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Urbanears Baggen im Test
Groß ist er ja, der Urbanears Baggen. Aber was hat die Kiste auf dem Kasten? (Foto: Urbanears)

Test BT-Box Urbanears Baggen: größer, schwerer, besser?

Ist diess die skandinavische Form von Bluetooth-Boxen? Der Urbanears Baggen ist mit seinen 6,6 Kilo unüblich schwer. (Der Paketbote, der ihn zusammen mit dem Urbanears Stammen die Treppe hoch tragen sollte, kann ein Lied davon singen). Sein Gehäuse wirkt zwar stabil, aber eher grobschlächtig und primitiv. Die Oberfläche ist – wie bei den kleinen Bluetooth-Boxen von JBL oder Ultimate Ears – bis auf die Unterseite und Aussparungen um die zwei Knöpfe mit einem Stoffgeflecht bezogen. Doch wirkt das Ganze ein wenig wie im Eigenbau aus Spanplatten zusammengezimmert.

Urbanears Baggen im Test
Urbanears Baggen setzt auf praktische Drehknöpfe statt Tasten. Neben der Regelung der Lautstärke kann man damit auch zwischen gespeicherten Internet-Radio-Stationen wechseln (Foto: S. Schickedanz)

Immerhin merkt man schon beim Aufstellen, wo der Hase langläuft. Der in sechs bunten Farben erhältliche Baggen ist wie eine konventionelle Lautsprecherbox aufgebaut. Die Unterseite besteht dem Anschein nach aus einem Verbundkunststoff und besitzt ein integriertes Downfiring-Bassreflexrohr. Da sich die Frontbespannung nicht abnehmen lässt, muss ich nachlesen, welche Chassis verbaut wurden. Wenig verwunderlich kommen zwei 6,3-cm-Breitbänder und ein 13,3-cm-Bass, sprich anständige Chassis zum Einsatz.

Auf der Oberseite stechen zwei Regler, die sich ohne Anschlag drehen lassen, heraus. Das alles wirkt nicht unbedingt futuristisch, ist aber gar nicht so schlecht, wenn das Ganze erst mal läuft. Und genau hier schlägt das Stimmungspendel wieder ins Positive aus. Die Schnellstartanleitung legt mir den Download der kostenlosen Urbanears Connceted App aus dem Apple App Store nahe. Dann übernimmt die App die Führung. Zunächst sorgt allerdings eine nette Animation mit einem orange gekleideten Drummer vor einem gleichfarbigen Hintergrund für Erheiterung. Der Sound zieht sich durch die Benutzung der gesamten App.

Die Verbindung mit dem WLAN erfolgt ohne die von mir verhasste Passworteingabe mit virtueller Mini-Tastatur. Der Baggen wird als AirPlay-Lautsprecher eingerichtet und steht danach im Netzwerk zur Verfügung. Die Installation ist trotz des üblichen Downloads der Software-Updates schnell erledigt und endet mit einem kumpelhaften Spruch: „Das Baggen Plant Green ist jetzt eingerichtet. Juchhu.“

Die kostenlose Urbanears Conneted App (verfügbar im App Store und bei Google Play) ermöglicht den Wechsel zwischen den Quellen wie Bluetooth oder dem analogen AUX-Eingang auf der Unterseite und den Zugriff auf Webradio, Spotify und Chromecast direkt aus der App. Damit das Handy genauso lange durchhält wie der nur auf stationären Betrieb an der Steckdose ausgelegte Baggen, hat ihm Urbanears auf der Unterseite eine 5-V-USB-A-Buchse zum Nachladen während des Betriebs spendiert.

Urbanears Baggen im Test
Auf der Unterseite, die aus Kunststoff besteht, finden sich neben dem Downfiring-Bassreflexrohr ein Analog-Mini-Klinken-Eingang und eine USB-Stromversorgung für durstige Handys (Foto: S. Schickedanz)

Zu dem Zeitpunkt halten sich Skepsis über die eigenwillige Konstruktion und die reichlich rustikale Verarbeitung mit der coolen, unkomplizierten Software die Waage. Ob der Baggen topp oder flopp wird, entscheidet sich, vom Spannungsbogen her passend, allein im Klang. Wenn ein Bluetooth Lautsprecher dermaßen sperrig und nebenbei nicht ganz billig ist, reicht ihm für ein gutes Abschneiden nicht eine Leistung, die ganz okay ist. Da muss er schon mehr draufhaben.

Und genau das war der Fall. Die etwas andere Bluetooth-Box von Urbanears machte schon auf die ersten Takte unmissverständlich klar, dass ihre üppigen Maße kein Selbstzweck sind. Der Bass war wirklich für Erwachsene, was in diesem Sinne wörtlich zu nehmen ist. Wer nicht erst mit kleinen Bluetooth-Büchsen zum Musikhören kommt, sondern noch richtige Stereo-Anlagen mit Holzboxen kannte, der kommt mit dem Baggen auf seine Kosten.

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Zur Einstimmung gibt es in der Urbanears Connceted App gleich eine lustige Animation mit cooler Musik (Foto: S. Schickedanz)
Nach der problemlosen Installation steht der Urbanears Baggen sowohl als Bluetooth wie auch als AirPlay Lautsprecher zur Auswahl. Wobei die Zuspielung über WLAN noch mal besser klingt als über das auch schon starke Bluetooth (Foto: S. Schickedanz)
Die Urbanears Connected App ermöglicht nicht nur die Steuerung von Multiroom-Systemen, sondern auch die Klangregelung der einzelnen Speaker (Foto: S. Schickedanz)
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Der Wireless-Lautsprecher sieht nicht nur aus wie ein Subwoofer, er klingt auch so, was die Basswiedergabe betrifft. Er kommt für diese Art von Lautsprecher extrem tief hinab und kann mehr als nur eine Note spielen. Zudem muss ihn der zentrale Mikroprozessor nicht gleich bei gehobenem Pegel im Hub begrenzen. Dadurch eignet er sich nicht nur für bassreichen Elektro-Pop, sondern auch für Klassik, wo einige andere Bluetooth-Boxen regelrecht pumpen.

