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Pro-Ject X8
Der X8 ist ein weiteres, hoch attraktives Analag-Angebot von Pro-Ject. Wir hatten das Masse-Laufwerk im sogenannten SuperPack (2.300 Euro) mit Ortofon Quintet Blue im Test. Eine echte Empfehlung (Foto: Pro-Ject)

Test Masselaufwerk Pro-Ject X8: das Masterband zum Greifen nah

Mit dem Pro-Ject X8 ist dem analogen Weltmarktführer ein aus audiophiler Sicht besonders stimmiger, für den Preis unglaublich stark klingender Spieler gelungen. Ein Masselaufwerk, das diese Bezeichnung nicht nur auf der Waage rechtfertigt, sondern auch mit fundamental stabilem Klang, der LPs wirklich komplett erscheinen lässt.

„19 kg“ steht auf dem weißen Pro-Ject-Karton, der für einen Plattenspieler auch beträchtliches Volumen aufweist. Knapp vier Kilo von den 19 trägt man nach dem Auspacken zwar wieder in den Keller, aber zurück bleibt dennoch ein kapitales Stück Phonotechnik. Für Pro-Ject-Kenner ist es zugleich auch ein Treffen alter Bekannter, denn natürlich greifen die Österreicher auch für den X8 auf Elemente zurück, die wir bereits von anderen Modellen kennen – nur halt nicht in genau dieser Mischung, zu genau diesem Preis und in genau diesem Design. Es ist wie bei einer Party: Du kennst alle, die kommen werden. Und trotzdem weißt du nicht, wie der Abend werden wird.

Pro-Ject X8 in weiß
Den Pro-Ject X8 gibt es auch in Weiß. Erfreulich ist die vollwertige Acrylhaube, die eine enorm wichtige Schutzfunktion erfüllt und ausgerechnet bei teuren Spielern häufig fehlt Foto: Pro-Ject)

Die Besonderheiten des Pro-Ject X8

Bei einer richtigen Party gibt es Gäste, auf die du dich freust, die verlässlich gute Laune mitbringen, aber auch Teilnehmer, die du eher ambivalent in Erinnerung hast oder vielleicht gar beim letzten Mal nicht ausstehen konntest. Auch die Zutatenliste des X8 enthält Komponenten, die in diese oder jene Richtung vorbelastet sind. Zum (positiven) Beispiel war ich entzückt, auf dem Spieler die Teller- und Lagertechnologie der teureren Xtension-Modelle vorzufinden, die auch bei gehobenen OEM-Aufträgen aus der Pro-Ject-Fabrik in Tschechien zum Einsatz kommt. Zum Beispiel auf dem gewaltigen EAT Forte S.

Auch wenn ihre Ausführung sich im Größenmaßstab unterscheidet, teilen diese etablierten Edelspieler mit oder ohne Pro-Ject-Schild eine gewisse Grundcharakteristik, die mich beim Hören immer an große Bandmaschinen denken lässt, anstatt an Plattenspieler. Ein kraftvoller, absolut linearer Sog, der die Musik an meinem geistigen Auge vorbeizieht. Der die Vorstellung, dass da irgendwo stromaufwärts zwirbelnde Motoren, rotierende Riemenscheiben und drehende Teller beteiligt sein sollen, völlig abwegig erscheinen lässt. Ein imaginärer Ant Man, der sich soweit verkleinert hat, dass er vorne auf der Tonabnehmerkante sitzen und die Beine baumeln lassen kann, würde schwören, dass die Rille nicht mehr wie eine langgezogene Linkskurve aussieht, sondern kerzengerade bis zum Horizont reicht. So suggestiv ist die entspannte Autorität dieser Laufwerke.

Pro-Ject X8 Antrieb
Open Air: Der Pulley des Synchronmotors sitzt im hinteren linken Eck, der Riemen umschlingt den Teller am Außenrand (Foto: Pro-Ject)

Der X8 übernimmt Teller und Lager nahezu 1:1 vom Xtension 9, ebenso den Motor. Also das gesamte Laufwerks-Kraftzentrum. Das stimmt schonmal zuversichtlich. Die LP ruht auf einem dicken, fünf Kilo schweren und präzise ausgewuchteten Alu-Rundling mit einer umlaufenden Nut auf seiner Unterseite. Diese Nut nimmt eine Wurst aus dem hochdämpfenden Polymer TPE auf, die das resonierend-klingelnde Eigenleben, das eine nackte Zehnpfünder-Aluscheibe nun mal zeigt, recht deutlich in die Schranken weist.

