hier läuft nur eine minimale Implementierung, die auf 16 Bit mit maximal 48 kHz beschränkt ist. Das klingt recht ordentlich, aber audiophiles HiRes geht damit nicht.

Raumeinmessung per ARC Genesis

Anthem AVM 90: ARC Genesis Messmikrofon (Foto: R. Vogt)
Anthem AVM 90 8K: ARC das Genesis Messmikrofon (Foto: R. Vogt)

Eines der Hauptargumente pro Anthem ist das seit vielen Jahren etablierte und stets weiter entwickelte Einmesssystem ARC Genesis. ARC steht für Anthem Room Correction und diese lässt sich per Windows oder Apple Computer oder neuerdings auch per Tablet und Smartphone mittels Android, iOS oder iPadOS aufrufen. Super: Anthem hat in den Zubehörkarton ein USB-Messmikrofon und ein vollwertiges Galgenstativ gepackt. Wer das Mikrofon an sein Tablet oder Telefon anschließen möchte, benötigt dort einen Host-Anschluss (OTG), den aber heute alle besseren Devices bieten.

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Anthem AVM 90: ARC Genesis Messungen (Foto: R. Vogt)
Anthem AVM 90: ARC Genesis Messungen (Foto: R. Vogt)
Anthem AVM 90: ARC Genesis Korrekturen (Foto: R. Vogt)
Anthem AVM 90: ARC Genesis Korrekturen (Foto: R. Vogt)
Anthem AVM 90: ARC Genesis Subwoofer-Phasenanpassung (Foto: R. Vogt)
Anthem AVM 90: ARC Genesis Subwoofer-Phasenanpassung (Foto: R. Vogt)
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Die Einmessung mit deutscher Schritt-für-Schritt Menüführung ist wirklich simpel und beim Test gab es keinerlei Haken oder Ösen. Im ersten Schritt habe ich mich komplett auf die Automatik verlassen: Das Ergebnis war ausgesprochen gut und ausgewogen. Genial gelöst ist auch die Kalibrierung des Phasenübergangs zwischen Hauptlautsprechern und Subwoofer. Dabei probiert ARC iterativ verschiedene Phasenwinkel und wählt dann jenen mit der besten Addition. Das folgt genau dem Vorgang, wie man es idealerweise auch manuell umsetzen würde und gewährleistet den besten, gleitenden Übergang zwischen den überlappenden Schallquellen.

Klanglich wirkte das alles sehr ausgewogen, aber eher auf der schlanken Seite. Deshalb wollte ich etwas Basspegel nachschieben. Irritierend dabei war, dass das interne Rauschsignal des AVM 90 beim Subwoofer fast 10 dB zu wenig Pegel ausgab. Aber minus 10 dB hätten sich natürlich ganz anders (nämlich sehr viel dünner) angehört. Nachgemessen mit einem externen Signal zeigte sich, dass der Bass tatsächlich um etwa 3 dB zu leise war. Zwischen der Realität  und dem internen Rauschgenerator liegt also eine Differenz von etwa 7 dB. Hier sollten die Entwickler mal die Pegel und das Messsignal checken…

Hörtest von Stereo bis Atmos

Einen allerersten Eindruck zur Klangqualität des Anthem AVM 90 habe ich mir vor allen Einmessungen verschafft. Musik optimal per DLNA eingespielt und klassisches Stereo ohne Alles auf meinen Studiomonitoren Focal SM 9 wiedergegeben. Das klang schon recht fein mit guter Dynamik und Differenzierung, trotzdem vergleichsweise nüchtern und nicht ganz so musikalisch wie ich es mir aus schwärmerischen Beschreibungen zu diesem Gerät erhofft hatte.

Anthem AVM 90 bietet vier unabhängige Subwooferausgänge für vielfältigen Einsatz (Foto: R. Vogt)
Der Anthem AVM 90 bietet vier unabhängige Subwooferausgänge für vielfältigen Einsatz (Foto: R. Vogt)

Im Surround-Setup mit ARC Genesis Einmessung gewinnt das Klangbild an Balance und mit korrekt eingemessenem Subwoofer noch eine weitere Oktave nach unten hin. Gut: Ein Subsonicfilter schützt die Woofer vor ungewollter Belastung durch Infraschall. Wirklich gelungen ist per  ARC-Einmessung der nahtlose Übergang zwischen Woofern und Lautsprechern, das habe ich mit einer Automatik bisher nur bei ARC Genesis und Trinnov Optimizer erlebt. Auch die Frequenzgangs-Anpassung zwischen den verschiedenen Kanälen ist absolut nahtlos. Das lässt sich beispielsweise mit der Test-Blu-ray Spatial Audio Calibration Toolkit sehr schön demonstrieren: Mit der kann man Rauschen oder eine Stimme gleitend zwischen Kanälen und diagonal durch den Raum bewegen. Einzig den Phasengang zwischen meinen Surrounds (2-Wege) und Frontlautsprechern (3-Wage) passt ARC Genesis nicht an, weshalb sich zwischen Front- und Surround-Kanälen positionierte Ereignisse minimal unschärfer abbilden.