Dieser Teil der Hörbeschreibung kommt freilich angesichts der physischen Ausstattung des Urbanears Baggen wenig überraschend. Er verfügt schließlich über einen amtlichen Tieftöner und das nötige Volumen, um tiefer in den Keller zu kommen. Doch auch seine Darbietung in den Mitten und Höhen wirkte sehr angenehm und ausgewogen. Wer mega-brillante Höhen erwartet, mag etwas enttäuscht sein, aber die Klangabstimmung gelang sehr rund, stimmig. Der Baggen klingt lange nicht so artifiziell wie viele andere Bluetooth-Boxen. Das gilt ganz besonders, wenn man ihn nicht mit Bluetooth, sondern via AirPlay betreibt.

Gerade Rockmusik mit echtem Schlagzeug wie auf David Gilmours Album Live At Pompei kommt mit der skandinavischen Box richtig satt und differenziert – vor allem ohne ständiges Pumpen des Limiters, der mit dynamikreicher Musik bei gehobenen Lautstärken den Hörspaß im wahrsten Sinne dämpfen kann. Doch auch für Hip-Hop-Fans gibt es richtig was auf die Ohren. Der Urbanears Baggen schiebt mit seinem 5,25-Zöller unten einfach besser an, als die Bonsai-Bässe der meisten anderen.

Urbanears Baggen im Test
Der große, grüne Baggen ist klar die bessere Wahl als der 100 Euro günstigere Stammen, auch wenn der sich leichter unterbringen lässt (Foto: S. Schickedanz)

Doch nicht nur ein konturierter, differenzierter und punchiger Bass oder natürliche, entspannte Stimmwiedergabe sprechen für die tolle Kiste. Sie erzeugt auch eine größere Abbildung als übliche Bluetooth-Boxen, wobei man allerdings eher von einer Klangwolke als von einer stereo-artigen Bühne sprechen kann. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass der Urbanears Baggen mit seinem mächtigen Bass etwas Fingerspitzengefühl bei der Aufstellung erfordert, wobei der Nutzer schon aufpassen muss, ihn nicht falsch herum zu platzieren. Wenn ich mir manche Klangbeurteilungen anschaue, könnte das dem ein oder anderen Kritiker passiert sein. Dann brummelt der Baggen nämlich nur vor sich hin. Vorne ist übrigens, wo das von Designer-Klamotten bekannte Stoffschildchen an der Seitenkante der mit schalldurchlässigem Gewebe verkleideten Schallwand flattert.

Allerdings wäre das ganze Hörvergnügen nichts wert, wenn die Software nicht so stabil gelaufen wäre. So wendet sich alles zum Guten, der kantige Kasten aus dem hohen Norden hat was drauf. Der Betrieb klappt sehr gut. Wer die eigene Urbanears App verwenden will, der muss den Baggen mit dem WLAN-Netzwerk verbinden, eine Direktverbindung lässt sich aber jederzeit mit Bluetooth herstellen. Der Lautsprecher macht auf jeden Fall sowohl im Multi-Room-Betrieb wie auch als einzelner High-Power-Bluetooth beziehungsweise Wi-Fi Speaker eine gute Figur.

Fazit Urbanears Baggen

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Der Urbanears Baggen ist nicht jedermanns Sache und will es wohl auch gar nicht sein. Wer die skandinavisch schlichte Form mag, wird von der tadellosen Funktion belohnt. Die Urbanears Connected App wirkt simpel und solide programmiert und unterstreicht mit gewissem Augenzwinkern den Anspruch, ein Design-Produkt für Nonkonformisten zu kontrollieren. Der Preis des Baggen liegt genauso über den meisten Bluetooth Boxen wie seine Abmessungen. Gemessen an der Performance geht das aber vollkommen in Ordnung, im mittleren Preissegment kennt er so gut wie keine Konkurrenz. Der Baggen bläst sie mit seinem satten, sauberen Sound förmlich weg. Gemessen am kleinen Bruder Urbanears Stammen, den ich mir auch anhörte (nachdem ich ihn schon einige Stockwerke hochtragen musste), ist der Preis sogar günstig. Der Stammen kostet zwar 100 Euro weniger, verschluckt sich aber gerne mal im Bass und wirkt lange nicht so harmonisch vom Spielfluss her. Zudem gibt es den eigentlich mit 450 Euro UVP ausgezeichneten Baggen in ausgewählten Farben ebenfalls für 350 Euro Straßenpreis. Das ist dann wirklich kaum zu toppen, was das Preis-Leistungsverhältnis betrifft.

Urbanears Baggen
2017/11
Test-Ergebnis: 4,2
Sehr gut
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Satter, warmer Klang, sehr stimmig
Richtig tiefer differenzierter Bass
Simple und sympathische App, einfache Installation und zuverlässiger Betrieb
Etwas sperrig, Verarbeitung fällt gegenüber dem Klang etwas ab

Vertrieb:
Zound Industries International AB
Centralplan 15
111 20 Stockholm
www.urbanears.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Urbanears Baggen 450 Euro

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Autor: Stefan Schickedanz

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Schneller testet keiner. Deutschlands einziger HiFi-Redakteur mit Rennfahrer-Genen betreut bei LowBeats den Bereich HiFi im Auto sowie die Themengebiete Mobile- und Smart-Audio.