Auf die dicke, harte Vinylmatte des 1000 Euro teureren Xtension 9 hat Pro-Ject beim X8 verzichtet – und eine preiswertere, aber keineswegs zwingend schlechtere Auflage aus Wollfilz beigelegt. Die hat auf jeden Fall den Vorteil, dass sie ihre Aufgabe auch ohne zusätzlichen Anpressdruck erfüllt – womit auch der schwere Puck entfallen kann, der dem Xtension beiliegt. Wem Filz zu schnöde ist, dem steht die Welt der Nachrüst-Wunder komplett offen: Der lange Mitteldorn und der beliebig höhenverstellbare Arm schaffen mit jeder noch so absurden Kombination aus Matte und / oder Klemme stets geometrische Idealbedingungen. Wir können Erfolge mit der Black Forest Audio Däd Mät samt Däd Clämp vermelden, ebenso mit der Funk Firm Achromat. Den Test hat der Spieler im Wesentlichen aber mit der originalen Filzmatte bestanden – und zwar bravourös.

Pro-Ject X8 Lager
Die Konstruktion ist trickreich gemacht: Ein kräftiger Neodym-Magnet an der Laufbuchse und einer im Plattenteller stoßen sich gegenseitig ab (Foto: Pro-Ject)

Das Tellerlager ist invertiert, seine Buchse sitzt also samt Keramik-Lagerspiegel mit der Öffnung nach unten im Teller und bildet den beweglichen Teil des Lagers. Die dicke Stahlwelle dagegen ragt ortsfest vom Chassis aus nach oben und trägt an ihrem Ende eine Keramikkugel als definierten Drehpunkt. Der Vorteil solcher invertierten Lager ist ihre inhärente Stabilität: Der Schwerpunkt des Tellers liegt tiefer als der Lagerpunkt, erzeugt somit auch kein Kippmoment, was wiederum der gleichmäßigen Rotation zugutekommt. Um das Lager zu schmieren, verwendet Pro-Ject ein leichtes, feines Fett, nach dem man vermutlich alle paar Jahre mal schauen sollte. Im Grunde kann man das Lager aber getrost als wartungsfrei und unbegrenzt haltbar bezeichnen.

Zumal es auf seinem Keramik-Teflon-Gleitpaar nicht das volle Tellergewicht tragen muss: Ein großer Teil davon schwebt auf einem Magnetfeld, das von zwei sich abstoßenden Neodymringen in Teller und Zarge ausgeht. Ganz schweben lässt man den Teller aber nicht, denn eine definierte mechanische Verbindung über die Lagerachse zum Chassis soll erhalten bleiben. Die ist nämlich klangentscheidend, wie bereits entfernte Vorbilder wie die Platine Verdier zeigen, bei der der Lagerdruck sogar einstellbar war.

Pro-Ject X8 in Nussbaum
Metall, Holz und Kohlefaser: Der X8 beeindruckt bei eher unauffälliger Anmutung mit generösem Materialeinsatz. Hätte der Fotograf nicht die Matte vergessen, wäre auch noch schwarze Wolle im Bild… (Foto: Pro-Ject)

Als Energiequelle dient ein Synchronmotor mit Pro-Jects eigener Stromversorgungs-Elektronik, alimentiert vom altbekannten 15-Volt-Steckernetzteil. Eine Tipptaste mit zwei LEDs dient oben auf der Zarge zur Drehzahlumschaltung, ein und aus schaltet man den Motor dagegen auf der Chassis-Unterseite mit einem Kippschalter. Das hat mich ein bisschen überrascht, denn es gab auch schon Pro-Jects mit Eintasten-Steuerung, wo man also sowohl Start/Stop als auch langsam/schnell mit einem einzigen Tipper verwaltete. Was per se nicht besser oder schlechter ist, aber irgendwie moderner wirkte.