Anthem AVM 90 beim Hörtest im Rack des LowBeats Testkinos (Foto: R. Vogt)
Der Anthem AVM 90 beim Hörtest im Rack des LowBeats Testkinos (Foto: R. Vogt)

Und so machten Musik in Stereo und Surround wirklich Spaß und bildeten sich tonal ausgewogen und plastisch im Raum und etwas darüber hinaus ab. Das klang auf jeden Fall feiner gezeichnet und räumlich geschlossener als ich das von jedem bisher getesteten japanischen Mitbewerber im Testkino kannte. Dabei kennt der Anthem ein Feature, das mir als Fan alter Filme und Jazz-Aufnahmen oft fehlt: eine echte Monowiedergabe mit eigenen Soundmodes. Es macht fürs Ohr nämlich einen erheblichen Unterschied, ob ein monaurales Signal nur vom Center als einzelne Schallquelle oder als Phantom-Abbild zwischen zwei Lautsprechern dargestellt wird. Wer es nicht glaubt – einfach mal ausprobieren: Tagesschau-Sprecher in Stereo (Linker/Rechter Lautsprecher) gegen Dolby Surround (überwiegend Center) umschalten.

Und noch etwas Nostalgisches: Der AVM 90 bietet einen Phonoeingang mit MM-Pegel, den ich natürlich auch getestet habe. Er klingt okay, etwas oberflächlich und tendenziell eher schlank. Wer also auf Vinyl Wert legt, der sollte eine gute separate Phono-Entzerrung einsetzen. Apropos Musikwiedergabe: Was ich schmerzlich vermisste, war ein wirklich guter Musik-Upmixer. Zwar war der Dolby Surround Modus erstaunlich flexibel und besser einsetzbar als bei anderen AV-Verstärkern aber DTS Modi taugen nix und der antiquierte Anthem-Logic Music Decoder kostete zu viel Auflösung. Dann lieber nativ wiedergeben.

Fazit: Anthem AVM 90 8K mit ARC Genesis

Schick ist er, der Anthem AVM 90. Minimalistische Front, Vollausstattung mit 15 Kanälen Surround-Processing plus vier flexibel konfigurierbarer Subwoofer, alles per Cinch oder XLR zu verbinden. 7×3 HDMI inklusive eARC für Atmos vom TV und Zone2, analog sogar Phono MM. Auf der Soll-Seite bleiben bei mir ein guter Musik-Upmixer und eine Fernbedienung ohne hakende Tasten, noch nicht erfüllte Roon-Integration und eine komplizierte Chromecast-Einrichtung.

Anthem AVM 90 (Foto: R. Vogt)
Anthem AVM 90 (Foto: R. Vogt)

Beim Haben stehen ganz dick das wirklich gelungene Einmesssystem ARC Genesis und das mitgelieferte Messmikrofon inklusive gutem Stativ. ARC Genesis lieferte eine reproduzierbar super homogene Klangbalance und zuverlässige Raumkorrektur mit der besten Subwoofer-Anpassung die ich seit langem gesehen habe. Das Webmenü ist super, insbesondere beim Einrichten, die Android-App betens für den Alltag geeignet. Und im täglichen Einsatz gab es keine Auffälligkeiten, weder bei Audio noch HDMI, das funktionierte alles sehr geschmeidig. Klanglich verhält sich der Anthem AVM 90 im besten Sinne des Wortes neutral und ausgewogen, ohne dabei langweilig zu klingen und das meine ich durchaus als Kompliment. Ein schönes Maschinchen.

Anthem AVM 90
2023/10
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
klingt angenehm ausgewogen
ARC Genesis Einmesssystem
prof. Messmikro & Stativ dabei
ausführliches Webmenü, superflexible Konfig.
kein guter Musik-Upmixer

Vertrieb:
Audio Components Vertriebs GmbH
Leverkusenstraße 3
22761 Hamburg
www.audio-components.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Anthem AVM 90: 8.890 Euro

Technische Daten

Anthem AVM 90
Konzept:AV-Vorverstärker mit 15.4 Kanälen
Eingänge:7x HDMI, 1x HDMI eARC, 3x Toslink, 2x SPDIF Cinch, 4x Stereo Cinch analog, 1x Phono, 1x IR Miniklinke, 1x RJ45 Ethernet, 2x Antenne (Bluetooth, WLAN), RS-232, USB-A (nur 5V)
Ausgänge:3x HDMI (1x Z2), 15+4 Pre-Out je Cinch & XLR, 1x Toslink (Durchschleif.), 3x 12V Trigger
HDMI: HDMI 2.1, HDCP 2.3, 8K/60Hz oder 4K/120Hz, ALLM, VRR, QMS and QFT
Streaming:DLNA, Google Chromecast (Audio), AirPlay 2 (Audio), Bluetooth v4.2, Spotify Connect, Roon (zukünftiges Update versprochen)
Einmess.:ARC Genesis, Messmikrofon & Stativ im Lieferumfang
Standby:0,3W, 1,8W (IP Control), 4,9W (HDMI bypass)
Maße (BHT):43,18 x 15,24 x 36,4 cm (19″ X 4HE)
Gewicht:10,1 kg
Alle technischen Daten

Autor: Raphael Vogt

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Technischer Direktor bei LowBeats und einer der bekanntesten Heimkino-Experten der Republik. Sein besonderes Steckenpferd ist die perfekte Kalibrierung von Beamern.