Vermutlich hat das ein paar Milliwatt mehr Standby-Strom verbraucht, was die aktuelle Lösung einfach um eine Winzigkeit nachhaltiger macht. In dieser Betrachtungsweise deutlich wichtigere Eigenschaften sind aber sicher die, dass der Spieler ein Leben lang hält und komplett in der EU produziert wird. Auch das als einzige Holzoberfläche erhältliche Nussbaumfurnier stammt aus nachhaltiger europäischer Forstwirtschaft – was die Entscheidung noch leichter macht, sich die Holzvariante zuzulegen statt unserer furchtbar Fingerabdruck-empfindlichen, auf Bildern aber immerhin hübschen Hochglanzlackversion.

Für die Xtension-Modelle gibt es eine größere Auswahl an Furnieren, inklusive coolen Optionen wie Olive, anthrazitfarbenem Eukalyptus oder Nussbaum-Wurzelholz – auch das sicher ein Kostenfaktor, den man hier eingespart hat, ohne das Produkt wesentlich zu verschlechtern. Dasselbe gilt meiner Meinung nach auch für die in der Herstellung sehr aufwändigen, aber nur subtil wirksamen Magnetfüße. Der X8 hat einfache, solide, höhenverstellbare Alufüße mit dämpfender TPE-Einlage. Die funktionieren wunderbar und schonen das Budget – das schließlich auch noch für einen möglichst amtlichen Tonarm reichen muss.

Als Arm leistet sich Pro-Ject dann auch eins zu eins den gleichen Edelschwenker, der schon den Xtension 9 ziert – sowie mit verlängertem Carbonrohr auch die Modelle 10 und 12. Eine Pro-Ject-Eigenkonstruktion mit leicht konischem Kohlefaserrohr und direkt anlaminierter Headshell aus dem gleichen Werkstoff. Obwohl er sehr schick aussieht, hoch angesehen ist und selbst von Linn ein paar Jahre lang als Basisarm für den LP12 eingesetzt wurde, spielt der hier eingesetzte 9cc Evolution auf dieser Phonoparty eher die Rolle des Troublemakers.

Pro-Ject X8 Tonarm
Gewichtiges Klangargument: Der U-Träger, der den Kardanring hält, ist beim Pro-Ject 9cc Evolution verschwenderisch dick. Das sieht gut aus, macht ihn stabiler und erlaubt eine besonders präzise Lagerjustage. Viel Material kann aber auch viel Energie aufnehmen. Das ist hier eventuell erwünscht, um eine Senke für Resonanzen zu schaffen, die es durch die – stets nach außen zeigenden – Lagerspitzen vom Arm weg bis dorthin schaffen (Foto: B. Rietschel)

Er hat durchaus angenehme, sympathische Eigenschaften, etwa exzellente und sorgfältig justierte Lager, die wirklich spielfrei und geschmeidig-seidig laufen. Oder die geniale Armablage, die das Rohr sanft und dennoch sicher mit Magnetkraft in der Parkposition sichert. Und einen äußeren Kardanring von absolut gewaltiger Dimensionierung, dessen Masse und Festigkeit unter Garantie dem Klang nicht schaden. Auch der Lift arbeitet vorbildlich präzise. Das muss er auch, denn ohne Lift ist der Arm nicht wirklich sicher oder gar komfortabel zu bedienen. Das liegt an dem sehr un-griffigen, nach hinten fliehenden Headshell-Griff, der den Finger beim Anheben heimtückisch abrutschen lässt – nichts, was ich mit teuren Tonabnehmern riskieren möchte.

Klar kann man jetzt sagen „dann nimm halt den Lift, du Trottel“. Und hat damit völlig Recht. Aber irgendwie passt das zu einem Arm, der mich offenbar ärgern will. Etwa auch damit: Die Headshell fluchtet nicht mit dem Armrohr. Sprich: Ist beim Testgerät letzteres parallel zur Platte, zeigt erstere dezent himmelwärts. Nicht drastisch, aber genug, um die Systemjustage zu erschweren. Denn nun muss man den universellen VTA-Justage-Ausgangspunkt „System parallel zur Platte“ zwingend direkt am System ermitteln, statt einfach den Arm parallel zu stellen. Das erfordert ein gutes Auge und / oder allerlei Peilhilfen. Und letzten Endes dann auch oft ein gezieltes Unterfüttern des Systems mit geeigneten Abstandsstücken, um wieder Parallelität herzustellen. Bei uns waren es zum Beispiel 0,5 mm an der Vorderkante des MC Quintet Blue.

Pro-Ject X8 Headshell
Komplett aus Kohlefaser: Pro-Ject lässt das Carbonrohr des 9cc Evolution direkt in das Headshell übergehen. Anders als das Rohr, das aufgrund seiner Form über eine hohe strukturelle Festigkeit verfügt, ist das flache Headshell überraschend flexibel und weicht mechanischen Spannungen durch Verwindung aus. Das erschwert die gerade Ausrichtung des Systems, eine einmal gefundene Einstellung bleibt aber dauerhaft stabil (Foto: B. Rietschel)

Wer nicht wöchentlich ein neues System einbaut, kann mit dem zusätzlichen Aufwand leben – sofern er überhaupt informiert ist, dass es darauf zu achten gilt. Wir schreiben hier auch deshalb so ausführlich über die Tücken des Arms, weil er bei korrekter Justage wirklich exzellent klingt. Und nur dann. Diese Mühe muss sich jemand machen. Der Händler, der Besitzer oder sonst jemand mit Erfahrung und Liebe. Korrekt, das bedeutet zum Beispiel auch korrekten Azimuth – jene Größe, die gerade höherwertige Systeme penetrant zischelig klingen lässt, wenn sie nicht perfekt stimmt.

Hier rückt eine weitere Besonderheit des Carbonarms in den Fokus: Das Headshell gibt elastisch nach, wenn man die Befestigungsschrauben des Systems anzieht. Besonders deutlich geschieht das bei Systemen mit unebener Montagefläche – also etwa vielen neueren Ortofons mit ihren drei erhabenen Kontaktpunkten. Wer da ausgehend von korrekter Justage nur mal eben die Schrauben nachzieht, hat nachher garantiert nicht mehr den richtigen Azimuth. Man kann aus dem Bug aber ein Feature machen: Mit präzisem Feedback – etwa einer Mini-Stablibelle quer übers Headshell gelegt oder einem Spiegel unterm System – ließ sich der Azimut über das Anzugsdrehmoment extrem feinfühlig und reproduzierbar einstellen. Für alle Fälle gibt‘s zudem auch eine Klemmschraube am Lager, die man öffnen und dann das Armrohr verdrehen kann.

Hörtest

Beim X8 lohnt sich die Mühe einer wirklich sorgfältigen Justage doppelt. Denn die Qualitäten des Laufwerks haben eine bestmögliche Umsetzung wirklich verdient. Noch bevor wir über Arm und Tonabnehmer nachdenken können, beeindruckt uns der mächtige, ruhige Flow dieses Spielers – ein genaues Abbild der oben beschriebenen Qualitäten verwandter Antriebe. Und damit genau das, was man sich von einem Masselaufwerk erhofft, jedoch überraschend selten bekommt: Felsenfest definierte Tonhöhe, ungestört stabiles Ausklingen, einen sehr druckvollen, zugleich aber auch agilen Bass. Gerade der Bass scheint manchen Schwergewichten auf mysteriöse Weise verloren zu gehen. Was nahelegt, dass Masse allein zwar das Messlabor, nicht aber zwingend auch den Hörer glücklich macht.

Der X8 trifft genau die richtige Balance – weshalb ich „The Line Is A Curve“ von Kae Tempest mehrmals durchhörte, statt nur ein, zwei Stücke kurz anzuspielen. Da schnalzen einem Percussion-Akzente ins Gesicht, als hätte man bei einer Zwille das falsche Ende losgelassen. Die (elektronische) Bassdrum beult dazu satt und saftig ihr Fell, und „Salt Coast“ beginnt auf Keyboard-Harmonien zu gleiten wie eine nächtliche Fahrt durch ein verregnetes, grünlich-graues England. Dazu Ka(t)e Tempests eindringliche Poesie, halb Rap, halb Spoken-Word-Performance – ein berührendes Stück, das in dem dunklen, verbindlichen Drehmoment des Pro-Ject-Spielers einen idealen Antrieb findet.

Pro-Ject X8 Quintett Blue
Sowieso eines der besten MCs seiner Klasse, ist das MC Ortofon Quintet Blue nahezu schon gesetzt, weil es im SuperPack-Bundle nur 300 Euro kostet (Foto: B. Rietschel)

Wie fast alle gehobenen Pro-Jects gibt es auch den X8 wahlweise pur oder on the rocks, als Bundle mit Tonabnehmer, das Pro-Ject dann SuperPack nennt. Der Vertrieb ATR hat dafür mit dem Ortofon Quintet Blue eine gute Wahl getroffen: Für ein MC ohnehin sehr günstig, kostet es im SuperPack höchst attraktive 300 Euro Aufpreis. Es bringt zu diesem Kurs aber bereits einen nackten elliptischen Diamanten mit, der viel leichter und damit abtastfreudiger ist als sein preiswerter metallgefasster Kollege im Quintet Red. Hinzu kommen niederohmige, leichte Silberspulen (7Ω DC-Widerstand), die es dennoch auf gesunde 0,5mV Ausgangsspannung bringen. In der Tat spielt das Blue im Vergleich deutlich lauter und präsenter als etwa das (fünfmal so teure) Vergleichs-MC Thorens TAS 1600. Mit vielen erschwinglicheren Phonostufen – also erschwinglicher als unsere Luxman E-250 für 2300 Euro – erwächst dem Ortofon-System dadurch ein indirekter Klangvorteil, den man in der Praxis natürlich gerne mitnimmt.

Angeschlossen wird der X8 mit einem vorinstallierten, hochwertigen Cinchkabel. Am Luxman E-250 spielte die Kombination auf Anhieb absolut brummfrei und dank der recht hohen Ausgangsspannung in Kombination mit Eingangsübertragern auch extrem rauscharm. Wer eine der neuen symmetrischen Phonostufen sein Eigen nennt, kann die Verkabelung im Handumdrehen auf symmetrische XLR-Kabel wechseln. Der Arm trägt dazu in seinem Sockel die klassische Fünfpolkupplung à la Linn oder SME und ist auch bereits korrekt für symmetrischen Betrieb verdrahtet. Also Stecker raus – Stecker rein, und weiter geht‘s symmetrisch, etwa an der Phono Box RS2 oder den Phono Box-Messeneuheiten DS3B und S3B.

Anfangs war ich mir nicht ganz sicher, ob das Quintet Blue mit einer Compliance von 15 nicht vielleicht zu steif für den recht leichten Pro-Ject-Arm ist. Schließlich hat der 9cc nur eine effektive Masse von 8,5 Gramm. Ortofon selbst sieht die Kombination aber als „recommended“ an, wie man leicht in einem Diagramm auf der Website der Dänen  nachprüfen kann. Eigene Versuche bestätigen das auch experimentell. Ich habe dazu den Arm mit Zusatzgewichten am Headshell und Gegengewicht schrittweise schwerer gemacht und die effektive Masse so auf bis zu 18 Gramm erhöht. Mehr als drei Gramm Zusatzmasse (also 11-12g effektiv) führten subjektiv bereits zu einer Verschlechterung: Die quietschsauber-knackigen Mitten, die vor allem Stimmen eine sehr reizvolle, griffige Unmittelbarkeit verliehen, schienen sich dann zurückzuziehen, dafür wurde der Grundton wärmer, aber auch strukturärmer.

Pro-Ject X8 Antrieb Lankum
Schwierige Kost für jeden Toanbnehmer: Die irischen Folk-Forscher Lankum eröffnen ihr aktuelles Album „The Livelong Day“ mit dem zehnminütigen „The Wild Rover“ das als mehrstimmiger Folksong beginnt und als akustisches Drone-Crescendo ziemlich überwältigend endet. Wirklich in Schwierigkeiten kommen die Abtaster aber meist erst beim zweiten Track „The Young People“, wo auf den inneren Rillen der Platz für die gebotene Dynamik knapp wird (Foto: B. Rietschel)

Ich kann hier also beruhigen: MC Quintet Blue und 9cc Evolution spielen hervorragend zusammen. Mit den empfohlenen 2,3 Gramm Auflagekraft, Antiskating auf dem äußeren Ring (die Verstellung dürfte ruhig etwas genauer sein) und den Tonabnehmer aus der exakt horizontalen Position um eine Winzigkeit hinten angehoben. Um das hinzubekommen, sollte man bereits beim Einbau dafür sorgen, dass System und Armrohr-Mittelstrich weitestgehend parallel sind – und den Rest dann wie gewohnt nach Gehör und mit der Arm-Höhenverstellung machen.

So sauber und verzerrungsarm, wie im 9cc Evo bekommt man das Quintet Blue jedenfalls nicht überall zu hören. Das System entwickelt im Pro-Ject eine Vorliebe für „schwierige“ Gesangsaufnahmen. Etwa die vielstimmigen Chor-Arrangements des Deep Throat Choir: Dank preiswerter Indie-Produktion wird das wahrscheinlich nie 100% klar durchhörbar werden. Aber wie sich die Solisten, Stimmgruppen und -grüppchen etwa in „In My Bed“ mischen, überlagern und wieder voneinander absetzen, das ist schon mitreißend, glaubwürdig und frei von Verzerrungs-Sand, der hier bei kleinsten Abtastproblemen zuverlässig ins Getriebe rieselt.

Bryan Ferry Bête Noire
Brayn Ferrys Album „Bête Noire“ erschien 1987 (Cover: Amazon)

Auch eine kurze Exkursion in die musikalisch oft schlimmen 80er Jahre brachte Genuss: Bryan Ferrys LP „Bête Noire“ von 1987 hält zwar viel übergenaues, rastlos-kaltes Latin-Beatgeklapper bereit, das die Musik zuweilen klingen lässt, als hätten koksende Techniknerds den Soundtrack zu einem Aerobic-Videospiel schreiben wollen. Aber es gibt natürlich auch Ferrys edel schmachtenden Gesang, eine dunkle Melancholie selbst hinter den nervöseren Produktionen, und kolossale Arrangements wie das gospelig aufwallende „The Name Of The Game“. Der Pro-Ject hat auch damit kein Problem, gibt dem äratypisch etwas bassflachen Sound tüchtig Dynamik und zimmert meisterhaft Chor- und Keyboardebenen um Ferry herum, mit zahllosen kleinen Logen ober-, unterhalb und neben der Bühne für all die ungezählten Mischpultspuren. Das war richtig klasse – und nun kann die Platte wieder für 30 Jahre ins Regal.

Fazit Pro-Ject X8 mit Ortofon MC Quintet Blue

Der Pro-Ject X8 bezieht seine Kraft aus seinem einfach, aber wuchtig und präzise aufgebauten Laufwerk, das es überzeugend schafft, die Herkunft der Musik von einer rotierenden Plastikplatte zu leugnen. Man bekommt beim Hören das Gefühl, und das schreibe ich selten, ganz nah an den majestätischen Klang eines Masterbands heranzukommen. Da der Arm samt optionalem Tonabnehmer diese Illusion nicht stört, kann er ebenfalls nicht so schlecht sein. Vor allem aber passt er hier klanglich perfekt. Ich habe schon bedeutend teurere Arme auf mächtigen Laufwerks-Brocken gesehen, denen es an Bass, Lockerheit, Dynamik und Swing mangelte, weil die hier für 2.000 Euro zu hörende Harmonie sich dort für 20.000 Euro eben nicht einstellte. Der X8 ist definitiv kein Einsteigerplayer – schon wegen des Preises, aber auch wegen der etwas kniffligeren Justage-Arbeiten, die nötig sind, damit er sein volles Potenzial zeigt. Aber Platte hören wir ja nicht, um besonders billig an Musik heranzukommen. Und schon gar nicht aus Bequemlichkeit…

Pro-Ject X8 SuperPack
2022/05
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Kraftvoller, sehr stabil fließender Klang
Superpack-Option mit perfekt passendem Tonabnehmer
Leicht auf symmetrische Verkabelung umstellbar
Der Tonarm erschwert die korrekte Systemausrichtung

Vertrieb:
ATR – Audio Trade
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr
www.audiotra.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Pro-Ject X8: 1.999 Euro
Pro-Ject X8 Superpack (inkl. Quintet Blue): 2.299 Euro

Die technische Daten des Pro-Ject X8

Pro-Ject X8 SuperPack
Konzept:Masselaufwerk, Riemengetrieben, elektronische Regelung
Eingebauter Tonabnehmer:Ortofon Quintet Blue (MC)
Tonarm:Pro-Ject 9cc Evolution (Länge: 230 mm, Gewicht: 8,5 Gramm)
Besonderheiten:Laufbuchse mit Neodym-Magneten, Sandwich-Plattenteller (5,1 Kilo)
Ausgang:unsymmetrisch, aber auf symmetrisch umrüstbar
Abmessungen (B x H x T):46,5 x 15,0 x 35,0 cm
Gewicht:15,0 Kilo (inklusive dem ausgelagerten Netzteil)
Alle technischen Daten
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Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.